Doping: 2000 Team Telekom

Team Telekom/T-Mobile und Doping: Hier geht es zu den Jahren:

 

>> das Team Telekom, Fahrer und Teamleitung

2000 das Team Telekom und Doping – Schein und Sein

spätere Geständnisse und mehr

Von den Fahrern liegen außer von Jörg Jaksche und Erik Zabel keine Geständnisse für das Jahr 2000 vor. Rudy Pevenage bleibt undeutlich, aber seine Äußerungen legen Doping im Team nahe ebenso wie die öffentlichen Aussagen Jörg Jaksches. Rolf Aldag will erst 2002 wieder mit Doping begonnen haben.

Laut Abschlussbericht der Freiburger Expertenkommission 2009 hatte Arzt Andreas Schmidt sein aktives Doping nur für die 1990er Jahre zugegeben. Aus der Zeugenaussage von Jörg Jaksche vor der Kommission geht hervor, dass das Systemdoping bei Telekom mit EPO, Wachstumshormonen und Corticosteroiden auch im Jahr 2000 angehalten hatte (Zitate siehe vorhergehend Jahre). Jaksche legte Beweis für Medikamentenlieferungen vor. (S. 18)

Die Staatsanwaltschaft Freiburg stellte 2012 zu den Ärzten Schmid und Heinrich fest:

„Die Beschuldigten haben in öffentlichen Erklärungen vom 23.05.2007 in allgemeiner Form eingeräumt, seit Mitte der 1990-er Jahre das Doping einzelner Radprofis als Ärzte unterstützt und den Radsportlern auf Anforderung Dopingsubstanzen, insbesondere Erythropoetin (EPO) zugänglich gemacht zu haben. Sie haben in dieser Erklärung versichert, den Sportlern die Medikamente niemals injiziert oder auf andere Weise appliziert zu haben und niemals einem Sportler ohne dessen Wissen oder gar gegen seinen Willen Dopingsubstanzen verabreicht zu haben. Durch ihre Mitwirkung am Doping hätten sie keinen finanziellen oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil erlangt oder erstrebt. Die Erklärungen wurden später dahin modifiziert, dass sich die Angaben allein auf ein Verhalten der Beschuldigten in den 1990-er Jahren bezogen hätten.“

Erik Zabel meinte 2013, „auch von 2000 bis 2002 habe ich vereinzelt Epo genommen: in der Vorbereitung, aber nicht mehr bei der Tour.“ Cortison, Synacthen und D’Honts Finalfläschchen sind eiterhin aktuell.

2023 ging Jan Ullrich an die Öffentlichkeit und gesteht ab 1996 mit EPO und Bluttransfusionen gedopt zu haben:
FAZ: Radeln und reden als Therapie : Entkommt Jan Ullrich seinen Dämonen?, 2.12.2023

Meldungen und Diskussionen 2000

Die Dopingdiskussion in den deutschen Medien des Jahres 2000 war vor allem geprägt von dem Fall Dieter Baumann, dem DDR-Dopingprozess um Ewald und Höppner und Doping rund um die Olympischen Spiele in Sydney. Der Radsport kam jedoch auch nicht zur Ruhe. Geständnisse (Maarten Ducrot, Steven Rooks, Peter Winnen, Jérôme Chiotti) und positive Fälle, sowie der Festina-Prozess in Lille waren einige Schlagzeilen wert.

Für das Team Telekom wurde es jedoch in dieser Hinsicht ein eher ruhiges Jahr. Dopingverdächtigungen schwangen in der Berichterstattung immer mit, doch konkrete Anschuldigungen gab es nicht. Nach dem Vergleich zwischen dem Spiegel und dem Team Telekom und der damit verbundenen Glaubwürdigkeitsdiskussion Ende Februar 2000 scheint Ruhe eingekehrt zu sein (s. unter 1999).

1999 und 2000 kamen die Ermittlungen im Falle des Arzt und Trainer-Gurus Francesco Conconi in Italien voran. Nun wurde auch offiziell, dass Bjarne Riis zu seiner Zeit bei Gewiss-Ballan kurz vor seinem Wechsel zu Team Telekom einen Hämatokrit von 56,3 gehabt hatte (der Spiegel, 24.1.2000, Donati-Interview).

