Sportbetrug, Unlauterer Wettbewerb / Dopingbetrug

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Sportbetrug / Dopingbetrug

Prof. Dr. Dieter Rössner:
– Das Strafrecht hat sich auf den Schutz wichtiger und allgemeiner Rechtsgüter zu beschränken. Dies sind im Wesentlichen grundrechtlich hervorgehobene Rechtsgüter wie z. B. körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Eigentum, Persönlichkeitsrechte, aber auch Gemeinschaftswerte für das Zusammenleben.

– Die Auswirkungen der Verletzung müssen sozialschädlich und der Einsatz des Strafrechts geeignet und erforderlich sein.

– Die Strafe als Reaktion auf das Verhalten muss im Verhältnis zum Rechtsverstoß angemessen sein.

Bei einer kritischen Analyse solcher Handlungen bleibt es nicht aus, dass man in den Dschungel des praktisch wenig bedeutsamen Streits über die Rechtsgutdefinition gerät.

Im deutschen Strafrecht gibt es bislang keinen Straftatbestand Sportbetrug. Im Strafgesetzbuch ist lediglich in § 263 ein allgemeiner Betrugstatbestand verankert. Nach Meinung vieler Kritiker der deutschen Antidoping-Gesetzgebung reicht dieser § jedoch nicht aus, den Betrug im Sport – Doping und Korruption, Bestechung – ausreichend zu erfassen und zu sanktionieren. Sie fordern daher die Aufnahme einer neuen Strafnorm/eines neuen Straftatbestandes Sportbetrug in das deutsche Strafrechtsgesetz (StGB). Für solch eine Erweiterung des STGB wurden die Hürden allerdings hoch gesetzt. Umfangreiche Diskussionen und Meinungsfindungsprozesse sind im Vorfeld einer Erweiterung des StGB immer gegeben, so auch in dem vorliegenden Fall einer geforderten neuen Sportnorm Sportbetrug.

Die Strafnormen werden in den verschiedenen Gesetzen aufgegriffen. Am Beispiel des Tatbestands Sportbetrug zeigt sich das z.B. darin, dass die Bayerische Landesregierung 2006 und 2009 Entwürfe eines eigenständigen Antidopinggesetzes vorlegte mit der Norm Sportbetrug, die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen neuen Straftatbestand in ihren Änderungsvorschlägen/-anträgen zur Novellierung des Arzneimittelgesetzes 2007 aufgenommen hatten.

Im folgenden wird diese Diskussion im Ansatz ab dem Jahr 2006 dargestellt.

DSB-RECHTSKOMMISSION:

Die Rechtskommission der DSB diskutierte 2006 neben der Einführung eines Straftatbestands Sportbetrug auch über die Möglichkeiten, die das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) im Kampf gegen Doping ermöglichte. Die Kommission hielt das Gesetz in ihrem Abschlussbericht für ungeeignet im Kampf gegen Doping eingesetzt zu werden, entsprechende Änderungen seinen unpraktikabel (Rechtskommission Abschlussbericht 2006, S. 29ff).

Der Einführung eines Straftatbestands Sportbetrug stand die Kommission nicht ablehnend gegenüber, machte auch einige Gesetzesänderungsvorschlage, sah allerdings einige rechtliche Hürden.

„Sollten die dargelegten verfassungsrechtlichen und praktischen Bedenken nicht durchgreifen, könnte in dem dafür vom StGB vorgesehenen 26. Abschnitt der „Straftaten gegen den Wettbewerb“ die Einfügung eines § 298 a StGB in Betracht kommen, der im wesentlichen die in Art. 2.1 und 2.2 des WADA-Code genannten und näher definierten Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen erfasst, soweit sie den unmittelbaren Einsatz verbotener Wirkstoffe und Methoden im Wettkampf betreffen. Der Besitz verbotener Wirkstoffe oder Methoden, der Versuch ihrer Anwendung oder des Handels mit ihnen wird von der insoweit restriktiven vorgeschlagenen Strafvorschrift nicht erfasst.

Bestechlichkeit und Bestechung im Zusammenhang mit Wettbewerbsverfälschung nach § 298 a StGB könnten ferner durch eine Erweiterung des bestehenden § 299 StGB erfasst werden, um wirksam gegen korrupte Strukturen der Sportmanipulationen vorgehen zu können. (S. 35ff)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN brachten am 31.1.2007 in den Bundestag einen Antrag ‚Zur Bekämpfung des Dopings im Sport‘ ein. Darin forderten sie u.a. die

– Verankerung eines Straftatbestandes der Verfälschung des wirtschaftlichen Wettbewerbs im Sport, der im wirtschaftlich relevanten Bereich des Sportes die Wettbewerbsverzerrung durch Einsatz von Dopingmitteln unter Strafe stellt.

Eine Unterscheidung wie des DSB zwischen Unlauterem Wettbewerb und Sportbetrug wird darin nicht vorgenommen. Martin Nolte (s.u.) sieht in der Forderung der Fraktion die Forderung nach der neuen Strafnorm Sportbetrug.

Die Fraktion begründete diesen Punkt wie folgt:

Erfasst würden Fälle, in denen Sportlerinnen oder Sportler an einem Wettbewerb, der für ihre wirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten relevant ist, teilnehmen und durch Verwendung verbotener leistungssteigernder Mittel auf diesen Wettbewerb manipulativ einwirken. Der faire wirtschaftliche Wettbewerb, auch im Sport, ist als strafrechtliches Schutzgut anerkannt. Aufgrund der Kommerzialisierung zahlreicher Bereiche des Sports ist eine solche Regelung auch erforderlich. Denn mit dieser Kommerzialisierung – z. B. durch hohe Start- und Preisgelder sowie Werbeverträge in Millionenhöhe – hat auch beim Doping die Professionalisierung Einzug gehalten. Pharmakologinnen und Pharmakologen, Chemikerinnen und Chemiker, Ärztinnen und Ärzte, Trainerinnen und Trainer sowie Beraterinnen und Berater von Sportlerinnen und Sportlern entwickeln immer neue und schwerer nachweisbare Dopingmittel und Dopingmethoden. Eben weil sich mit Doping erhebliche finanzielle Vorteile erzielen lassen, wird der Sport, soweit er vorrangig wirtschaftlicher Wettbewerb ist, zur Triebfeder des Dopings. Dem könnte die vorgeschlagene Strafnorm entgegenwirken und zugleich faire Sportlerinnen und Sportler vor wirtschaftlicher Benachteiligung durch ihre unfairen, weil dopenden, Konkurrenten schützen.

Am 30.6.2007 hatte die Bundesregierung dann ihren Entwurf eines ‚Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport‘ ins Parlament eingebracht. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legten hierzu einen Änderungsantrag vor, indem sie ihren o.g. Vorschlag präzisierten und für das Strafgesetzbuch einen § 298a ‚Verfälschung des wirtschaftlichen Wettbewerbs im Sport‘ verlangten. Danach sollte bestraft werden,

„wer auf einen sportlichen Wettbewerb, der für die Erwerbsaussichten der Teilnehmenden von bedeutendem wirtschaftlichem Wert ist, dadurch einwirkt, dass er im Wettbewerb verbotene Mittel (Dopingmittel) oder Methoden (Dopingmethoden) zur Leistungssteigerung nutzt oder als Schieds- oder Wertungsrichter wissentlich falsche Entscheidungen trifft.“

Die Begründung lautet in Auszügen:

… Im Unterschied zum Entwurf der bayerischen Staatsregierung, der insoweit keine Definition des wirtschaftlich relevanten Bereichs des Sports beinhaltetet und sich damit zu Recht dem Vorwurf einer zu unbestimmten Regelung aussetzt, wird der wirtschaftliche relevante Bereich des Sportes hier klar und trennscharf definiert. Der sportliche Wettbewerb bewegt sich dann in einem wirtschaftlich relevanten Bereich, der einen strafrechtlichen Schutz erfordert, wenn er für die Erwerbsaussichten der teilnehmenden Sportler von bedeutendem wirtschaftlichem Wert ist. Der Begriff des bedeutenden wirtschaftlichen Wertes lehnt sich an die §§ 315, 305a des Strafgesetzbuches (StGB) an. Die Grenze verläuft damit gegenwärtig bei 1 000 Euro.

Das Einwirken auf diesen wirtschaftlich relevanten Teil des sportlichen Wettbewerbs wird dabei in zwei Tatbestandvarianten unter Strafe gestellt. … “ (Änderungsantrag)

BAYRISCHE LANDESREGIERUNG:

Die bayrische Landesregierung forderte in ihrem Gesetzentwurf vom September 2006, der dem Bundesrat vorgelegt wurde, einen Straftatbestand Sportbetrug. Danach soll bestraft werden „wer seines Vermögensvorteils wegen an einem sportlichen Wettkampf teilnimmt und dabei ein Dopingmittel“ im Körper hat sowie „eine Methode zur Erhöhung des Sauerstofftransfers“ anwendet. Auch der Versuch ist strafbar.

Begründet wird die Aufnahme des Tatbestand (S. 16ff) u.a. damit,

dass mit dem Betrugstatbestand (§ 263 StGB) nicht alle relevanten Interessen geschützt werden können (z. B. Interessen der Konkurrenten des dopenden Sportlers oder der im Vertrauen auf einen „sauberen“ Wettkampf Eintritt zahlenden Zuschauer) und der Nachweis des Betruges im Einzelfall aufgrund der Struktur des § 263 StGB beträchtliche Schwierigkeiten aufwerfen kann. Von § 5 geschützt werden die Chancengleichheit und Fairness im Sport. Das Schutzgut erscheint nicht weniger konkret bzw. schützenswert als etwa der freie Wettbewerb, dessen strafrechtlichen Schutz § 298 StGB gewährleisten soll. Angesichts der teilweise horrenden Summen, die im Berufssport bezahlt werden, stehen naturgemäß massive Vermögensinteressen im Hintergrund. (S.a. Bundesrat, Antrag Vorfeldtatbestand Sportbetrug)
Mit dem Begriff Vermögensvorteil soll der Profisport getroffen werden, nicht der Amateur- und Breitensport.

Der Gesetzentwurf, einschließlich des Punktes Sportbetrug, wurden in den Ausschüssen nicht abgelehnt, erhielt aber im Bundesrat keine Mehrheit. Laut Spiegel hatten sich zudem die Ländersportminister gegen die Schaffung eines neuen Straftatbestandes Sportbetrug ausgesprochen.

2009 legte die Bayerische Landesregierung einen überarbeiteten, erweiterten Gesetzentwurf, kurz Sportschutzgesetz genannt, vor:
Gesetz zur Bekämpfung des Dopings und der Korruption im Sport
Die Begründung für die Aufnahme einer neuen Strafnorm Sportbetrug (genauer eines Vorfeldtatbestandes, eines Tatbestandes im Vorfeld des Betruges) entspricht im Wesentlichen der oben zitierten (S. 22ff).

Am 18.7.2012 wurde von dem bayrische Justizministerium eine weitere Gesetzesinitiative vorgestellt. Dieses Mal ist es kein Entwurf für ein eigenständiges Antidoping-Gesetz sondern ein Entwurf zur Änderung der Antidoping-Bestimmungen im Rahmen des Arzneimittelgesetzes. Die Forderung nach einer neuen Strafnorm Sportbetrug fehlt 2012. Justizministerin Merk hält fest:

„Ich will nicht hinter dem Berg halten, dass ich gerne noch weitergehen würde. Schließlich hat Bayern bereits 2006 einen Entwurf für ein Anti-Doping-Gesetz in den Bundesrat eingebracht. Aber für ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetz und einen neuen Straftatbestand des Sportbetruges, um den Wettbewerb im Sport und all diejenigen, die sich wie die ehrlichen Sportler und die Zuschauer darauf verlassen, vor den dopenden Sportlern zu schützen – dafür lassen sich derzeit nun einmal nicht die nötigen Mehrheiten finden.“ (Bayr. Justizministerium, 18.7.2012)

Der bislang letzte Gesetzesentwurf der Bayrischen Landesregierung vom März 2014 geht wieder über den Entwurf von 2012 hinaus. Er enthält nun einen Straftatbestand Dopingbetrug (§3 im Gesetzesentwurf). Bestechlichkeit und Bestechung im Sport wird gesondert behandelt.

„Er richte sich gegen das „betrügerische Element“ des Dopings und umfasse nicht nur die gedopte Teilnahme am Wettkampf, sondern – über die bisherigen bayerischen Vorschläge hinausgehend – in einer zweiten Alternative unter bestimmten Umständen auch die Anwendung von Doping außerhalb des Wettkampfs, also im Training. (justiz.bayern.de, 17.3.2014

LANDESREGIERUNG BADEN-WÜRTTEMBERG:

Im November 2012 gab die Landesregierung von Baden-Württemberg in einer Pressekonferenz bekannt, dass sie eine Initiative zur Änderung des Arzneimittelgesetzes gestartet habe. Eine zentrale Forderung sein die Schaffung eines Straftatbestandes Sportbetrug.

In einer Diskussion des Deutschlandfunks am 13.2.2013 meinte Justizminister Stickelberger hierzu, dass geplant sei im Unterschied zu der Verbandsgerichtsbarkeit, die den einzelnen Sportler im Auge habe, die kriminelle Szene aufzuweichen. Da es mit dem im Strafgesetzbuch normierten Betrugstatbestand schwer sei eine Anklage im Dopingfall zu begründen, wolle man einen neuen Straftatbestand einführen.

„Wir sind bei uns im Haus dabei einen Tatbestand zu formulieren. Da gibt es Vorschläge, die werden wir natürlich auch mit den anderen Bundesländern und Sachverständigen diskutieren. Wenn sie wollen, kann ich den gerne vorlesen:

Berufssport treibende Person ist eine Person, die durch die Teilnahme am sportlichen Wettkampf unmittelbar wesentliche Teile ihres Einkommens erzielt etc. und dann: einer Berufssport treibende Person, in deren Körper sich ein Inhaltsstoff eines Arzneimittels oder ein Wirkstoff der Art befindet, wie sie in dem Katalog aufgeführt ist, ist es verboten an einem berufssportlichen Wettkampf teil zu nehmen.“

Und wenn sie dann trotzdem teilnimmt, dann greift die strafrechtliche Sanktion.“

Expertengespräch, 26.9.2013:
In Österreich hat das Anti-Doping-Gesetz 2007 mit einer Änderung des § 147 ÖStGB (schwerer Betrug) in Abs. 1 a erreicht, dass ein Dopingbetrug mit mehr als geringem Schaden wie ein sonstiger Betrug behandelt wird, wenn der Sportler über die Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs oder einer verbotenen Methode zu Zwecken des Dopings im Sport täuscht. Diese Verankerung im Rahmen der überkommenen Betrugsstrafbarkeit beseitigt die Unklarheiten und Unsicherheiten wie sie sonst in Deutschland bestehen.

Am 9.4.2013 veröffentlichten die Stuttgarter Nachrichten erstmals den vom Kabinett beschlossenen Entwurf.

Darin ist nicht mehr von Sportbetrug die Rede, sondern lediglich von einem Tatbestand Dopingbetrug:

Strafwürdig ist Eigendoping dort, wo ein wirtschaftlicher Wettbewerb stattfindet, auf dessen Ablauf mit dem unlauteren Mittel des Dopings Einfluss zu nehmen versucht wird. Insoweit kann mit dem freien wirtschaftlichen Wettbewerb auf ein anerkanntes Rechtsgut zurückgegriffen werden, das auch in anderen Wirtschaftsbereichen Strafnormen gegen unlautere, nicht offenbarte Einflussnahme trägt (vgl. §§ 298 ff. StGB). Für eine entsprechende Strafnorm hat sich in der öffentlichen Diskussion um ihre Einführung der Begriff „Sportbetrug“ etabliert. Treffender ist allerdings die Bezeichnung „Dopingbetrug“, weil dadurch die Begrenzung auf Manipulationen durch Doping zum Ausdruck kommt. Obwohl dieser Tatbestand im Vorfeld des Betruges angesiedelt ist und als Strafnorm zum Schutz des wirtschaftlichen Wettbewerbs in den 26. Abschnitt des Strafgesetzbuches eingestellt werden könnte, erscheint es systematisch vorzugswürdig, ihn in das Arzneimittelgesetz einzupassen. Der Standort im Arzneimittelgesetz hat den Vorteil, dass alle Strafnormen gegen Doping in ein und demselben Gesetz zusammengefasst sind und nicht in verschiedenen Regelungszusammenhängen stehen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass dieser Tatbestand auf den Berufssport beschränkt wird. Die Begriffe Berufssport treibende Person und berufssportlicher Wettkampf sind im AMG zu definieren. Der Gesetzesentwurf macht entsprechende Vorgaben (S. 17/18). Durch das Merkmal des berufssportlichen Wettkampfs ausgeschlossen sind im wesentlichen dem reinen Amateur- oder dem Freizeitbereich zuzuordnende Wettkämpfe, bei denen auch für einen teilnehmenden Berufssportler die wirtschaftlichen Auswirkungen der Teilnahme und des Ergebnisses für ihn selbst wie für Berufssport treibende Konkurrenten zu vernachlässigen sind.“

Unterstützt wurde diese Bundesratsinitiative umgehend von der niedersächsischen rot-grünen Landesregierung, die eine entsprechende Gesetzesinitiative in ihrem Koalitionspapier fest geschrieben hatte (DLF, 14.4.2013).

Kritik an der Einführung solche eines Tatbestandes, der kein Betrugstatbestand sondern ein Täuschungstatbestand sei, wurde von einigen Experten in der BMI-Anhörung vom 26.9.2013 geäußert. U.a. wandte Arthur Kreuzer ein:

„Dopingbetrug“ als Straftatbestand im AMG zu verankern (EBW) oder Vorschläge, dieses Verhalten im Wirtschaftsstrafrecht als „Wettbewerbsverfälschung im Sport“ zu erfassen, sind erkennbar Versuche, das Prinzip strafloser Selbstschädigung zu umgehen. Das würde schon deshalb verfassungsgerichtlicher Kontrolle kaum Stand halten. Kommerzielle Bezüge des Sports und Spitzensports sind zwar unverkennbar. Sie gehen großenteils von Nutznießern des Sports aus. Aber den einzelnen Wettbewerbsteilnehmer als primären Akteur in einem System wirtschaftlichen Wettbewerbs zu orten und ihn dementsprechend strafrechtlich zu behandeln, erschiene allzu einseitig und sachfremd. (Expertengespräch, S. 40ff)

GUTACHTEN

contra Rechtsnorm Sportbetrug

Zur Pro- und Contra-Diskussion siehe auch Expertengespräch, 26.9.2013.
Z.B. Wolfgang Schild:
Eine Strafbarkeit gemäß § 263 StGB ist gegenüber dem Veranstalter, dem Sponsor, dem Preisspender und der Förderinstitution möglich (vgl. Sportstrafrecht, S.96-99). Deshalb ist z. B. die in den Medien verbreitete Forderung der Sponsoren nach einem Dopingtatbestand (Sportbetrug) unverständlich. Es liegt an den konkreten Verträgen, die die Veranstalter, Preisspender, Sponsoren und Förderinstitutionen mit den betreffenden Athleten abschließen. Diese müssen (und können problemlos) so formuliert werden, dass das Vermögen der Geldgeber geschützt wird (sei es durch § 263 StGB, sei es durch zivilrechtliche Rückforderungsansprüche). Gegenüber den Zuschauern und den Konkurrenten dagegen scheidet § 263 StGB aus (siehe dazu auch die Antwort auf II [Die „wirtschaftliche Schädigung“ Dritter]) (S. 19).

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legten ihren im Januar 2007 auf Bundesebene vorgestellten Entwurf einer Verbesserung der Antidopinggesetzgebung auch dem Landtag von Schleswig-Holstein vor.

Dr. Martin Nolte gab für den Landtag eine Stellungnahme (27.6.2007) zu diesem Antrag ab. Darin lehnte er eine Einführung der Straftatbestandes Sportbetruges, wie er von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch von der Bayrischen Landesregierung gefordert wurde, ab (S. 9ff). Er sieht durchaus eine Strafwürdigkeit der Vergehen, jedoch keine ‚Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit‘ einen neuen Straftatbestand Sportbetrug einzuführen. Das meiste sei bereits durch bestehende Gesetze, insbes. durch den allgemeinen Betrugstatbestand (§ 263 StGB) und die geplanten Änderungen im AMG abgedeckt. Die Anwendung des § 263 sei zwar ’nicht unproblematisch,

„insbesondere in dreipoligen Beziehungen führt die Vorschrift zu einer Reihe von Tatbestands- und Beweisproblemen (Näheverhältnis zwischen Getäuschtem und Verfügendem, Stoffgleichheit, Betrugsabsicht u.a.), die dazu führen können, dass bestimmte Interessen am „fairen Wettbewerb“ im Sport keine Berücksichtigung finden (so etwa der Freistaat Bayern vom 13.09.2006, BR-Drs. 658/06, S. 16, der die Interessen des Konkurrenten des dopenden Sportlers oder die Interessen des im Vertrauen auf einen „sauberen“ WettkampfEintritt zahlenden Zuschauers nennt). Allerdings besteht die Aufgabe des Strafrechts nicht in dem Schutz aller berechtigten Interessen an einem fairen Wettbewerb. … Anders als bei den Straftatbeständen des klassischen Wettbewerbsrechts kommt weiterhin hinzu, dass beim Doping keine Sog- und Spiralwirkung eintritt, durch die breite finanzielle Einbußen beim Endverbraucher drohen.“

Zusammengefasst sei der neue Straftatbestand nur ‚auf wenige Einzelfälle‘ anwendbar. „Der verbleibende Anwendungsbereich eines eigenen Straftatbestandes „Sportbetrug“ ist daher äußerst gering.“

Entsprechende Argumente, wenn auch weniger ausführlich, brachte Gutachter Prof. Dr. Matthias Jahn, Richter am OLG Erlangen/Nürnberg in seiner Stellungnahme vor, die er im Rahmen der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung gegen die Aufnahme des Sportbetrugs vor. U.a. hält er fest (S. 19/20):

„Zunächst ist daran zu erinnern, dass Doping schon nach geltendem Recht auch im technischen Sinne Betrug i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB sein kann. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellt dazu zutreffend fest „Als Geschädigte (eines Betruges gem. § 263 StGB – d. Verf.) kommen dabei Veranstalter, Konkurrenten, Zuschauer und Sponsoren in Betracht. Im Hinblick auf Veranstalter und Sponsoren liegt bei der Einnahme von unerlaubten Dopingmitteln in der Regel tatbestandlich eine Betrugsstrafbarkeit vor. Dies gilt vor allem dann, wenn der Sportler vor dem Wettkampf eine Erklärung abgibt, keine unerlaubten Substanzen zu verwenden. Vermögensverfügung und Vermögensschaden sind in der Zahlung des Preisgeldes zu sehen, der keine entsprechende Gegenleistung des Sportlers, ein sportlich regelgerechter Wettkampf, gegenübersteht. Häufig ist in derartigen Fällen jedoch kein Vorsatz nachweisbar.“

pro neue Rechtsnorm Sportbetrug

Prof. Dr. Dieter Rössner, Direktor des Instituts für Kriminalwissenschaften der Philipps-Universität Marburg gilt als Befürworter eines Straftatbestandes Sportbetrug. In einem Vortrag, gehalten 2008, nimmt er Stellung zu den rechtlichen Anforderungen, die sich in der Harmonisierung von Strafrecht und Sportrecht ergeben. Darin kommt er zu dem Schluss, dass der Sportbetrug durchaus in das StGB aufgenommen werden sollte.

Der Strafgesetzgeber wäre nach meiner Analyse befugt, den Sportbetrug im Bereich des wirtschaftlich orientierten Leistungssports als Straftat gegen den Wettbewerb unter Strafe zu stellen. Mit Blick auf die große wirtschaftliche Bedeutung des Leistungssports und die schädlichen Auswirkungen von Sportmanipulationen auf die gesamte Sportkultur verdichtet sich die Befugnis zu einer Notwendigkeit. Der „Sportbetrug“ kriminologisch verstanden als unlautere Manipulation von Sportwettkämpfen vor allem durch Doping und Schmiergeldzahlungen sollte strafrechtlich im Gesamtkontext mit allen strafwürdigen und strafbedürftigen Manipulationen von Sportwettkämpfen im Leistungssport geregelt werden.“

Auch in seiner Stellungnahme zu dem Dopinggesetz-Evaluierungsbericht der Bundesregierung 2012 vor dem Sportausschuss sprach er sich wieder für einen Straftatbestand Sportbetrug aus.

2013 scheint die Akzeptanz für solche einen neuen Straftatbestand zu wachsen. Angesichts der weitläufigen Korruptions- und Wettbetrugsaffairen besonders im Fußball, verspricht solch eine Strafrechtsänderung, die dann auch Doping im Spitzensport einschließen würde, Erfolge. Innenminister Hans-Peter Friedrich zeigt sich einer entsprechenden Änderung gegenüber nicht abgeneigt, sofern nur der Berufssport betroffen wäre (FAZ, 6.6.2013).

Auf dem Kölner Sportrechtstag im Juni 2013 wurden auch Stimmen aus dem Fußball laut, die nach einem Straftatbestand Sportbetrug riefen (FAZ, 7.6.2013).