Dopingprävention: Radsport Team Lübeck
Interview mit Gert Hillringhaus, Jugendwart
„ICH BIN NOCH NIE EIN RADRENNEN GEFAHREN!“
Du betonst gerne „Ich bin noch nie ein Radrennen gefahren!“ – Was willst du damit ausdrücken?
Hillringhaus: Dass ich völlig ohne Beeinflussung als Quereinsteiger und -denker zu diesem Sport gekommen bin.
Du wurdest erstmals im Jahr 2000 während deiner Ausbildung zum C-Trainer mit dem Thema Doping-Prävention konfrontiert. Du lerntest ein Konzept kennen, das von Dieter Quarz und Ralf Meutgens entwickelt und an euch weitergegeben wurde.
War damals das Thema Doping, es war die Zeit des Festina-Prozesses, bereits ein Thema in deinem Verein, in deiner Vereinstätigkeit?
Hillringhaus: Ich habe 2000 erst angefangen zu lernen. Ebenso wenig wie ich die Weisheiten des Radsports annehmen wollte, habe ich auch die Dopingberichte kritisch in Frage gestellt.
Wie ich waren damals alle überrascht, was alles bis dahin gelaufen sein soll. Unglaublich was Menschen sich selber antun, um zweifelhafte Vorteile gegenüber anderen zu haben.
VEREINSÜBERGREIFENDE ARBEIT TROTZ KONKURRENZ
Gibt es in dieser verfahrenen Situation, in der sich der Radsport heute befindet, eine Zusammenarbeit zwischen den Jugendwarten, Vereinstrainern? Werden Erfahrungen und Tipps ausgetauscht um einen gemeinsamen Weg aus der Krise zu finden?
Antidoping-Deklaration Schleswig-Holstein (2006):
„1. Der Radsportverband Schleswig-Holstein hat erkannt, dass das Dopingproblem verharmlost und unterschätzt wird. Er ist überzeugt, dass die Zahl der gedopten Radfahrer größer ist als die Zahl der bislang überführten Doping-Positiven.2. Der Radsportverband Schleswig-Holstein hält schärfere Reglements und mehr Doping- Kontrollen als alleinige Maßnahmen für ungeeignet. Vielmehr fordert er ein bundesweit wirksames Präventionskonzept, das in der Jugend ansetzt und Radsportlerinnen und Radsportler ein Leben lang begleitet.“
(…)
Hillringhaus: Es gibt gute Kontakte mit Zusammenarbeit und Austausch, aber wir sind ja auch sportliche Konkurrenten. Die Radsportvereine innerhalb eines Verbandes kämpfen gegeneinander im Juniorcup, in allen Rennen, man kritisiert sich untereinander. An dem Punkt, an dem wir jetzt sind, ist aber auf jeden Fall Zusammenarbeit nötig, sind Zugeständnisse erforderlich. Man sollte den eigenen Vorteil und das eigene Denken hinter das Gemeinwohl zurückstellen und gemeinsam am Strang ziehen und nicht gegeneinander arbeiten – also nicht übereinander sondern miteinander reden. Aber schon gegeneinander im Wettkampf fahren.
Du bist auch Jugendleiter des Radsportverbandes Schleswig-Holstein. Wie unterstützt dich der Landesverband?
Hillringhaus: Der Verband steht voll hinter mir. Die Antidoping-Deklaration des Verbandes stammt von mir. Wir im Norden spüren eher und früher den Einbruch, sind sensibler, weil bei uns der Radsport eine Randsportart ist. Weiter südlich merkt man nicht, wenn irgendwo zehn Radsportler in fehlen. Wir haben nur diese zehn! Die wollen wir behalten!
Daher versuchen wir bereits in Schleswig-Holstein die vereinsübergreifende Zusammenarbeit, das klappt schon ganz gut. Wir werden das weiter ausbauen, stärker zusammenarbeiten. Schleswig-Holstein ist Vorreiter in vielen Dingen, was Reglements, was Ideen angeht, was Realisierung angeht. Ich denke, dass wir auch in diesem Punkt aufgrund der wenigen Leute, die wir nur haben, sehr transparent darstellen können, wie es eigentlich auch in großen Verbänden laufen kann.
VERBANDSÜERGREIFENDE PRÄVENTIONSARBEIT 7 -KONZEPTE
Der Präventionsgedanke wird immer häufiger in die öffentliche Diskussion gebracht, von den Medien und den verschiedenen Verbänden. Es entwickeln sich unterschiedliche, vielleicht sogar konkurrierende Konzepte. Gibt es schon eine Zusammenarbeit der verschiedenen Initiativen? Wird euer Konzept nachgefragt?
