USA Doping Geschichte(n)
1950 -1980 der Kalte Krieg nimmt Fahrt auf
frühe Jahre
Am Ende der Olympischen Spiele in Montreal 1976 fuhr das UDSSR-Team mit 49, das DDR-Team mit 40 und das Team der USA mit 34 Goldmedaillen nachhause. Die DDR-Schwimmerinnen hatten 9 von 11 Goldmedaillen in Individualdisziplinen errungen.
Damit hatte die Unterlegenheit der USA, die sich bereits in verschiedenen Sportarten in den 1950er Jahre abzeichnete und in den Medaillenspiegeln der Olympischen Spiele nach dem zweiten Weltkrieg kontinuierlich wachsend wieder spiegelte, ein Ausmaß erreicht, das den maßgeblichen Politikern unerträglich wurde. Schon in den 1960 wurde versucht heraus zu finden, worin sich das russische Sportsystem vom eigenen unterschied und wie ähnliche Strukturen in den USA entwickelt werden könnten. Überzeugt davon, dass die amerikanischen Jugend ‚mental, moralisch oder physisch unfit‘ sei, ließ Präsident Kennedy für 1961-1962 an die Schulen ein nationales Fitness-Programm verbreiten – für den Frieden.
Vize-Präsident Hubert Humphrey 1966:
Das methodische Herangehen der Soviets im Sport für die Olympischen Spiele war für uns „eine Herausforderung wie es der Sputnik war.“ Wenn die USA keine Antwort fänden „wird unsere Nation gedemütigt werden.“
Der Druck auf Athleten nahm zu, die USA in internationalen Wettkämpfen gut zu vertreten. Vielerorts im US-Sport wurde dies verstanden als Aufforderung, sich ähnlicher Hilfsmittel zu bedienen, wie aus dem Ostblock bekannt. Die Aufforderung zum Dopen lag fast greifbar in der Luft. Leichtathlet Phil Shinnick, 1964 Olympiateilnehmer, sagte 1973 vor dem US-Senat, dass der von der Politik ausgehende Druck auf Trainer und Sportler, den Feind zu schlagen, sehr hoch gewesen sei. 1965 fuhr er als Trainer-Assistent zu der Universiade nach Budapest. „I was under constant pressure from the gentleman at the State Departement to beat the ‚Commies‘.“ „I could not ignore these comments since the trip was partially financed by the government.“
Nur Gold zählte, schon der Zweite war ein Verlierer. „This typ of pressure leads towards drug abuse as clearly as need for the coach to win to retain his job.“ (Hearing, 1973) Für ihn lag der Unterschied zu den Vereinigten Staaten darin, dass in Europa die Dopingmittel stärker medizinisch überwacht würden und damit rechtens seien. Zudem sei die Sportmedizin in Europa weiter als in den USA entwickelt. Als er 1969 medizinische Hilfe benötigte, hätte ihm ein deutscher Sportmediziner angeboten, ihn in einer deutschen Klinik innerhalb von 10 Tagen wieder fit zu bekommen. (s.a. Bill Starr in B Gilbert, 1969).
John Ziegler – Dianabol erobert die USA
Das synthetische anabole Steroid Dianabol (Metandienon) kam 1959 auf en Markt. Entwickelt wurde es vom Schweizer Pharma-Unternehmen Ciba AG in Basel. Doch bereits während der klinischen Testphasen (während die Tierversucheliefen) kam das Mittel in der USamerikanischen Bodybuilderszene an und erlangte große Beliebtheit. Das Steroid war hochwirksam und ließ sich in seiner Tablettenform leicht einnehmen.
Angeblich solll der USamerikanische Arzt John Bosley Ziegler 1955 den Wirkstoff entwickelt und 1956 an die Ciba AG verkauft haben. Walter Aeschimann fand hierfür jedoch keine Belege, wahrscheinlicher ist, dass die erste Synthetisierung Wissenschaftlern des Unternehmens gelungen war.
John Ziegler arbeitete in den 1950er Jahren in Summit, USA, für das Unternehmen und stand in engem Kontakt zu Bodybuildern und Gewichthebern. Er soll bereits vor 1954 verschiedene Präparate von Ciba an Sportlern getestet haben.
Zieglers von ihm ausgeübter Sport war Gewichtheben, darüber entwickelten sich gute Kontakte zu leistungsstarken Bodybuildern und Gewichthebern.
Als Mannschaftsarzt der US-Gewichtheber bei den Gewichtheber-Weltmeisterschaften 1954 erfuhr er, dass Testosteron im russischen Gewichtheben weit verbreitet war. 1956 konnte er sich besser über den Testosteronmissbrauch der Russen während denr WM in Moskau informieren. Dabei erschreckten ihn bereits damals deren hohe Dosierungen und Nebenwirkungen, wie die Unfähigkeit ohne Katheder zu Urinieren.
1954 begann er erste Versuche mit Dianabol mit Bodybuildern und Gewichthebern, auch an sich selbst. Messbare Erfolge stellten sich 1959 ein. Damit begann der Siegeszug von Dianabol. Sein Konsum war nicht mehr zu kontrollieren.
Zieglers Engagement war nicht primär durch einen ökonomischen Nutzen oder die Aussicht motiviert, olympische Athleten zu modellieren. Er war vielmehr «obsessed with the notion of creating a superman», wie Fair schreibt. 18 Weil die Kenntnisse über die Anwendung von anabolen Produkten im Spitzensport noch in den Kinderschuhen steckten, funktionierten die ersten Etappen der Einführung nach dem Prinzip von trial and error. Der ehemalige Spitzenathlet Jim George, der Ziegler aus der Zeit im Yorker Barbell Club kannte, bestätigte in einem Telefoninterview gegenüber Fair diese Einschätzung: “Ziegler was a God-damn nut. He certainly was no researcher and worked in totally uncontrolled settings.” (W.Aeschimann, 2016)
Der Siegeszug des Testosteronproduktes wurde offenbar von Ciba unterstützt, denn innerhalb kurzer Zeit stieg dessen Umsatz weltweit signifikant an. Bereits bekannte schwere Nebenwirkungen wurden bagatellisiert.
Robert Goldman, 1984:
„Getting beaten on the playing field, as well as in outer space and the Cold War, was a hard-to-swallow pill f0r American doctors who had been raised in American virtue-will-out based supremacy. The feeling of these doctors was if they could in any way help an Amarican athlete bring home the gold, they had somehow struck a blow for freedom.“
„The choice seemed to be give the drugs or risk an Amarican humuliation and open the door to Communism.“
John Zieglers Motivation soll neben bzw. anstelle des oben zitierten Wunsches nach Optimierung des Athleten, vor allem stark patriotisch geprägt gewesen sein. Er wollte und konnte den vermeintlichen Vorteil, den die Russen mittels anaboler Steroide genossen, nicht hinnehmen.
1960 hatte der kalte Krieg längst den Sport erreicht. Zur selben Zeit, in der sich erste Erfolge mit Dianabol einstellten, mussten die möglichen und erwünschten Erfolge bei den Olympischen Sommerspielen 1962 geplant werden.
Ziegler versuchte daher, Gewichtheber-Trainer Bob Hoffman von dem Nutzen der Steroide zu überzeugen, stieß dabei aber auf einigen Widerstand. Es scheint bis heute unklar, ob und wenn ja, wie viele US-Gewichtheber bei den Spielen 1962 mit Dianabol gedopt waren. Keinesfalls sollen konsequent aufgebaute Kuren und hohe Dosen zur Anwendung gekommen sein.
In den Folgejahren war der individuelle Konsum der Steroide nicht mehr zu kontrollieren. Die Pille erreichte über Gewichtheben und Bodybuilding andere Sportarten, insbesondere breitete sie sich innerhalb der USA im College- und Profi-Football aus, doch auch die Leichtathletik war längst infiziert. Die gängige Devise lautete ‚viel hilft viel‘. Damit lagen die durchschnittlich genommenen Dosierungen teils 10-20mal höher als Ärzte wie Ziegler zu rechtfertigen bereit waren.
1970er Jahre
Der Sportkrieg hatte Folgen: 1972 sollen fast alle US-Gewichtheber unter Steroideinfluss gestanden haben ebenso wie nach einer Untersuchung des Leichtathleten Jay Sylvester und Professor Brigham Young 78% des US-Olympia-Teams von 1972: Anabolic steroids at the 1972 Olympics!.
Bei den Ausscheidungswettkämpfen der US-Leichtathletik für die OS in Montreal 1976 wurden 23 Teilnehmer positiv getestet. Etwas das den DDR-Athleten nicht passierte. Deren System wusste dies zu verhindern.
USAtoday, 15.7.2004
Shirley Babashoff, Beste Schwimmerin der USA bei den Os in Montreal, hielt sich mit ihren Vermutungen nicht zurück, stieß dabei aber auf Widerstand in den eigenen Reihen. „She was the first American to speak out about steroids, the first to point an accusatory finger at the East Germans. „They had gotten so big, and when we heard their voices, we thought we were in a coed locker room,“ Babashoff recalled in an interview at the luncheon last weekend. „I don’t know why it wasn’t obvious to other people, too.“ “Mark Schubert, ehemaliger Trainer von Sherley Babashoff, 2008:
„Im Rückblick hätten die Trainer alles benennen müssen, doch es galt als unsportlich (‚unsportmanslike‘). Shirley musste den Preis dafür bezahlen, dass sie die Wahrheit aussprach… .“
Dass gedopt wurde, insbesondere mit Anabolika, war wie beschrieben, seit Langem kein Geheimnis mehr, auch wenn sich um das genaue Ausmaß und das exakt dahinter stehende System noch manche Vermutungen rankten. Die körperlichen Veränderungen insbesondere bei Schwimmerinnen des Ostblocks waren in den 1970er Jahren nicht mehr zu übersehen. Warnungen vor den gesundheitlichen Gefahren gab es. Dennoch schauten in den USA die Verantwortlichen voller Neid auf das DDR-System. (NYT: German Women’s Success Stirs U.S. Anger, 1.8.1976) Und es wurde geleugnet, nicht zuletzt um die eigenen Anstrengungen zu verschleiern.
Die New York Times berichtete am 22.12.1976 darüber und zitierte u.a. Dr. Alois Mader, der aus der DDR in den Westen geflüchtet war:
NYT: Sports Medicine Shares In East German Success.
Aus der US-Sportmedizin folgten Reaktionen. Dr. Irving Dardik, Mitglied des Olympischen Komitees der USA, rief eine Studiengruppe ins Leben, die die modernen nötigen Maßnahmen untersuchen und damit die US-Sportmedizin auf den neuesten Stand bringen sollte. Wichtige Themen der Untersuchungen seien die leistungssteigernden Mittel und Methoden wie Steroide, Cortison und Blutdoping.
NYT: Effect of Drugs To Aid Athletes Studied by U.S., 22.8.1976
President’s Commission on Olympic Sports
Nach der empfundenen Niederlage im Kalten Krieg des Sports bei den Olympischen Spielen 1972 reagierte die höchste Politik. 1975 berief Präsident Ford eine Kommission ins Leben, die herausfinden sollte, woran der olympische Sport der USA litt. Nach 18 Monaten und einer Million $ Kosten lag der Bericht vor:
>>> The final report of the President’s Commission on Olympic Sports.
Das Ergebnis erbrachte, dass im Ostblock die Sportorganisationen straff organisiert und politisch geführt wurden, in den USA aber Chaos vorherrschte.
Das Ergebnis mündete 1978 in den >>> Amateur Sports Act.
Das USamerikanische Olympische Komittee USOC wurde gestärkt indem ihm die leitende Funktion innerhalb des US-Amateusrsports zugeschrieben wurde.
Im Gegensatz zu den Ostblockländern ging damit keine finanzielle Unterstützung des Sports durch den Staat und damit die Steuerzahler einher, sondern es wurde der Weg bereitet für die frühe Abhängigkeit des USamerikanischen olympischen Sports von Sponsoren und Medienkonzernen. Die Kommerzialisierung der OS 1984 in Los Angeles war beispiellos und auch das IOC profitierte.
New York Times: AS ’84 GAMES GROW NEAR, PRESSURE BUILDS ON U.S.O.C., 13.11.1983
Quelle u.a. M. Johnson, Spitting in the Soup, 2016