Geschichte des Dopings, der Dopingdiskussion
DOPING – Artikel von Robert Marchand 1935
Der folgende Aritikel erschien am 30. März 1935 in der französischen Zeitschrift ‚Miroir du monde‘. Darin fasste Robert Marchant zusammen, was unter Doping zu verstehen ist und schildert einige Praktiken und Fälle. Anzumerken ist, dass das damalige Dopingarsenal noch mehr Drogen und Medikamente als angegeben enthielt.
Zitate:
DOPING
Vor Kurzem wäre einer der bekanntesten Radsportler fast gestorben. Mitten um Rennen wurde ihm sehr unwohl, er hielt an, suchte seine Kabine auf und noch bevor seine Soigneurs eingreifen konnte, krümmte er sich gequält von schrecklichen Schmerzen, auf dem Boden.
Armand Blanchounet – um den handelt es sich – kam ins Krankenhaus und kämpfte dort einige Tage um sein Leben. Er wurde gerettet. …
Das Velodrome ist ein Glashaus. Man sieht alles, hört alles, und was man weder sieht noch hört, kann man leicht erraten. Das Gerücht, Blanchonnet sei bis an die extreme Grenze ‚geladen‘ gewesen, hatte sich schnell verbreitet. In der Sprache der Radfahrer heißt dies einfach, dass das ihm verabreichte ‚Doping‘ über seine Kräfte ging. … Aber sicher ist, Blanchonnet hat nicht zugegeben, dass er sich zu Strychnin-Pillen hatte verleiten lassen. Auch sein Trainer hat sich natürlich nicht dazu bekannt, die Pillen gegeben zu haben, das muss gesagt werden.
Medizinische Definition
Unter Doping versteht man jede Substanz, Medikamente oder andere, die in der Lage ist Kräfte anormal zu steigern. Die Alkaloide (basische Verbindungen) oder Alkohol sind am gängigsten. Sie werden … unter den Bezeichnungen Stärkungsmittel, Stimulanzien oder Anregungsmittel versteckt – und vielleicht sind sie es ja auch.
Doping kann in vier Kategorien eingeteilt werden:
1) die Muskelstärkungsmittel: Kola, Koka, Sulfate und Strychnin;
2) die Herzstärkungsmittel: Koffein, Kampferöl:
3) die Nervenstärkungsmittel: Alkohol, Ether;
4) die Blutstärkungsmittel: diese – einfache Sauerstoff-Inhalationen – wurden mit Erfolg von den Japanern anlässlich der Olympischen Spiele und auch bei den letzten Pariser Sechstagerennen angewandt. Diese Methode soll die roten Butkörperchen zusätzlich mit Sauerstoff versorgen, damit sollen die Schadstoffe schneller ausgeschieden werden, mit einem Wort, das Blut soll reicher, reiner werden, es soll in die Lage versetzt werden, mehr Kalorien zu liefern.
Diese letzgenannte Methode ist eine der wenigen, die empfohlen werden kann. Andererseits sind Alkohol und Ether auch nicht sehr gefährlich, vor allem letztgenanntes Mittel, das sich über die Lungen in die Lenden verteilt. Strychnin dagegen ist etwas Schreckliches. Unglücklicherweise greifen die Champions wenn es um den Sieg geht, danach. …
Sicherlich muss man es nicht nehmen. Aber man muss das Leben dieser Männer gelebt haben um zu verstehen was am Abend vor einem wichtigen Wettkampf in ihen vorgeht. man schläft nicht, isst nicht. Furcht und Hoffnung wühlen sie auf. Man wird jähzornig, böse, gewalttätig. Das ist die Angst. Und deshalb akzeptieren viele der Champions das unehrenhafte Angebot: „Nehme eine Pille, Kleiner, und alles wird gut.“
Und das ist wahr, wahr zumindest für eine kurze Zeit.
Ein Champion, bekannter als Armand Blanchonnet, erzählte vor Kurzen:
„Am Ende eines großen Rennens – z. B. Paris-Roubaix – kann es sein, dass wir mit fünfundzwanzig oder dreißig Fahrern Ellenbogen an Ellenbogen den letzten Kilometer zurücklegen. Mit 60 Kilometern pro Stunde, wie ein Hering im Fass … denkt jeder nur an seinen eigenen Sieg. Die Straße wird nicht breiter, aber man muss vorbei. Dass ist der Kampf auf der Straße mit all seinem Schrecken, mit entfesselten menschlichen Leidenschaften, mit all seine Niedertracht. Meist kommt man vorbei, doch glauben sie mir, in diesen Momenten, in denen man sich nach vorne wagt, muss man verrückt oder betrunken sein.“
„Verrückt oder betrunken. Das Doping hat beides vereint.“
Die Gefahr! Wir kennen sie!
„Ja, wir wissen alle, dass Strychnin die Basis der Mehrzahl aller Mixturen, die wir zu uns nehmen, ist, aber wir wissen nicht, was sonst noch drin ist. Jeder Manager hat seine eigene Formel, die mehr oder weniger für gut befunden wird, und über die er eifersuchtig wacht.“
„Lange Zeit kämpft man gegen die Versuchung an. Doch in einer Stunde der großen Schwäche, wenn die Beine sich in einer Weise verweigern, die man nicht mehr versteht, dann akzeptiert man – oder verlangt – irgendein Stimulanz. So beginnt die Spirale. …
„Dennoch sind die Unfälle selten. Das liegt daran, dass die Manager ihr Handwerk verstehen, die Mehrzahl wenigstens. Um sich ihnen anzuvertrauen, müssen sie eine ‚Vergangenheit‘ haben. Die ‚Vergangeheit‘ ist die Anzahl der Champions, die von ihnen in den vergangenen Jahren zum Formhöhepunkt gebracht worden sind.“
Das Schlimmste ist, dass sich das Doping, so scheint es, bis zu den jungen Fahrern, Anfängern oder fast, ausgebreitet hat. Sie können nicht mehr zu einem Rennen antreten, unabhängig davon wie wichtig es ist, ohne vorher einem ‚Seigneur de la drogue‘ einen Besuch abgestattet zu haben. … Das ist der Beginn der Vergiftung (Sucht). Sie kommen da nicht mehr raus. …
Zum Glück gibt es Trainer, die auf diesem Ohr taub sind. Während der Olympischen Spiele in Anvers 1920, zögerte Joseph Guillemot, der gehört hatte, die amerikanischen Champions seien gedopt, nicht. Er wandte sich an Magnanou, einen der Leiter der französischen Mannschaft und bat ihn um einen kleinen Gefallen. … Einige Stunden später war die allgemeine Verwunderung groß, als der Franzose den berühmten Nurmi schlug und Olympiasieger wurde. … Mehrere Monate lang versuchte Guillemot herauszufinden, womit ihn Magnanou gedopt hatte. …. Einige Jahre später, gestand Magnanou eines Tages lachend: Das geheimnisvolle Doping war nichts anderes als ein kleines Fläschchen voller Zuckerwasser. Unnötig zu sagen dass Guillemot das nicht glauben wollte. …
Ebenfalls während der Olympischen Spiele in Anvers: Der Schwimmmeisterin Suzanne Wurtz gelang eine unerwartete Leistung als sie sich für das Halbfinale qualifizieren konnte. Damit wurde ihr Ehrgeiz geweckt … sie wollte nur noch eines: den Französischen Rekord über 200 Meter, der bei 1Min 33S stand, zu schlagen. … Sie fand einen amerikanischen Trainer, W… C…, großer Doping-. Zwei Stunden später hatte sie den Rekord um 5 Sekunden verbessert mit 1Min 28S 2TS.
Aber was folgte für eine Nacht. Sie … wurde ohnmächtig, ihr Körper war trocken wie ein Stück Holz. Man geriet in Panik. W… C…, den man eilig holte, kam und untersuchte die Kranke …
„Schluss mit dem Sport für 6 mindestens Monate. Und niemals mehr Doping. Das Herz ist gesund , trotzdem widerstand es nicht.“
Wurde Suzanne Wurzt mit Arsen ‚geladen‘?
Leider breitet sich das Doping immer mehr aus. Die früheren amerikanichen Heroen Mac Farland und Jack Nevil, die es in Frankreich vor langer Zeit in Form einer harmlosen Stimulanz eingeführt haben, wären sehr erstaunt, wenn sie erfahren würden, dass man heute Strychnin und Arsen in hohen Dosen anwendet.