Dopingpraktiken/-praxis, ausgewählte Beispiele
Bertrand Fincoeur: Kicked out – Dopingexperten ausgebremst
Kriminologe Dr. Betrand Fincoeur ist Wissenschaftler an der Universität Lausanne. Seinen Doktortitel erwarb er an der Universität Leuven, Belgien. Hier arbeitete er auch mit Kriminologin Letizia Paoli zusammen. Doping und Anti-Doping, insbesondere den Radsport betreffend, sind Schwerpunkte seiner Forschungstätigkeit.
Doping in Cycling, interdisciplinary perspectives, herausgegeben von B. Fincoeur, John Gleaves und Fabien Ohl, 2019
Der Beitrag von Bertrand Fincoeur,
Kicked out: how experts are being deterred from playing on the doping market
befasst sich mit dem Doping-Markt im und für den Elite-Radsport:
In diesem Text analysiert er die Veränderungen, die sich in den letzten Jahren in der Versorgung im Elite-Radsport mit Dopingmitteln und Dopingunterstützung ergaben und zeigt mögliche – unerwünschte – Entwicklungen auf.
Der Ausführungen ergänzen die von Letizia Paoli, die >>>hier nachzulesen sind.
Kicked out. How experts are being deterred from playing on the doping market /
Wie Experten daran gehindert werden, im Dopingmarkt mitzuspielen
Bertrand Fincoeur:
Etliche Studien machen deutlich, dass sich das Doping-Verhalten im Elite-Radsport im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte wesentlich verändert hat. Bis vor Kurzem gab es allerdings nur wenige Erkenntnisse darüber wie die Dopingnetzwerke im Sport funktionieren (supplying networks of doping products in a sports context). Im Folgenden werden die neuesten Forschungsergebnisse vorgestellt. Basis sind meine eigenen jüngsten Forschungen zum französischen und belgischen Radsport (2016) und ein noch laufendes Projekt über Leistungssteigerung im internationalen Elite-Radsport, das von der Swiss National Science Foundation unterstützt wird.
Die Einbindung von Radsport- und Medizinexperten in die Dopingversorgung
Wie [>>> hier] von Letizia Paoli dargestellt, ist der Versorgungsmarkt mit Dopingprodukten und deren Anwendung ein halb-legaler Markt. Halb-legale Märkte werden vorwiegend über Nachfrage gesteuert.
Der Konsum leistungssteigender Mittel geht bis in das 19. Jahrhundert zurück, zeigte vielfältige, vor allem amateurhafte Formen und variierte von Land zu Land. Frühe Berichte gibt es einige (z.B. Albert Londres 1924). Doch nur sehr wenig ist bekannt darüber, wie die Radsportler an die Mittel gelangten. Das änderte sich allmählich nach dem zweiten Weltkrieg mit der zunehmenden Einbindung von Ärzten in den Hochleistungssport. Ein wichtiger Report, der Aufschluss über das Dopinggeschehen gab, ist der Dubin-Report von 1990, der nach dem Ben Johnson-Skandal während der Olympischen Spiele in Seoul 1988 von der kanadischen Regierung in Auftrag gegeben wurde und u.a. offenlegt, wie das Rad-Olympiateam der USA 1984 von Ärzten mit Bluttransfusionen behandelt wurde. Der Festina-Skandal öffnete dann einige Jahre später den Blick auf die teaminterne Versorgung mit Doping, das geheim organisiert wurde.
ln his book published in the aftermath of the 1998 scandal, the former soigneur Willy Voet (2002) detailed the hidden drug-related practices of the cycling world (see especially chapters 5 and 6; see also Fignon, 2010). lmportantly, such accounts illustrate the then-existing flourishing culture of tolerance towards doping that had developed within elite cycling: doping was best understood as a ‚deviant overconformity‘ (Coakley, 20I5). Consequently, people involved in the supplying networks of doping products belonged to the cycling family‘. At least until the mid 1980s, riders, trainers, and masseurs ‚were behind the distribution of the drugs, and the dosages were deternined according to other riders‘ experiences, through „trial and error“‚. The use o[ drugs then ‚reflected the social organisation of training and preparation which was common the time: unsophisticated and bound by tradition‘ (Christiansen, 2005:500). Yet, by focusing on the importance of performance and winning, sport provided favourable conditions for its scientisation and medicalisation (Waddington & Smith, 2009). As a result, EPO turned out to be endemic in the mid-1990s after that a biomedical research team from the ltalian Universiry of Fenara, headed by Professor Francesco Conconi with his assistants Luigi Cecchini and Michele Ferrari, ensured the appropriate use of EPO among elite riders (Donati, 2012; see also Gleaves‘ and Paoli’s chapters in this book).
