Actovegin – wirkungsvolles Medikament? Dopingmittel?
Actovegin, ein aus Kälberblut hergestelltes Medikament, wurde in Zusammenhang mit Doping öffentlich bekannt nachdem bei Lance Armstrong während der Tour de France 2000 leere Verpackungen gefunden wurden und sein Team sich Ermittlungen der französischen Staatsanwaltschaft gegenüber sah.
Das Medikament hat eine lange Geschichte. Tierblut regte schon früh zu Versuchen an. Produkte aus Pferdeblut (Globéol (1912), Panthémol (1922), Hémoglobine Deschiens (1922), Hémostyl Roussel (1914?)) gab es bereits um 1920 in französischen Apotheken zu erwerben. Der belgische Radprofi Maurice Protin berichtete von solch einem Serum (Hémostyl), durch dessen Einnahme er 1923 bei sich eine Leistungssteigerung feststellen konnte und diese Erfahrungen dann an seine Fahrerkollegen weiter gab. Tenzing Norgay, Sherpa von Edmund Hillary, dem ersten Bezwinger des Mount Everest, berichtete in seiner Autobiografie 1955 davon, wie sie 1930 frisches Yak-Blut gezielt mit anderen Nahrungsmitteln vermischten. Produkte aus Rinderblut ergänzten die Liste von Produkten, die sich insbesondere in den 1950er Jahren unter Radfahrern großer Beliebtheit erfreuten. Louison Bobet soll sich während seiner gesamten Karriere damit gestärkt haben.
Intensiver wurde im Sport in den 1960er Jahren hingesehen und experimentiert. Es war die Zeit, in der Wissenschaft und Technik immer größeres Interesse an sportlichen Leistungen fanden und damit insbesondere das Verhalten des menschlichen Körpers unter bestimmten Trainingsbedingungen erforschten. Seit Längerem war bekannt, dass sich sportliche Leistungen in der Höhe aufgrund der sich veränderten Sauerstofftransportkapazitäten veränderten. Training in besonderen Höhenlagen versprach Vorteile, brachte aber auch nachteilige Ergebnisse. Anlass genug diese Einflüsse zu untersuchen, insbesondere da 1968 die Olympischen Spiele in Mexiko-City stattfinden sollten. Im Rahmen dieser Forschungen wurden auch Einflüsse von Substanzen getestet, u.a. nahm die steile Karriere der Anabolika ihren Lauf. (s. a. Doping in der BRD, 1950er und 1960er Jahre)
Der Spiegel berichtete 1968 über entsprechende Versuche:
„Bei den bisher umfangreichsten Höhenversuchen auf dem Aconcagua in den argentinischen Anden testete das Berliner Ärzte-Ehepaar Dr. Elisabeth und Dr. Hans Albrecht ein Serum, das eine noch wirksamere Höhenanpassung ermöglichte: das Solcoseryl der Baseler Firma Solco.
Drei Tage alten Kälbern wird Wasser in die Venen gespritzt. Einen Tag später werden sie getötet. Aus dem Kälber-Blut gewinnen die Pharmazeuten das Höhenserum. Es bildet besonders viele und große rote Blutkörperchen und steigert die Leistungskraft von Flachländern in Höhenregionen mehr als es natürliche Anpassung vermöchte.
Den Albrechts half die Substanz, in 6200 Meter Höhe bis zu 13 Stunden täglich zu arbeiten. Sie erforschten an 42 argentinischen Soldaten die Wirkung des Sauerstoffmangels. Schließlich erklommen sie — ohne Sauerstoffmaske — den 7021 Meter hohen Aconcagua-Gipfel.
„Von Doping kann keine Rede sein“, bekräftigten die Albrechts. „Es handelt sich um eine natürliche Medizin gegen die Höhenkrankheit.“ Auch Solcoseryl ist nicht durch Doping-Tests nachzuweisen. Die Sowjets stellten nach dem gleichen Verfahren ein Höhen-Medikament aus Ziegenblut her. Noch bevor das Schweizer Mittel in Pillenform verkauft wurde, versuchte schon ein polnischer Mittelsmann, in Berlin größere Mengen aufzukaufen.“ (s.a.de Mondenard, Dictionnaire du dopage, S. 996)
Zweimal wurden diese Versuche durchgeführt, 1965 mit 30 Personen, 1967 mit 42 Personen.
Solcoseryl
Das von den Albrechts benutzte Solcoseryl ist heute noch als Injektionslösung, als Paste und Salbe erhältlich. Produziert wird es von MEDA Pharma. Die Produkte, insbesondere die Injektionslösung, finden auch Anwendung in der Sportmedizin, z. B. hatte Eufemiano Fuentes entsprechende Ampullen in seinem 2006 offen gelegten Medikamentenarsenal. Ein erstes Patent für Solcoseryl wurde 1959 angemeldet, weitere folgten 1987 und 1996 (USPTO 1987, PCT/EP1996/002143). Als Indikationen sind periphere Durchblutungs-, zerebrale Durchblutungs- und Wundheilungsstörungen angegeben. Der Patentantrag von 1996 wurde aufgrund neuer Erkenntnisse gestellt. Danach habe es sich in der Behandlung und/oder Prophylaxe von entzündlichen und/oder nicht entzündlichen Gelenkarthrosen bewährt. Aber auch bei Unfruchtbarkeit wird das Produkt von manchen empfohlen.
Eine genaue Zusammensetzung des Präparates scheint, ebenso wie bei Actovegin, bis heute nicht exakt vorzuliegen.
In der Literatur wird Solcoseryl immer wieder als mit Actovegin identisches Präparat bezeichnet. Eine entsprechend kontroverse Diskussion wie bei Actovegin findet jedoch nicht statt (Pharmainformation, 2002)
1993 wurde der Verdacht laut, Solcoseryl könne sich negativ auf Gehirnfunktionen auswirken, andererseits soll es hierauf auch wieder positive Effekte bewirken. (ncbi, 5/1993, ncbi, 4/2001, Beschreibung Ampullen, 2010, Österreich – mit Warnung vor Dopinggefahr /Beschreibung Ampullen, 2011, Schweiz.).
Die NADA-Medikamentendatenbank führt unter Solcoseryl nur die Dentalpaste an. Die Ampullen mit der Injektionslösung sind in Österreich und der Schweiz zugelassen und zu erhalten.
Actovegin
Actovegin erhielt 1977 die Zulassung für Europa. Heute wird Actovegin in Linz von der Nycomed Austria GmbH produziert, die zur Unternehmensgruppe Takeda Pharmaceutical Company Limited, Zürich gehört. Die Substanz wird als Salbe, Gel, Dragees und als Injektionslösung angeboten. Actovegin soll ähnlich wie Insulin den zellulären Stoffwechsel anregen, sich günstig auf den Blutkreislauf auswirken, Arterienverkalkung vorbeugen und Wundheilungsprozesse, auch nach schweren Operationen, beschleunigen und unterstützen (Medikamentenbeschreibung, Actovegin-Ampullen, 2001).
Zusätzlich hat Actovegin den Ruf bei Muskelverletzungen zu helfen und wird aufgrund dessen von einigen Ärzten und Therapeuten gerne in der Sportmedizin eingesetzt. Hier dient es mittels intramuskulärer Injektionen insbesondere als Ersatz von Injektionen mit Wachstumsfaktoren, die im Gegensatz zu Actovegin auf der WADA-Verbotsliste stehen. Zugelassen ist Actovegin allerdings nicht zur Anwendung im Falle von Muskel- und Weichteilverletzungen.
Studie ‚Doping in Deutschland…‘, Humboldt-Universität, Langfassung:
„Weiterhin finanzierte das BISp der Kölner Sportmedizin zu Beginn der 1980er Jahre mindestens drei Forschungsvorhaben, die sich mit dem Präparat Actovegin beschäftigten, ein deproteiniertes Hämoderivat aus Kälberblut, das nach Angaben der Herstellerfirma „über eine Beeinflussung der Sauerstoffaufnahme, der Glucosepenetration und -utilisation in den Ablauf energieabhängiger Prozess der Zelle“ eingreift, wobei die optimale Wirkung unter Mangelbedingungen wie Hypoxie und Substratmangel erreicht wird. Laut den Listen, die das BISp 1991 zum Thema „Forschungsprojekte – Medikamente“ anfertigte, vergab das BISp das erste Actovegin-Projekt 1981 an Hollmann, zwei weitere 1983 und 1984. Laut handschriftlicher Notizen testeten die Kölner Sportmediziner dieses Medikament an Radsportlern und Spielern der Hockey-Nationalmannschaft. … 1983 entstand zum Thema eine Diplomarbeit an der Deutschen Sporthochschule Köln,die von Liesen und Mader betreut wurde. Die Studie an zehn Sportstudenten ergab dabei keine „sicheren Hinweise für eine gesteigerte Sauerstoffaufnahme in Verbindung mit einem positiv beeinflussten Energiestoffwechsel durch Avtovegin“.“ (S. 206/207)
Schweinsteiger says he stops by three or four times a month for treatments [Müller-Wohlfart]. Sometimes he’ll take injections, including Actovegin, before every match at major tournaments.
„You feel it after five minutes in the legs,“ he offers. „It brings them back to life. It is perfect for me.“
(espn, 15.12.2011)
Ob die Actovegin zugesprochenen Wirkungen zutreffen, ist heftig umstritten. Den vorliegenden Studien gelang es nicht die Zusammensetzung des Medikamentes exakt nachzuweisen und die davon ausgehenden Einflüsse genau zu bestimmen. Allerdings werden in der Literatur auch Studienergebnisse, wenn auch wenige, erwähnt, wonach Actovegin bei einigen Indikationen, insbesondere bei Muskel- und Sehnenverletzungen, positiv wirken könnte. Es gäbe auch Anzeichen für eine gegenüber anderen Methoden verkürzte Heilungsdauer – für Hochleistungssportler wäre das ein bedeutsamer Vorteil. Um belastbare Aussagen machen zu können, reichten die vorliegenden Studien aber nicht aus (s.u.a. Lee P, Rattenberry A, Connelly S, Nokes L., 2011, Lee P, Kwan A, Nokes L., 2011).
Aufgrund fehlender klinischer Studien und damit der unklaren Wirkung einschließlich berichteter und möglicher nicht erkannter Nebenwirkungen wird Actovegin von vielen skeptisch bis total ablehnend bewertet. Die Vorwürfe gegenüber den Befürwortern reichen von Placebo-Medizin bis hin zu Scharlatanerie und verantwortungslosem Experimentieren mit der Patientengesundheit. (Zu der Kontroverse siehe espn, 15.12.2011)
Die Regelungen des internationalen Sports lassen zwar die Anwendung von Actovegin weitgehend zu, doch der Erwerb und die Anwendung kann in einigen Ländern aufgrund fehlender Zulassungen Probleme bereiten. So ist Actovegin als Medikament in Kanada und den USA nicht zugelassen und darf damit nicht importiert, erworben, vertrieben und angewandt werden. Auch in Frankreich besteht seit langem ein Vertriebs- und Anwendungsverbot. In Spanien waren Ampullen (sind?) nicht zugelassen (durfte aber angewandt werden?) und in Deutschland wurde die Zulassung der Infusionenlösung zum 1.1.2009 zurückgezogen, sie darf aber verschrieben und angewandt werden.
Trotz aller Unklarheiten findet das Medikament in manchen Ländern großen Zuspruch. So konnte Nycomed nach eigenen Angaben in den letzten Jahren z. B. erfolgreich nach China expandieren und in Russland die Verkaufszahlen von Actovegin erheblich steigern.
Dopingrelevanz:
Actovegin wurde immer wieder eine leistungssteigernde Wirkung nachgesagt. So soll es die Sauerstoffaufnahmekapazität des Blutes erhöhen ohne dass die Anzahl der Erythrozyten zunimmt und die bei EPO-Anwendung bestehende Gefahr der Blutverdickung besteht. Es wurde/wird gerne eingesetzt, um die Wirkung des EPO-Dopings und von Bluttransfusionen zu verlängern und die Gefahr positiver Tests vor allem im Wettkampf zu minimieren. Insbesondere nachdem ab 2000 ein EPO-Test zur Verfügung stand, wurden Hände ringend Ersatz- und Verschleierungsmittel gesucht. Das nicht nachweisbare Actovegin wurde so schnell zum Renner.
Olivier Rabin, WADA, erklärte im Dezember 2009 (daily news):
Rabin says Actovegin could be used a component of sophisticated blood doping methods, in which athletes withdraw, manipulate, and re-inject their blood to boost their endurance, or in conjunction with the use of erythropoietin, or EPO. It’s similar in principle to taking a lot of iron – which is not banned, but helps make banned drugs work.
Actovegin is rich in iron, manganese, amino acids, and other nutrients that are important in achieving the physiological transformations that dopers are seeking to achieve.
„Anybody who wishes to have blood withdrawn for autologous blood transfusions, or EPO treatment, could have this for support,“ says Rabin.“
Die Wirkung von Actovegin könnte jedoch in einem anderen Bereich liegen. Im Januar legten dänische Wissenschaftler eine Studie vor, wonach sich die Sauerstoffzufuhr in Mitochondrien der Muskelzellen positiv verändert und so eine Leistungsverbesserung über die Verbesserung der Skelettmuskulatur eintreten könnte. Die Forscher fordern nun eine Neuaufnahme des Actovegin in die Watch-List der WADA und weitere Untersuchungen. (Søndergård SD et al.: Actovegin, a non-prohibited drug increases oxidative capacity in human skeletal muscle. )
Anfang Dezember 2016 berichtete der Bayrische Rundfunk über eine neue Studie, die Hinweise daraufhin erbrachte, dass Actovegin das Wachstum von Muskelzellen fördert und zudem Spuren von Testosteron und Cortisol enthält. (BR, 6.12.2016)
Dieses langjährige Hin und Her spiegelt sich auch in dem Umgang mit der Substanz der Organisationen IOC und WADA wieder.
Antidoping-Regelungen:
Nachdem Actovegin um die Jahrtausendwende aufgrund einiger Vorfälle ins Doping-Gerede kam, insbesondere durch den bekannt gewordenen Athletenzuspruch bei den Olympischen Spielen in Sydney und Lance Armstrongs Missgeschick in Frankreich, setzte es das IOC für das Jahr 2001 auf seine Verbotsliste. „“The medical commission examined this substance and concluded that it was very clear that it was a substance thatwas banned by the Olympic medical code and belonged to the category of blood doping,“ said panel chairman Prince Alexandre de Merode. „I think we need to be very precise that the position of the medical commission is that this isa banned substance.“ (the independent, 12.12.2000). Doch bereits 2 Monate später begann das IOC zurück zu rudern (CNNSI.com, 14.2.2001). Ab 2001 stand das Mittel wieder zur freien Verfügung. Jetzt hieß es, es gäbe keine leistungssteigernden Effekte.
Olivier Rabin, WADA, 12.2011:
„The reason why we have an interest and keep monitoring it is because it has been found in many seizures by police forces,“ says Rabin, the WADA science director. „It is a product we see on a regular basis, which is not surprising because Actovegin is not allowed for commercial distribution in many countries. So athletes who are interested would try to, of course, have it brought to them not necessarily very legally. Or maybe they want to be as discreet as possible because in some countries you are not supposed to have it without a special importation permit. So we know it is a product of interest.
„I also had some personal discussions with some doped athletes who mention Actovegin as part of their regimen. Not necessarily their doping regimen, but a substance they were using as a part of their global regimen. And I was interested in their description of their use of this product.“
Activegin blieb auch nach Gründung der WADA über die Jahre im WADA-Code ohne namentliches Verbot. Allerdings gab es Stimmen, die darin durchaus ein solches begründet sahen und zwar über die angenommene Wirkung der Substanz. Mittel, die Einfluss auf die Blutparameter haben, die die Fließgeschwindigkeit beeinflussten und die Sauerstoffaufnahmefähigkeit und den Glukoseumsatz erhöhen konnten, waren ohne explizite Namensnennung ab 2004 von der WADA verboten. Wie allerdings die offizielle WADA-Einschätzung der Wirkungen von Actovegin war, ist mir nicht bekannt.
Ab 2010 sind intravenöse Infusionen verboten, sofern nicht eine medizinische Ausnahmegenehmigung (TUE) vorliegt. Spritzen sind erlaubt, doch ab 2012 änderte die WADA ihre Verbotsliste dahingehend, dass von nun an die Inhaltsmengen intravenös verabreichter Spritzen beschränkt wurden:
„Intravenöse Infusionen und/oder Injektionen von mehr als 50 ml innerhalb eines Zeitraums von sechs Stunden, es sei denn, sie werden rechtmäßig im Zuge von Krankenhauseinweisungen oder klinischen Untersuchungen verabreicht. (NADA-Code 2013)
Die WADA erläuterte hierzu 2012: „Actovegin is a deproteinized ultrafiltrate of calf serum and does not contain blood cells susceptible to increase oxygen transport. It was tested by anti-doping laboratories and no growth hormone or prohibited hormones were found.
However, WADA is aware of its use in some sports, possibly in conjunction with other substances that may be prohibited. WADA will therefore continue to closely monitor Actovegin.“ (WADA)
Auch wenn intramuskuläre Injektionen nicht über die WADA-Liste verboten sind, könnte eine entsprechende Anwendung von Actovegin und Solcoseryl für Sportler/innen über eine „No Needle Policy“ untersagt sein. Danach ist die Verabreichung von Medikamenten und ergänzenden Mitteln wie Vitaminen und Spurenelementen mit Hilfe von Spritzen ohne klare medizinische Indikation unter bestimmten Bedingungen nicht mehr zulässig. Die UCI gab sich 2011 entsprechende Bestimmungen, das IOC führte diese erstmals für die Olympischen Spiele 2012 ein. Ob damit aber auch die Verabreichung von Actovegin erfasst ist (UCI: encourage natural physical recovery by rejecting the principle of the automatic recourse to injections) ?
No Needle Policy: The UCI prohibits injections without medical indication
Praxis, Affairen
– Prof. Armin Klümper, jahrzehntelang einer der beliebtesten Sportärzte und bekannt für sein Multimedikationen, griff bereits in den 1980 Jahren zu Activegin. „Die Zahl der Spritzen mit cortisonhaltigen Präparaten oder mit Kälberblut, Actovegin etwa, die Klümper ihm [Fußballer Karlheinz Förster] über die Jahre hinweg in die Gelenke stach, hat Förster nie gezählt. Es müssen weit über tausend gewesen sein.“ (der Spiegel, 9.5.2005)
– Prof. Heinz Liesen, Arzt der Fußballnationalmannschaft bei der WM 1986 in Mexiko, behandelte seine Sportler großzügig mit Spritzen. 3000 Injektionen verabreichte er, „die Pflanzenextrakte zur Steigerung der Immunabwehr, Megadosen von Vitamin C und B12, Bienenhonigextrakt für das Kreislaufsystem und Kalbsblutextrakt [Actovegin] gegen die Auswirkungen des Höhenaufenthaltes“ enthielten. Manfred Donike nannte ihn damals einen Scharlatan.
– Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfarth, einer der heute bekanntesten deutschen Sportärzte, insbesondere durch sein langjähriges Engagement im Fußball, u.a. als Teamarzt von Bayern München, gilt weltweit als Verfechter der Anwendung von Actovegin. Sein Name ist eng mit diesem Produkt verbunden. Bereits 1988 hat er damit gearbeitet, auch Boris Becker soll er damit behandelt haben.
Zu seinen internationalen Patienten zählen u.a. James Hird, Max Rooke, Maurice Green, Asafa Powell, Diego Maradona, Darren Gough, Paula Radcliff und Usain Bolt.
The celebrity doctor swears by the straw-colored liquid drawn into his needles and injected freely as his healing agent of choice. Asked how many of his rounds of injections include Actovegin, Muller-Wohlfahrt answers matter-of-factly, „Nearly every one.“ …
„I am convinced this is one of the best medicines on earth,“ he says. „I helped so many people [with it]. And it should be taken everywhere. It is not only for muscle injuries, it is for spasms in the muscle — spasm in the neck and then you get headache. So I loosen the muscle with Actovegin and then the headache goes away. Migraines and other muscle injuries, they heal much better because this Actovegin helps better metabolism, better blood circulation, better energy and a better regeneration.“
Während Müller-Wohlfarth auf Actovegin schwört, kristallisierte sich um seine Person eine Diskussion über die Rollen mancher Sportmediziner und deren Methoden, nicht zuletzt wegen seiner undurchsichtigen Therapien in Verbindung mit einem exzessiven Gebrauch von Spritzen espn, 15.12.2011, der Westen, 23.5.2013).
– Dr. Eufemiano Fuentes; nachdem Fuentes 2006 aufgrund der Operacion puerto aufgeflogen war, wurden bei ihm in der Praxis 105 verschiedene Medikamente sicher gestellt, darunter 100 Tabletten Actovegin und 25 Ampullen Solcoseryl.
Jesús Manzano berichtete über einen Besuch bei Fuentes kurz vor der Tour 2002:
„Ich bin in die Lobby gegangen, und da standen vier Personen. Fuentes hat sie mir vorgestellt. Einer von ihnen war Markus Choina“… Nach kurzem Händeschütteln verschwand Fuentes mit dem Fahrer in Zimmer 101, … Neben Waschbecken und Bett standen Thermo-Koffer mit Doping-Präparaten: Testosteron-Pflaster, Solcoseryl-Ampullen, die den Blutfluss verbessern – und natürlich jede Menge „Gas-Bus“, wie Actovegin in der Szene heißt. Manzano erhielt seine Packung und noch einige Rezepte.“ (der Stern, 31.8.2008), Manzano-Interview, 28.4.2007
– Dr. Markus Choina war der Verbindungsmann von Fuentes in Deutschland. Er war u. a. für Actovegin-Lieferung nach Spanien zuständig, da das Medikament in Spanien nicht zugelassen war. „Dem deutschen Arzt auf die Spur waren die Fahnder durch die Telefonüberwachung gekommen. Am 15. Mai, 12.39 Uhr spanischer Zeit, bestätigte ein Mittelsmann von Fuentes in Zaragoza telefonisch den Erhalt mehrerer Schachteln Actovegin-Forte-Dragees und Ampullen mit Synacthen. Der Teilnehmer in Deutschland war schnell ermittelt: Markus Choina.“ (der Stern, 31.8.2008)
– Dr. Anthony Galea, kanadischer Sportarzt, geriet 2009 wegen Schmuggels illegaler Medikamente in die USA in Schwierigkeiten. Neben Wachstumshormonen war auch Actovegin, gekauft in München, dabei. Galea wurde in den USA angeklagt, weil er ohne Zulassung in den USA als Arzt praktiziert und die beiden Medikamente eingeführt hat. In Kanada ermittelte die kanadische Arzneimittelaufsichtsbehörde wegen illegaler Einfuhr der Medikamente und der Verschreibung des in Kanada nicht zugelassenen Actovegins. (thestar.com, 6.7.2011, FAZ, 16.12.2009, NYT, 18.5.2010). Galea wurde zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und 270.000 US-Dollar Strafe verurteilt. Zu den Patienten Galeas zählten einige der prominentesten Sportler der USA wie Tiger Woods, Alex Rodriguez, Santana Moss, Dara Torres, Takeo Spikes und Jamal Lewis.
Philppe Gaumont:
„Im Jahr 2000, als ein Journalist im Müll von US Postal Actovegin-Verpackungen gefunden hatte, machte sich alsbald jeder auf die Suche danach. Hätte Armstrong, der beste Fahrer der Welt, „duchmol“ genommen, hätten alle „duchmol“gewollt“. So läuft das: die Fahrer sind immer auf der Lauer nach den neuesten Produkten und neusten Methoden.“
(Prisonnier du dopage)
– Januar 1998: 5 Spieler von Tottemham, darunter Les Ferdinand und David Ginola, suchten Müller-Wohlfarth in München auf, um sich mit Actovegin fit spritzen zu lassen (De Mondenard, 2012).
– Fußball-WM 1998: Bei der Einreise nach Frankreich mussten die Teams ihre mitgeführten Medikamente offen legen. Actovegin hatten die Österreicher und Belgier dabei.
– Lance Armstrong, US Postal Service: Im Jahr 2000 eröffnete die französische Justiz ein Verfahren gegen das Team, nachdem während der Tour de France illegal entsorgter medizinischer Müll sichergestellt und analysiert wurde. U.a. wurden Verpackungen von Actovegin gefunden, was als Hinweis auf Blutdoping gewertet wurde (the independent, 12.12.2000. Das IOC reagierte schnell auf diesen Fund und setzte das Medikament auf die Dopingliste, allerdings nur für kurze Zeit. Das Verfahren verlief im Sande.
Tyler Hamilton, Christian Vande Velde, Jonathan Vaughters und George Hincapie gaben gegenüber der USADA zu, dass das Medikament im Team angewandt worden war. Zitat aus der Zeugenaussage von George Hincapie 2012:
After the 2000 Tour de France I understood that French law enforcement had commenced an investigation regarding „medical waste“ dumped by U.S. Postal Service team staff. I read in press accounts that one of the products found in the medical waste was a substance known as Actovegin. While I was on the Postal Service Team Actovegin was used by riders and injected by the medica! staff because it was believed to improve circulation and enhance performance. Dr. del Moral promoted the use of Actovegin by riders on the team and in 2000 my understanding was that most ofthe riders on the V.S. Postal Service Team were using Actovegin. Actovegin would generally be injected the night before arace. It was not used to treat road rash, although I knew that this false claim was made to the media and others during the course ofthe French investigation.“
– 2000 Olympische Spiele Sydney: Rund 300 Sportler/innen hatten an den Olympischen Spielen in Sydney Actovegin dabei (NZZ, 1.2.2001). Einige Mannschaften sollen mehr als 400 Kapseln dabei gehabt haben (sport&vie Nr. 74, 2002).
– Raimundas Rumsas Ehefrau wird am 28.7.2002 an der französischen Grenze mit 37 verschiedenen Medikamenten, darunter auch Actovegin, festgenommen.
– Gabriela Szabo und Mihaela Botazan bekamen 2003 durch einen Actovegin-Fund an der französischen Grenze Probleme. Das in Szabos Wagen sicher gestellte Medikament gehörte dann aber nach Botazans Aussage ihr, nicht der Topsportlerin. Die Ermittlungen wurden eingestellt.
– Balco-Affaire, Victor Conte: 2003 wurde der Dopingskandal um die Firma BALCO (Bay Area Laboratory Co-operative> publik. BALCO-Gründer Victor Conte hatte ein weites lukratives Dopingsystem errichtet, das USamerikanische Topathleten nutzten. Auch Conte schwor auf die leistungssteigernde, -unterstützende Wirkung von Actovegin. (nydailynews.com, 18.12.2009). Contes Mitarbeiter, der Chemiker Patrick Arnold, sieht dessen Wirkung weniger begeistert gegenüber, gibt aber zu, dass sie bei BALCO einige Jahre damit experimentiert hätten. „“It is no miracle. It is one of these things they throw in the mix and hope it does something.“ (espn, 15.12.2001)
– Joe Papp, Exprofiradler, gestand neben harten Dopingmitteln auch 5 Jahre lang Actovegin benutzt zu haben.
„ Papp said he didn’t get a benefit from it, but used it „because of the warped mentality of the doper“ that dictates trying just about anything he thinks might improve performance.“ …
„We got it directly from the manufacturer, Nycomed,“ Papp said. „At the time I was using it it wasn’t available as a generic. Russia was the first to make generic versions.“
Papp said he administered five or 10 milliliters of the drug intravenously. The idea was to combine its effects with those of separate injections of adenosine triphosphate, or ATP, a substance that is critical to energy transfer between cells.
„What it’s supposed to do is enhance energy production at the cellular level, improving the uptake of glucose and oxygen at the cellular level,“ Papp said, making it clear he didn’t put much stock in the theory.“ (daily news, 14.12.2010)
– Fußball-WM 2008: In Frankreich durfte Actovegin vom französischen Team nicht vertrieben und angewandt werden. Im Vorfeld der EM 2008, am 30. Mai verletzte sich Kapitän Patrick Vieira bei einem Freundschaftsspiel mit Paraguay. Das hätte für ihn mindestens 3 Wochen Pause bedeutet und damit das Aus für die ersten EM-Spiele. In der Schweiz angekommen suchte man Lösungen und Rat. Bayern München-Spieler Willy Sagnol wird beauftragt Kontakt zu Dr. Müller-Wohlfarth aufzunehmen. Dieser schlägt die Anwendung von Actovegin vor. Der medizinische Beraterstab der Franzosen berät und lehnt den Einsatz des Mittels letztendlich ab. (Siehe zu Dr. Müller-Wohlfarth und Actovegin espn, 15.12.2011)
Die Affaire sorgte nach Bekanntwerden für große Aufregung und wurde öffentlich diskutiert. Willy Sagnol muss sich Dopingvorwürfen erwehren, hatte er Les Bleus in Versuchung gebracht zu dopen? Teamarzt Dr. Pierre Paclet musste gehen, er wird ersetzt durch Dr. Alain Simon. (AFP, 16.11.2008, Le Parisien, 8.10.2008)
– Ukrainisches Radsport-Nachwuchsteam: Bei dem ukrainischen National-Nachwuchsteam wurden in Frankreich an der Grenze verbotene Mittel, u.a. Actovegin, EPO, Wachstumshormone gefunden (Le Monde, 21.9.2009).
– Nikolay Pankratov, russischer Skilangläufer, wurde 2010 an der Schweizer Grenze mit einer Infusionsausrüstung und 22 Ampullen Actovegin festgehalten. Er wurde von der FIS für 2 Jahre gesperrt.
Monika, 2013