Asmuth, Christoph.: Translating Doping -‚Die Substanz des Sports‘

Asmuth, Christoph.: ‚Die Substanz des Sports‘

Philosph Christoph Asmuth ist verantwortlich für einen Teil des Forschungs-Verbundprojektes ‚Translating Doping‘ in den Jahre 2009-2012 an der Technischen Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit zum Thema Doping nahm die Frage nach den Verbindungen/Gemeinsamkeiten/Überschneidungen des Problems Doping im Sport mit Entwicklungen in anderen Teilen der Gesellschaft breiten Raum ein wie es z. B. die Enhancement-Debatte zeigt, die die akademischen Zirkel längst verlassen hat.

Prof. Asmuth erläutert in einem Gespräch die Absicht des Forschungsprojektes und äußert sich u.a. zu der unterschiedlichen Einschätzungen des Drogen-/Medikamentenkonsums in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft und dem Teilbereich Sport.

>>> Translating Doping 2009-2012

Das Interview erschien auf der Freitag, 23.2.2010

Zitate

Konkret zu Ihrem Forschungsprojekt. Wollen Sie letztlich nur der neutrale Beobachter sein, der das Zustandekommen von Verboten so gut wie möglich erklärt? Oder wollen Sie auch etwas bewirken?
Wir bewirken etwas, und das wollen wir ja auch. Kinder und Jugendliche beispielsweise müssen vor Medikamentenmissbrauch im Sport geschützt werden. Das ist ganz wichtig. Wir führen Wissenschaftler und Verantwortliche unterschiedlicher Fachrichtungen und Verbände zusammen und veranstalten Hearings, die eine Außenwirkung haben. Unsere Zielgruppen sind Sportler, Schüler und Lehrer, aber Juristen und Politiker. Was aber nicht von uns zu erwarten ist, dass wir am Ende eine Kiste mit guten Vorschlägen bereitstellen, in die man hineingreift, und schon ist das Dopingproblem gelöst. Das funktioniert nicht. Vor allem nicht, wenn es um Moral und Ethik geht.

Worum geht es dann?
Darum zum Beispiel, dass wir zeigen wollen, dass ein bloßes Dopingverbot keinem wirklich hilft. Es muss, auch bei unserem Projekt, um Aufklärung gehen: Jeder Sportler muss für sich selber die ethische Entscheidung treffen, ob er Mittel nimmt oder nicht. Er steckt zwar in einem extremen Systemdruck, ist aber dennoch eine freie Person – wenn er den Kopf aus dem Sand steckt. Wir können und wollen ihm Argumente liefern. Der Sportler ist einer unserer Adressaten. Das soll ihm aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“, wie Kant es ausdrückte, herausholen. Das hat der Mensch also selbst zu verantworten. Er kann aber und muss eigentlich daraus selbst herauskommen. Auch der Sportler hat Alternativen. Das müssen wir nutzen.

Wir beobachten jetzt, dass sich die Argumente ändern. „Gesundheitsschädigung“ zum Beispiel steht nach meiner Beobachtung nicht mehr so im Vordergrund. Aktuell wird das Dopingverbot eher mit dem Hinweis auf die „Wettbewerbsverzerrung“ begründet.

Ist nicht Wettbewerbsverzerrung oder Chancengleichheit ein heikles Argument? Wo gibt es denn schon Gleichheit der Chancen?
Chancengleichheit ist immer problematisch. Nehmen wir nur die Debatte um die Schwimmanzüge: die waren eine Weile erlaubt, jetzt wieder verboten. Oder die unterschiedlichen Trainingsmethoden beziehungsweise der unterschiedliche Stand der Trainingsforschung in verschiedenen Ländern. Doping ist doch eigentlich ein „Erste-Welt-Problem“.

Der Dopingvorwurf vermenschlicht aber auch. Eine sportliche Leistung, die als menschenun­möglich scheint, wird durch den Dopingnachweis wieder auf ihr Normalmaß, auf das menschliche Maß reduziert.

Doping ist, denke ich, wirklich ein guter Kniff von uns Sportkonsumenten, wie wir uns außergewöhnliche Leistungen erklären können. Eine sehr wichtige Frage in diesem Kontext ist: Welche Vorstellung vom Menschen liegt dem Reden über Doping überhaupt zugrunde? Warum akzeptieren wir uns nicht, wie wir sind, sondern wollen uns immer verbessern und modellieren in der Leistung, in der Schönheit und anderen Dingen.

Gibt es Reaktionen auf Ihr Projekt, zum Beispiel seitens des organisierten Sports?
Bislang haben wir keinen Kontakt zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Die Reaktionen, die wir bislang erhielten, waren sehr unterschiedlich. Es gibt teilweise eine recht große Abneigung gegen eine Intellektualisierung des Sports. ‚Was wollen die denn?’ wird dann immer gefragt. Wir müssen dann erläutern, dass unsere Perspektive gar nicht nur auf den Sport gerichtet ist. …

Was hat Sie in Ihrer Arbeit bislang am meisten verblüfft?
Das waren zwei Dinge. Zum einen, dass wir bei unseren Diskussionen mit Juristen herausgefunden haben, dass die meisten sich gar nicht für Dopingdelikte zuständig sehen. Die erklären fast alle, dass Strafrecht und Dopingverfolgung schlecht zusammenpassen.

Zum anderen, dass wir einen Zusammenhang von Doping und der Debatte um Neuro-Enhancement herausgefunden haben, also um die Frage, ob Hirnfähigkeiten optimiert werden sollen. Das ist quasi ein Dauerbrenner unserer Arbeit. Doping ist ja im Grunde eine Unterform von Enhancement. Verblüffend ist, dass auch die Enhancement-Befürworter mit Doping eigentlich nichts zu tun haben wollen. ‚Doping ist ja verboten’ heißt es bei denen, wenn man nachfragt.