Dank der weithin selbstverständlichen Dopingpraxis erhielten die Elitefahrer ihre Dopingmittel, meist Medikamente, mittels Verschreibungen von Ärzten oder über andere Fahrer des Teams. So z. B. Rodolfo Massi, der von Italien nach Frankreich Medikamente schmuggelte und damit dealte. Philippe Gaumont beschreibt diese Versorgungswege in seiner Autobiografie anschaulich. Doch es liegen viele entsprechende Aussagen vor.
We had the yellow jersey before rhe last stage at the Tour of (…). The guys were concerned about losing it on the last day. In the evening, the riders asked me a little extra for the last stage. They had made a lot of efforts during the previous race days, and they were particularly tired – I did call my secretary, asking him to bring a suitcase with everything necessary for our riders. He arrived just after the dinner and we did injections for the whole team. (Mark, team physician)
In den späten 1990er Jahren gingen einige Teams dazu über, die Versorgung mit Dopingprodukten selbst zu organisieren. Die wohlhabensten, wie das Festina-Team, stellten einen Teil ihres Budgets dafür zur Verfügung. Gerechtfertigt wurde dies gerne mit gesundheitlicher Fürsorge. Daneben organisierten sich Fahrer aber auch weiterhin selbst.
I was team physician of a second league team but I also followed some additional riders in other teams. ln parricular, O. was my patient (a top rider in the late 1980s/early 1990s). I assisted him for several major races. Although I did care only of him, I could stay ar rhe hotel with his team during the races. The team physician injected, for exarnple, insulin to each rider of the team but I did some extras for O. In fact, the team was extremely professional and I very much appreciated this professionalism. (James, team physician)
Bis in die späten 1990er Jahre, vielleicht auch noch bis in die frühen 2000er Jahre, lag die Versorgung der Elitefahrer überwiegend in Händen von Experten mit Radsporteinbindung und Medizin-Erfahrung, es war ein Insider-Geschäft.
Until then, the doping supply was a real insider’s business. These insiders who could supply, assist, or advise the riders were experts by experience. They shared either cultural values or experiences with the riders. Numerous soigneurs-suppliers were former elite or semi-pro riders, as is the case of Jef D’Hont, the former Belgian soigneur of the German cycling team Telekom, whose riders Bjame Riis and Jan Ulrich won the 1996 and 1997 Tour de France (D’Hont,2007). The embeddedness of actors belonging to the ‚cycling family‘ did not fit a strategy of maximising profits since the doping networks consisted of a limited amount of people and relied on low prices.
Diese Versorgerstruktur war kaum kommerziell, kaum auf finanziellen Gewinn ausgerichtet. Ausschließen lässt sich zwar nicht, dass einige Ärzte auch gewinnorientiert agierten, doch Gesundheitsaspekte spielten dabei durchaus eine Rolle, wie das Beispiel von Dr. Georges Mouton zeigt.
Arzt Mouton, 2001: There is clear evidence that, among elite cyclists and high.level amateur cyclists, some injectable products that can be administered in the evening after a competition to help recover and contribute to a berter general condition in the long term. Of course, one can argue that they also enhance the next day’s performance. It does not correspond to my deflnition of doping which could otherwise be applied to the training and to a good sleep. Something enhancing both the performance and the health should not be considered as doping. Only thinkers completely disconnected from real world may defend such hare-brained ideas. The philosophy of antidoping consists in avoiding everything harmful for the health but it may not attack what helps the athletes to be healthy – even if those products or methods are performance-enhancing.te>
Experten wurden teilweise ersetzt
Die Behauptung, das Dopingverhalten im Radsport habe sich in den letzten 20 Jahren bis 2018 verändert, birgt Risiken. Denn es gab zu viele Affairen wie Oil for Drug, Operacion puerto, Rabobank und die um Armstrong/US postal. Aber es es gab Veränderungen. Sponsoren haben sich zurückgezogen und Fahrer sowie Teams müssen gegenüber früheren Jahren mit harten Sanktionen rechnen. Der interne und externe Druck hat deutlich zugenommen. Eine Folge ist, dass Doping nicht mehr so durchgängig von Fahrern akzeptiert wird und die Teams nach außen hin eine harte Null-Toleranz verkünden (müssen).
Roughly said, the harsher anti-doping regime and the need for a sustainable business model have fostered the cycling family to be increasingly committed with clean sport.
Das wirkte und wirkt sich auch auf die Versorgungsstrukturen mit Doping aus. Die einst recht offen agierenden Versorger können sich nun das Risiko, entdeckt zu werden, nicht mehr leisten.
I did dope many riders in my career but today I wouldn’t dare to supply an illegal stuff to any of our riders. I know what are the risks for the team vis-à-vis our sponsor, and I don’t want to be responsible for making 60 guys unemployed. (Bob, team physician)
Damit kam eine neue Variante von Dopinganbietern ins Spiel, die ‚experts by expertise‘ ersetzten die ‚experts by experience‘. Letztere gaben ihre intern erworbenen Erfahrungen weiter, die ‚experts by expertise‘ punkten mit ihren allgemeineren technischen oder wissenschaftlichen Kenntnissen über Doping. Sie müssen sich nicht im Radsport auskennen, sondern agieren im Umfeld verschiedener Sportarten und darüber hinaus. Sportärzte und andere Ärzte, insbesondere Ernährungsspezialisten und Allgemeinmediziner gehören dazu, aber auch Teamärzte, die neben dieser Tätigkeit noch andere Aufgaben ausüben. Auch Pharmazeuten, Physiotherapeuten und Trainer mit entsprechenden Kenntnissen können dieser Kategorie zugerechnet werden. Seit den frühen 2000er Jahren sind die Radsport-Doping-Skandale geprägt von entsprechenden Experten, wie z.B. die belgische Affaire um José Landuyt mit ]ohan Museeuw, und die italienische um Guido Nigrelli, die Mantua-Affaire, zeigen.
Obviously, the physicians (sports doctors and other doctors, such as nutritional doctors and general practitioners) are the principal experts by expertise. This category of experts also includes the team physicians, who have a cross-sectional position between insiders and outsiders. Pharmacists, vets, physiotherapists, and trainers may also be considered as experts by expertise since they hold some (para-medical) knowledge about the products and their expected (side-)effects. Since the early 2000s, the history of cycling-related doping scandals is riddled with such experts‘ profiles, as illustrated by the prominent role of the veterinarian ]osé Landuyt in the doping scandal involving several Belgian top riders including the one-day races and world champion ]ohan Museeuw, or the pharmacist Guido Nigrelli in the Mantova doping invesrigation (Paoli & Donari, 2014: 69). Over-rhe-counter drugs, forged prescriprions, and/or thefts in hospital pharmacies by nurses have also been reported (Fincoeur, 2016). Importantly, several doctors and other health professionals unrelated to a particular elite team began to play an increasing role in prescribing, monitoring, administering, and/or providing riders with illegal enhancers. The various publicly released cases of the italian Dr. Michele Ferrari, the Spanish Dr. Eufemiano Fuentes, the French naturopath Bernard Sainz, and the sports medicine department of the German University of Freiburg-im-Breisgau (about the latter, see Paoli’s chapter) came out to illustrate this shift towards experts by expertise.
Selbstverständlich agierten diese genannten Personen auch schon lange vor 2000, teils auch im Radsport wie Francesco Conconi und Luigi Cecchini in Italien (Paoli & Donati, 2014), Patrick Nédelec in Frankreich (Gaumont, 2005), Luis Garcia del Moral in Spanien, doch ihr Einfluss auf den Radsport, sofern gedopt wurde, nahm von nun an enorm zu.
Similarly, the team-sponsored doping model did not completely fade away in the 2000s, as evidenced by numerous doping scandals pertaining to various teams such as Cofdis, Rabobank, Saunier-Duval, US Postal, etc. Despite having been investigated or reported for doping activities, several doctors have also continued their activity of team physician across the years in different teams: Massimo Besnati, Pedro Celaya, José lbarguren, Thomas Klimaschka, Geert Leinders, Andrei Mikhailov, Manuel Rodriguez Alonso, Yvan Van Mol, etc..
Die neuen Teamärzte unterlagen stärker dem neuen Antidoping-Kodex und lösten die alte Generation ab. Gleichzeitig wurden die Anforderungen an Doping immer höher, z. B. durch die Einführung des Biologischen Passes. Eigendoping der Fahrer wurde erschwert und die Experten mussten dafür Sorge tragen, dass Kontrollen keinen Verdacht schürten. Eigendoping der Fahrer wurde damit immer seltener (eine Ausnahme war Riccardo Ricco, der im Februar 2011 in kritischem Zustand in eine Klinik eingeliefert wurde nach einer Bluttransfusion, die er sich selbst verabreicht hatte.) Allerdings können Teammitglieder und ehemalige Elitefahrer durchaus weiterhin wichtige Rollen spielen in der Vermittlung von Informationen und Kontaktknüpfung, als wichtige Glieder eines einschlägigen Netzwerkes, das über das jeweilige Team hinausreicht.
The reliability of the team-unrelated supplying networks will then be strengthened by the fact that the illegality entails risks for each member of the network. Becoming a partner in illegal transactions presupposes credible signals of trustworthiness on the side of the trust-taker and intensive monitoring on the side of the trust-giver (Beckert & Vehinger, 2013).
Doping war sicherlich in Zeiten, als es gang und gäbe und weitgehend akzeptiert war, und Ärzte und Soigneurs Szeneninsider waren, leichter durchzuführen. Doch es war auch damals meist eine Angelegenheit von Experten.
Dopingexperten handeln vor allem im Rahmen ihrer Berufe/Profession, ihrer Rollen und ihrer institutionellen Einbindung. Da verschwimmen die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität, zwischen erwünschten und notwendigen Erwartungen der Gemeinschaft, der man angehört, schnell. Gesetzesverletzungen werden möglich als legitimer Teil einer legitimen Beschäftigung.
It therefore mainly consists of embedded actors into legitimate professions, roles, and institutional settings which are suggestive of corporate or occupational crime, defined respectively as the offences committed by corporate offcials for their corporations and the offences of the corporation itself, and the violation of the criminal law in the course of activities of a legitimate occupation (Clinard & Quinney, 1973). Due to the above-mentioned shift, the experts by expertice seem to better fit the concept of occupational criminals because the corporation – here, the teams – no longer supports doping practices. lt should, however, be stressed that not all professional activities of those who administer/provide/etc. doping products are illegal, and that occupational criminals actually benefit from the legal status of their main activities to cover illegal practices. Legal and illegal activities are thus largely intertwined.
Doch können solche Praktiken mit organisiertes Kriminalität gleichgesetzt werden?
Eher nicht. Denn die verschiedenen kriminellen Dopingnetzwerke gehören letztlich keiner kriminellen Organisation an. Auch wenn manche Vertriebswege Ähnlichkeiten mit Mafiastrukturen erkennen lassen, fehlt z.B. das Merkmal der physischen Gewalt, die die illegalen Märkte der Organisierten Kriminalität kennzeichnen.
Angemerkt sei auch, dass es falsch wäre, anzunehmen, die aktuelle Dopingversorgung im Radsport müsse mit schweren gesundheitlichen Nebenwirkungen einhergehen. Schon während der Hoch-Zeit des Dopings im Radsport lag z. B. das Sterbealter französischer Eliteradsportler, die an der Tour de France teilgenommen hatten, über Jahrzehnte betrachtet, signifikant über dem Alter der männlichen Durchnittsbevölkerung (Marijon et al., 2013). Daraus leiten etliche Wissenschaftler die Befürchtung ab, dass dadurch dass immer häufiger das Umfeld der Sportler und damit auch die sie betreuenden Dopingexperten in den Fokus der Dopingverfolger geraten, die Experten zunehmend durch Nichtexperten ersetzt werden könnten und damit die Gesundheit der Athleten gefährdet würde.
Wie Anti-Doping-Strukturen Experten ausgrenzen könnten
Die Lieferanten von und Versorger mit Doping zu verfolgen und zu sanktionieren, ist keine neue Idee. Das versuchten bereits 1965 die nationalen Anti-Doping-Gesetzgebungen Frankreichs und Belgiens. Allerdings wurden die Gesetze kaum angewandt. Heute gibt es häufiger staatliche Gesetzgebungen, wobei gegenwärtig die Frage im Zentrum der Diskussion steht, ob und wenn ja, wie die Sportler*innen selbst belangt werden können. Es gibt weltweit mittlerweile viele Initiativen, staatliche Exekutiven, wie nationale Ermittlungsstrukturen, mit den Anti-Doping-Strukturen des Sports zu verbinden. Eine der letzten Erfolge ist das Abkommen zwischen WADA und Interpol. Eine Weiterentwicklung seitens des internationalen Sports ist das seit 2015 bestehende Verbot für Sportler, mit Trainern, Ärzten und anderem Personal zusammen zu arbeiten, denen ein Dopingvergehen nachgewiesen wurde. Im Juli 2018 führte diese Schwarze Liste 168 Personen namentlich auf (Im Januar 2020 waren es 157: Prohibited Association List). Dieser Personenkreis aus dem Umfeld der Sportler*innen kann und wird zunehmend sportrechtlich sanktioniert. Das hat zur Folge, dass der Einfluss vieler Experten, die die Dopingpraxis mitbestimmten, zurückgeht.
I know Greg (= an independent sports physician) for years. I can even say he is my friend. Five years ago, if you wanted a blood-transfusion or IGF-1, you couid easily get it. He agreed to do everything for me. Not necessarily for making money. I think primarily for the vanity to have an elite athlete as a patient. Well, he also prescribed cortisone to young riders. But today, it’s all in the past. I think he has understood that such attitudes may affect the credibility of cycling. In addition, he fears for being investigated. Let’s imagine the impact on his career. He does not want to lose all what he has built. (Daniel, elite rider)
I don’t want to get fines and go to prison because of my job. I see how things are tuming out. Today, I did stop with athletes. I focus on nutrition issues, other type of patients, and that’s it. (…) Quite frankly, ftom an intellectual point of view, the job of team physician has become much less interesting than it used to be. lncreasingly, it equates to a task of policeman who is expected to verify that his riders are compliant with anti-doping rules. Basically, my motivation to do this job got lost. (James, team physician)
I am not crazy. My career is important to me. I may sometimes disagree with the WADA-list but if I was asked to prescribe or provide anything illegal, I would simply decline and say to my patient: just visit someooe else. (AIan, independent sports physician)
I have seen important changes over the past ten years. Elite riders are today much cleaner but I now received amateurs and young riders with their parents asking how I can help their child To be more performant. I prefer not to know where they will go to be provided with their bullshit stuff. (Philip, independent sports physician)
Aus einer belgischen Erhebung unter Fahrern (Fincoeur, Frenger, & Pitsch, 2014), die an Wettkämpfen teilnahmen, ergab sich, dass Nicht-Experten, die ersten Ansprechpartner sind, wenn der Wunsch nach Dopingunterstützung aufkommt. Daraus ergibt sich die Annahme, dass die Athleten sich zunehmend, wenn auch langsam, auf dem Schwarzmarkt nach Dopingmitteln und der Möglichkeit ihrer Anwendung umsehen. Der Dopingmarkt könnte sich so in den kommenden Jahren deutlich umstrukturieren.
Noch gibt es keine Anzeichen dafür, dass kriminelle, Mafia-ähnliche Organisationen in den Versorgungs-/Beschafffungsketten im Radsport auftauchen. Selbst im hoch dopinginfiziertem Bodybuilding, das durchaus attraktiv für die organisierte Kriminalität sein könnte, gibt es keine Hinweise. Doch das muss so nicht bleiben.
