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Besitzstrafbarkeit
2007
Die Gesetzesnovellierung von 2007 regelte erstmals den Besitz von Dopingmitteln. Danach ist es verboten, eine nicht geringe Menge an Dopingmitteln zu besitzen. Die Festsetzungen der nicht geringen Mengen und welche Stoffe davon erfasst werden, werden in einer gesonderten Rechtsverordnung geregelt.
Diese Regelung führte schnell zu heftigen Diskussionen darüber, wie die nicht geringe Menge zu bestimmen sei und welche Möglichkeiten diese Festlegung auf die Feststellung von Dopingstraftaten haben könnte. Befürworter einer Bestrafung dopender Sportler sahen über diese Bestimmung nicht geringer Mengen kaum Möglichkeiten einer Überführung. Befürworter dieser Regelung wiederum argumentierten mit gesetzlichen Hürden, die einer Änderung im Wege stünden und damit, dass unter Strafandrohung stehende Personen ein Zeugnisverweigerungsrecht haben und sich nicht selbst belasten müssen, womit nichts gewonnen wäre, wenn sich darauf berufen würden.
Verordnung zur Festlegung der nicht geringen Menge von Dopingmitteln (Dopingmittel-Mengen-Verordnung – DmMV) 2007 Verordnung
Diese erste Verordnung wurde 2009 und 2010 geändert.
Der Antrag der Bayrischen Landesregierung 2007 zur Änderung des AMG § 6a im Bundesrat beinhaltet dementsprechend kurz und bündig:
In Artikel 2 Nr. 3 Buchstabe … sind jeweils die Wörter „in nicht geringer Menge“ zu streichen.
Begründet wird dies damit, dass die geplante Verordnung geeignet sei, die Besitzstrafbarkeit in der Praxis leerlaufen zu lassen. U.a. wird aufgeführt
Wie auch der Gesetzentwurf anklingen lässt (vgl. Vorblatt), ist der Sportler eine Zentralgestalt des Dopinggeschehens. Ohne Nachfrage durch den Sportler würde es auch keinen „Dopingmarkt“ und keine „Dopingnetzwerke“ geben. Diesem Umstand muss die gesetzliche Regelung in der Weise Rechnung tragen, dass jeglicher Besitz von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport unter Strafe gestellt wird.
…
Die Beschränkung des Besitzverbots und der Strafbarkeit auf nicht geringe Mengen wird bewirken, dass die Strafbestimmungen des AMG weiterhin im Wesentlichen „totes Recht“ bleiben werden. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen ein Ermittlungsverfahren nur einleiten und zur Verfolgung von Kontrolldelikten wie den in Frage stehenden zu erforderlichen Zwangsmaßnahmen (insbesondere Durchsuchungen) nur greifen, wenn hinreichende Verdachtsgründe für verfolgbare Straftaten bestehen. Es müssen also in jedem Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte gegeben sein, die gerade auf den Besitz nicht geringer Mengen schließen lassen. Daran wird es aber im Einzelfall (zum Beispiel, wenn lediglich eine positive Dopingprobe vorliegt) in aller Regel fehlen. Der Strafjustiz würden daher auch in der Zukunft die Hände gebunden sein.
Die Befürworter der Regelung der nicht geringen Mengen, insbesondere vertreten von Matthias Jahn, der diesen Gesetzesentwurf federführend mitgestaltet hatte, argumentierten damit, dass das existierende deutsche Straf- und Verfassungsrecht keine andere Regelung zuließen.
In seiner Stellungnahme vor dem Bundesrat, in der er auch auf die Beratungsergebnisse der Abschlussberichts der Rechtskommission (ReSpoDo) des Sports von 2005 einging, heißt es:
Die Einführung einer Besitzstrafbarkeit in das Arzneimittelgesetz ist aus Sicht des Straf- und Verfassungsrechts grundsätzlich nur dann hinnehmbar, wenn sie sich nicht nur auf nicht geringe Mengen von Dopingsubstanzen bezieht, sondern kumulativ auch ein besonderes Sucht- und Abhängigkeitspotential dieser Dopingmittel verlangt.
