Profis und Amateure erzählen
Philippe Gaumont
Philippe Gaumont, der im Zuge der Cofidis-Affaire 2004 von der Polizei vernommen wurde und unter Anklage steht, erzählte Le Monde einiges über die gängigen Dopingpraktiken im Peloton und wie es möglich ist die Kontrollen zu umgehen.
Doch bereits 1999 äußerte sich Gaumont entsprechend. Zu dieser Zeit gerät er in die Ermittlungen um Franck Vandenbrouke und wird beschuldigt, diesen mit Mitteln versorgt zu haben. In einem aufschlussreichen Interview unterstellt er flächendeckendes Doping im Peloton, gibt aber nicht direkt zu, selbt zu dopen. Er lobt seinen Pfleger B. Sainz (Dr. Mabuse), weiß aber von keinen verbotenen Mitteln und Methoden, die dieser im verabreicht hätte, auch wenn ein kleiner Verdacht keimt, eigentlich will er es auch garnicht wissen. Grundsätzlich gilt, natürlich auch für ihn, Dopen ist kein Betrug, wenn es alle machen, unverzeihlich und schlimm ist lediglich das Sich-erwischen-lassen. Er werde aber nicht mehr dopen, da sein neues Team Cofidis dies verlange und lieber schlechte Ergebnisse akzeptiere als Betrug (ehemalige Seite)
Am 15.3.2004 erschienen in le Monde ein Interview und ein begleitender Artikel unter den Titeln „Selon Philippe Gaumont, les coureurs se jouent des contrôles“ und „Dans le camping-car, on tire le rideau et le médecin nous fait la piqûre“.
1. Das Spiel mit den Kontrollen
1997 Team Cofidis:
Lance Armstrong, Frankie Andreu, Kevin Livingstone, Bobby Julich, Maurizio Fondriest, Tony Rominger.
Eines Tages bot sich einer der beiden Leader, dessen letzte Saison angebrochen war und der gerne viel Schokolade aß, an, sich um Gaumonts medizinische Präparation zu kümmern.
„Im März … hatte ich zum ersten Mal Wachstumshormone versucht, doch die hatten mich komplett blockiert. Ich erzählte ihm davon und er kümmerte sich um die Dosierung für die belgischen Frühjahrs-Klassiker.
…
Er lieferte mir die Wachstumshormone. Aber das war nicht nicht aus reiner Selbslosigkeit. In gewisser Weise war ich sein Versuchskaninchen und er benutzte mich um die optimale Dosierung heraus zu finden.“
(Prisonnier du dopage)
G. zu nicht nachweisbare Produkten:
Es gibt Produkte, die nicht entdeckt werden können wie die Wachstumshormone, die von den Fahrern genommen werden gerade wie es ihnen passt. Beim Testosteron muss man nur den Inhalt eine Kapsel Pantestone unter die Zunge geben. Dagegen kann man seit es den EPO-Test gibt dieses nicht mehr während der Rennen nehmen. Während der drei Wochen der Tour läßt aber dessen Wirkung nach, daher weicht man auf Bluttransfusionen aus, da diese nicht nachweisbar sind.
G. zum Hämatokrit:
Der Hämatokritwert eines Fahrers, der nach einer EPO-Kur zur Tour kommt, kann nach 10 Tagen von 50 auf 44-45 absinken. Mit einer Bluttransusion pro Woche kann der Wert bei 50 gehalten werden, während die anderen Fahrer die Tour mit 40 beenden. Aber die Transfusionen bleiben den Stars vorbehalten, denn sie müssen sich einen Arzt leisten können, der die Transfusionen ermöglicht.
zu Ausnahmegenehmigungen:
Beim Cortison oder den Korticosteroiden braucht man zur Umgehung der Kontrollen eine gute therapeutische Begründung.
