Doping BRD: 1969 Berendonk, Brigitte: Züchten wir Monstren?

1969 Text von Brigitte Berendonk zum Anabolika-Doping in der Leichtathletik:
Züchten wir Monstren?

Prof. Dr. Ludwig Prokop
„Viele Sportler, zum Beispiel Radrennfahrer, Schwerathleten, Fußballer, viele Leichtathleten, Skiläufer und Eisschnelläufer, werden fast routinemäßig auf den Wettkampf mit Medikamenten vorbereitet. Doch muß ein solches Doping sowohl aus medizinischen als auch allgemein sportlich-ethischen Grundsätzen abgelehnt werden.“
(Genannt werden folgende Präparate und ihre Hersteller: Cardiazol Knoll Ludwigshafen, Dianabol Ciba Wehr (Baden), Emdabol Merck Darmstadt, Pervitin Temmler Marburg, Sympatol Boehringer Ingelheim)
Selecta 10/43 S.2803 (1968)

Brigitte Berendonk war 1958 DDR-Vierkampf-Meisterin und nach der Flucht der Familie in den Westen Fünfkampf-Jugend-Meisterin 1959 der Bundesrepublik. Ab 1967 war sie Mitglied der Leichtathletik-Nationalmannschaft der BRD. 1968 und 1972 nahm sie in der Disziplin Diskuswerfen an den Olympischen Spielen teil. 1968 machte die Sportlerin in einem viel beachteten Artikel in der ZEIT auf das verbreitete Anabolikadoping aufmerksam und warnte vor den Folgen.

1991 veröffentlichte Brigitte Berendonk das Buch Doping-Dokumente, in dem sie gemeinsam mit ihrem Mann Prof. Werner Franke umfangreich das Dopingsystem der DDR und auch der BRD offenlegte. Noch heute gehört diese Dokumentation in der Auflage von 1992 „Doping – Von der Forschung zum Betrug“ zu den grundlegenden Büchern der gesamtdeutschen Dopinggeschichte.

Der Text erschien in die Zeit am 5.12.1969.
Brigitte Berendonk-Franke erlaubte c4f/doping-archiv.de den Abdruck Ihres Textes – besten Dank!

Züchten wir Monstren?

Die hormonale Muskelmast / Von Brigitte Berendonk

Seit Mexiko und Athen kann man es auch beim besten Willen nicht mehr vornehm vertuschen: Die Hormonpille (oder -spritze) gehört anscheinend ebenso zum modernen Hochleistungssport wie Trainingsplan und Trikot, wie Spikes und Spesenscheck. Nach meiner Schätzung treffen sich bei großen Wettkämpfen bald mehr Pillenschlucker als Nichtschlucker. Olympia nach dem Motto: Dianaboliker aller Länder, vereinigt euch! Nahezu alle Zehnkämpfer der Weltklasse nehmen die Pille, 90 Prozent der Werfer, Stoßer und Gewichtheber, etwa die Hälfte der Springer und Sprinter, und auch bei den Ruderern, Schwimmern und Mannschaftsspielern wird sie immer beliebter. Manche „Pillenkönige“ wie der durch seine Sportverletzungen berühmte US-Zehnkämpfer Russ Hodge, sein glücklicherer Teamkamerad Bill Toomey oder der schwedische Diskus-Cassius Ricky Bruch sollen schon zum Frühstück horrende Portionen der muskelbildenden Androgene schlucken, so daß ihr Apotheker eigentlich Nachschubschwierigkeiten haben müßte.

Kugelstoßer Parry O’Brien (USA), der 1953 als Erster die 18-m- und 1956 die 19-m-Marke übertraf, 1970:
„Im Jahre 1964 schluckte ich in acht bis neun Monaten gute 15 Pfund Anabolica und erreichte damit mein Höchstgewicht von 125 kg. Ich habe meine Leistungen auf diese Weise verbessert und ständig zwischen 19,40 und 19,50 im Kugelstoßen erreicht. Aber ich habe auch einen Teil meiner Schnelligkeitsreaktion eingebüßt, wurde nervös, fand keinen richtigen Schlaf mehr und verpaßte die Möglichkeit, auch die 20-m-Marke noch zu übertreffen. Deshalb habe ich nach den Olympischen Spielen in Tokio endgültig mit diesen Drogen Schluß gemacht, ebenso wie Randy Matson und Al Oerter, der Diskuswerfer. Parry O’Brien hält es für ein Glück, daß er die Anabolica-Kur unter der Kontrolle eines Arztes durchführte, ebenso wie die Wurfathleten HaI Connolly (Hammer) und Rink Babka (Diskus). Für den Athleten, der durch seinen Stil im Kugelstoßen bahnbrechend wurde, sind Anabolica nichts anderes als gefährliche Dopings.“
(National-Zeitung (Schweiz), nach LdLA 46/1970)