Hillringhaus: Ich habe ein wenig den Eindruck, dass man bezüglich der Dopingprävention und der entsprechenden Maßnahmen, wie Trainer- und Referentenausbildung, das Rad überall neu erfinden will, dass jeder Fachverband einer Sportart ein eigenes System braucht, eigene Unterlagen erstellen will. Natürlich ist es verständlich, dass die Turner anstelle eines Films mit einem Schwimmer, der mit Dopingmitteln in Kontakt kommt, lieber Turner sehen möchten. Aber es gibt bei der Deutschen Sportjugend hervorragendes Material und ich denke, man soll sich eher auf das besinnen, was es schon gibt, auf die Erfahrung, die es schon gibt und nicht bei Null anfangen.
Bislang wurde im Antidopingkampf überwiegend auf repressive Maßnahmen gesetzt. Welchen Stellenwert haben diese für dich?
Hillringhaus: Natürlich müssen Kontrollen sein, doch die Kontrollen, die bis jetzt gelaufen sind, sind einfach ungeeignet. Die Kontrollmethoden hängen den neuen leistungssteigernden Medikamenten immer um etliche Jahre hinterher. Es muss gezielter kontrolliert werden und ein bisschen mit Köpfchen. Die Entwicklung hin zu Blutprofilen ist nicht schlecht, aber ich sage, Repression funktioniert allein nicht. Es müssen diejenigen, die in die Versuchung kommen können, Medikamente zur Leistungssteigerung zu nehmen, stark gemacht werden zum Nein-Sagen. Es muss sich um den Sportler, die Sportlerin gekümmert werden, jugendliche Sportler müssen anders als bislang auf ein Leben im Leistungssport, im Profisport vorbereitet werden. Das ist die Aufgabe der Trainer und darauf muss auch in der Ausbildung der Trainer ein besonderes Augenmerk gelegt werden.
Wie hoch schätzt du die Kosten für eine effektive Präventionsarbeit im Jugend- und Amateurbereich im Vergleich zu den herkömmlichen Kontrollmaßnahmen?
Hillringhaus: Ich gehe davon aus, dass wir im Amateurbereich ca. 5000 C-Fahrer haben, 150 im B-Bereich und 250 A-Fahrer, das ist ein bisschen ein Unverhältnis. Aber man weiß ja, dass C-Fahrer, wenn sie gut fahren, schnell auf Durchmarsch machen und A-Fahrer werden, daher das Unverhältnis. Das sind über den Daumen gepeilt ca. 5 500 Fahrer im Amateurbereich, wenn man flächendeckend kontrollieren wollte. Eine Urinprobe kostet ca. 300 € plus 200 € für den EPO-Test, für eine Blutkontrolle benötigt man 1000 €.
Da entstehen Wahnsinnskosten. Wer soll die tragen? Die Prävention ist wesentlich günstiger zu haben, als wenn man alle Fahrer im Amateurradsport nur einmal im Jahr kontrollieren will.
Man braucht Multiplikatoren, man braucht Teamer, die in die Länder, in die Verbände, in die Vereine hinein gehen und die Idee der Prävention weitergeben. Die Trainer müssen entsprechend mit Methoden, mit Handwerkszeug, mit Mitteln, mit Folien, mit Spielen, mit allem Möglichem versorgt werden.
Der BDR beginnt im Februar ein Programm, bei dem vom Präventionszentrum in Heidelberg ausgebildete Teamer wiederum Referenten der Trainerausbildungen in den Radsportlandesverbänden für die Doping-Pravention sensibilisieren und ihnen Mittel und Werkzeuge an die Hand geben, um diesen neuen und umfangreichen Teil in den Ausbildungen zu C- und B-Trainern bewältigen zu können.
Jeder der 17 Landesverbände im Radsport könnte z. B. einen Freiwilligen im Sozialen Jahr beschäftigten, dessen Aufgabe es ist, die Präventivgedanken, die sich jetzt gerade herausbilden, zu ordnen, aufzuarbeiten, zu multiplizieren, in den Verband und in die Vereine hinein zu tragen, könnte denen erzählen, wie es geht. Das kostet 270 € im Monat. Ich denke, das kann sich jeder Verband leisten. Aber es wird trotzdem nicht gemacht.
LEISTUNGSSPORT? – LEISTUNGSSPORT!
Warum sollen Jugendliche überhaupt Leistungssport betreiben?
