Doping in der BRD – 1970er Jahre
Hansjörg Kofink – 1970 bis 1972 BRD-Trainer im Kugelstoßen der Frauen
>>> Hansjörg Kofink, Portrait und Texte
Hansjörg Kofinks Name ist eng verbunden mit dem Widerstand gegen das Anabolika-Doping in den 70er Jahren.
Von 1970 bis 1972 arbeitete er als Bundestrainer der Frauen im Kugelstoßen. Im blieb die Entwicklungen im Ostblock und auch im Westen nicht verborgen, wahrscheinlich wie so manchen anderen auch, doch er ging entschieden dagegen an.
Als das NOK von ihm trainierte Sportlerinnen nicht für die Olympischen Spiele 1972 in München zugließ, wurde er deutlich. Für ihn war klar, die verlangten und erwarteten Leistungen seien nicht ohne Anabolika zu erreichen. Singler/Treutlein fassten die Situation zusammen:
„Er und seine Kugestoßerinnen erlebten mit, wie:
– Athletinnen, die etwas das Leistungsniveau der bundesdeutschen Athletinnen hatten, plötzlich deutlich weiter als diese stießen,
– reife Damen wie Iwanowa oder Nekrassowa nach jahrelanger Leistungsstagnation plötzlich wesentlich weiter stießen als in jungen Jahren,
– die DDR-Konkurrentin Margitta Gummel sich 1968/69 rasant steigerte,
– die andere Ostblockkonkurrenz im Wesentlichen 1969 nachzog, nach zum Teil jahrelangem gleich bleibendem Leistungsniveau,
– wie den bundesdeutschen Kugelstoßerinnen „wegen mangelnder Leistungsstärke“ die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 – im eigenen Land – verwehrt wurde.“
Kofink konkretisierte die Lage mit Hilfe einer Tabelle, in der er die Leistungsentwicklungen der führenden Kugelstoßerinnen weltweit aufführte:
>>> Zitate und Tabelle, Treutlein, 2006, S. 62 f, S. 76 ff
Mit verschiedenen Schreiben wandte sich der Trainer an das NOK, den DLV und an die Presse. Darin fasste er seine Erkenntnisse und Befürchtungen zusammen. Danach gab er seine Job als Bundestrainer auf.
Die Schreiben und die Antwort des NOK sind hier nachzulesen:
H. Kofink Schriftwechsel mit dem NOK 1972
1972: Kofink-Brief an NOK, 5.8.1972
1972: Brief NOK an Kofink, 11.8.1972
1972: Kofink-Antwort an NOK, 11.8.1972
1972: Kofink-Brief an DLV, 11.8.1972
Zitat aus dem Schreiben an das NOK im August 1972:
>>> Kofink, August 1972:
„Aufgrund meiner Erfahrungen, die ich während meiner Trainertätigkeit beim DLV seit 1970 und den damit verbundenen internationalen Kontakten sammeln konnte, steht für mich eindeutig fest, daß diese Entwicklung ohne Anabolika oder ähnlich wirkende Mittel undenkbar ist! Dabei ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die DDR und die UDSSR über die Phase des Experimentierens mit diesen Stoffen längst hinaus sind … Daß der Deutsche Leichtathletik-Verband die Anabolika im Alleingang auf die Doping-Liste gesetzt hat, ist reine Augenwischerei, die ihn jeder weiteren Auseinandersetzung in dieser Frage enthebt.“ (…)
Meine persönliche Stellungnahme zu diesem Problem steht fest (…) Ich lehne den Gebrauch von Anabolika, insbesondere bei Frauen, kategorisch ab. (…) Aus Ihrer Entscheidung muß ich entnehmen, daß der ‚olympische‘ Leistungsstand im Kugelstoßen der Frauen auch vom NOK für Deutschland gebilligt und gutgeheißen wird. Sie liqidieren damit eine Disziplin der Frauen-Leichtathletik in unserem Land, die sich aus guten Gründen gegen den sich seit Jahren immer mehr verbreitenden Anabolika-Mißbrauch gestemmt hat. Sie werden es sich gefallen lassen müssen, daß dieser, Ihr Beschluss als eine de-facto-Zustimmung zur Verwendung von Anabolika auch im Frauensport gedeutet wird, und Sie werden die Verantwortung dafür zu tragen haben, wenn der von Sportärzten mehrfach beklagte Anabolika-Mißbrauch in der Jugend-Leichtahletik im DLV-Bereich von nun an auch auf die Mädchen übergreifen wird! … Ich finde die Haltung des NOK zu diesem Problem ausgesprocen zynisch. Sie bestrafen Athletinnen, die sich an Ihre Gesetze halten … .“