Diese Potential wäre aber nicht für alle auf der WADA-Liste aufgeführten Substanzen nachgewiesen. Jahn kommt zu dem Schluss, dass bei genauer Betrachtung das Grundgesetz gegen das Verbot jeglichen Besitzes bei einzelnen Personen steht. Er argumentiert beim Verbot jeglichen Besitzes mit dem damit betroffenen Gesundheitsschutz des Besitzenden, mit der Selbstgefährdung und Selbstverletzung, die nicht unter Strafe gestellt werden können.
Eine Möglichkeit der Besitzstrafbarkeit bei jeglicher Menge sah Jahn für Substanzen gegeben, denen ein Sucht- und Abhängigkeitspotential nachzuweisen war. Dies sei auch von der ReSpoDo vorgeschlagen worden, insbesondere seien davon Anabole Steroide betroffen. Allerdings gab es in der DSB-Kommission Zweifel darüber, ob dieses Sucht- und Abhängigskeitspotential überhaupt schon zweifelsfrei nachgewiesen sei. Jahn greift dies auf und spricht ebenfalls davon, dass hierüber bislang keine gesicherten Erkenntnisse bestünden.
Wenige Hindernisse sah Jahn in der Berücksichtigung positiver Dopingproben von Sportlern für die Einleitung von Strafverfahren.
Will man aber die Beweiserfordernisse an den Anfangsverdacht … nicht überspannen, wird man nach Einführung der Besitzstrafbarkeit für nicht geringe Mengen innerhalb des Beurteilungsspielraums der Staatsanwaltschaft davon ausgehen müssen, dass eine positive Dopingprobe bei einem Athleten ein ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkt für den vorherigen vorsätzlichen Besitz des nachgewiesenen Dopingmittels sein kann und daher die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens jedenfalls in den Fällen zu rechtfertigen vermag, in denen weitere Indizien hinzutreten. … (S. 14)
2009, 2012
Im November 2009 legte die Bayerische Landesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Dopings und der Korruption im Sport (Sportschutzgesetz) vor. Darin heißt es
„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Dopingmittel zu Dopingzwecken im Sport sich zu verschaffen unternimmt oder besitzt.“ Für Bayern sei es unerlässlich, dass der dopende Sportler, „der Nachfrager nach Dopingmitteln und damit eine Zentralgestalt des gesamten Geschehens strafrechtlich spezifisch in die Pflicht“ genommen wird. Befürchtet wird nicht, „dass wegen des Schweigerechts des Beschuldigten sowie des Auskunftsverweigerungsrechts nach §55 StPO Ermittlungen gegen die „Abgabeseite“ erschwert werden.“
2012 legte Bayern einen Entwurf zur Änderung des AMG vor, in dem die uneingeschränkte Strafbarkeit jeglichen Besitzes von Arzneimitteln oder Wirkstoffen zu Dopingzwecken im Sport weiter aufrecht erhalten blieb, wogegen die Forderungen nach einem Straftatbestand Sportbetrug aufgegeben wurde.
Der Deutsche Leichtathletverband (DLV) argumentiert in seinem Antrag an die DOSB-Mitgliederversammlung 2012 ähnlich. Er forderte darin den DOSB auf, für die ‚uneingeschränkte Strafbarkeit des Besitzes von Dopingmitteln zu Dopingzwecken im Sport‘ einzutreten.
Den betrügenden Athleten als Zentralgestalt des Dopinggeschehens außen vor zu lassen, ist den ehrlichen Sportlern nicht zu vermitteln und mit dem Ziel der Integrität des Sports nicht zu vereinbaren. …. Der positive Dopingbefund alleine dokumentiert lediglich den Konsum von Dopingmitteln, der straffrei ist. Nach jetziger Rechtslage müssen hierzu noch konkrete Anhaltspunkte für einen Besitz in nicht geringer Menge vorliegen, um Ermittlungen gegen den Athleten einleiten zu können. Der bloße Hinweis auf einen irgendwie gearteten Besitz reicht gerade nicht aus. Dies erschwert die Ermittlungen der Verfolgungsbehörden und damit eine wirkungsvolle Eindämmung der Dopingkriminalität.