Hillringhaus: Leistung macht Spaß, macht widerstandsfähig gegen Stress, Ausdauertraining erhöht die Lernfähigkeit. Sport macht körperlich und sozial attraktiv.
Der Hochleistungssport lebt von der Spannung. Zudem lebt vor allem der Profi-Radsport noch von dem besonderen Mythos, dem Leiden, der übermenschlichen Herausforderung, nicht nur bei der Tour de France. An seine Grenzen gehen, wenn nötig darüber hinaus – das ist nicht negativ besetzt, sondern wird gefordert.
Hillringhaus: An seine Grenzen gehen zu können muss jeder bereit sein, über die Grenzen gehen können ist Kampfgeist. In diesem Bereich ist Radsport ein Kampfsport. Das muss jeder akzeptieren, der Radrennen fährt – genau wie das Prinzip des Fair-Play.
Es ist sicherlich häufig der Eindruck entstanden, als wenn die Menschen, die sich für Dopingprävention einsetzen, Leistungsgegner, also Gegner des Leistungssports sind. Das ist keineswegs so.
Auch irgendwelche Äußerungen, dass Höchstleistungen, Spitzenleistungen nur mit Medikamenten, nur mit Doping erreicht werden können, sind aus unserer Sicht falsch, logischerweise.
Wir sind für den Leistungssport, ganz klare Geschichte. Wir wollen junge Menschen auf den Leistungssport vorbereiten wenn sie denn in der Lage sind dazu, per Talent, per Fleiß wie auch immer.
Es müssen aber Grenzen eingehalten werden, nicht an jedem Wochenende Einsatz und immer noch einen drauf und noch ein Jahr und noch ein Jahr und noch ein Jahr. Es muss eine Periodisierung, ein Zyklisierung geben. Der Sportler, die Sportlerinnen müssen natürlich Zeit für einen längeren Urlaub haben, sie müssen ein normales Leben führen können. Vor allen Dingen sollen sie kein transparentes oder gläsernes Leben führen müssen, langfristig, sehr, sehr langfristig müssen wir davon wegkommen. Den Sportlern muss wieder vertraut werden können, ohne jederzeit zu wissen, wo sie sind.
Es muss auf jeden Fall sichergestellt werden, dass die Leute, die sich jetzt vehement und mit privatem Einsatz ehrenamtlich für die Präventionsgedanken, für die Verbreitung des Materials, die Ideen einsetzen, nicht als Leistungsgegner dastehen. Im Gegenteil, wir wollen Leistung, wir wollen, dass z. B. im Radsport wieder Spitzenleute international gut im Feld stehen und gute Ergebnisse erzielen. Um das zu erreichen, müssen Trainer aber nicht nur sportfachlich besser ausgebildet werden als es bisher der Fall ist, sondern sich auch im Bereich der Leistungspsychologie auskennen. Im mentalen Bereich liegen noch Reserven, die bisher wenig genutzt wurden. Meistens werden Sportpsychologen erst dann eingesetzt, wenn es zu spät ist.
Du siehst also ein sauberes Team durchaus für konkurrenzfähig an?
Hillringhaus: Ja klar, logischerweise. Aber solche Leistungen, bei der sich jeder fragt, wie das denn angehen kann, sind ohne Doping nicht machbar, das ist klar. Wer mit 380 Watt eine achtprozentige Steigung hochfährt und seinen Vorsprung von einer Minute noch auf sieben Minuten ausweitet… da stimmt etwas nicht, der fährt nicht mit Ahoi-Brause. Das kann man hinterher auch messen, wenn man einigermaßen geschickt ist. Trotzdem kann Radsport im Leistungsbereich, im Hochleistungsbereich Spaß machen, man kann sehr erfolgreich sein, auch über einen längeren Zeitraum, auch im Jugend- bzw. Juniorenalter.
Es geht ja nicht darum, dass bei einem Rundstreckenrennen die Maximalgeschwindigkeit gesteigert wird, sondern es geht um die Dramatik, die taktischen Dinge, die man da sieht als Zuschauer, die Duelle, dieses Rumtaktieren, wer fährt raus, wer bleibt hinten. Nicht, ob eine Runde in 2’7″ oder 2’10“ gefahren wurde. Das wird aus Statistikgründen gemessen, aber das ist eigentlich uninteressant.
