Schriftwechsel H. Kofink mit DLV und DOSB
1. Offener Brief: Kofink an Prokop, 25.4.2009
2. Offener Brief: Kofink an Prokop, 10.5.2009
3. Offener Brief: Kofink an Schäuble, Bach, Prokop, 6.6.2009
4. Offener Brief: Kofink an Thomas Bach, 5.7.2009
Hintergründe zu diesem Offenen Brief sind hier nachzulesen:
>>> Doping-Aufarbeitung in der BRD
4. Offener Brief: Hansjörg Kofink schreibt an Thomas Bach, 5.7.2009
Am 6.6.2009 richtete Hansjörg Kofink einen Offenen Brief an Wolfgang Schäuble, Tomas Bach und Clemens Prokop, diesem Schreiben war bereits ein Schriftwechsel mit Clemens Prokop vorausgegangen, siehe die Links oben.
Thomas Bach, DOSB, ließ offiziell über den DOSB-Justitiar H. Niese antworten:
Zusammenfassung des DOSB-Antwortschreibens, 29.6.2009
Die Antwort könne nur Aspekte berücksichtigen, die in die Verantwortung des DOSB fallen. Das Schreiben Kofinks ist aus Nieses Sicht verdienstvoll, weil es „sachkundig eine Problematik diskutiert, die uns im Sport alle beschäftigt. Dennoch sind nicht alle Vorhaltungen zutreffend bzw. Spekulationen richtig.“
Anzumerken sei, dass Protokolle und ergänzende Unterlagen der Reiter- und der Richthofen Kommissionen sich im Besitz des Justitiariats des DOSB befinden. „Unterlagen, die die Anti-Doping-Kommission des Deutschen Sportbundes (zunächst unter Leitung von Hans Evers) betreffen, befinden sich ganz überwiegend in Händen der NADA.“ Der Mangel an zufriedenstellenden Konsequenzen aus der Kommissionsarbeit sei vor allem darauf zurück zu führen, dass „sportliche Institutionen keine Ermittlungsbehörden sind und keine staatsanwaltlichen Befugnisse haben. Folglich kann jede Anhörung nur dazu beitragen, Vorgänge aufzuklären und ggf. hieran Empfehlungen zu knüpfen.“
Unmittelbare Sanktionen seien nicht möglich. Die Einstellung von Ermittlungsverfahren zu ehemaligen DDR-Trainern und -Funktionären zeige aber auch, dass von staatlicher Seite ebenfalls vieles nicht machbar sei, da häufig Vorwürfe und Verstrickungen nicht gerichtsfest belegt werden konnten. „Die Aufarbeitung, sofern sie zu spürbaren Konsequenzen führen soll, scheitert oftmals am Aspekt beweiskräftiger Belegbarkeit.“ Der Fall Goldmann sei einer der wenigen Fälle, in dem ein Zeuge seine Vorwürfe vor einem Gericht wiederholt habe.
Die Arbeit der Kommissionen sei aber keineswegs ohne Ergebnisse geblieben. „Die seinerzeitigen Anhörungen haben viel dazu beigetragen, Verständnis für die Systemstrukturen zu wecken und in den Fällen, in denen sich die Erkenntnislage verdichtet hatte, auch Empfehlungen auszusprechen. Weder der DOSB noch der damalige Deutsche Sportbund nehmen allerdings eine Wächterfunktion im freiheitlichen Sportsystem ein. Es ist folglich nicht möglich, der evtl. Nichtbefolgung einer Empfehlung Sanktionen hinterherzuschicken.“
Vieles sei seit Gründung des DOSB geschehen. Der Dopingopferfrage sei „nachhaltig gefolgt worden“, siehe Entschädigungsregelungen. Die Unabhängige Kommission für Dopingfragen (sog. Steiner-Kommission) könne anfragenden Institutionen sachverständige Empfehlungen geben, deren Umsetzung müsse dann allerdings von den Verbänden wieder selbst geregelt werden. Bei negativen Empfehlungen sei hier zudem u.U. abzuschätzen, ob ein Arbeitsrechtsstreit zu riskieren sei. „Für den Fall, dass es nicht zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, ist es aber nicht zulässig, zu spekulieren, „man wolle den Mantel des Schweigens ausbreiten.““
Antwortschreiben Hansjörg Kofink an Thomas Bach, 5.7.2009
Hansjörg Kofink, Lenaustraße 8, 72108 Rottenburg
An den Präsidenten des
Deutschen Olympischen Sportbundes
Herrn Dr. Thomas Bach
Otto-Fleck-Schneise 12
60528Frankfurt a. M. , Rottenburg, den 5. Juli 2009
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sie haben meinen Offenen Brief durch Ihren Justitiar, Herrn Dr. Niese, beantworten lassen. Dafür danke ich Ihnen ebenso wie für die darin ausgesprochene Anerkennung der in meinem Brief angesprochenen Problematik.
Ich akzeptiere Ihre Sicht der unterschiedlichen Zuständigkeiten von DOSB, DLV und BMI. Genau sie sind Teil der Schwierigkeiten, die sich bei der Diskussion der Dopingproblematik immer wieder zeigen. Aktuelle Ereignisse belegen das.
Für die anstehende wissenschaftliche Bearbeitung wird es wesentlich sein, dass sie auf die Protokolle der Kommissionen der frühen 1990er Jahre an bekanntem Ort Zugriff haben kann. Allerdings fehlt in Ihrer Auflistung die DSB-Kommission von 1977.
Sie beurteilen die Arbeit jener Kommissionen als „anerkennenswerte Arbeit“, auch wenn „nicht in jeder Hinsicht zufriedenstellende Konsequenzen erwachsen sind.“ Sie begründen das mit der Tatsache, dass „sportliche Institutionen keine Ermittlungsbehörden sind und keine staatsanwaltlichen Befugnisse haben“.
Auch dieser Beurteilung stimme ich zu.
Welchen Wert haben aber Anhörungen der vom Sport (DSB, DOSB) eingesetzten Kommissionen, wenn ihre Ergebnisse lediglich empfehlenden Charakter für die in eigener Verantwortung agierenden Fachverbände haben? In der Vergangenheit setzten Fachverbände danach eigene „unabhängige Juristenkommissionen“ ein, die dann ihrerseits „Empfehlungen“ aussprachen.
Sie schreiben, dass „weder der DOSB noch der ehemalige Deutsche Sportbund … eine Wächterfunktion im freiheitlichen Sportsystem“ einnehmen und damit einer Nichtbefolgung von Kommissions-Empfehlungen Sanktionen hinterher schicken können. Den Wert der von-Richthofen-Kommission sehen Sie darin, dass sie viel dazu beigetragen habe, „Verständnis für die Systemstrukturen zu wecken und … Empfehlungen auszusprechen.“
Ist das wirklich alles, was der freie Sport in Deutschland, ausgestattet mit einer eigenen Sportgerichtsbarkeit in all den Fällen leisten kann, in denen er mangels eigener Entscheidungsfähigkeit Kommissionen beruft, die unabhängig Untersuchungen führen und zu Ergebnissen kommen sollen?
Ich weiß, dass diese Kommissionen keine Sanktionen aussprechen können, auch nicht, wenn Anhörungen verweigert werden oder Aussagen ausdrücklich mit einem Schweigegebot versehen werden.
Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, dass jeder Fachverband des DSB/ DOSB aus solchen Kommissionsergebnissen je eigene Konsequenzen ziehen kann, die sich im Vergleich diametral widersprechen können.
Es braucht keine Wächterfunktion des Dachverbandes, um durch einen gemeinsamen DOSB-Beschluss festzulegen, dass z. B. Verurteilte wegen Arzneimittelhandels oder wegen Dealens mit Dopingmittel im Sportsystem keinen Platz mehr haben, d.h. keine Wahl- oder hauptamtliche Funktion übernehmen können. Damit ist nicht öffentliches Arbeitsrecht tangiert sondern das Hausrecht des Sports.
Sie sprechen die Rolle des Staates an und verweisen auf „die zahlreichen, zumeist eingestellten Ermittlungsverfahren gegen ehemalige DDR-Trainer und –Funktionäre“, wegen mangelnder beweiskräftiger Belegbarkeit oder weil öffentlich gemachte Verstrickungen nicht gerichtsverwertbar sind.
Hat der Dachverband des deutschen Sports jemals eine Dokumentation von Dopingverfehlungen zusammengestellt? Hat er neben Grundsatzerklärungen praktikable Instrumente sportrechtlicher Art vorgelegt, die von den Fachverbänden im jeweils aktuellen Dopingkampf aus freien Stücken, weil aus Überzeugung, eingesetzt und angewendet werden können?
Das würde die Freiheitlichkeit unseres Sportsystems nicht tangieren sondern stärken.
Haben die Fachverbände, die ja bis heute frei und selbständig die Sanktionierung von Dopingfällen vornehmen, sich jemals darüber verständigt, wie Trainer, Ärzte und Funktionäre wegen eines Dopingdelikts zur Rechenschaft gezogen werden können? Mit positiven Dopingproben oder durch freiwillige Geständnisse ist das wohl kaum zu machen.
Ohne solche Vorleistungen des Sports neben der sportrechtlichen Fokussierung auf Einzeltäter wird weder die Sportpolitik noch die öffentliche Gerichtsbarkeit das Dopingproblem des Sports lösen können noch lösen wollen.
Die aktuellen Doping- und Korruptionsprobleme, insbesondere im Profisport – selbst Urteilsbegründungen öffentlicher Gerichte folgen eher arbeitsethischen als sportethischen Maximen – werden mit großer Wahrscheinlichkeit eine grundsätzliche Veränderung der Dopingbekämpfung erzwingen.
Ich bedanke mich noch einmal für Ihr Antwortschreiben. Es hebt sich wohltuend ab von allem, was ich bisher in dieser Diskussion erlebt habe.
Mit freundlichen Grüßen
Hansjörg Kofink
p.s.: Da mein erstes Schreiben ein ‚Offener Brief’’ war, möchte ich das so beibehalten.