So macht man das: Der Mannschaftsarzt schickt dich zu einem Allergologen, das ist Vorschrift. Der stellt fest, dass du eine Hausstaubmilbenallergie hast und verschreibt ein Spray. Man soll immer Nasacort zu verlangen. Warum? Weil man mit diesem Sray Cortison maskieren kann. Bei der Kontrolle gibt man an, dass man unter einer Hausstauballergie leidet und Nasacort verschrieben bekam und dieses am Morgen angewandt hat. Und so nebenbei konnte man sich ganz entspannt ein Kenacort-Injektion (verboten) machen, denn bei der Kontrolle sind Spray und Injektion nicht zu unterscheiden.
Dann schickt dich der Arzt zu einem Hautarzt. Du kratzt dir ein wenig die Hoden mit Salz wund, um ihm eine Rötung zeigen zu können und er verschreibt dir für 6 Monate Diprolsole-Salbe. So kannst du dir unbesorgt Diprostène (verboten) spritzen, du wirst nicht positiv sein.
zu Trainingskontrollen:
Sie sind nicht unerwartet! Sie finden während der Trainingslager oder den Rennen statt: Es ist leicht sich so zu präparieren, dass man nicht positiv wird. Alle Fahrer, die sich dopen, wissen wann sie die Mittel rechtzeitig vor Beginn der Rennen oder der Trainingslager absetzen müssen.
zu EPO:
Ein Fahrer, der zwischen zwei Rennen sieben Tage Pause hat, kann sich somit direkt nach dem ersten Rennen mit EPO neu aufladen und es drei Tage vor dem nächsten wieder absetzen. Diejenigen, die die Tour zum Ziel haben, nehmen im allgemeinen zwei Wochen davor an keinem Rennen mehr Teil, verschwinden um sich mit EPO neu aufzuladen und erscheinen zum Start mit einem Hämatokritwert so um die 50 %.
zu den franz. Langzeituntersuchungen:
Nach den vom Arzt des französischen Radsportverbandes veröffentlichten Ergebnissen der Untersuchungen von 2003 (1), basierend auf einem Paramter, den Retikulocyten – junge rote Blutkörperchen, die sich 8 bis 9 Tage nach EPO-Gaben gebildet haben – weisen 30 % der Fahrer anormal erhöhte Werte auf.
Ich habe niemals am Abend vor einer Langzeitkontrolle EPO genommen. Ich wählte dafür immer einen Zeitraum, in dem ich meinem Körper etwas Ruhe gönnte. Und was z. B. den Cortisonwert anbelangt, genügt es etwas Hydrocortison vor der Kontrolle mit drei Litern Wasser zu trinken und die Sache ist geregelt. Beim Eisen ist es schwieriger, da bedarf es eines Aderlasses. Darum ergab die Bilanz von 2003 auch, dass trotz allem 30 % des (französischen ) Pelotons anormal erhöhte Werte aufwiesen (vor den französischen Meisterschaften.)
Gaumonts Langzeituntersuchung 2003 ergab am Ende des Jahres erhöhte Eisen- und Reticulozyten-Werte. Er hätte sofort einen Arzt aufsuchen müssen, da der Verbandsmediziner schwere Leberschäden befürchtete in diesen Fällen:
Man hat mich nicht gesperrt und niemand hat sich vergewissert, ob ich einen Leberspezialisten aufgesucht habe. Man hat mich niemals über die Gesundheitsgefahren aufgeklärt, die mit Produkten in Verbindung stehen, deren Einnahme man bei den Langzeituntersuchungen entdeckte. Man hat mich nur gesagt, welche Risiken ich eingehe im Falle einer positiven Antidoping-Kontrolle.
Zu Beginn meiner Karriere gab mir ein Mediziner eine Spritze mit einem mir unbekannten Produkt. Als ich ihn frug, ob das meine Gesundheit gefährden könne, denn ich wolle später noch Kinder haben, lachte er mich aus und wollte wissen ob ich ihn für einen Scherzkeks halte, schließlich sei er Mediziner bei der Doping-Kontrolle gewesen und wisse, was er macht …damit ich nicht positiv werde.