SPONSORENSUCHE
Das Radsport Team Lübeck steht 2008 ohne Sponsoren da…
Hillringhaus: Wir hatten bis 2007 mit Firmen zusammengearbeitet, die uns im Sport gesponsert haben, die standen auch auf den Trikots. Die fünf Jahre sind jetzt um, und ich hatte mich rechtzeitig im Jahre 2007 um neue Sponsoren gekümmert, aber 2007 war natürlich ein sehr schwarzes Jahr für den Radsport. Man hat an allen Stellen gemerkt, dass viele Leute nicht nur so denken, sondern auch so handeln, dass sie sagen, für diesen dreckigen Sport geben wir keinen müden Euro – „kommt nächstes Jahr wieder“ oder „das hat überhaupt keinen Zweck“.
Vereine in einer Stadt haben oft Firmen – also lokale Sponsoren –, die angesprochen werden. Vielleicht sind auch Vorstandsmitglieder von Firmen da, die das einfädeln. Solche Möglichkeiten haben wir offensichtlich nicht – zum einen.
Zum anderen ist es so, dass die Prävention, dieser neue Weg im Radsport, im Sport allgemein, noch nicht in den Führungsetagen der Firmen angekommen ist. Es ist leichter, über eine Leistung zu berichten, die Leistung in den Vordergrund zu stellen, als zu sagen, wir produzieren jetzt die Leistung auf einem ganz anderen Weg, nämlich dadurch, dass wir eine Jugend heranwachsen lassen, die Spaß an der Leistung hat, ohne nach irgendwelchen Idolen zu schielen, oder irgendwelche Wertesysteme verinnerlicht haben, die veraltet sind.
Dass frühere Jugendliche aus unserem Verein heute im Erwachsenenalter sind, die dahingehend ausgebildet wurden, sich der Funktionen ihres Körpers im Sport und der Tragweite des Problems Doping im Radsport bewusst zu sein – das wird von Marketingstrategen noch nicht als Vorteil angesehen, obwohl da sehr große Bemühungen gelaufen sind. Die sagen alle, ja, alles gut und schön, aber…
Trotz Medienpräsenz des RST Lübeck, trotz vieler Fernsehauftritte, trotz Berichten, z.B. in der ARD und im Deutschlandfunk, wird einfach noch nicht gesehen, dass hier in Lübeck ein neuer Radsport, eine neue Keimzelle im Radsport entstanden ist.
Über welche Beträge sprechen wir hier? Welche Einschränkungen wird es durch die fehlenden Gelder geben?
Hillringhaus: Ich möchte das Freiwillige Soziale Jahr, die Teambekleidung und die Fahrtkostenzuschüsse zu entfernter stattfindenden Rennveranstaltungen für fünf Jahre sichern. Das sind 50 000 Euro.
Aus deinen Worten höre ich noch etwas Hoffnung heraus darauf, dass Präventionskonzepte eine Zukunft haben und dass der Radsport wieder für Sponsoren interessant werden könnte…
Hillringhaus: Bis jetzt habe ich den Eindruck, dass das Verhalten einiger großer Profiteams, die während der letzten beiden Jahre gesagt haben, wir präsentieren ein Konzept, das hat die Welt noch nicht gesehen, wir legen den Schalter um und sind plötzlich sauber, nicht glaubwürdig wirkt. Es gibt keine Beweise, man sieht nichts, außer dass oft jemand vor der Kamera steht, der selbst positiv war, der selber eine Dopingvergangenheit hat und nun beteuert, alles habe sich geändert. Diese Glaubwürdigkeit ist gleich Null.
Wenn allerdings ein völlig transparentes, veröffentlichtes Konzept vorliegt, welches an die Sportjugend und an Landesverbände angebunden ist, welches Kooperationen mit Universitäten, mit Hochschulen, mit anderen Teams pflegt, das die Arbeitsweise offen legt, das aufzeigt, dass man wirklich ganz anders arbeitet und zeigt, dass trotzdem Supererfolge dabei heraus kommen – das müsste eine gute Grundlage für eine Vermarktung geben.
Solange diese Konzepte überwiegend aus den Verbänden selbst heraus kommen, bewertet und angepriesen werden, bleibt ein Zweifel
Hillringhaus: Glaubwürdigkeit an sich entsteht ja in erster Linie durch Nachvollziehbarkeit, Nachvollziehbarkeit dessen, was gesagt wird. Noch gibt es keine Kontrollinstanz, kein Quality-Management für Dopingprävention. Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Arbeit. Irgendwann wird es vielleicht eine Instanz geben, aber auch deren Glaubwürdigkeit muss sichergestellt werden. Da muss ein System installiert werden, das sehr viel Geld kostet, sehr viel Aufwand bedeutet.