Die Fahrer und Teamverantwortlichen mussten sich jedoch in Interviews immerzu Fragen nach Doping gefallen lassen.

Hier eine kleine Auswahl an Fragen und Antworten:

Udo Bölts, FAZ 18.2.2000:

Sie sind Radprofi. Sie werden doch mitkriegen, was bei den verschiedenen Teams läuft.
Darüber hat man damals kein Wort verloren. Von Epo habe ich das erste Mal 1998 gehört, bei dem Tour-Skandal. Vorher kannte ich das nur vom Hörensagen und aus den Medien. 1994 waren Hämatokrit und so etwas Fremdwörter. Da hatte man sich noch nie mit beschäftigt. Da hat man darüber nachgedacht, was die für schöne Carbonrahmen fürs Zeitfahren haben. …

Verleidet es Ihnen nicht den Spaß am Beruf, dass Sie als Radprofi automatisch unter Dopingverdacht stehen?
Das ist schon frustrierend, wenn die Leistungen in Frage gestellt werden. In ruhigen Minuten macht mich das ziemlich fertig; wenn ich darüber nachdenke, was ich für meine Leistungen alles getan habe. Ich habe immer dafür gelebt, lasse die Familie allein zu Haus, fahre unzählige Trainingskilometer, egal ob es regnet oder schneit. Ich tu das alles und weiß, dass es geht, ohne zu manipulieren. …

Was könnte denn das Ansehen des Radsports retten?
Meiner Meinung nach kann man dem Doping im Sport allgemein nur beikommen, wenn man zusätzlich zu den Sperren Geldstrafen verhängt. Wenn es den Athleten an ihr sauer verdientes Geld geht, wird der ein oder andere sich das noch besser überlegen, ob er wirklich fünfhunderttausend Schweizer Franken riskiert. Auf der anderen Seite muss man sich mal die Dimensionen vor Augen halten: In Pirmasens haben unlängst zwei Männer, die jemanden fast tot geschlagen haben, nur eine Bewährungsstrafe und eine ganz geringe Geldstrafe erhalten. …

Was für ein Gefühl haben Sie, wenn Sie an die Disqualifikation von Pantani beim letzten Giro denken? War er gedopt?
Das weiß ich nicht. Wenn er mit sechzig Prozent Hämatokritwert getestet worden wäre, müsste man sagen: ja, wahrscheinlich. Aber bei 52 Prozent, da muss man fragen: Ist es so oder ist es so? Man muss auch sagen, die fünfzehn ersten des Giro wurden alle getestet, und es gibt gewisse Regeln, die auch der Leader des Giro einhalten muss. Und die Situation – egal ob Pantani schuldig war oder nicht – spricht für den Verband. Ich frage mich, ob das in anderen Sportarten auch möglich gewesen wäre.

Wenn Sie im kommenden Sommer gemeinsam mit Pantani nach L’Alpe d’Huez hochfahren und Pantani beschleunigt plötzlich ungemein, denken Sie da nicht: Ob der wohl 49,9 Prozent Hämatokritwert hat?
In dem Moment, wo ich mit Pantani gemeinsam am Berg bin, habe ich andere Probleme, als an dessen Blutwerte zu denken. Wird auch nicht lange vorkommen. …

Jan Ullrich, FAZ 12.5.2000:

Pantani wird nun zudem wegen des Verdachts auf Betrug im Sport angeklagt. Im Oktober muss sich Richard Virenque vor einem Gericht in Lille verantworten. Empfinden Sie Genugtuung über das konsequente Vorgehen der Justiz – zumindest in Italien oder Frankreich – im Kampf gegen Doping?
Wenn man wirklich was in der Hand hat, ist es gut. Aber: Man zerbricht natürlich auch einen sehr guten Rennfahrer, wenn es nicht so ist.

Haben Sie den Eindruck, dass durch die Ermittlungen der Behörden die Bereitschaft zum Doping generell abgenommen hat – oder ist der Griff zu unlauteren Mitteln im Radsport immer noch weit verbreitet?
Was soll ich jetzt darüber sagen? Ich kenne unser Team, ich kenne mich. Es ist einfach möglich, gute Leistungen zu bringen mit Quälerei, mit Talent, mit gutem Training. Man kann durch solide Arbeit Riesenerfolge feiern. Das ist einfach mein Ding, davon bin ich absolut überzeugt. Der Rest interessiert mich nicht. Wer des Dopings überführt worden ist, der hat halt betrogen, der muss seine Strafe bekommen. Wir machen da genügend Kontrollen, fast schon zu viel. Da gibt’s viele andere Sportarten, die nicht so überwacht werden.

