Rund um die Olympischen Spiele 2008
Jens Weinreich beschreibt in dem Spiegel-Artikel „Das moralische Versprechen“, 27. Mai 2008 wie China 2001 die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2008 zugesprochen bekam. Die Menschenrechtsfrage spielte in diesem Jahr in der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle. Für das IOC hätte dies ein wichtiges Kriterium sein müssen. Hätte, war es aber mitnichten.
In dem Artikel geht es nicht um Doping, aber Weinreich analysiert scharf, wie das IOC funktionierte und noch funktioniert und warum die aktuelle vorolympische harte Kritik an China bezüglich der Menschenrechte und Tibet letztlich nicht adäquat vom IOC mitgetragen werden kann und wohl auch nicht werden will. Das Dopingproblem kommt in diesem Artikel nicht vor, aber es dürfte Parallelen geben. Manches wird verständlicher. Trotz vieler Skandale war dies mit Sicherheit kein Problem, dass man in IOC-Kreisen wirklich ernst nehmen wollte, vor allem nicht vor dem Hintergrund eigener Verstrickungen.
Dopingkontrollen Olympia 2008 – Abschlussberichte
Stand Oktober 2008:
Das IOC hat Nachtests auf EPO CERA und Insulin durchführen lassen. Die Ergebnisse wurden am 28.4.2009 bekannt gegeben. Danach gab es 7 positive CERA-Proben von 8 Sportlern: IOC: IOC completes further analysis of Beijing samples
SARMS, Designersteroide und Proteasen wurden anfangs auch genannt, doch wurde dann wohl darauf verzichtet. 9.12.2008:
IOC: Further analysis of Beijing 2008 samples to start early January 2009
ARD: Lücken bei olympischen Dopingkontrollen
zdf: Peking 2008: Halbherziger Kampf gegen Doping
4 770 Tests wurden vom 27. Juli bis zum 24. August in Peking durchgeführt. Davon waren 3 801 Urin-, 969 Bluttests. 817 Urinproben wurden auf EPO analysiert, 471 auf Wachstumshormone. Es traf jeweils die 5 ersten plus 2 weitere Sportler/innen, so das IOC, im WADA-Report wird anderes berichtet, s.u. ..
>>> IOC: 4,770 doping tests at the Beijing Games
Am 9. Oktober veröffentlichte die WADA den Bericht ihrer unabhängigen Beraterkommission:
>>> WADA: REPORT OF THE INDEPENDENT OBSERVERS, XXIX OLYMPIC GAMES, BEIJING 2008
Der Bericht offenbart viele Versäumnisse und Zweifelhaftes, so dass die Pekinger Spiele wohl nicht von der behaupteten guten Antidopingarbeit begleitet waren.
>>> SZ: Schwere Verstöße bei Peking-Proben
>>> FAZ: Verschlampt, verschwunden, verschwiegen
Die verschwundenen 300 Proben sind allerdings wieder aufgetaucht und geprüft. 27.10.2008:
ORF.at: Jede vermisste Probe inzwischen geprüft
Dopingkontrollen – Veröffentlichungen vor und während der Spiele:
Geplant sind bis zu 4500 Dopingkontrollen (2004: 3600), während der Spiele (8.-24. August) und in den 13 Tagen vor Eröffnung des Olympischen Dorfes. Davon sind 4000 Urin-, 900 Blutproben. Sie werden an 41 Teststationen, davon 34 in Peking genommen und im Pekinger Labor analysiert und ausgewertet.
– Durchgeführt wurden 4770 Kontrollen, davon 3801 Urin- und 969 Bluttests. 817 Urintests waren EPO-Tests, 471 Bluttests bezogen sich auf Wachstumshormone.
Alle Proben werden für 8 Jahre eingefroren um sie später auf neue Substanzen hin untersuchen zu können.
„„Sämtliche Proben werden binnen drei Wochen ausgeflogen und an einen geheimen Ort gebracht. Wohin, das darf ich ihnen nicht sagen.“ Die Auslagerung der Proben stellt höchste logistische Anforderungen. Die Urin- und Blutproben müssen gut gekühlt in Spezialbehältern transportiert werden. Alles muss zügig ablaufen, um die Proben nicht zu beschädigen. Manipulationsmöglichkeiten sind vielfältig. „Die Proben sind hundertprozentig sicher“, behauptet Schamasch. „Ich garantiere es.“ (Weinreich, BZ, 21.8.2009)
Die Zahlen gehen weit auseinander: 150 bis 170 Spezialisten, insgesamt 917 Dopinganalytiker sollen in 3 Schichten rund um die Uhr tätig sein, darunter 18 ausländische Experten, 2 Deutsche: Dr. Prof. Dr. Mario Thevis vom Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln und angeblich auch Joachim Große vom Instituts für Dopinganalytik Kreischa, Bestätigung fehlt. Thevis soll in einem Team von ca. 180 Leuten im Bereich der Massenspektrometrie arbeiten. Weinreich, BZ 21.8.2008:
„Laut Wu Moutian arbeiten etwa 150 Personen im Pekinger Labor, darunter 50 chinesische Wissenschaftler, 20 Experten anderer Labors und ein knappes Dutzend Mechaniker der Wada, die für den Geräteservice verantwortlich sind.“
Innerhalb von 24 Stunden werden die negativen Ergenisse vorliegen, innerhalb von 48 die positiven, EPO-Test dauern 2-3 Tage.