Wir sind erst am Anfang, wir sind jetzt gerade dabei, festzulegen, zu diskutieren, welche Maßnahmen sind so übersichtlich nachvollziehbar, dass man sie wirklich bis ins Feinste, bis in die Ebene der Vereine durchführen kann. Dass es auch wirklich Spaß macht, dass genügend Motivation da ist, solche Dinge zu tun. Es darf nicht zu kompliziert werden, zu einfach darf es auch nicht werden, es muss handhabbar sein.
IDOLE / VORBILDER
Wenn jemand Talent hat, Ehrgeiz besitzt und Durchhaltevermögen, dann träumt er oder sie vielleicht davon, aufzusteigen und letztlich Profi zu werden. Momentan sieht es im Radsport, aber nicht nur hier, so aus, als wäre der Preis für diesen Aufstieg Doping, vor allem dann, wenn man ganz vorne landen möchte. Die Jugendlichen haben sicher Vorbilder. Du sprichst von falschen und richtigen Vorbildern.
Hillringhaus: Falsche Idole, das sind Vorbilder, von denen man nur eines kennt, nämlich ihre Leistung, ihr öffentlicher Auftritt bei Sportveranstaltungen, ihre Ergebnisse bei Rennen, beim Zeitfahren. Von denen man glaubt, dass es die guten Vorbilder sind, von denen man möglichst viel versucht zu kopieren. Man fühlt sich so wie das Idol auf dem Rad und ist enttäuscht, wenn es dopingpositiv in die Medien kommt. Das sind die falschen Idole.
Und die richtigen?
Hillringhaus: Die richtigen Idole gibt es gar nicht. Ich kann mir zwar einen Toppsportler in meiner Sportart aussuchen und kann sagen, so wie der kann ich auch einmal werden, aber letzten Endes ist es nicht die Leistung des Idols, die ich selber vollbringe, sondern das ist meine eigene Leistung.
Das Hinterherleben von Idolen zeigt, dass Menschen auf der Suche sind nach einem Ideal, einem optimalen Zustand, eben Glück. Dabei ist Glück nichts weiter als die Summe erfüllter Erwartungen. Bringt man Jugendlichen bei, eigene Erwartungen mit eigenen Erlebnissen zu verbinden und zu bewerten, ist man schon auf dem richtigen Weg.
Die meisten jugendlichen Sportler haben auch gar keine Idole aus dem Hochleistungssport. Die Personen, die ihnen persönlich nahe stehen, die sie anleiten, mit denen sie einen großen Teil des Lebens verbringen, sind als Idole beliebter, als die Personen, die man gar nicht erreichen kann.
Meistens haben die Jugendlichen, die ich als sozialpsychisch stabil bezeichnet, Idole, Vorbilder aus dem direkten Umfeld. Teilweise, unmoderner Weise, ist sogar der eigene Vater dabei.
Die Jugendlichen, die Idole fernab ihres eigenen Lebensraumes wählen, leben oft in einer eigenen Traumwelt. So sind wahrscheinlich die Idole aus dem direkten Umfeld die wertvolleren, stabileren und eigentlich auch diejenigen, die vom Trainer besser erreicht werden.
Würdest du ehemalige Dopingsünder, die zu ihren Verfehlungen stehen, ins Team einladen und mit ihnen diskutieren?
Hillringhaus: Nein! Ich bin ein Gegner davon, überführte oder geoutete Athleten in mein Jugendteam oder Jugendteams einzuladen, damit sie über ihre Dopingvergangenheit berichten. Das hat man mit Ben Johnson gemacht, drei Jahre später war er wieder positiv.
Es ist gut, wenn man im Bereich der Suchtprävention ehemalige Süchtige einsetzt, damit sie über ihre Erfahrungen berichten können und auf Gefahren aufmerksam machen können. Diese Suchtkranke, Alkohol-, Drogenkranke waren aber nie Idole der Gesellschaft, sondern ganz das Gegenteil.
Völlig anders ist das bei einem doping-positiven Radprofi, der vor Jugendlichen über seine Vergangenheit spricht. Der war ein sportliches Idol und ist es immer noch, wie man an vielen Beispielen sehen kann. Wenn sich so einer vor eine Jugendgruppe stellt, werden seine Leistung und sein Erfolg als Träger benutzt, um davor zu warnen, wie diese Leistung auf sehr unsportliche Weise gefördert wurde. Das ist nicht richtig, das darf nicht sein.
Woher nimmst du deine Motivation?
Hillringhaus: Die jungen Menschen, für die ich mich engagiere, könnten meine Kinder sein.
Herzlichen Dank für das Gespräch!