Profis und Amateure erzählen
ein Trainingsplan, 1998
Wie konnte ein moderner Trainingsplan 1998 für einen Profi-Radsportler aussehen?
Ein Beispiel aus dem Jahr 1998, LeMonde vom 26. 7. 1998.
Zwei Anabolikakapseln jeden Morgen, eine Testosteron-Injektion pro Woche und EPO um es abzuschließen
Ein Fahrer, der anonym bleiben will, beschreibt seine medizinische Vorbereitung
„Das was Willy Voet in seinem Wagen transportierte als er verhaftet wurde, war für die Tour und die Rennen danach bestimmt.“ Der Mann der spricht, ist sich seiner Sache sicher: 200 Dosen EPO decken den Bedarf eines Teams mit 10 Fahrern für eineinhalb Monate. „Vor allem für eine Mannschaft wie Festina, die große Ambitionen hat,“ präzisiert unser Gesprächspartner. Ein Gesprächspartner, der anonym bleiben möchte aus Furcht vor Repressialien aus dem was er „das Milieu“ nennt, der uns aber das jährliche physiologische Vorbereitungsprogramm eines Berufsradrennfahrers enthüllt. Das Seinige.
Eine wissenschaftliche Vorbereitung, die nichts dem Zufall überlässt, weder die Arbeitsrythmen, noch die Ernährung, noch die Anwendung von Doping-Produkten: Anabolika, Testosteron, EPO, PFC, Wachstumshormone. Dieser Fahrer empfängt uns in seinem Hotelzimmer. Es ist etwas später als 13 Uhr. Der Fernsehapparat läuft. Wir sprechen über die „Affairen“, die das Peloton heimsuchen. Einige Kleidungsstücke liegen am Boden herum. Die „carnets de route“ (Notizen mit den Vorgaben), sind wohl geordnet, in einem Ordner eingebunden, in dem kein Stück fehlt. Auf losen Blättern gibt ein Arzt Tag für Tag bis ins kleinste Detail die Produkte an, die genommen werden müssen – in welchen Mengen und zu welcher Zeit – die Übungen, die gemacht werden sollen, die Ausfahrten mit dem Rad einschließlich der Gänge und Trittfrequenzen, die einzuhalten sind. Es gibt vier Blätter pro Monat, richtige Verordnungen, denen man nur folgen muss um ein Anführer des Pelotons zu werden.
„Diese Produkte sind von hoher ‚Qualität‘, aber auch Gefährlichkeit“, versichert unser Informant. „Sie könne Champions produzieren. Wenn du sie nimmst, bist du nicht mehr derselbe. Du merkst, wie sich dein Körper verändert. Woher ihr großer Erfolg kommt.“
Der Arzt empfiehlt, er gehorcht und bestätigt alles auf seine Weise in einem großen Tagebuch, Tag für Tag, Stunde um Stunde. Die Medikamenteneinnahme, die Mengen, die Ernährung, die Trainingszeit, das Muskeltraining, kein Detail fehlt.
Für die Saison 1996-1997 beginnen die Notizen Anfang November.
„Im Allgemeinen machst du eine Pause im Oktober von 2 – 3 Wochen“, erklärt er. Mit allem, mit dem Training und dem Produkten. „Zur offiziellen Präsentation der Tour de France bist du immer perfekt (sauber).“
Anfang November sieht es anders aus.
„Zuvor während zwei, drei Wochen, fährst du täglich ungefähr drei Stunden, zwei auf drei Tage. Das ist eine kleine Reinigungsphase, während der du nichts nimmst. Du begnügst dich damit, die Beine etwas zu bewegen.“
Die Seiten des Heftes verdunkeln sich in der ersten Dezemberwoche. Der Tag beginnt um 8 Uhr mit einer Anabolikagabe. Eine Kapsel jeden Morgen, jeden dritten Tag eine Testosteron-Spritze.
„Das ist um die Wirkung der Anabolika zu sichern“ erklärt unser Gesprächspartner. „Das hilft die Muskeln zu stärken. Wenn du diese Verbindung nicht einhälst, gehst du auf (wie ein Ballon).“
Die Diät geht bis Samstag so weiter. Dann ruht sich der Fahrer aus, ohne zu vergessen seine morgentliche Anabolikakapsel einzunehmen. Am Sonntag geht er dazu über zwei Kapseln pro Tag zu nehmen, nimmt verstärktes Training auf. Am Ende der ersten Trainingswoche hat er 8 Anabolikakapseln und eine Testosteroninjektion zu sich genommen und fuhr 19 bis 20 Stunden mit wechselnden Übersetzungen.
Ab der zweiten Woche wird die Dosis erhöht. Jeden Morgen zur selben Zeit zwei Anabolikakapseln und eine Testosteron-Injektion. In der dritten Woche steigt das tägliche Dosis auf drei Kapseln, die Arbeitsbelastung nimmt progressiv zu, die Behandlung wird zurückgenommen, bevor sie nach vier Wochen beendet ist.
Die Wochen, die den traditionellen Trainingsabschnitten innerhalb des Teams vorangehen, betreffen nur das Radfahren: zwischen 20 und 25 Stunden durchschnittlich, aufgeteilt in 4 bis 5 Abschnitte.
Januar. Wenn die Feste vorüber sind – „wobei sehr auf die Ernährung geachtet wird“ – beginnt die Zeit der kollektiven Trainingseinheiten. Meist finden sie an sonnigen Orten statt, im Süden Frankreichs, in Italien oder Spanien. Die Ausfahrten werden länger zwischen 30 und 32 Stunden durchschnittlich. „Wenn du dich dazu entschlossen hast, die ersten Rennen der Saison zu gewinnen, beginnst du mit den EPO-Injektionen.“ EPO, alle zwei Tage eine Injektion von 2000 IE (UI), drei Wochen lang. Danach können die Dosen 4 000 IE (UI) erreichen bei zwei Injektionen pro Woche. Diese Kur kann sich bis September-Oktober hinziehen. „Alles hängt von deinen Plänen ab, die du festgelegt hast“ erklärt unser Gesprächspartner. „Einige beginnen mit EPO viel später in der Saison.“
Das Doping endet aber nicht mit EPO. Andere Produkte wie die Wachstumshormone, die insulinähnlichen Wachstumsfaktoren Geref, IGF- 1 oder IGF-2, zirkulieren im Radpeloton und vervollständigen das Arsenal. Diese Behandlung ist weit verbreitet, kostet aber trotzdem ihr Geld. Alles zusammen gibt unser Fahrer zwischen 50 000 und 60 000 F jährlich aus um an die Produkte zu gelangen – man nennt das „le fond de jante“ (die Grundlage der Felge), in Anlehnung an den Lack-Gummi, mit dem ehemals die Fahrradschläuche angestrichenen wurden – und einiges auch um die Arztbesuche zu bezahlen.
Die Praktiken variieren entsprechend den Ärzten. Einige – gut situierte – lassen sich ergebnisorientiert bezahlen, andere nehmen monatliche Pauschalpreise, die 5 000 F übersteigen können. Diese Ärzte sieht man niemals bei den Rennen, aber die Fahrer kennen deren Reputation.
„Das jährliche Budget für Doping kann 100 000 F erreichen. Manchmal übernehmen die Fahrer alles, manchmal werden sie durch Personen aus der Umgebung des Teams mit Geld unterstützt.“
erklärt unsere Zeuge. Er versichert, dass es keinen sportliche Direktor, keinen Betreuer, keinen Team-Arzt, keine offizielle Institution, keine Rennorganisation gibt, die nicht „vollständig über die Gebräuche auf dem Laufenden sind.“
Yves Bordenave