Ein wichtiger Unterschied zum herkömmlichen Drogenmarkt wie dem Heroin- und Kokainmarkt, ist, dass die Handelnden im allgemeinen Dopingmittelmarkt meist männlich, weiß und gut ausgebildet sind. Sie gehören überwiegend einem kleinen Netzwerk an, das eher lokale Wurzeln hat (Ausnahme Operation puerto). Und sie haben nur selten eine kriminelle Vergangenheit oder einen kriminellen Hintergrund (Fincoeur, 2016; Paoli & Donati, 2014).
Consequently, and given the changing policy context, could other avenues to obtain products be an option for athletes who increasingly struggle to find lenient experts? Finally, and although the aim is nor to figure out a short.term threat, what could be academic researchers‘ and olicy.makers‘ contribution to prevent the situation from turning into a self-fulfilling prophecy?
Schlussbemerkungen: konzeptuelle und forschungsrelevante Implikationen
Der [europäische] Dopingmarkt im Radsport wurde nur wenig von der allgemeinen Globalisierung beeinflusst und hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert, da sich die Fahrer weiterhin auf bekannte und qualitativ hochstehende Strukturen in ihrem Umfeld beziehen konnten. Diese relative Sicherheit wird nun zunehmend durch die Anti-Doping-Strukturen beeinträchtigt, das Geschäft mit Doping wird zu eineim riskantes Geschäft. Das könnte bedeuten, dass das Doping-Business in Bereiche ausweicht, in denen Dopingskandale wenige Folgen zeitigen und Antidopingreglements weniger greifen. Mit staatlicher Strafverfolgung können diese Kreise umgehen, das sind sie gewohnt. Paradoxerweise könnte damit das Antidopingsystem genau die Kreise unterstützen, die es nicht zulassen möchte. Der Dopingmittelmarkt könnte sich ähnlich dem illegalen Markt harter Drogen mit all seinen schwerkriminellen Auswüchsen, die nicht mehr zu kontrollieren sind, entwickeln. Für Kriminologen ist solch eine Verschiebung als Effekt repressiver Maßnahmen eine übliche Entwicklung.
Yet, an important threat that comes out from the ongoing antidoping policy is the risk of development of a competitive doping market, which is what the culture of tolerance towards doping has so far enabled to prevent. lf one assumes, with economic theory, that the efficiency of markets is enhanced through competition, say Beckert & Wehinger (2013: 18), illegal markets are structurally inefficient. It would then be unfortunate if antidoping efforts contributed to the emergence of competitive supply practices.
Um entsprechende unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden, könnte ein Markt zugelassen werden ähnlich dem Cannabis-Markt, durch den auch die Risiken/ Kosten für die Athleten minimiert würden. Denn es sind nicht nur Athleten, die den illegalen Dopingmittel-/Medikamentenmarkt nutzen, dazu sind die Mengen, die gehandelt werden, zu groß.
Of course, the global supply of performance-enhancing drugs is all but restricted to athletes. In a WADA-funded study, Donati (2007) estimated the global production of EPO as six times higher than what is necessary to supply the therapeutic needs for patients worldwide. lt is obvious that athletes alone cannot absorb this overproduction. Actually, the differentiation of the doping market in two clear-cut markets for athletes and other user is already a reality (Paoli & Donati, 2014).
Nach Informationen von Strafverfolgungsbehörden übersteigt die Profitspanne beim kriminellen Handel mit Dopingmitteln bereits die Profitspanne im herkömmlichen Drogenmarkt. (Siehe hierzu z.B. die verschiedene Aktionen von Interpol und Europol gegen den illegalen Handel mit Medikamenten und Dopingmitteln im Internet (Operation PANGEA XI, Operation Viribus).
Was bedeuten diese Erkenntnisse für den Dopingmarkt im (Elite)Radsport? Können daraus neue Wege für den Anti-Doping-Kampf abgeleitet werden?
Beyond the development of the doping market in (elite) cycling, these perspectives could (or should?) help to rethink how anti-doping policies are fiamed and shaped. May sports not be the good entrance door for anti-doping? From an academic point of view, there is also undoubtedly a need for further research on this very topical issue. As suggested by this book, interdisciplinary perspectlves could then contribute to better evidence.based policy-making.
Einige Weiterführende Dossiers und Texte auf doping-archiv zum Thema: