Dr. John Ziegler – Dianabol und die USA
Das synthetische anabole Steroid Dianabol (Metandienon) kam 1959 auf en Markt. Entwickelt wurde es vom Schweizer Pharma-Unternehmen Ciba AG in Basel. Doch bereits während der klinischen Testphasen (während die Tierversucheliefen) kam das Mittel in der USamerikanischen Bodybuilderszene an und erlangte große Beliebtheit. Das Steroid war hochwirksam und ließ sich in seiner Tablettenform leicht einnehmen.
Angeblich solll der USamerikanische Arzt John Bosley Ziegler 1955 den Wirkstoff entwickelt und 1956 an die Ciba AG verkauft haben. Walter Aeschimann fand hierfür jedoch keine Belege, wahrscheinlicher ist, dass die erste Synthetisierung Wissenschaftlern des Unternehmens gelungen war.
John Ziegler arbeitete in den 1950er Jahren in Summit, USA, für das Unternehmen und stand in engem Kontakt zu Bodybuildern und Gewichthebern. Er soll bereits vor 1954 verschiedene Präparate von Ciba an Sportlern getestet haben.
Zieglers von ihm ausgeübter Sport war Gewichtheben, darüber entwickelten sich gute Kontakte zu leistungsstarken Bodybuildern und Gewichthebern.
Als Mannschaftsarzt der US-Gewichtheber bei den Gewichtheber-Weltmeisterschaften 1954 erfuhr er, dass Testosteron im russischen Gewichtheben weit verbreitet war. 1956 konnte er sich besser über den Testosteronmissbrauch der Russen während der WM in Moskau informieren. Dabei erschreckten ihn bereits damals deren hohe Dosierungen und Nebenwirkungen, wie die Unfähigkeit ohne Katheder zu Urinieren.
1954 begann er erste Versuche mit Dianabol mit Bodybuildern und Gewichthebern, auch an sich selbst. Messbare Erfolge stellten sich 1959 ein. Damit begann der Siegeszug von Dianabol. Sein Konsum war nicht mehr zu kontrollieren.
Zieglers Engagement war nicht primär durch einen ökonomischen Nutzen oder die Aussicht motiviert, olympische Athleten zu modellieren. Er war vielmehr «obsessed with the notion of creating a superman», wie Fair schreibt. Weil die Kenntnisse über die Anwendung von anabolen Produkten im Spitzensport noch in den Kinderschuhen steckten, funktionierten die ersten Etappen der Einführung nach dem Prinzip von trial and error. Der ehemalige Spitzenathlet Jim George, der Ziegler aus der Zeit im Yorker Barbell Club kannte, bestätigte in einem Telefoninterview gegenüber Fair diese Einschätzung: “Ziegler was a God-damn nut. He certainly was no researcher and worked in totally uncontrolled settings.” (W. Aeschimann, 2016)
Robert Goldman, 1984:
„Getting beaten on the playing field, as well as in outer space and the Cold War, was a hard-to-swallow pill f0r American doctors who had been raised in American virtue-will-out based supremacy. The feeling of these doctors was if they could in any way help an Amarican athlete bring home the gold, they had somehow struck a blow for freedom.“
„The choice seemed to be give the drugs or risk an Amarican humuliation and open the door to Communism.“
John Zieglers Motivation soll neben bzw. anstelle des oben zitierten Wunsches nach Optimierung des Athleten, vor allem stark patriotisch geprägt gewesen sein. Er wollte und konnte den vermeintlichen Vorteil, den die Russen mittels anaboler Steroide genossen, nicht hinnehmen.
1960 hatte der kalte Krieg längst den Sport erreicht. Zur selben Zeit, in der sich erste Erfolge mit Dianabol einstellten, mussten die möglichen und erwünschten Erfolge bei den Olympischen Sommerspielen 1962 geplant werden.
Ziegler versuchte daher, Gewichtheber-Trainer Bob Hoffman von dem Nutzen der Steroide zu überzeugen, stieß dabei aber auf einigen Widerstand. Es scheint bis heute unklar, ob und wenn ja, wie viele US-Gewichtheber bei den Spielen 1962 mit Dianabol gedopt waren. Keinesfalls sollen konsequent aufgebaute Kuren und hohe Dosen zur Anwendung gekommen sein.
In den Folgejahren war der individuelle Konsum der Steroide nicht mehr zu kontrollieren. Die Pille erreichte über Gewichtheben und Bodybuilding andere Sportarten, insbesondere breitete sie sich innerhalb der USA im College- und Profi-Football aus, doch auch die Leichtathletik war längst infiziert. Die gängige Devise lautete ‚viel hilft viel‘. Damit lagen die durchschnittlich genommenen Dosierungen teils 10-20mal höher als Ärzte wie Ziegler zu rechtfertigen bereit waren.
In seiner Praxis begegneten Ziegler alsbald Patienten, die an Nebenwirkungen des Steroidmissbrauch litten. Er war entsetzt und forderte bereits 1967 dringende Gegenmaßnahmen. Doch es war zu spät. 1972 sollen fast alle US-Gewichtheber unter Steroideinfluss gestanden haben, ebenso wie insgesamt 68 % der Athleten aus Kanada, Ägypten, Großbritannien, Marokko, Neuseeland, USA und der UDSSR (Anabolic steroids at the 1972 Olympics!).
John Ziegler brach 1972 seine Verbindungen zum Olympia-Team ab: „I lost interest in fooling with IQs of that caliber.“ [This doping had become] „as widespread among these idiots as marijuana.“
Kurz vor seinem Tod 1983 beklagte John Ziegler die Entwicklung der Olympischen Bewegung. „The Olympics were a time for people of all nations to join in the interplay of true brotherhood among nations. Now it is one cheap political play.“ The Olympics 1984 „will probably be as fixed as an illegal horse race.“
Quellen W. Aeschimann, Dopingdiskussionen am Beispiel von Dianabol, (1959–1970), Traverse !/2016
M. Johnson, Spitting in the Soup, 2016