Erik Zabel, FAZ 28.6.2000:

Wer sich so genau beobachtet wie Sie, wird auch die Konkurrenz genau beobachten. Hat sich etwas geändert dadurch, dass es den Hämatokrit-Grenzwert gibt, und wird sich etwas ändern durch das neue Epo-Nachweisverfahren, wann auch immer es eingeführt wird?
Da kann jeder nur für sich reden, und ich werde mich nicht zu einer Pauschalisierung hinreißen lassen.

Die französischen Fahrer sagen, dass es mit dem neuen Nachweis endlich Chancengleichheit geben würde.
Ich bleibe dabei, und das sollten die Franzosen auch endlich akzeptieren: Im Radsport gibt es das beste und umfangreichste Dopingkontrollsystem aller Sportarten. Wenn ein Franzose mir Doping unterstellt, kann ich auf ein umfangreiches Anti-Dopingsystem verweisen. Praktisch bei jedem Rennen, in dem ich starte, ist eine Kontrolle möglich.

Nur auf die Substanzen, die nachweisbar sind.
Ich sehe nicht ein, dass ich mich über etwas unterhalte, das nicht nachweisbar ist.

Wie haben Sie bei der Tour 1998 reagiert? Erst gab es den Skandal, dann haben nach und nach Zülle und die anderen Festina-Fahrer gestanden: Ja, Epo haben wir genommen.
Zülle hat gesagt, er hat’s genommen. In dem Zeitraum, in dem er es genommen hat, ist er scheiße gefahren. Da soll mir mal einer sagen, was das für ein Doping sein soll! Aber natürlich bin ich davon überzeugt, dass es für alle das Beste ist, wenn es einen stichhaltigen Test gibt. Dann brauche ich auch solche blöden Fragen nicht beantworten. Dann kann ich sagen: Da ist ein Test; wenn der negativ ist, bin ich sauber, fertig, aus. Bisher kann jeder Fahrer erzählen, was er will, es glaubt ihm keiner. Solange ich mich Bluttests unterziehe und meine Werte weit unter der Grenze liegen, gibt es für mich keinen Grund, solche Fragen zu beantworten. …

Armstrong hat eine Tour gewonnen, die clean war?
Davon bin ich hundertprozentig überzeugt.
Zülle hatte seine Erfahrung mit einem französischen Gefängnis gemacht. Und Armstrong hatte auf dem Sterbebett gelegen. Ich finde es eine Sauerei, dass er seinen Professor aus Amerika einfliegen lassen muss, damit der sagt: Ich habe alle Dossiers und Unterlagen hier, guckt rein. Wenn man ihm, der Krebs hatte und alle Dopingproben bestanden hat, Doping unterstellt, dann fällt mir nichts mehr ein.

Werden neue Tests helfen?
Mich hat enttäuscht, dass der Radsport eine Vorreiterrolle eingenommen hat mit den Blutkontrollen gegen Epo und das so nach hinten losgegangen ist, vom Image her. Dabei lach‘ ich mich doch kaputt, wenn ich andere Sportler höre, die sagen, sie hatten fünf Kontrollen im Jahr und seien auch noch zwei Mal unangemeldet im Training kontrolliert worden, und die laufen rum und sagen: Was sind wir sauber! Ich werde auf 35 kommen. …

Haben Sie sich jemals betrogen gefühlt in einem Rennen?
Das könnte passieren, wenn nach einem Rennen rauskommt, der Sieger war positiv, schuldig positiv. Das ist mir noch nicht passiert. Andersrum sage ich, anders als die Franzosen: Wenn der Sieger bei der Blut- oder Urinkontrolle war, habe ich zu Recht verloren. Aber das ist ja nur ein Aspekt. Radsport ist mehr als Doping und Kontrollen.