Und wenn mir heute beispielsweise ein Wurfathlet beteuert, keine Anabolica zu nehmen, dann glaube ich ihm vorerst ganz einfach nicht; zuviel ist in dieser Frage bisher schon gelogen worden, von Offiziellen wie von Athleten. So sind auch die — schon an ihrem Beamtendeutsch als einstudiert erkennbaren — Dementis der urplötzlich so stark gewordenen DDR-Asse oder ihrer Vormund-Funktionäre schlichtweg unglaubwürdig. In privatem Gespräch — so etwa einem britischen Athleten gegenüber — haben einige von ihnen den Gebrauch von Anabolica (angeblich auch injiziert) unumwunden zugegeben. Im Frauensport scheint man ebenfalls mehr und mehr nach der Eliminierung der „natürlichen“ nun die künstlichen = hormon-induzierten Intersexe heranzubilden: Jedenfalls geben Muskelmassenzunahmen von mehr als fünf Kilo in wenigen Wochen (bei erwachsenen Frauen) ebenso deutliche Hinweise wie eine galoppierende Akne oder bestürzt erörterte Zyklusstörungen.

Es ist offensichtlich: Die Leistungssteigerungen des letzten Jahrzehnts zum Beispiel in den technischen Disziplinen der Leichtathletik gehen nur zum geringeren Teil auf Verbesserungen des Bewegungsablaufes (die heutigen 20-Meter-Kugelstoßer sind technisch keineswegs besser als der Parry O’Brien der‘ fünfziger“ Jahre), der Trainingsund Lebensbedingungen zurück. Schon seit vielen Jahren stärken sich etwa US-Athleten, die berühmten schwarzen „Naturtalente“ regelmäßig mit dem CIBA-Präparat Dianabol, einem Mittel, das auch heute noch weithin — jedenfalls von westlichen Athleten — bevorzugt wird.

Der Erfolg dieser exzessiven, hormonalen Muskeimast ist augenscheinlich und auch in dieser Zeitung mehrmals glossiert worden. Ein heutiger Kraftathletik-Wettbewerb versetzt ja durch die Typologie der Athleten das Publikum regelmäßig in einen Gefühlszwiespalt aus Horror und Amüsement. Eine kleine anabolische Zeitbombe liegt nun darüber hinaus noch in dem vor kurzem in dem renommierten US-Journal Science erschienenen Bericht von Johnson und O’Shea (Oregon State University) versteckt. Diese stellten überraschenderweise nach Dianabol-Gabe nicht nur Muskelkraftzuwachs, sondern auch eine erhöhte Sauerstoffaufnahme fest. Sollten sich solche Befunde erhärten lassen, dann dürften sich demnächst wohl auch unsere Dauerleister in die Schar der Anabolicaschlucker einreihen.

Während aber in den Ländern des Ostblocks (und vielfach auch im Westen) die Anabolicaverabreichung anscheinend ärztlich wirkungsvoll kontrolliert ist, wird sie in der Bundesrepublik in geradezu grotesk dilettantischer Weise gehandhabt. Man überläßt sie nämlich — „nichts hören, nichts sehen“ — mit besten Wünschen und ein wenig schlechtem Beigeschmack ganz einfach den Trainern, Hilfstrainern, Klubmedizinmännern, Masseuren und — meistens — den Athleten selbst: Es schlucke ein jeder nach seiner Fafon!

Daß Androgene eine Reihe von — teilweise irreversiblen — Fehlentwicklungen verursachen können, steht wohl zumindest ebenso fest wie ihre muskelbildende Wirkung: beispielsweise Disproportionierung von Sexualorganen und -verhalten, Akne (mit all ihren psychischen Folgen), Ödeme, Schädigungen des Skelettsystems, des Stoffwechsels von Leber, Prostata und Nebennierenrinde, Libidostörungen (von den Athleten selbst natürlich am meisten gefürchtet und diskutiert).

Darüber hinaus wirken Androgene zwangsläufig auch die Psychopharmaka: Aggressivität, Stimmungsschwankungen, übertriebenes Selbstgefühl („feeling of well-being“). Ganz generell scheint hierbei der — bei Leistungssportlern häufig ohnehin schon verlangsamte — Reifeprozeß noch weiter gebremst zu werden. Die Pubertät nimmt schier kein Ende! Viele der seltsamen pubertären Show-Ausbrüche etwa von Jahn Carlos, Ricky Bruch oder vielen Gewichthebern könnten durchaus auch eine Folge des erhöhten Androgenspiegels sein. Biochemiker und Biologen, mit denen ich die Problematik solcher Eingriffe in das Hormongleichgewicht diskutierte, zählten darüber hinaus mit Leichtigkeit noch eine ganze Reihe zu erwartender Nebenwirkungen auf; Nebenwirkungen, die sich bei Durcharbeiten der einschlägigen Literatur auch prompt als so gut wie gar nicht untersucht herausstellten. (Eine bezeichnende Parallele übrigens zu jener „anderen“, der Antibabypille!)

Helmut Acker, 1972:
„Der von Sehnen- und Bänderzerrungen geplagte Zehnkampf-Rekordler Kurt Bendlin hat schon 1966 Erfahrungen mit Dianabol gesammelt und nach drei Monaten das Präparat wegen starker Gewichtszunahme wieder abgesetzt.“

Wohl die größte Gefahr des Anabolica- Gebrauchs, vor allem des unkontrollierten, scheint mir aber in dem zunehmenden Mißverhältnis von Muskel und Skelett zu liegen. Sehnen- und Gelenkverletzungen, in der Öffentlichkeit gern mit Schaudern als unumgänglicher Tribut an den heutigen Leistungssport schlechthin angesehen, sind häufig nichts weiter (das muß einfach einmal klargestellt werden) als die persönliche Schuld des Athleten oder seiner Promoter. Diese von der Nation bejammerten Verletzungen von Starathleten („Und wir alle, liebe Zuhörer, zittern in diesen Minuten um den Ellenbogen!“) sind nicht sport-, sondern dianabolbedingt; sind das Risiko derjenigen, denen ihr natürliches Talent nicht genügt, die sich und ihre Umwelt unfair betrügen wollen. Diese erhöhte Verletzungsgefahr durch Anabolica haben übrigens verschiedene Athleten, wie sie mir erzählten, durchaus an sich selbst registriert. Wer, um eine Wettkampfsaison überhaupt nur überstehen zu können, bis zu hundert Cortison-, „Scheroson“- oder sonst was für Spritzen benötigt, ist ein bemitleidenswerter Krüppel und keineswegs ein Vorbild für die Jugend. Mit dem heute üblichen „Bild“-breiten Erörtern von Sportverletzungen holt man bestimmt nicht die Jugendlichen auf den Sportplatz oder gar nach München.

Auf der anderen Seite ist natürlich der durch Pille und Steak gesteigerte Muskelzuwachs für den Athleten einfach zu verführerisch. Ich kenne mehrere bundesdeutsche Athleten, die bei einer Formkrise einfach sagen: „Was soll’s? Mach* ich eben mal wieder ’ne Kur!“; dann ein paar Wochen bei hoher Trainingsbelastung und eiweißreicher Kost täglich bis zu 25 mg der kleinen weißen (oder roten) „Puppen“ schlucken und anschließend die Öffentlichkeit mit einer „tollen Steigerung“ überraschen, so etwa im Kugelstoß bis zu 2 m, im Diskuswurf bis zu 7 m und im Speerwurf bis zu 10 m. Natürlich sprechen nicht alle Athleten gleich optimal auf die androgenen Steroidpräparate an, zumindest nicht auf die zur Zeit im Westen kommerziell erhältlichen; einige sogar — zu ihrem Jammer — fast überhaupt nicht! So wie sich die Dinge entwickeln, wird etwa in einigen Jahren nicht mehr der talentierteste, technisch und kämpferisch beste Athlet der „Größte“ sein, sondern der, dessen Muskelmetabolismus am besten auf die erhältlichen Androgene anspricht.

Sportführung und Sportpresse haben sich, von einigen gelegentlichen Vorstößen abgesehen, bisher im wesentlichen nur darum bemüht, daß der Sport nicht „sein Gesicht verliert“. Man war peinlich darauf bedacht, das derart weitverbreitete Doping mit Steroiden (und die chemische Kategorie ist ja, die Sache mal zu Ende gedacht, der einzige Unterschied zum verbotenen Doping etwa mit Alkaloiden) zu vertuschen und zu verdrängen. Genau wie man zuvor lange, sehr lange die Existenz von Intersexen im Frauensport verdrängt hat oder wie man auch heute noch sorgsam die zum Teil bereits zur Regel gewordenen Verstöße gegen das geltende Amateurstatut verdrängt und vertuscht. Solche handgreiflichen Mißstände zu registrieren steht wohl zu sehr der naiven „Mens-sana-Ideologie“ entgegen, beschmutzt das eigene olympische Nest, stört den edlen Brundage-Coubertinschen Kaloskagathos- Traum. Denn das scheint allen Beteiligten doch halbbewußt zu sein: Hat das Publikum erst einmal den Sport und den Sportler als manipulierbar durchschaut, dann geht die Faszination natürlich schnell flöten. Nicht zuletzt daher dieses offensichtliche internationale Stillhalteabkommen.

Es besteht nun aber meiner Ansicht nach eine klare Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit, die Pflicht nämlich, sie über Ursachen und Hintergründe des heutigen Leistungssports ungeschminkt aufzuklären. Zu bewundern gibt ss nämlich in den Stadien von heute zunehmend mehr nur noch die Triumphe der pharmazeutischen Industrie, nicht die Triumphe des Sports. Die Eltern eines zum Mehrkampf begabten Sohnes beispielsweise müssen wissen, daß .dieser im .leutigen-Trainings-, und Wettkampfleben früher oder später zum Schlucken von Hormonpräparaten verführt wird. (Um Rezeptpflichtigkeit scheren sich die Trainer und Einflüsterer sowieso nicht; daß die ganze Dianabolschluckerei gesetzwidrig ist, stört anscheinend niemanden, auch einige der Herren Sportärzte nicht!)

In solchen Fragen mit der angeblich „freien Entscheidung“ des Sportlers zu argumentieren, ist schlichter Nonsens. Denn die Verführung durch das von außen gesetzte Leistungsziel, die Magie des prophezeiten Erfolges ist einfach zu groß, als daß junge Menschen dem widerstehen könnten, zumal wenn sie erst gar nicht über das Risiko aufgeklärt werden. Wer heute die Welt des Leistungssports betritt, muß wissen, daß hier die Gesundheit des einzelnen Athleten nichts, der Erfolg des Verbandes alles bedeutet. Wer „draufgeht“ — sei es durch Pech, sei es durch Doping, ist im Nu abgeschrieben, von hämischen Kommentaren der Funktionärskameraderie begleitet („Keinen Biß mehr, der Junge! Verletzungsanfällig, immer schon gesagt! Verweichlicht! Aber wir früher: zäh wie Kruppstahl!“ — Man vergleiche hierzu etwa auch die entsprechenden Aussprüche von Dr. Danz anläßlich des USA-Länderkampfes).

Nach der weithin akzeptierten Definition von Doping als der bewußten Aufnahme von nicht zur normalen Nahrung gehörenden Substanzen zum Zwecke der Leistungssteigerung ist der Gebrauch von Anabolica Doping. Da beißt keine Maus einen Faden ab! Und alles Drumherumgerede ist scheinheilige Schönfärberei: Welche Möglichkeiten einer wirksamen Kontrolle von Anabolica-Doping gäbe es denn eigentlich? Nach vielen Diskussionen mit Fachleuten scheint mir nur ein — wegen der bekannten Nachweisschwierigkeiten von Hormon-Doping zugegeben etwas komplizierter — Weg beschreitbar: 1. Die Sportverbände verpflichten sich zur ständigen Hinnahme einer internationalen Hormon-Doping-Kontrolle. 2. Ein internationales Gremium aus mindestens drei Fachärzten verschiedener politischer ‚Block- Zugehörigkeit bestimmt stichprobenartig durch ein Zufallssystem in unperiodischer Folge unter den 20 oder 30 Weltbesten einer jeden Disziplin die Namen von Sportlern (Sportlerinnen), die sich dann „(an ihrem Heimatort) binnen zwei Tagen einer Urin und Blutuntersuchung durch eben diese internationale Kommission stellen müssen. 3. Überschreitet der Gesamtgehalt an Androgenen (beziehungsweise Androgenderivaten und Abbauprodukten) des Blutplasmas oder des Urins einen oberen Normalwert, oder werden qualitativ körperfremde androgene Steroide im Chromatogramm angetroffen, so liegt Doping vor, und der betreffende Athlet oder (und) Verband erhält eine Sperre. (Als einzige Ausnahme würde die medizinisch begründete Anwendung von Anabolica in Krankheitsfällen gelten.) Aber man darf nicht übersehen, daß für eine solche unbestechliche und faire Kontrolle nicht viel Hoffnung besteht. Die Widerstände, vor allem von Ostblockländern, wären zu groß, als daß man hier optimistisch sein dürfte.

Ganz besonders bedenklich aber scheint mir an all dem Hormon-Doping-Wahn dieses zu sein: Hier wird zum erstenmal in der Geschichte des Sports der Mensch auf einen nur vom Unterhaltungsund Prestigebedürfnis der Gesellschaft bestimmten Scheinwert (Rekord oder Medaille) hin biologisch — und zwar teilweise irreversibel — manipuliert. Für den Jugendlichen etwa, dessen Entwicklung durch Zuführung von Androgenen aberrant verläuft, gibt es kein Zurück. Der Sportler begibt sich durch die derart weitgehende Unterordnung unter das hysterische Medaillengeschrei des Volkes einen .weiteren entscheidenden Schritt (der erste war die Bezahlung der sportlichen Leistung) auf das Gladiatorentum zu. Der Anspruch der TV-Nation auf die biologische Steuerung der sportlich talentierten Menschen („Die Leute sind eben sauer, wenn kein Westdeutscher auf dem Treppchen steht“) geht _ zu weit, geht logischerweise noch wesentlich weiter als im Falle des kurzfristigen Dopings etwa mit Aufputschmitteln. Principiis obsta?

Doch so naiv kann man wohl spätestens seit der internationalen Drogenmesse Mexiko 68 nicht mehr sein! Der Zug scheint abgefahren, und zwar genau in die falsche Richtung. Wer würde sich denn auch noch wieder für nichthormonale 18-m-Kugelstöße oder Gewichtheberleistungen im olympischen Dreikampf unter 500 Kilo interessieren! Die nächsten Stationen zeichnen sich bereits klar ab, beziehungsweise sind in einigen Ländern schon Realität. So die in „Sportgymnasien“ di(an)abolisch konsequent aufgebauten Olympioniken — oder die nach Kaninchenzüchterregeln, gewissermaßen als Sportlebensborn, durch Paarung von Hochleistern produzierten Höchstleister (Beispiele solcher Versuche sind Kennern bekannt) — oder der Einsatz spezieller Wachstumshormone bei jugendlichen Talenten (hierüber wird schon recht konkret gemunkelt). Und ich nehme Wetten darauf an, daß bereits von den nächsten Olympischen Show-Wettkämpfen an in bestimmten Disziplinen immer mehr hqrmonal gesteuerte Zuchtprodukte einmarschieren. Zum Diskusoder Kugelfinale werden sie in die Arena stampfen wie Rückkreuzungen vorzeitlicher Fabelwesen: 2,30 m hohe und über 3 Zentner schwere Horrorkolosse aus dem Labor des Baron Frankenstein. Und das Publikum wird sie und ihre Darbietungen noch mehr belachen und bestaunen als schon heute üblich, so wie den Zuchtbullen Kasimir oder den großen Orang- Utan im Baseler Zoo: Schaubudenmonstren, „zweckvoll“ konstruiert.

Kürzlich fiel mir Aldous Huxley wieder in die Hände: „ .. . und ihre Föten, gestopft voll mit Blutersatz und Hormonen, wuchsen und wuchsen und wuchsen oder … schlafften ab zu kümmerlichem Epsilon-Dasein.“ Brave New World? Im Sport hat sie jedenfalls bereits begonnen.