Dopingpraxis, ausgewählte Beispiele
Medikamenteneinsatz während der Tour de France
Höchstleistungen setzen den Körper unter Stress, er verbraucht jede Menge wichtiger Stoffe, die dringend wieder ersetzt werden müssen, wenn der Sportler weiter funktionieren und gesund bleiben soll. Diese Ansicht vertreten seid Jahrzehnten viele Ärzte und manche Dopingtradition wurde schon damit begründet. Auch in unseren aller Alltag dringt eine ähnliche Haltung immer weiter vor.
Wie solch eine Substitution von Stoffen während der Tour de France 2008 praktisch aussieht, erläutert der Arzt des Teams Quick Step Manuel Rodriguez in folgendem Artikel von Léon de Kort.
>>> Tour de France: 76 pillen per dag, Sportwereld, 23.7.2008
eine Zusammenfassung:
76 Pillen pro Tag
Steven de Jongh nimmt als Fahrer des Teams Quick Step während der Tour de France 76 Pillen täglich zu sich. Befragt nach dem Ende der Etappe nach D’Alpe d’Huez meint er etwas lakonisch „das geht schon, diese paar Pillen“.
„Um ehrlich zu sein, ich fühle mich nach gut zwei Wochen frischer und stärker als in den vergangenen Jahren. Dank der ‚Demenzdöschen’ .“
Für Steven sind das keine Chemikalien, die schädlich sein könnten, sondern notwendige Unterstützung, um die Tour de France gut überstehen zu können. „Wenn du auf ‚normale’ Weise die Tour durchstehen möchtest, dann bist du echt von diesen Dingen abhängig.“
Der Arzt von Quick Step Manuel Rodriguez ist bereit das Konzept näher zu erläutern. In seinem Hotelzimmer liegen auf dem Bett „sieben Plastikdöschen, die einen ominösen und irritierenden Piepston von sich geben. Rodriguez, seit 10 Jahren Radsport-Arzt, springt auf und drückt bei allen Döschen einen Knopf, die Ruhe kehrt zurück. „Du hörtest ein Alarmsystem, mit dem die Fahrer an die Einnahme der Pillen erinnert werden sollen“, erklärt er während er einen weiteren Knopf drückt. Im Display erscheint eine Zeit: 5.40 (17.40) „Um diese Zeit sind die Etappen täglich zu Ende. Die Jungs kommen in den Bus, hören den Wecker des Döschens und wissen, dass sie die Pillen nehmen müssen. So geht das weiter bis sie ins Bett gehen. Alle 50 Minuten eine austarierte Dosis, so regeneriert sich der Körper am besten.““
Nachdem die WADA zum 1. Januar 2007 die Anwendung von Infusionen, die Verabreichung intravenöser Aufbaumittel, untersagt hatte – mit denen die Fahrer nach den Etappen den ausgepowerten Körpern im Schnellverfahren die nötigen Nähr- und Aufbaustoffe wieder zugeführt hatten – brauchte man Alternativen.
„Und das betrifft auch die alltäglichen Injektionen“, fügt der Arzt hinzu. „Wer sich tagtäglich Spritzen setzen möchte, muss dazu bei der UCI um Erlaubnis nachfragen. D.h. jede Injektion muss genehmigt werden. Außer wenn es dringend nötig wird, wie der Fall von Oscar Pereiro zeigt. Ihm konnte man schwerlich eine Pille gegen die Schmerzen geben, nachdem er fast zu Tode gestürzt war. Eine schmerzstillend Spritze wirkt viel schneller und effektiver.“
Der 42 jährige Arzt Rodriguez begann vor 3 Jahren mit seiner Suche. 10 Jahre lang hatte er medizinische Fahrer-Daten gesammelt. Daraus entwickelte er seine ‚variable Pillendiät‘, die auf den Bedürfnissen von Ausdauersportlern beruht.
„„Die Pillen befinden sich in den Döschen“, erklärt der Spanier, während er einen Deckel öffnet. 7 Fächer enthalten Tabletten in allen Größen, Formen, Farben und Geschmacksrichtungen. “Es muss auch schmecken, wenn man drei Wochen lang täglich 75 nehmen muss.“
Ganz rechts liegen rote Geleekügelchen. „Das sind Haribo-Bonbons, die mit der Tourkarawane verteilt werden. Sie werden dem täglichen Sortiment zugefügt um den Zuckerspiegel zu erhöhen. Das andere sind Ergänzungsmittel, die der Fahrer braucht. Das können Antioxidantien, Vitamine, Carbohydrate, Aminosäuren oder Proteine sein.
„Und immer in der richtigen Menge, zusammengestellt nach den Ergebnissen meiner täglichen Untersuchungen der physischen Gegebenheiten der Fahrer. Jemand wie Steven, ein Sprinter, braucht vor allem Kreatin um seinen Energievorrat stets auf dem richtigen Pegel zu halten.“
Was morgens beim Frühstuck in der Box liegt, beruht auf elementaren Gegebenheiten wie dem Körpergewicht (festgestellt am Morgen und nach den Rennen), dem Urin (wird jeden Morgen kontrolliert), dem Ruhepuls und dem Gefühl der Fahrer.“
Täglich kontrolliert Rodriguez 20 Parameter eines jeden Fahrers. Er erkundet z.B. wie sich die Beine nach dem Aufwachen, während des Rennens und der Massage anfühlen. „„Anhand der täglichen Antworten, verglichen mit früheren Aufzeichnungen, kann ich erkennen, ob die Muskulatur noch immer gut funktioniert, das hat etwas mit der Verarbeitung der Ausscheidungsstoffe zu tun.““
„Und dann mit Trotz in der Stimme. „Hier fahren 5 Fahrer mit, die auch letztes Jahr an der Tour teilnahmen. Dank unsere Pillendöschen haben sie 20% weniger Muskelschmerzen.“