2. Vorhang zu und an die Arbeit
Zu Beginn seiner Profikarriere 1994 war Philippe Gaumont ‚hyper-naiv’: „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mich in dem Wohnwagen eines Radteams Spritzen erwarteten,“ sagt er. Er erwartete auch nicht, dass ihm der ‚Teamarzt’ vor den Zeitfahren Fonzylane intravenös spritzte, um die Venen und Arterien zwecks besserer Blutzirkulation zu weiten. Er bekam Koffein-Injektionen zur Anregung. Eine kleine Kapsel Théostat zur freieren Atmung. Nootrpyl zur Konzentration und dann noch ein wenig Schmerzmittel um den Schmerz zu unterdrücken.
„Mit all diesen Mitteln intus geht das Rennpferd ab wie eine Rakete“ versichert der ehemalige Zeitfahr-Spezialist, Bronzemedaillengewinner mit der Mannschaft über 100km Einzelzeitfahren bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona. (…)“
(…) Er begann als Profi in einem Team (Castorama), in dem „wer sich nicht dopte, nach einem Jahr flog.“ Sechs Monate hielt er durch und nahm nichts: „Im Juni 1994 injizierte mir der Teamarzt Kenacort. (1) Einmal diese verbotene Barriere überwunden, brach jeder Widerstand zusammen.“ Im Winter griff er mit dem ‚pot belge’ zu Amphetaminen. In der kommenden Saison beginnt er mit Testosteron. 1996 EPO, 1997 Wachstumshormone. Seitdem hat er kein neues Produkt mehr versucht, versichert er.
(…) Nach einer schlechten Tour entschließt er sich auf Anraten eines Teamkollegen zum ersten Mal einen der italienischen Ärzte aufzusuchen, die die Crème de la Crème des Pelotons betreuen. Er ging zu Mauro Vezzani, der später Arzt von Pantanis Team Mercato uno wurde. „Ich durfte keinerlei Fragen stellen, er verhieß mir nur: Ich wo wurde. erde dich zu einem der weltbesten 100 Fahrern machen.“
Preis für die erste Konsultation: 3 000 Euro. Die Kosten für das Programm und die Prdukte für die Saison : 10 000 Euro.
„Er ließ mir eine erste Behandlung zukommen und ich sollte im Januar wiederkommen, da wollte er mir die Taschen mit den zur Anwendung bereiten Bluttransfusionen geben, einer speziellen Flüssigkeit und er erklärte mir, wie ich vorzugehen habe.“
Da er am 20. Januar von der Polizei vernommen wurde, hatte der Cofidis-Fahrer keine Möglichkeit mehr das transalpine Programm auszuprobieren.
(…)„Das Doping ist genaugenommen nicht organisiert, aber die indirekten Aufforderungen lassen die keine andere Wahl. “ Ein Fahrer muss ‚laufen’ von März bis Juni „Wir haben vier Monate um uns zu beweisen, denn die Teams machen praktisch nach dem Ende der Tour de France dicht.“ (…)
(1) der Teamarzt von Castorama war Dr. Armand Mégret, später Arzt des französischen Radsportverbandes. Er wies zwar die Anschuldigungen Gaumont’s zurück, sagte aber auch, er habe seine Funktion als Teamarzt aufgegeben, als EPO aufkam und die Situation von ihm nicht mehr zu kontrollieren gewesen sei. Zudem sei die Anwendung von Cortikosteroiden in der Sportmedizin gang und gäbe.
Dr. Mégret war später zuständig für die medizinischen Langzeituntersuchungen und unterrichtete im September 2003 die zuständigen Stellen über die besorgniserregenden Ergebnisse, wonach wahrscheinlich mehr als 30% der betreuten Fahrer unerlaubte Mittel angewandt hatten und Gesundheitsschäden nicht auszuschließen wären. Das wurde nicht weiter beachtet aber im Frühjahr 2004 erregte diese Meldung nach den Cofidis-Enthüllungen die Öffentlichkeit und trug mit dazu bei, dass der französische Sportminister härtere Anti-Doping-Massnahmen durchsetzte.
doping-archiv.de Buchbesprechung: Gaumont, Prisonnier du Dopage