Doping-Reform: Whistleblowing

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Whistleblowing

Die korrupten Strukturen des Internationalen Leichtathletikverbandes IAAF und das russische System-Doping mit den Manipulationen während der Olympischen Spiele 2014 in Sotchi wären nicht aufgedeckt worden ohne Personen, die ihre Kenntnisse über die Vorgänge unter Inkaufnahme großer persönlicher Risiken weiter gaben. Die bekanntesten sind Yulia und Vitali Stepanov und später Grogory Rodchenko.

Die Geschichte der Stepanovs ist auch eine Geschichte des Versagen oder zumindest des Ungenügends des bestehenden Welt-Anti-Doping-Systems. Beispw. wurden Informationen, die sie an die WADA weiter gegeben hatten, nicht beachtet oder konnten nicht weiter verfolgt werden. Die Gründe sind vielfältig: u.a. Ignoranz, Komplizenschaft, Abhängigkeit, fehlende Ermittlungskompetenzen und -rechte, finanzielle und personelle Engpässe. Aufgedeckt wurden die Desaster durch journalistische Recherche.

Die Geschichte der Stepanovs ist hier nachzulesen:

doping-archiv.de: Whistleblower Yuliya Stenpova und Vitali Stepanov

doping-archiv.de: Leichtathletik/IAAF und Russland

In Folge dieser Enthüllungen erlangte auch Grogory Rodchenko Berühmtheit und Bedeutung. Der ehemalige Laborleiter des russischen Antidoping-Labors half die Vorgänge um den Dopingbetrug während der Olympischen Spiele in Sotchi 2014 aufzudecken und liefert bis heute neue Details des staatlichen Dopingsystems.

Sowohl die Stepanovs als auch Rodchenko mussten ihr Land verlassen und leben an geheimen Orten, nachdem sie mehrfach Todesdrohungen erhalten hatten. Damit stehen sie nicht allein, auch andere Zeugen suchten Schutz und Hilfe im Ausland.

Die Stepanovs und Rodchenko gehören zu den wahrscheinlich bekanntesten Whistleblower im Sport. Doch sie sind längst nicht die Einzigen. Eine verstörende Geschichte ist z.B. über Mario Goijman zu erzählen.

Die Dopingstrukturen im Radsport wurden insbesondere nach dem Festina-Skandal 1998 nach und nach durch immer neue Skandale und Affairen aufgedeckt. Nicht zuletzt aufgrund der Zeugenaussagen von Sportlern, die selbst im Zentrum des Dopinggeschehens standen wie z.B. Floyd Landis, Jörg Jaschke oder Michael Rasmussen aufgedeckt. Damit erhielten auch frühere Aussagen von Personen neues Gewicht und Glaubwürdigkeit, wie das beispiel Beispiel Jörg Paffrath zeigt.

Die Liste namentlich bekannter Personen, die als Zeugen auftraten, ist lang, noch länger dürfte die Liste derjenigen sein, die versuchten, ihre Kenntnisse weiter zu geben, aber damit gegen die Wand liefen, sei es weil ihnen nicht geglaubt wurde, die Aussagen nicht überprüft werden konnten oder sie aus dem System gemobbt wurden. Namentlich bekannte Radsportler hatten jedenfalls keine Chance mehr, im Radsport Fuß zu fassen.

Richard Mc Laren verlangt eine generelle Berichtspflicht von Athleten:
“Athletes only come forward when they have a particular reason for doing so”, said McLaren at Play The Game in Eindhoven. “You are not going to have people whistleblowing just because they have seen something. Yes, I was talking about an obligation to report, similar to that regarding match-fixing.”
Such agreements are in place in cricket and tennis, and allow athletes to be sanctioned for not reporting a suspicious approach. Asked to clarify how such a provision might work later, McLaren said that it could be included in the Athlete Agreement, which elite athletes are required to sign when they want to participate in elite sport. This is the same agreement that denies athletes recourse to ordinary courts of law, stating that all disagreements must be arbitrated at the Court of Arbitration for Sport (CAS).

Ob sich an der Missachtung und Ausgrenzung etwas geändert hat nach den jüngsten Enthüllungsturbulenzen und den Rufen nach Reformen bleibt unklar. jedenfalls wurden die Rufe innerhalb und außerhalb der Sportverbände nach Zeugenaussagen immer lauter. Kaum ein Verband, der keine Whistleblower-Plattform einrichtete, mit dabei das IOC.

Hackerangriffe zeigten jedoch, wie unsicher die digitalen Datensysteme selbst großer Organisationen sind. Diese Gefahr könnte potentielle Aussagewillige davon abhalten, sich zu äußern. Allerdings haben wahrscheinlich die Enthüllungen rund um den organisierten Weltsport mit all seiner Korruption das Vertrauen nachhaltig zerstört. Daher könnte das Whistleblower-Portal eines Journalistenverbundes eine bessere Alternative sein.

Die WADA selbst versucht mit Reformen, finanzieller und personeller Aufstockung und kompetenterer Ermittlungsarbeit zu kontern. Zudem ermuntert der WADA-Code Personen, die des Dopings überführt wurden, zu Aussagen, indem ihre Sanktionen wesentlich verringert werden können.

Anti-Doping-Norwegen:
Today, it is two years since Antidoping Norway (ADNO) launched a service where people can notify about suspicions of doping, completely anonymous.
This has led to the threshold to alert has become lower.
„We have experienced that this has been a good measure. After the alert channel was created we have received 332 tips. We see that 21 out of 38 cases have been a direct result of this scheme, „says lawyer in Antidoping Norway Britha Røkenes to TV 2. (TV2, 11.3.2018:)

Ob all diese Maßnahmen tatsächlich helfen werden, Dopingstrukturen aufzudecken, bleibt offen und hängt von vielen anderen Faktoren ab. U.a. auch davon, ob und welche negativen Konsequenzen namentlich bekannt gewordenen Whistleblowern generell blühen und wie anonymisierte Whistleblower-Plattformen tatsächlich Anonymität garantieren. Korrupte und betrügerische Zustände anzuprangern indem man diese eben diesen korrupten und betrügerischen Strukturen anzeigt, scheint kein Erfolgsrezept tu sein.

Siehe hierzu auch den Text von Kelsey Erikson ‚Blowing the whistle on doping in cycling – Whistleblowing im Radsport‘, in dem sie die Anforderungen an ein gut funktionierendes Whistleblowersystem aufzeigt und Reformvorschläge unterbreitet:
doping-archiv.de: Kelsey Erickson, Blowing the whistle on doping in cycling – Whistleblowing im Radsport

BEISPIELE DOPING_HOTLINES:

>>> doping-archiv.de: Doping-Hotlines

SportsLeaks.com / DopingLeaks.com

Die Whistleblower-Plattform SportsLeaks.com / DopingLeaks wurde von Journalisten, mit dabei Hajo Seppelt und Antoine Vayer, gegründet:

Änderungen WADA-Code 2021:
…Schutz von Whistleblowern:
Zusätzlich … wird nun ein neuer Tatbestand (Artikel 2.11.) aufgenommen, um Einschüchterungen, Drohungen oder Vergeltungsmaßnahmen zu sanktionieren, die darauf abzielen, Hinweise oder Informationen zu potenziellen Verstößen an die entsprechenden Stellen zu übermitteln.

WADA Speak Up!

Günter Younger, WADA-Chefermittler/Direktor für Investigation bei der Welt-Anti-Doping-Agentur über die WADA Whistleblower-Plattform Speak Up! und das dahinter stehende Ermittlungsprogramm:

DLF, 17.1.2018:
Younger, Kriminalpolizist aus Bayern und seit 2017 Jahr Chef-Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, spricht von einer Welle neuer Whistleblower.

„Also wir haben Hinweise in dreistelliger Höhe bekommen.“

Vergangenes Jahr erst hatte die WADA ein neues „Whistleblower-Programm“ ins Leben gerufen. Informanten können sich seitdem übers Internet und eine Handy-App anonym melden. Und inzwischen seien schon rund 200 Hinweise eingegangen. Einige hätten auch schon zu Ermittlungen geführt, sagt Younger, ohne zu verraten, in welchen Ländern. … „Wir haben ungefähr zehn bis zwölf Ermittlungen selber laufen. Wir sind auch in Kontakt mit einigen Polizeidienststellen, mit denen wir zusammenarbeiten. Aber darüber können wir natürlich noch nicht reden, weil die noch nicht öffentlich sind. Und wir haben bereits bei einigen Ermittlungen helfen können.“

tz.de, 7.1.2017:

Mein Ziel ist, dass Menschen wie die Stepanows nicht in den Medien erscheinen. Wir wollen ihre Informationen bewerten, analysieren und sie dann wieder aus dem System entlassen. Aber wir brauchen sie, denn wenn uns jemand sagt: Fangen Sie rechts hinten an zu suchen, dann ist das einfacher, als wenn ich die Nadel im ganzen Heuhaufen suchen muss. …

Das eine schließt das andere nicht aus, das Testen ist nach wie vor wichtig. Wir nutzen so viele Quellen wie möglich und führen diese zusammen. Und dann geht es darum, die Brücke zur Polizei zu schlagen, bei den Ermittlungstechniken sind uns oft die Hände gebunden.

sportschau.de, 14.3.22017:

Die WADA will Whistleblower ermutigen, über Doping-Vergehen zu sprechen. Ein neues Allheilmittel, weil Tests wenig bringen?
Younger: Es ist ein weiteres, wichtiges Mittel, weil man mit Ermittlungen im Sport viel erreichen kann. Da wir weder Polizei noch Strafverfolger und die Möglichkeiten des Ermittelns limitiert sind, braucht es Whistleblower, um im Doping-System Augen zu haben.

Sie bauen in der WADA eine Abteilung für Investigation auf. Werden Sie selbst noch vor Ort ermitteln wie mit der Untersuchungskommission von Richard Pound, als es um den Nachweis von systematischen Doping in der russischen Leichtathletik ging?
Younger: In der Abteilung wollen wir die Zuständigkeit für Whistleblower und Ermittlung trennen. Deshalb kümmere ich mich um alle Whistleblower und werde nicht in jedem Fall ermitteln.

Sie haben gesagt, bei jedem großen Fall, den Sie als Polizist bearbeitet und gelöst haben, war ein Whistleblower dabei, der zur Aufklärung beigetragen hat. Braucht es mehr Julia Stepanowas, die das systematische Doping in Russland enthüllte?
Younger: Je mehr, desto besser. Denn je mehr bekannt wird, desto weniger ist das Ganze exotisch. Die Kultur sollte unter Athleten, Trainer und Funktionären sein: Wir wollen sauberen Sport! Und wir wollen, dass jemand aussagt, wenn irgendwo etwas schief läuft.

STIMMEN ZUM WHISTLEBLOWING

Helmut Pabst, Sportmediziner, Gründer und Mitarbeiter der Doping-Kontroll-Firma PWC:

Matthias Dänzer-Vanotti: Setzt da jetzt ein Umdenken ein, weil Sie sagen, wir brauchen die Whistleblower und müssen sie auch schützen?
Helmut Pabst: Ja, und das ist hoffentlich auch der Fall. Und auch ich muss umdenken, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich war früher nicht so begeistert, aber inzwischen sehe ich das ein, wir brauchen diese Leute und wir müssen sie schützen. …

Matthias Dänzer-Vanotti: Warum braucht man da kriminalistisches Gespür?
Helmut Pabst: Na gut, wenn jemand kommt und uns sagt, ich weiß was, die betrügen, dann müssen Sie den Wahrheitsgehalt dieser Aussage überprüfen können. … es könnte auch sein, dass man ihn nicht berücksichtigt hat und jetzt kommt er und erzählt uns Mist.

Matthias Dänzer-Vanotti: Warum muss die Kommission unabhängig sein?
Helmut Pabst: Sie haben es vorher selber gesagt, da gibt es im Sport ja so große Verknüpfungen und diese Verknüpfungen halten natürlich prima. Ein Netzwerk, ob das im IOC ist, oder in der Leichtathletik oder im Fußball: Wo Sie hinschauen, gibt es Netzwerke und die wollen nicht unbedingt, dass man in ein solches Netzwerk einbricht. Was man aber tut, wenn man einen rausholt, der ein Topstar ist und gedopt ist. Das schadet ja eigentlich dem ganzen Sport. Ob das nun der Radsport ist, der fast daran kaputt gegangen ist, oder ob das jetzt auch die Leichtathleten sind, die große Schwierigkeiten mit Russland haben. Wir brauchen da eine Kommission die in der Lage ist, auch finanziell, solche Whistleblower zu schützen und zu unterstützen.

Matthias Dänzer-Vanotti: Das was Sie sagen, klingt so ein bisschen, als ob die Weltdopingagentur mit dem Sport und seinen Dopingpraktiken unter einer Decke stecken würde!
Helmut Pabst: So brutal will ich das jetzt nicht mehr ausdrücken. Aber es gibt Verknüpfungen. Also wenn dann plötzlich der Präsident der WADA auch gleichzeitig Vizepräsident im IOC ist, dann will ich das eigentlich nicht. Das sind so Verknüpfungen, die bei uns politisch nicht ganz korrekt sind. Im Sport ist das gang und gebe, hätte ich beinahe gesagt. Da hat man einfach mehrere Posten, weil man einfach froh ist, dass es einer überhaupt einer macht. (br.de, 18.5.2017)

Kelsey Erickson und Susan Backhouse, Leeds Beckett University

Kelsey Erickson und Susan Backhouse führten eine Studie durch, in der sie der Einstellung von Sportler*innen gegenüber Whistleblowing nachspürten. Auch Personen, die gegen Doping eingestellt waren, äußerten Probleme damit und Abneigung dagegen. Die Autorinnen sprechen von einem moralischen Dilemma, in dem sich diejenigen befinden, die selbst zur Szene gehören und vor der Frage stehen, ob sie Auskünfte geben sollen (theconversation.com, 7.8.2017, “I don’t know if I would report them”: Student-athletes‘ thoughts, feelings and anticipated behaviours on blowing the whistle on doping in sport):

This hesitation can largely be put down to the fact that whistleblowing on doping presents a true moral dilemma – with two equally valid and demanding moral options. As an athlete, do you report doping behaviour to protect the integrity of sport, or keep quiet to protect the individual’s career, reputation and well-being?

While on the surface reporting doping may seem straightforward, it rarely is. There are often multiple variables to consider – an athlete may share the same coach who is administering the banned substances, may be friends with the person, or may feel pressured (by other athletes) to remain quiet. Then there are the potential social consequences for the whistleblower – being shunned, bullied or discredited.

Despite the reluctance among athletes to report doping, the use of prohibited substances and methods arguably threatens the integrity of sport. And this is in part why anti-doping governing bodies worldwide are increasingly recognising the critical role that whistleblowers can play in disclosing doping behaviour.
Siehe ausführlicher doping-archiv.de: K. Erickson, Blowing the whistle on doping in cycling – Whistleblowing im Radsport


Kelsey Erickson und Laurie Patterson im Gespräch mit Marina Schweizer, DLF:

… Und als ich dann die Interviews mit der nächsten Gruppe gemacht habe – also Menschen, die noch nicht unbedingt eine Whistleblowing-Erfahrung gemacht hatten – da waren es diese Athleten auf internationalem Level, die ja potenziell in eine solche Situation kommen könnten, dass sie etwas melden sollten. Und eine Sache, die sie davon abhalten würde, ist etwas ganz Essentielles: Sie wussten nicht, wie sie das richtig tun sollten. Also: An wen soll ich das melden? Muss ich das Ganze wirklich gesehen haben? Muss ich harte Beweise haben, bevor ich etwas sage oder reicht es, wenn ich es so melde?

Ich vermute, sie haben Angst davor, Beziehungen zu beschädigen. Also: Wenn ich eine Person melde und diese dann bestraft wird und ich weiß, dass ich dafür verantwortlich bin – vielleicht weiß es die Öffentlichkeit nicht, aber ich weiß es ja. Obwohl man dann stolz wäre, gibt es da immer noch ein Schuldgefühl, dass man derjenige war, der den Hinweis gegeben hat. Und es gab auch eine Angst davor, dass sich das auf die Sponsoren auswirken könnte und auf die Mannschaften: Wer wird sich noch für mich interessieren, wer will noch mit mir in Verbindung gebracht werden? Es wurde auch darüber gesprochen: Was, wenn ich was sage? Dann werden sich die Menschen von mir distanzieren. …

Was wir da gefunden haben, ist das moralische Dilemma: Bin ich einer Person oder einer Gruppe verpflichtet? Also, erhebe ich meine Stimme zum Wohle aller Athleten und des sauberen Sports oder halte ich den Mund, um das Ansehen und Wohlergehen einer Person zu schützen? …

Und es gab noch ein weiteres Element. Dieses: Ich muss auch an mich selbst denken, weil, wenn ich als Athlet etwas melde, dann bin ich bestimmt auch verdächtig. Wie konnte ich davon erfahren ohne ein Teil des Betrugs zu sein, wie lange wusste ich davon und warum habe ich nicht schon früher was gesagt? Also muss ich doch da mit drin hängen. Und dann gab es eine Sorge, dass Leute dachten: Wenn ich das melde, dann werden Leute immer denken, dass ich das jetzt die ganze Zeit mache und Leute reden dann nicht mehr mit mir. Es war alles zusammen: Ich musste über ein Individuum nachdenken, über die Gruppe und auch über mich.

Und was die Omertá angeht – ich habe ja auch Trainer und Trainerinnen interviewt. … Die Trainer mit denen ich schon früh gesprochen habe, haben gesagt, dass sie sich lieber intern um Sachen kümmern. So haben sie es formuliert. Sie waren in einem Konflikt zwischen: Athleten zu schützen, ihren Verein zu schützen und sich selbst zu schützen. Und sie haben explizit gesagt, dass Doping für sie ein dunkles Thema ist, etwas, über das sie lieber nicht sprechen und mit dem sie nicht in Verbindung gebracht werden wollen.

Das war nicht unbedingt, weil sie etwas verstecken wollten. Sie hatten einfach Angst vor den Auswirkungen, weil die Dinge dann ganz schnell eskalieren. … Sie hatten also Angst, dass Informationen nach draußen gehen und dass sie falsch wiedergegeben oder manipuliert werden. Zum Beispiel durch die Medien. Also, es ist nicht unbedingt ein Schweigekartell mit bösen Absichten. Das ist manchmal etwas komplex. Aber für manche bedeutet dieses Schweigekartell, dass sie Menschen schützen wollen vor Vergeltung oder anderen Dingen, die daraus resultieren können.

Wenn sie sich etwas wünschten, dann etwas, was total unabhängig und außerhalb des ganzen Sports und der Anti-Doping-Arbeit ist – auch um potenzielle Vertrauensprobleme zu überwinden. …

Sie müssen aber einfach wissen, wo sie es tun können und sie müssen wissen, mit wem sie sprechen und was daraus resultiert. Es ging da mehr um Vertrauen als um einen bestimmten Ort. Und Vertrauen hängt an Individuen und nicht so sehr an einer Organisation, in der diese Person sitzt.

Patterson: Und aus den Fragebögen wissen wir: Es ist wichtig, dass gewisse Bestimmungen gelten, wenn Leute Whistleblower sein sollen. Vieles davon drehte sich um die Art der Unterstützung. Wie machen sie es? Was passiert danach? Sie wollten Transparenz, was den Verlauf angeht. Eine Sache, die die Befragten explizit genannt haben, war, dass sie sich Anonymität und Geheimhaltung wünschten. …

Es braucht also eine Bandbreite an Möglichkeiten, weil verschiedene Personen da auch unterschiedlich herangehen. Wenn Du kommunikativ bist, bist du vielleicht jemand, der darüber gerne mit jemandem am Telefon spricht. Oder man ist vielleicht jemand, der das gerne per Mail macht. Vielleicht willst Du aber auch mit jemandem von Angesicht zu Angesicht sprechen. Es geht darum, dass wir Menschen unterschiedliche Vorlieben haben, wie wir kommunizieren. Und wir sollten Möglichkeiten für alle bieten.

Mara Yamauchi, Athletin und Trainerin

Mara Yamauchi fasst die nach ihrer Erfahrung 10 wichtigsten Punkte zusammen, die dem Whistleblowing aus Sicht der Sportler*innen entgegen stehen (Mara Yamauchi: Doping: athletes speaking out):

1. You’re in the sport to do the sport. Athletes go into elite athletics because they love doing the sport, have dreams, want to fulfil their potential, maybe have talent, want to do something terrific with their lives. They don’t go into it to hassle corrupt, greedy, dishonest people who aren’t doing their jobs properly. If the authorities in athletics aren’t doing their jobs properly, then it is the job of the Police and law-enforcement agencies to go after them. We shouldn’t have to speak out!

2. You don’t want to jeopardise your chances. Athletes work hard every single day (as do the support team who help them). All that effort goes into a few seconds, minutes or hours of competition on a few days per year, depending on your event. If you screw up, that’s it. You’ve blown it. Game over. …

3. You don’t want to give people a reason to reject you. Selection criteria for major championships might include “discretion”. You don’t want to give anyone a reason not to select you. Similarly, for many athletes their sport is their living. So attracting sponsorship contracts is important and may be the difference between being able to afford to be an athlete, and having to quit. Are sponsors going to want you if you speak out and cause controversy? It’s simpler to keep your head down and work hard.

4. People don’t listen. I have tried to convince many people that doping, especially amongst Russians and East Europeans, is rife in the women’s marathon. This is based on my own personal experience. There are VERY few people who have accepted my arguments. …

5. Athletes have little choice where they compete. If you want to reach the pinnacle of your sport, that generally means the Olympics and World Championships. You know you’ll be up against dopers, but what else can you do? …

6. Most athletes are young. Young people haven’t had the years of life experience to see all the wrongdoing that goes on in the world. Some will figure it out quickly, others won’t. And most, if not all, as a young person should, will put their TRUST in the athletics authorities to provide clean, open & honest sport. You don’t go into a sport thinking it’s going to be corrupt and full of cheats. …

7. Perhaps athletes are scared of speaking out or are being silenced. On at least two occasions, I have been warned against speaking out on doping by people who are heavily involved in athletics.

8. What difference will it make? Some athletes may want to speak out, but may be thinking “What difference will it make? What’s the point?” …

9. Control the controllables. There are many things, doping aside, that can stop an athlete from being their very best – nerves, illnesses, injuries, having to work to earn money, the weather, facilities etc. The best thing an athlete can do is focus on what they can control, and do those things to their very best ability, and ignore the rest. If others are going to dope, enable doping, look the other way etc, then that’s their problem. The clean athlete needs to focus on themselves and make the best of that.

10. You need to be brave, have courage, and be sure of your facts to speak out. Ultimately everything boils down to evidence. Without it, everything that athletes who speak out say can be dismissed. …

Christina Friis Johansen, Anti-Doping-Expertin

Christina Friis Johansen, langjährige Mitarbeiterin von Anti Doping Denmark fasste in einem Beitrag für Play the Game die Gefährdungssituation von Whistleblowern zusammen, wie sie sich vor allem in Fällen darstellt, in denen die Integrität von Sportverbänden und Staaten in Frage steht, Beispiele Yulia und Vitali Stepanov und Gregory Rodchenko. Doch eine Gefährdung ist schon in Fällen geringerer Relevanz vorhanden. Die Autorin sieht letztlich nur sichere Lösungen, wenn es gelingt, die Politik einzubinden und Strafverfolgungsstrukturen zu schaffen, die wiederum international kontrolliert werden können. Dem Sport traut sie es nicht zu, die Problematik aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen. playthegame.org: Whistleblowers in sport need more support, 21.11.2017:

When Play the Game first gathered investigative journalists, experts, whistleblowers, and sports officials to discuss these issues, there was no broad recognition of the relevance. On the contrary: Sports leaders would dismiss Play the Game and our speakers as hostile sensation-makers that tried to make a living by scandalising honest sports leaders who had selflessly committed their lives to the noble cause of the youth.

Today, the integrity issues are all over the public agenda and the global political discussions, and the need for better governance is recognised by even the most problematic organisation – at least in their declarations.

This fundamental change in public perception of sport would not have come about without determined men and women who put their careers, their reputations and their safety at risk in order to tell the truth.

While the intrinsic value of whistleblowers in sport is generally recognised by now, it goes without saying that policies and procedures must be in place to regulate the use of whistleblower information and protect whistleblowers from retaliation.

Whistleblower hotlines, policies and procedures are increasingly being implemented in various sports organisations and other authorities in the area of anti-doping, match-fixing and athlete harassment.

Yet, the protection of whistleblowers in sport is by and large vested in the hands of private sports organisations and/or public or semi-public authorities. They may have all the best intentions to support and protect any forthcoming whistleblower, but they are unlikely to have enough strength in cases where lives and livelihood of whistleblowers are threatened.

Legal assistance and media guidance may be provided by sports or via independent initiatives like Fair Sport, but the powers and means necessary to provide long-term financial support and physical security are only available to governments and their law enforcement entities. For now, they only act to a very limited extend and only in very rare cases.

This is an area where governments must up their game. Sport organisations and anti-doping agencies cannot develop effective whistleblowing programmes in isolation. Law enforcement agencies should be involved and a united approach to manage endangered whistleblowers should be dealt with.

Governments should take measures to guarantee that whistleblowers do not need to flee or in worst cases to change their identities in return for telling the truth and take measures to provide financial support at least temporarily until they are able to support themselves again. That is the least we can do if we want whistleblowers to do the right thing.

Whistleblowers considering speaking up must be professionally advised to make informed decisions: Will it be worth it? What are the risks? How will life look on the other side? This is also a responsibility that should rest with law enforcement and where sport and anti-doping organisations must realise they need a helping hand.

Naturally, this will only work in situations where governments can be trusted. Often, they cannot. Or they lack the will to protect people giving compromising information. You only have to look at Yulia and Vitaly Stepanov to see the impact whistleblowing can have and where neither the governing body, IAAF, nor the Russian government succeeded in providing security.

Still, closer cooperation between sport and the world’s governments seems more relevant than ever. We are very far from convincing solutions, but there are signs that interest is growing. …


weitere Studien zum Thema:

2022 Behaviours and Beliefs Related to Whistleblowing Against Doping in Sport: A Cross-National Study

2021 Whistleblowing against Doping Misconduct in Sport: A Reasoned Action Perspective with a Focus on Affective and Normative Processes

 

Monika