Nur unter Einbeziehung der Athleten als Abnehmer der Dopingmittel in die strafrechtliche Verfolgung kann effektiv gegen die Hinterleute des Dopings vorgegangen werden. Auch wenn der Besitz in der Vorstellung des Athleten zum Eigenkonsum dienen soll, birgt er die Möglichkeit einer unkontrollierten Weitergabe an Dritte in sich. Eine grundsätzlich unterschiedliche Behandlung des Besitzes von Dopingmitteln und des Besitzes von Betäubungsmitteln, der uneingeschränkt strafbar ist, ist angesichts der bekannten Gesundheitsgefahren, die von Dopingmitteln für die Athleten ausgehen, nicht begründbar.
2012 Evaluierung
Im September 2012 legten das Bundesinnen-Ministerium und das Bundesgesundheits-Ministerium den im Antidoping-Gesetz geforderten Evaluierung des DBVG Evaluierungsbericht des Gesetzes vor. Gutachter war Prof. Matthias Jahn. Dass der Vater des Gesetzes nun auch den Auftrag zur Prüfung von dessen Wirksamkeit erhalten hatte, rief erhebliche Kritik hervor.
Auf Seite 13ff des Berichts sind Zahlen genannt zu Verfahren der Jahre 2009-2011, die auf Grund des vorhandenen Besitztatbestandes geführt wurden. So gab es in den letzten Jahren eine hohe Steigerung der Fallzahlen bei den Staatsanwaltschaften. Jahn hält aber fest, dass die Staatsanwaltschaften die gesetzlichen Bestimmungen sehr unterschiedlich auslegten, sie uneinheitliche Kriterien anlegen, beispw. wenn es um die Bestimmung eines Anfangsverdachts für das Vorliegen einer nicht geringen Menge von Dopingmitteln geht. Mit Schulungen des Personals bundesweit, seien solch uneinheitliche Vorgehensweisen zu ändern. Für Jahn ergibt sich aus keinen erhobenen Daten die Notwendigkeit jeglichen Besitz unter Strafe zu stellen. Er wiederholt seine bereits 2007 vorgetragenen Argumente und fügt zudem an, Patienten müssten dann ihren legalen Besitz von Medikamenten nachweisen.
Hierauf entgegnete der DLV im o.g. Antrag, „dass diese Argumentation verkennt, dass im deutschen Strafrecht nicht der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muss, sondern im Gegenteil ihm stets illegales Verhalten nachzuweisen ist.“
Kriminologe Dieter Rössner erklärte in seiner Stellungnahme zu dem Evaluierungsbericht:
Nimmt man die Vergleichszahlen und die Steigerungsquoten im Untersuchungszeitraum für Ermittlungsverfahren (469 %) und Urteile (1080 %), so ist zu erkennen, dass die Gesetzesänderung gegenüber dem früheren Zustand eigentlich erst zu einem nennenswerten Strafverfolgungsdruck in diesem Bereich geführt hat. Das wird vor allem auch deutlich, wenn man berücksichtigt, dass der weitaus größte Anteil der Ermittlungsverfahren (2011: 1434 von insgesamt 1592) sich auf die Besitzstrafbarkeit bezieht. Rechnet man diese heraus, läge man sogar noch unter den Zahlen für Ermittlungsverfahren wegen Dopings in den Jahren 2007/08. So zeigt sich die Besitzstrafbarkeit als zentrales Element der Dopingbekämpfung. Vermutlich liegt hier zudem der effektive Anknüpfungspunkt für weitere Ermittlungen, wie der Bericht zu Recht bei der Darstellung des Anzeigeverhaltens hervorhebt (S. 15): Der Verdacht des Besitzes von nicht geringen Mengen kann zur weiteren Aufklärung der Bezugsquellen in schweren Fällen dienen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Einschränkung des Besitzes auf nicht geringe Mengen an diesem Kristallisationspunkt der Dopingbekämpfung wegen der im Bericht aufgezeigten Wirkungen der Erhöhung des Verfolgungsdrucks durch die Einführung der Besitzstrafbarkeit zu starken und nicht notwendigen Einschränkungen führt: Die Schwelle für einen Anfangsverdacht zu Ermittlungen liegt so relativ hoch und der Besitz von Dopingmitteln bei den dopenden Sportlern wird gar nicht erfasst. Die Effektivität der Verfolgung von schweren Fällen könnte jedenfalls nach den Ergebnissen der Evaluation zur Wirkung der neuen Besitzstrafbarkeit noch erheblich gesteigert werden, wenn die Einschränkung wegfiele und insbesondere auch der Besitz beim dopenden Sportler zu weiteren Ermittlungen mit der Möglichkeit führen würde, Hintermänner aufzufinden.
Im Januar 2013 äußerte sich Dieter Maihold, Richter am Bundesgerichtshof, im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, zu den Möglichkeiten zivilrechtlichen Dopingverfahren und betrachtete „aus dieser Perspektive die aktuelle Diskussion zu vor allem straf- bzw. strafverfahrensrechtlichen Rechtsänderungen“.
In seiner Stellungnahme Strategien und Instrumente zivil- und verbandsrechtlicher Dopingverfahren in Deutschland ging er sehr ausführlich auf den Tatbestand des Besitzes von Dopingmitteln im AMG ein. Er sieht keine juristischen und verfahrenstechnische Hindernisse für eine Aufnahme uneingeschränkter Besitzstrafbarkeit und listet zahlreiche Vorteile auf.
Er hält fest, dass es wahrscheinlich sei, dass in Fällen, in denen Staatsanwaltschaften wegen „einfachen Besitzes“ Verfahren eingeleitet hätten, die später eingestellt wurden, sportrechtliche Verfahren hätten veranlasst werden können (ob dies erfolgt sei, ließe sich aber aus dem Evaluierungsbericht nicht heraus lesen).
Nach Maihold würde eine Aufhebung der Strafbarkeit von nicht geringen Mengen die Zusammenarbeit von staatlichen Behörden und Verbandsgerichtsbarkeit erheblich verbessern.
Bei uneingeschränkter Besitzstrafbarkeit würden sich auch die staatlichen Ermittlungen auf Sachverhalte erstrecken, die bereits jetzt verbandsrechtlich erfasst sind (siehe NADC 2009, 2.6., Besitz verbotener Substanzen innerhalb und außerhalb eines Wettkampfes). Dies hätte für die Verbandsgerichtsbarkeit ersichtlich den Vorteil, dass einfache Besitzverstöße nicht mehr von den verbandsrechtlichen Ermittlungsorganen (Disziplinarkommission, NADA) geklärt werden müssten, sondern in vielen Fällen die erforderlichen Informationen über Akteneinsichtsrechte erschlossen werden könnten. In Fallgestaltungen, in denen gegenwärtig die staatlichen Ermittlungsorgane keine weitere Ermittlungen führen, weil von vornherein nur der Verdacht des Besitzes einer geringen Menge vorliegt, würden nach einer entsprechenden Gesetzesänderung die staatlichen Ermittlungen bis zu einem abschließenden Ergebnis zur Besitzfrage fortgeführt.
Berücksichtigt man zusätzlich die Regelung in NADC 2009, 3.2.3, wonach Sachverhalte, die durch die Entscheidung eines Gerichts, festgestellt worden sind, als unwiderlegbarer Beweis gegen den Athleten oder den Betreuer etc. gelten, den die staatliche Entscheidung betroffen hat, erscheinen die Vorteile einer uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit für die Effizienz der Verbandsgerichtsbarkeit offensichtlich.
Maihold sieht diese Argumentation durch die Evaluationsstudie gestützt. Die Unsicherheit bzw. Uneinheitlichkeit der Einschätzungen, wann ein Verfahren aufgrund des Besitzes von Dopingmitteln zu eröffnen sei, werde wahrscheinlich auch nicht durch Schulungen, wie von Jahn vorgeschlagen, zu ändern sein.
Seiner Meinung nach würde es auch für die NADA, bzw. den Sport einfacher eigene Ermittlungsergebnisse an die Staatsanwaltschaften weiter zu geben.
Bundesrichter Maihold weist zudem eine Konkurrenzsituation zwischen staatlichen Ermittlungs- bzw. Strafverfahren und Verbandsverfahren zurück. Solch eine Konkurrenz war zuletzt von Seiten des DOSB vorgebracht worden. Sie diente dem Dachverband als Argument gegen den JMV-Antrag des DLV im Dezember 2012, in u.a. dem die Streichung der nicht geringen Mengen verlangt wurde. Laut DOSB würde dies dazu führen, dass Sportler doppelt wegen eines Deliktes bestraft würden, was rechtlich nicht haltbar sei (DOSB, Beschluss 8.12.2013 ):
„In diesem Zusammenhang dürfte interessant sein, dass Artikel 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vor der sogenannten „Doppelbestrafung“ schützt.“ Im Zweifel könnte sich ein doppelt bestrafter Athlet hierauf berufen und damit das gesamte Anti-Doping-System gefährden.“
Maihold hält dagegen :
Durch eine Ausweitung der Strafbarkeit des Besitzes von verbotenen Substanzen entsteht im Grundsatz keine neue Konkurrenzsituation. Bereits nach der geltenden Rechtslage können staatliche Ermittlungs- bzw. Strafverfahren und Verbandsverfahren nebeneinander oder nacheinander stattfinden, sofern nicht nur ein verbandsrechtlicher Doping-Tatbestand, sondern zugleich ein Straftatbestand erfüllt ist. Dies wäre etwa bei Besitz von Betäubungsmitteln oder Besitz von Doping-Substanzen in nicht geringer Menge denkbar. Ein solches Nebeneinander von staatlicher Strafverfolgung und verbandsrechtlicher Sanktion verstößt nach geltender Rechtsprechung von vornherein nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG), das dieses im Grundsatz nur die staatliche Strafverfolgung und nicht eine Disziplinargerichtsbarkeit umfasst. Mit einer Handlung kann damit sowohl ein Strafgesetz als auch eine Verbands- oder Berufspflicht verletzt werden. …
Beide Verfahren werden nach den für den jeweiligen Bereich geltenden, sehr unterschiedlichen Regeln durchgeführt und mit einer nur für den jeweiligen Bereich maßgeblichen Entscheidung abgeschlossen. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass trotz verbandsrechtlicher Verurteilung ein Strafverfahren mit Einstellung bzw. Freispruch endet oder umgekehrt der Einstellung eines verbandsrechtlichen Verfahrens eine staatliche Sanktion nachfolgt. Bereits die gänzlich unterschiedlichen Beweisregeln – in-dublo Grundsatz einerseits und „Strict-Liability“-Prinzip Im NADC 2.1.1. andererseits – verbieten die Erwartung eines praktischen Gleichlaufs beider Verfahren. Die Möglichkeit divergierender Verfahrensabschlüsse, die bereits im z.Z. geltenden Sanktionsrecht besteht, ist die zwingende Folge der gleichzeitigen Verfolgung von Dopingverstößen mithilfe unterschiedlicher Verfahren. Ein spezielles Haftungsproblem entsteht daraus im Grundsatz nicht. …
2013 Gesetzentwurf / Bundesratsinitiative Baden-Württemberg
Die Landesregierung von Baden-Württemberg greift in ihrem >>> Gesetzesentwurf, erstmals veröffentlicht am 9.4.2013, diese Pro-Argumente nicht auf sondern lehnt die Aufhebung der Bestimmung ’nicht geringer Mengen‘ ab.
„Nicht aufgegriffen wird die in der öffentlichen Diskussion immer wieder erhobene Forderung, das strafbewehrte Besitzverbot auf alle Dopingmittel zu erstrecken und es nicht von einer Mindestmenge abhängig zu machen. Tragfähige Gründe für eine solche Rechtsänderung bestehen nicht. Der hierfür ins Feld geführte Vergleich mit dem Betäubungsmittelstrafrecht trägt nicht, weil es an einer vergleichbaren Gefährlichkeit aller Dopingmittel fehlt und auch kein vergleichbares Suchtpotential besteht. Zudem ist der Hinweis darauf, die Anknüpfung der Strafbarkeit an eine nicht geringe Menge erschwere den Tatnachweis oder stehe bereits der Schöpfung eines Anfangsverdachts im Wege, wenn zunächst nur Anhaltspunkte für einen Besitz vorliegen, ohne dass schon ein Bezug zu einer konkreten Menge hergestellt werden kann, nicht weiterführend. Eine materielle Strafnorm bedarf der Rechtfertigung durch ein zu schützendes Rechtsgut. Sie darf nicht nur Vehikel zur Verdachtschöpfung oder zur Erleichterung des Nachweises dessen sein, was eigentlich strafwürdig ist. Mit der Einführung einer Besitzstrafbarkeit für alle Dopingmittel und für jede noch so geringe Menge würde man aber mit dem im Arzneimittelgesetz verbotenen Umgang mit Dopingmitteln einen neuen Zweck verfolgen. Da der Besitz einer geringen Mengen von Dopingsubstanzen nur auf eine Verwendung zum Eigendoping, nicht aber auf eine Weitergabe hindeutet, kommt der Schutz der Gesundheit nicht in Betracht, weil Dritte nicht betroffen werden. Die eigenverantwortliche Selbstschädigung ist nach deutschem Recht grundsätzlich nicht strafbar. Strafgrund könnte hier nur die Absicherung sportlicher Fairness sein. Die Fairness im Sport als solche ist aber kein durch den Staat mit strafrechtlichen Mitteln durchsetzbares Rechtsgut.“
Die niedersächsische Landesregierung unterstütze die Initiative aus Baden-Württemberg umgehend und schloss sich der Ablehnung der Streichung der ’nicht geringen Mengen‘ an. Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz erklärte gegenüber dem Deutschlandfunk (dlf, 14.4.2013):
Grundsätzlich ist es so, dass eine solche geringe Menge zum Eigengebrauch solange der Sportler nicht an einem Wettbewerb teilnimmt und solange er nicht Berufssportler ist, bei der Einnahme dieser geringen Mengen nur sich selbst schadet. Das ist in Deutschland nicht strafbar. Jeder darf sich selbst schädigen, jeder der Alkohol trinkt und raucht, tut das auch und das ist auch nicht unter Strafe gestellt. Er wird dann, anders als bei Dopingmitteln im Sport, schlechter und nicht besser, aber das steht in Deutschland insgesamt eben nicht unter Strafe. Und warum soll man das bei einem Sportler unter Strafe stellen.
DLF: … weil es im Sport darum geht, dass man mit der Einnahme von Dopingmitteln auch den Wettbewerb verzerrt.
Ja, deswegen darf er, wenn er gedopt ist, und eine solche geringe Menge konsumiert hat, und an einem Wettbewerb teil nimmt, dann ist es sehr wohl strafbar. Das muss man fein säuberlich unterscheiden. In dem Augenblick, in dem ein Sportler diese Menge nimmt und ein Berufssportler ist, deshalb ein finanzielles Interesse dahinter steht, in dem Augenblick in dem er dann an einem Wettbewerb teilnimmt, kommt es zu solch einer Täuschung und das muss unter Strafe gestellt werden. Und deswegen unterstütze ich auch den entsprechenden Entwurf aus Baden-Württemberg.
DLF: … wäre nicht die unbeschränkte Besitzstrafbarkeit neben dem Straftatbestand Dopingbetrug, den ja der Baden-Württembergische Vorschlag vorsieht, ein weiterer Weg z. B. den Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaften mehr Hilfe an die Hand zu geben. Die Staatsanwaltschaften in Freiburg oder München bemängeln ja, dass sie wenig Mittel haben um im Leistungssportbereich erfolgreich ermitteln zu können.
Ja, aber das Strafrecht ist nicht dazu da, Normen zu schaffen, die eine leichtere Ermittlung ermöglichen, dem Staatsanwalt die Ermittlung im Strafverfahren einer ganz anderen Norm zu erleichtern, nämlich des Sportbetrugs. Der Anlass ist ja das, wir wollen eigentlich den Sportler des Sportbetrugs oder des Dopingbetrugs oder wie man immer auch diese Straftat nennt und deswegen brauche ich einen anderen Straftatbestand, nämlich das Verbot des Besitzes von Dopingmitteln in geringem Maße, damit ich das nehmen kann um hinsichtlich des Sportbetruges zu ermitteln – das gibt es aber eigentlich nicht im Strafrecht. Das kann kein Vehikel sein, um die Ermittlungen hinsichtlich einer anderen Strafnorm zu erleichtern.
2013 SPD Bundestagsfraktion
Am 16.5 2013 legte die SPD Bundestagsfraktion den Entwurf eines eigenständigen Antidoping-Gesetzes vor. Darin wird gefordert, den Besitz von Arzneimitteln/Dopingmitteln, die „zu Dopingzwecken im Sport“ im Sport bestimmt sind, unter Strafe zu stellen. Der Passus ’nicht geringer Mengen‘ soll entfallen.
Durch die Aufhebung der Straffreiheit des Besitzes geringer Mengen wird eine Lücke geschlossen, die im Gesamtsystem der Verfolgung von Dopingvergehen als problematisch empfunden wurde. Einerseits werden durch die Änderung die materiellen Regelungen im Verbandsrecht und im allgemeinen Strafrecht in diesem zentralen Bereich angeglichen. Darüber hinaus können in Zukunft auch schon bei jeglichem Besitz von Dopingmitteln zu Dopingzwecken im Sport Ermittlungen eingeleitet werden, was bisher aufgrund eines nicht ausreichenden Anfangsverdachtes häufig nicht möglich war. Mit der Einführung der Tathandlung des Erwerbs wird auch die Vorstufe des Besitzes der dem Besitzverbot unterliegenden Arzneimittel und Wirkstoffe erfasst. Dies dient der effektiveren Strafverfolgung im Bereich der Besitzverbotsregelung.
Eine weitere Auseinandersetzung mit vorliegenden Contra-Argumenten liegt (mir) nicht vor.
2014 / 2015 BMI/BMJ/BMG Entwurf und Verabschiedung eines Anti-Doping-Gesetzes
Das Bundesministeriums des Innern, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das Bundesministerium für Gesundheit legten am 12. November 2014 einen gemeinsamen Entwurf für ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetz vor. Ein leicht geänderter Entwurf wurde im Mai 2015 vorgelegt und mit Änderungen am 13. November 2015 vom Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition verabschiedet.
Das Gesetz sieht nun eine Strafbarkeit des Erwerbs und Besitzes von Dopingmitteln ohne mengenmäßige Beschränkung vor, allerdings nur wenn diese zum Zwecke des Selbstdopings gedacht sind und nur für Leistungssportlerinnen und Leistungssportler, die beabsichtigen, sich in einem Wettbewerb des organisierten Sports durch ihre „sportliche Betätigung unmittelbar oder mittelbar Einnahmen von erheblichem Umfang“ zu verschaffen oder „als Mitglied eines Testpools im Rahmen des Dopingkontrollsystems Trainingskontrollen“ unterliegen. Konkret heißt dies, dass eine „Strafbarkeit von Erwerb und Besitz von Dopingmitteln auch bei geringer Menge“ dann vorliegt, wenn damit Selbstdoping beabsichtigt ist. Zudem gilt wie beim Selbstdoping, dass den überführten Sportler/innen eine Hintertür offen steht, zeigen sie „tätige Reue“, gehen sie straffrei aus.
Zu Absatz 3
Der Absatz enthält das Verbot von Erwerb und Besitz von Dopingmitteln zum Zwecke des Selbstdopings. Mit diesem Verbot wird bereits eine Handlung verboten, die der Vorbereitung der nach Absatz 1 verbotenen Handlung dient. Diese Vorverlagerung ist gerechtfertigt, weil bereits mit dem Erwerb und dem Besitz der Dopingmittel eine erhebliche Schutzgutgefährdung eintritt. Nur mit beiden Maßnahmen, Verbot des Selbstdopings sowie Verbot von Erwerb und Besitz von Dopingmitteln als Vorbereitung zum Selbstdoping, ist es möglich, effektiv gegen Dopingsünder vorzugehen und damit die Integrität des organisierten Sports zu schützen. Der Eingriff ist verhältnismäßig und deshalb von den missbräuchlich agierenden Sportlerinnen und Sportlern auch hinzunehmen. Das Verbot erfasst nur die Fälle, in denen die Sportlerin oder der Sportler beabsichtigt, das Dopingmittel ohne medizinische Indikation bei sich anzuwenden oder anwenden zu lassen, um sich in einem Wettbewerb des organisierten Sports einen Vorteil zu verschaffen. Schutzgüter sind – wie bei Absatz 1 – die Integrität des organisierten Sports und seine ethisch-moralischen Grundwerte wie Fairness und Chancengleichheit (s. Ausführungen zu Absatz 1).
Für das Verbot muss keine Mindestmenge eines bestimmten Dopingmittels erreicht werden. Das Erwerbs- und Besitzverbot nach Absatz 3 ist mengenmäßig nicht beschränkt.
Für Personen und Sportler, die nicht in die oben definierte Kategorie der Leistungssportler fallen, gelten weiterhin Bestimmungen mit ’nicht geringen Mengen‘ von Dopingmitteln. Diese Mengen müssen von den Ministerien in entsprechenden Verordnungen bestimmt werden.