Rund 500 Substanzen werden gesucht. Neu sind Tests auf Wachstumshormone (400 – 600 sind geplant), die genaue Liste wird nicht bekannt gegeben, es soll Überraschungen geben. Erst hieß es auch nach Insulin werde gesucht, doch laut Prof. W. Schänzer finden keine Tests statt:
„Für synthetisches Insulin existiert ein Testverfahren, das allerdings bei den Olympischen Spielen nicht eingesetzt wird. Humaninsulin ist noch nicht nachweisbar. (…) Das IOC geht davon aus, dass der Test noch nicht zugelassen ist. Die Zulassung hätte man sicherlich forcieren können.“ (taz, 14.8.2008)
Wer bei Olympia in Peking für mindestens sechs Monate wegen Dopings gesperrt wird, darf nicht bei den nächsten Sommerspielen 2012 in London starten.
Gewichtheber: Während der Spiele unterliegen die Gewichtheber einer besonderen Beobachtung. Im Aufwärmbereich gibt es keine Teamkabinen mehr. Allerdings gilt diese Regelung bereits seit zwei Jahren für im internationale Wettkämpfe (Focus, 7.8.2008)
„DOSB PRESSE: Zu dem intelligenten System, das vom Internationalen Olympischen Komitee für Peking angekündigt wurde, sollen auch gezielte Dopingtests im Vorfeld der Spiele gehören. Wie soll das funktionieren?
THEVIS: Es wird Aufgabe der nationalen Anti-Doping-Agenturen sein, ihre Athleten in der unmittelbaren Vorbereitungsphase zu testen. Die jeweilige Nada weiß am besten, wo sich ihre Sportler zwei oder drei Wochen vor Beginn der Spiele aufhalten und wann Kontrollen in dieser Phase am sinnvollsten sind. Intelligent testen heißt auch, sich auf Substanzen mit besonders kurzer Nachweisbarkeit zu konzentrieren. Peking wird meines Erachtens zugleich auch ein großer Test für die Glaubwürdigkeit der nationalen Anti-Doping-Agenturen sein. „
Quellen:
BZ: Eine merkwürdige Quote
taz: 16.8.2008taz, 14.8.2008
der westen, 5.8.2008
ARD, 18.7.2008
Kölnische Rundschau, 27.7.2008
DOSB, 7.4.2008
Dopingfälle vor und während der Olympischen Spiele
Dopingfälle während der Spiele:
Am 28.4.2009 gab das IOC bekannt, dass 6 Olympia-Teilnehmer nachträglich positiv auf EPO-CERA getestet wurden: IOC completes further analysis of Beijing samples :
Rashid Ramzi , Bahrain, 1500m-Olympiasieger – CERA
Davide Rebellin, Italien, Silbermedaille Rad-Straßenrennen – CERA
Stefan Schumacher, BRD, Rad – CERA
Athanasia Tsoumeleka, Griechenland, Geherin – CERA, wurde bereits positiv mit EPO gemeldet am 6.8.2009
Vanja Perisic , Kroatien, 800 m – CERA
Yudelquis Contreras (Maridarilon) , Dom. Republik, Gewichtheberin Klasse 53 kg – CERA – B-Probe war negativ
Am 18.11.2009 werden fünf dieser Athleten vom IOC disqualifiziert, Rashid Ramzi und Davide Rebellin wurden die Medaillen aberkannt. Gegen Yudelquis Maridalin Contreras wurde keine Sanktion ausgesprochen:
IOC sanctions five athletes who competed in Beijing
Vadim Devyatovskiy, weißrussischer Hammerwerfer – Testosteron (IOC).
Das CAS sprach im Juni 2010 Devyatovskiy aufgrund eines Formfehlers im Analyselabor frei, dies hieße aber nicht, er habe nicht gedopt (CAS).
Ivan Tsikhan, weißrussischer Hammerwerfer – Testosteron (IOC)
Das CAS sprach im Juni 2010 Tsikhan aufgrund eines Formfehlers im Analyselabor frei, dies hieße aber nicht, er habe nicht gedopt (CAS).
Adam Seroczynsk, polnischer Kanute – Clenbuterol (IOC)
Sergei Alifirenko, russischer Schütze – wurde angeblich aufgrund eines Augenleidens aus Peking zurückgezogen, im Dezember 2008 aber wegen Dopings mit Dexamethason für 2 Jahre gesperrt (ESPON)
das Pferd von Rodrigo Pessoa, brasilianischer Springreiter – Nonivamid: Sperre 4,5 Monate
Igor Rasoronow, ukrainischer Gewichtheber – Nandrolon
das Pferd von Courtney King, amerikanischer Dressurreiter – Felbinac: Sperre 1 Monat
das Pferd von Marco Kutscher (Deutschland), Springreiten – Lactanase: Strafe CHF 10,000
die Pferde von Christian Ahlmanns (Deutschland), Denis Lynch (Irland), Tony Andre Hansen (Norwegen), Bernardo Alves (Brasilien), Springreiten – Capsaicin
Sperren: Ahlmanns 8 Monate / Alves 3,5 Monate / Hansen noch offen / Lynch 3 Monate
Ludmilla Blonska, ukrainische 7-Kampf-Silbermedaillengewinnerin – Methyltrienolon: lebenslange Sperre
Fani Halkia, griechische 400m-Hürdenläuferin – Methyltrienolon: Sperre 2 Jahre
Daniela Yordanova bulgarische 1500m-Läuferin – Testosteron: Sperre 2 Jahre
Jong-Su Kim, nordkoreanischer Pistolenschütze (2facher Medaillengewinner) – Beta-Blocker
Thi Ngan Thuong Do, vietnamesische Kunstturnerin – Furosemid (Diuretikum)
Maria Isabel Moreno, spanische Radsportlerin – EPO, 31. Juli olympisches Trainingslager: Sperre 2 Jahre
Athanasia Tsoumeleka, griechische Geherin, Olympiasiegerin 2004 – EPO, Kontrolle am 6.8.2008, sie nimmt an den Spielen teil: Sperre 2 Jahre
Dopingfälle vor den Spielen:
Gary Gaffney führt in seinem Blog Steroid Nation wesentlich mehr Fälle auf, als in meiner Liste namentlich genannt werden:
Working list of doping-banned athletes Pre-Olympics 2008
Im Folgenden werden Sportler/innen aufgeführt, die für die Olympischen Spiele benannt waren.
Raphaël Stacchiotti, luxemburger Schwimmer, 16 Jahre – Glucocoticoid, 9.Juli: Er nimmt an den Spielen teil, wird Olympia-Vierter. Das wurde erst Anfang Oktober bekannt. (tageblatt)
Anastasios Gousis, griechischer 200m-Sprinter – Steroid Methyltrienlon, Juli
Chang Tai-shan, taiwanesischer Baseballspieler – Erkältungsmedikament?, Juli
Plamen Konstantinov, bulgarischer Volleyball-Kapitän – Testosteron, Juli: Bulgarien hatte ihn aus Peking zurückgezogen, aber ab dem 18.8. wieder im Spiel eingesetzt
Roman Usov, russischer 3000m-Hindernisläufer – Carphedon, Juli
Jaqson Kojoroski, brasilianischer Handballer – Juli
Andrea Baldini, italienischer Florettfechter – Diuretikum, Juli 2008
7 russische Athletinnen: Olga Jegorowa, Jelena Sobolewa, Tatjana Tomaschowa, Julia Fomenko, Darja Pischchalnikowa, Gulfija Khanafejewa – Probenmanipulation, DNA-Nachtest einjähriger Proben
Julien Dunkley, Jamaika, Sprinter – anaboles Steroid Boldenone
Marta Bastianelli, Italien, Radsport – Flenfluramin, Juli
Vladimir Gusev, russischer Radsportler – auffällige Blutwerte bei teaminternen Kontrollen (Astana), Verband sperrt ihn für Olympia
Jessica Hardy, USA, Schwimmerin – Clenbuterol, Juli, 1 Jahr Sperre
Dimitris Regas, griechischer Läufer – anaboles Steroid Trenbonol, Juli
Monika Devi, indische Gewichtheberin – anaboles Steroid, Juni – wurde im August vom indischen Verband freigesprochen. Im Revisionsverfahren ergibt sich im März 2009 eine positive B-Probe
Elena Antoci und Cristina Vasiloiu, rumänische 1500m-Läuferinnen – erhöhter Hämoglobinwert, Juni
China sanktioniert 8 Sportler: darunter für Olympia nominiert gewesen: Schwimmer Ouyang Kunpeng, Ringer Luo Meng – Anabolikum, Diuretikum, Trainingskontrollen Mai, lebenslange Sperre
deren beider Trainer werden ebenfalls auf Lebenszeit gesperrt
Giannis Tsamis, griechischer Ruderer – Finasterid, Juni
Bulgarien zieht wegen 11 positiver Fälle, 8 Männer, 3 Frauen, seine Olympia-Gewichtheber-Mannschaft zurück – Juni
Wladimir Kanaikin*, russische Geher – EPO Trainingskontrolle, Mai
Ioannis Drymonakos, griechischer Schwimmer – Anabolikum Trenbonol, Mai
11 griechische Gewichtheber, 6 Frauen, 5 Männer, werden vom IWF gesperrt, der griechische Verband wird auch sanktioniert, die Stärke des Olympia-Teams wird reduziert – Steroid Trenbonol, März. Im Februar 2014 werden die Gewichtheber und der Trainer von einem Gericht frei gesprochen.
Julie Coulaud, französische 3000m-Hindernisläuferin – Testosteron, Februar
*als weiter positiv getestet wurden gemeldet Waleri Borchin, Olympiateilnehmer, Viktor Burajev und Alexej Voyevodin. Borchin nahm aber in Peking teil und gewann Gold, nach eigenen Aussagen wurde er 2008 noch nicht getestet. (SportBild)