Sie sagen: schuldig positiv. Sie waren 1994 bei Veenendaal-Veenendaal unschuldig positiv?
Ja. Durch eine Sitzcreme. …

Die hat sich durch die Haut in den Körper verbreitet, und dann gab es eine positive Probe?
Innerhalb des Grenzbereiches.

Sie haben den Grenzwert nicht überschritten?
In einer Probe ja, in einer anderen nein. Es ging darum: Was hat man überhaupt zu sich genommen? Dann hat sich herausgestellt, dass es die Sitzcreme war. Wie im vergangenen Jahr bei Lance Armstrong: In den Proben waren Corticoide, aber unterhalb des Limits. Das ist bis vor ein Schiedsgericht des Weltverbandes gegangen, vor dem zu meinem Glück der Hersteller ausgesagt hat, dass gar nicht alles, was in der Salbe war, auf dem Beipackzettel stand. Damals lebte Professor Donike noch, der Leiter des Dopingkontrolllabors in Köln. Er hat für mich ausgesagt. Der Beipackzettel der Sitzcreme wurde dann geändert.

Erik Zabel, Thorsten Knobbe, Spektakel Spitzensport, 2000:

T.K.: Inwieweit decken sich Ihre Eindrücke über den Werdegang des Team-Telekom mit dem, wie ihn die Medien mehrheitlich dargestellt haben, nämlich von Verlieren über Helden hin zu Leistungsträgern mit Doping-Fragezeichen?
E.Z.: Das mit den Dopingvorwürfen hat sich ja als große Luftblase entpuppt – keiner hat Beweise bringen können. Insofern muß ich da nicht drauf eingehen.
Was mich selbst angeht: Ich muss mit meiner Leistung selbst klar kommen. Ansonsten hat jeder das Recht, sich seine Meinung zu bilden und dann zu äußern.

T.K.: Warum, glauben Sie, sehen die Fans über das flächendeckende Doping hinweg, so es denn existiert? Warum verzeihen sie den Dopern?
E.Z.: Es gibt einen jurisitischen Grundsatz, der heißt: Im Zweifel für den Angeklagten. Das heißt, es müssen Beweise vorliegen, um jemanden verurteilen zu können. Die gibt es aber nicht. Das erst mal vorweg. Aber es ist doch so: Der Sport ist Teil unserer Gesellschaft, er ist es aber auch nicht. In unserer Gesellschaft gilt doch derjenige beinahe als Loser, der auf Fair-Play und Chancengleichheit Rücksicht nimmt. Genau diese Werte zählen aber im Sport. Deswegen ist der Sport so populär – weil hier noch gilt, was in der Gesellschaft offenbar immer weniger zählt. Und da hat der Hochleistungssport zurzeit das Problem, noch Regeln zu finden, die klar außerhalb der Gesellschaft stehen. Der Sport ist nur so populär, weil die Fans denken: Der Beste gewinnt! Es ist sehr schwierig, hier eine Lösung zu finden. Wenn man außerdem gesehen hat, wie die Franzosen dem Richard Virenque zujubelten, dann braucht mir niemand mehr etwas über das Thema Doping zu erzählen.

Im Oktober 2000 brachte der Festina-Prozess in Lille einiges Erhellendes über die Dopingpraktiken im Peloton. Die als Zeugen geladenen Fahrer Richard Virenque, Erwan Mantheour, Armin Meier, Laurent Brochard, Neil Stephens, Didier Rous, Christophe Moreau, Laurent Dufaux, Lylian Lebreton, Alex Zülle, Gilles Bouvard und Emmanuel Magnien erzählten. Erwan Manthéour und Thomas Davy ließen an ihren Aussagen keine Zweifel darüber aufkommen, dass D’Hont eine Meister des Dopings war, Menthéour sprach zudem davon, dass er von dem Pfleger/Soigneur d’Hont – Monsieur Dopage – gesagt bekommen hätte, auch Jan Ullrich habe mit EPO gedopt. Dass Bjarne Riis als Monsieur 60% im Peloton bekannt gewesen war, überraschte niemanden mehr. Dabei blieb es, mehr Anschuldigungen und Verdächtigungen gab es in Lille in Richtung Team Telekom nicht. Jeff d’Hont wurde zu neun Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Team Telekom/T-Mobile und Doping: Hier geht es zu den Jahren: