>>> Evaluierung Freiburger Sportmedizin
Internationales Symposium „Sportmedizin und Doping in Europa“ 12.-14.9.2011
Vom 12. – 14. September 2011 fand an der Universität Freiburg ein Internationales Symposium „Sportmedizin und Doping“ statt. Die Idee zu dieser Veranstaltung geht auf die Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin zurück, insbesondere auf die Vorsitzende Prof. Lutezia Paoli.
Die Evaluierungskommission wurde zusammen mit der Expertenkommission als Reaktion auf den Team Telekom-Dopingskandal, der 2006 aufbrach, ins Leben gerufen. Während die Expertenkommission die Aufgabe hatte, die Vorfälle rund um das Radteam aufzuklären, erhielt die Evaluierungskommison dien Auftrag die Sportmedizin an der Freiburger Universität über die Jahrzehnte hin unter die Lupe zu nehmen.
>>> doping-archiv.de: Doping im Team Telekom
>>> doping-archiv.de: Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin
>>> Programm Symposium und Beiträge des Internationalen Symposiums (unten auf der Seite)
Veranstalter: „Das Ziel der wissenschaftlichen Tagung ist die Information der interessierten Öffentlichkeit über die Themen Sportmedizin, Doping und die Geschichte der Sportmedizin Freiburg.
Die bisherige und aktuelle Arbeit der Kommission ist ausdrücklich nicht Gegenstand dieser Tagung. Die Untersuchungsergebnisse und Gutachten der Kommission werden ausschließlich durch den abschließenden Bericht im Laufe des Jahres 2012 veröffentlicht werden. Die beim Symposium referierenden Kommissionsmitglieder äußern sich nicht im Namen der Kommission. Auch alle Diskussionsbeiträge von Kommissionsmitgliedern sind Ausdruck ihrer persönlichen Meinung.“
Letizia Paoli (dradio, 10.9.2011):
„Ursprünglich war Ende 2009, als ich den Vorsitz der Kommission übernommen habe, die andere Reihenfolge. Zuerst der Endbericht und dann die Tagung. Aber Ende 2009 war nicht abzusehen, dass unsere Arbeit zwei Jahre andauert. … Und es gibt noch einen zweiten wichtigen Grund. Die Kommission und das Symposium sind zwei ganz verschiedenen Dinge. Die Kommission begutachtet wesentlich die wissenschaftliche Leistung inklusive Sportlerbetreuung der Freiburger Abteilung Sportmedizin. Und daher auch der Name Evaluierungskommission. Das Symposium beschäftigt sich mit Doping und Sportmedizin in Europa. Und das sind zwei verschiedenen Dinge. Und nur zwei von zwanzig Vorträgen beschäftigen sich auschließlich mit Freiburg.“
„Entsprechend gab es während des Symposiums selbstverständlich keine Aussagen über die bisherige Kommissionsarbeit und somit auch nicht über die bisherigen Zeitzeugengespräche.“
Das Symposium stieß auf ein großes Medienecho, das Thema war hochaktuell.
>>> Pressespiegel Symposium.pdf
>>> Zitate aus Presseartikeln, -sendungen.pdf
Zitate aus Presseartikeln, -sendungen
Artikel nach em Sympoisum
Berliner Zeitung vom 08.10.2011; Stephan Klemm
„Panoptikum es Grauens“
Claudia Lepping, 43, lief deutschen Junioren-Rekord über 200 Meter und wurde unter anderem deutsche Vize-Meisterin über 200 Meter (1986). Heute arbeitet sie als politische Journalistin in Berlin. Sie trainierte einst bei Heinz-Jochen Spilker (63), der in Hamm/Westfalen das erfolgreichste westdeutsche Sprintzentrum etablieren wollte. Das Amtsgericht Hamm verurteilte Spilker am 21. Februar 1994 wegen „Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln entgegen § 21 AMG ohne Zulassung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen a 200 DM“. Der Jurist Spilker arbeitet heute als Anwalt in Erfurt und ist stellvertretender Chef des Landessportbundes Thüringen.
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Ihre eigenen Erlebnisse wollen Sie nicht länger für sich behalten . . .
. . . der Anlass war ein Satz im Geständnis des Radprofis Erik Zabel: „Ich habe gedopt, weil es ging.“ Meine Botschaft ist: Es geht auch, Nein zu sagen.
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Der Hammer Sprint-Trainer Heinz-Jochen Spilker hat mich vor den 200-Meter-Läufen bei der EM 1986 in Stuttgart mit einem Satz gelockt: „Komm zu uns, dann zeigen wir dir mal, warum die DDR-Mädels so schnell sind.“ Ich habe das Angebot angenommen, denn ich dachte, er spricht von besonderen Trainingsmethoden. …
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Viele Mädels, die Spilker in Hamm schnell gemacht hat, konnten deshalb mit der DDR-Combo mithalten, weil sie ebenso anabole Steroide schluckten wie die Kolleginnen im Osten. Es geht hier um zwei Mittel: Anavar und Stromba, das auch als Stanozolol bekannt ist. Das wiederum ist exakt das anabole Steroid, auf das Johnson 1988 in Seoul positiv getestet wurde. Spilker hatte viele Kontakte, unter anderem zu dem Zirkel um Ben Johnson und auch um den der DDR-Läuferin Marita Koch, die noch heute den Weltrekord über 400 Meter hält. Das war so eine Art West-Ost-Drehscheibe.
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Haben Ihre Kolleginnen Klümper regelmäßig in Freiburg aufgesucht?
Ja, klar. Das nannte sich dann Kreuzweg nach Freiburg, weil sie über drei Autobahnkreuze von Hamm nach Freiburg fahren mussten. Von diesem Kreuzweg kamen sie dann mit Medikamenten oder mit Blankorezepten ausgestattet zurück. Die haben sie in einer Apotheke eingelöst.
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Die Mädels haben mir erzählt, dass das Kontrollsystem gnädig war. Sie wurden von Spilker darüber informiert, wann die Kontrolleure kamen. Von der Ankündigung bis zum Erscheinen konnte man locker mal eine Woche überbrücken, so dass dann die abgesetzten Mittel nicht mehr nachweisbar waren.
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Kölner-Stadt-Anzeiger vom 08.10.2011; Stephan Klemm
„Was pfeift die sich denn da rein?“
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Was haben Sie selbst gesehen?
Ich war mit der Sprinterin Silke Knoll in einem Trainingslager in einem Zimmer. Sie nutzte einen zweiten Kulturbeutel, voll mit Medikamenten, und ich dachte: „Was pfeift die sich denn da rein?“ Ich habe mir die Namen der Medikamente notiert und die Liste einer Ärztin gezeigt. Sie sagte: „Da sind Doping-Mittel drunter.“ Mit furchtbaren Nebenwirkungen.
Haben Sie Veränderungen bei den Athletinnen festgestellt?
Bei drei Sprinterinnen war eine Vermännlichung unübersehbar. Ich habe die Mädels gefragt: Kennt ihr die Nebenwirkungen? Keine Antwort. Sie schotteten sich ab. Ich hatte an den Konsens geglaubt, dass Doping des Teufels ist. Der Leichtathletik- Verband reagierte übrigens nicht auf meinen Hinweis. Aber ich sah noch etwas: Blankorezepte.
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Der Heidelberger Professor Werner Franke stellte später Strafanzeige gegen Spilker, es kam zum Prozess, Spilker wurde 1994 vom Hammer Amtsgericht wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verurteilt. Er musste 12 000 Mark zahlen. Okay. Ich rege mich aber enorm darüber auf, dass jemand mit dieser Vergangenheit im deutschen Sport noch so eine Nummer ist.
Welche Funktion hat er denn noch?
Er ist stellvertretender Vorsitzender des Landessportbundes Thüringen. Warum kann so jemand noch aktiv Einfluss nehmen auf den Sport? Der Landessportbund sollte sich erklären, warum er mit jemandem zusammen arbeitet, der diesen Doping-Hintergrund hat. Ich möchte von der thüringischen Landesregierung wissen, warum sie den Eindruck in Kauf nimmt, der dadurch entsteht. Dass Politik und Sport so nachsichtig mit jemanden! umgehen, der vermännlichendes Doping an jungen Frauen vorgenommen hat.
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Sie wollen nun Ihre Erlebnisse an junge Sportler weitergeben. Was genau planen Sie?
Ich versuche junge Leute zwischen 15 bis 17 Jahren darauf vorzubereiten, dass da mal jemandkommen könnte und sagt: „Willst du besser werden? Ich kenne einen Arzt, der zieht das durch. Das machen doch alle.“ Ich will dabei helfen, nein zu sagen.
Wie soll das funktionieren ?
Doping-Trainer nutzenja die Unerfahrenheit junger Sportler aus. Mein Ziel ist eine Graswurzel-Kampagne von unten nach oben, in der Athleten sich zum Widerstand verbinden und Alarm schlagen können, wenn der Druck beginnt. …
FAZ, 16.9.2011; Anno Hecker und Ralf Meutgens:
Wie positiv sind negative Tests?
Wenn Analytiker nicht wissen, wonach sie suchen sollen in den Proben der Spitzensportler, dann entstehen negative Ergebnisse. Vom Hase- und Igel-Spiel der Dopingfahnder auf der Suche nach Designer-Drogen.
„Alles positiv? Patrick McQuaid, Präsident des Internationalen Radsport-Verbandes (UCI), proklamierte dieser Tage die hervorragende Wirkung seines Anti-Doping-Kampfes. „Diese exzellenten Nachrichten bestätigen die Qualität der verschiedenen Maßnahmen. Sie sind ein Hinweis, dass sich die Mentalität und das Verhalten im Peloton geändert haben“, behauptete der Ire beim Symposium der Universität Freiburg zum Thema „Sportmedizin und Doping in Europa“. McQuaid, einst Profi, radelt selbstgewiss in seine schöne negative Welt. Professor Mario Thevis verfolgt das gleiche Ziel, bremst aber: „Negative Tests bedeuten nicht grundsätzlich, dass nicht gedopt worden ist. Das ist unstrittig.“ Thevis ist Professor für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln und aus Erfahrung skeptisch. Unter seiner Obhut wurde nun die erste „Europäische Beobachtungsstelle“ eingerichtet. Damit die Analytiker erkennen, was man selbst in Laboren auf den ersten Blick mitunter nicht entlarvt: das unsichtbare Doping. … “
Kommentare / Fazits
Neue Züricher Zeitung vom 22.09.2011; Andreas Frey:
Licht im Breisgauer Schattenreich
„… Es ist nicht lange her, da wäre ein in Freiburg abgehaltenes Symposium über Sportmedizin und Doping, bei dem auch das Wirken der beiden Sportärzte Joseph Keul (im Jahr 2000 verstorben) und Armin Klümper thematisiert wird, glatt als Majestätsbeleidigung verstanden worden. Beide galten als sakrosankt, wurden hofiert und genossen in Deutschland hohen politischen wie gesellschaftlichen Schutz. Keul vernetzte sich geschickt mit Politikern und stieg zum führenden Verbandsarzt auf, während Klümper prominente Patienten in seiner eigenen Klinik kurierte, die ihm Stadt, Land und Bund bauten. Ihm strömten bis zu 90 Prozent der westdeutschen Spitzensportler zu und darüber hinaus ranghohe Politiker, Kirchenleute, Sportfunktionäre und Industrielle. Dopingvorwürfe prallten jahrzehntelang an beiden Medizinern ab.
…
Die Freiburger Sportmedizin, so weiss man jetzt, wird seit 1954 mit systematischem Doping in Verbindung gebracht. Schon damals wurde heimlich darüber geforscht, wie die Leistung westdeutscher Sportler am effektivsten mit Medikamenten gesteigert werden konnte. Auf dem Höhepunkt des Ost-West-Konflikts 1976 forderten Politiker die Freiburger Sportmedizin regelrecht dazu auf, Sportler zu dopen, um sportlich im Wettkampf mit der DDR nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Der Schutzschirm funktionierte; die Verantwortlichen wiegelten ab, klagten, machten Kritiker mundtot.
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Paolis Aufklärungseifer überwand zahlreiche Hürden und Widerstände. Ihr Spezialgebiet ist die organisierte Kriminalität und die Bekämpfung der Mafia. Aus Datenschutzgründen verwehrte die Universität der grossen Kommission Einsicht in Personalakten und Vernehmungsprotokolle der kleinen Kommission. «Wir haben doppelte Arbeit, aber es geht nicht anders», sagte Paoli.
…
Auch das Symposium selber fand in Freiburger Kreisen wenig Gegenliebe. Öffentlich sprach das einzig Albert Gollhofer aus, der Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft. Er kritisierte in der «Badischen Zeitung» Pauschalvorwürfe und den verfrühten Zeitpunkt, hinterfragte die Neutralität der Referenten, nahm aber selber nicht am Kongress teil. Damit fiel er dem Rektor der Universität, Hans-Jochen Schiewer, in den Rücken, der bei der Eröffnung des Symposiums «die wissenschaftliche Aufarbeitung des Zusammenhangs von Sportmedizin und Doping als das erklärte Ziel der Universität» bezeichnet hatte.
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Richtig brisant für den Standort waren die Vorträge der Antidoping-Forscher Werner Franke, Gerhard Treutlein und Andreas Singler. Jener kritischen Geister also, von denen Franke und Treutlein heute noch zu Erzfeinden des Freiburger Standorts stilisiert werden. Sie wurden jahrzehntelang als Spinner bezeichnet, behielten letztlich aber recht.
…
Zwei Lager sassen sich im Auditorium am Abschlusstag erstmals gegenüber. Zum Showdown zwischen Befürwortern und Gegnern der Freiburger Sportmedizin kam es aber nur kurz. Hans-Ulrich Wiedmann, der Vorsitzende des Olympiastützpunkts, empörte sich lautstark über den von Treutlein vorgetragenen Vorwurf, er habe 1991 Dopingrezepte an Klümper bezahlt – zu Recht, wie sich herausstellte. Doch der Fehler Treutleins brachte einen weiteren Verdacht ans Tageslicht: Schickte Klümper Rechnungen von Dopingrezepten einfach an sich selber, an einen von ihm mitgegründeten, bisher unbekannten Verein?
Die Frage liess sich nicht klären, wie so vieles über das Schattenreich im Breisgau. …“
Deutschlandfunk, Sportgespräch 18.9.2011; audio 26.43Min:
Hippokrates hilf!
mit Prof. Perikles Simon, Leiter des Sportmedizinischen Instituts der Universität Mainz und Mitglied der Gendoping-Expertengruppe des Welt-Anti-Dopingagentur WADA,
Dr. Wolfgang Stockhausen, Kardiologe und Chefarzt an der Birkle-Klinik in Überlingen, ehemaliger Sportmediziner an der Universitätsklinik Freiburg und früherer Verbandsarzt im Bund Deutscher Radfahrer,
Dr. Hellmut Mahler, Sachverständiger für Betäubungsmittel und Toxikologe beim Landeskriminalamt Düsseldorf sowie Stellvertretender Leiter der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin.
„… [Simon:] Immerhin kam ein bemerkenswertes Statement der neuen Ministerin, die Doping mit einer Infektion verglich und das damit in einen Bereich rückt, dass man erkennt, es gibt Verbreitungsmechanismen für Doping, die es eben auch zu bekämpfen gilt. Nicht nur das Doping an sich… . [Eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft] halte ich für sehr sinnvoll. Allein wenn man schaut was im Bereich des Breitensports durch die bayrische Staatsanwaltschaft zutage gebracht wurde, also in welchem Umfang tatsächlich Substanzen beschlagnahmt werden konnten dieses Jahr und dann vernichtet wurden, 30 Tonnen Dopingsubstanzen. Da wird einem klar, dass das ein Thema ist, das über den Spitzensport hinaus Bedeutung hat und für die Bevölkerung eine wesentliche Rolle spielt. Un das sollte man unterstützen durch eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft.
…
[Mahler:] Wenn wir den Kampf gegen Doping in irgendeiner Form effizienter gestalten wollen, dann dürfen wir uns nicht allein auf die Analysen von Blut- und Urinproben verlassen, auch nicht, wenn wir alle Methoden ausschöpfen, die möglich sind. Sondern wir müssen ein Maßnahmenbündel schnüren, welches dem der Drogenbekämpfung sehr ähnelt und in diesem Maßnahmenpaket … ist natürlich auch eine spezialisierte Staatsanwaltschaft drin und das fordert auch Anstrengung von uns. Es fordert Information und Aufklärung und Schulung und Präventionsarbeit und Theorie. Alles was wir von der Drogenbekämpfung kennen, werden wir nötig haben auch bei der Dopingbekämpfung.
…
[Fischer-Solms:] Die Rolle der Sportmediziner, ist sie neu zu definieren?
[Stockhausen:] Eigentlich nicht. Die Rolle der Ärzte ist eigentlich definiert. Man muss sicherlich die Umwege, die gegangen worden sind, … da hat sich eine eigene Ethik entwickelt, dem Sport zu dienen und damit in das Rampenlicht hinein, das muss zurück definiert werden. Die eigentlichen Werte existieren … die Sportmediziner müssen eigentlich Anwälte dieser Idee sein und nicht Promotoren der jetzigen Entwicklung.
[Simon:| Ich sehe das ganz ähnlich. Ich sehe mich allerdings auch als relativ junger Sportmediziner im Stich gelassen von meinen erfahrernen Kollegen. Ich bräuchte tatsächlich Richtlinien und klare Vorgaben, wie ich mich im Spitzensport zu verhalten habe. … mit ein Problem ist, dass mir nicht klar ist, wie ich mich im Fall einer Verletzung, die ich gerade miterlebe, bspw. auf dem Fußballfeld, verhalten müsste … ich sollte der Gesundheit des Sportlers verpflichtet sein und stehe in einem massiven Interessenskonflikt … In der Betriebsmedizin gibt es da eine klare Ansage. Der Betriebsmediziner … darf zwar Diagnostik betreiben aber er darf nicht behandeln und das finde ich ist eigentlich eine gangbare Lösung. ….
…
[weitere Stichworte: Sanktionen und Strafen für Verbände und Staaten; Dopingdunkelfelder; Rolle / Verhalten der Politik/er; Rolle der Sportorganisatoren: zukünftige Entwicklungen / Rolle des Leistungssport; Antidopinggesetz ]
Deutschlandfunk, 17.9.2011 (audio):
Gespräch mit Herbert Fischer-Solms über das Freiburger Doping-Symposium
„Es ist noch nicht offiziell, aber es gibt doch konkrete Informationen, die besagen, dass sich doch Entscheidendes tun wird. Es könnte also sein, dass die Freiburger Sportmedizin an dieser Universität nicht mehr die [starke] Rolle spielt, die sie bisher gespielt hat … Die Sportmedizin, die vom Leistungssport her kommt, hat in der Vergangenheit ein Eigenleben in Freiburg geführt und ich glaube die Leitung der Freiburger Universität hat erkannt, dass dieser Bereich nicht wirklich beherrschbar ist, dass da viele Risiken drin sind.
…
Der Leistungssport ist verseucht, das kann man wirklich als Fazit dieser Tagung sagen. … Man hätte gerne ein optimistisches Signal bekommen, aber es ist in der Tat so, die Bedeutung des Spitzensports in der Gesellschaft, die sehr stark nach Unterhaltung giert, nimmt zu, das Geld im Leistungssport nimmt zu und die Versuchung nimmt damit zu und es scheint sehr schwierig zu sein, dieser Versuchung zu widerstehen.
Der beeindruckendste Vortrag dieser ganzen Veranstaltung war für mich der von Claudia Lepping, einer Leichtathletin, früheren Jniorenmeisterin der Bundesrepublik, die eben sehr eindrucksvoll beschrieben hat, wie sie in dieses Dopingnetz seinerseits damals im Verein in Hamm unter dem Trainer gezogen worden ist. Und wie sie versucht hat und auch erfolgreich versucht hat, dem zu widerstehen. Sie beschreibt eine Szene, wie sie bei Professor Klümper in Freiburg auf dem Behandlungstisch liegt. Und da fragt sie ihn, werde ich jetzt gedopt und er gibt dazu keine klare Antwort. … Sie fragt, haben sie auch Birgit Dressel gedopt … da fährt er auf diesem Stuhl … ganz nah an ihr Gesicht heran und sagt, wenn sie auf mich gehört hätte, würde sie noch leben. Die Frage, ob er sie gedopt hatte, beantwortet er nicht.
…
endoping ist auch in Freiburg thematisiert worden. Wie müssen davon ausgehen, dass Gendoping praktiziert wird, aber keiner kann genau sagen wie verbreitet es ist, denn es hat sich natürlich herum gesprochen, dass die Risiken immens groß sind. …“
Süddeutsche Zeitung, 16.9.2011; Kommentar Thomas Kistner:
Ringen mit der Vergangenheit
„Als Germanist war der Rektor Hans-Jochen Schiewer nicht vom Fach – umso mehr schockten ihn die an seiner Universität nun ausgebreiteten Fakten zur kriminellen Energie, die den globalen Spitzensport seit Jahrzehnten antreibt. Er fand, eine Doping-Tagung, wie sie diese Woche in Freiburg stattfand, könne nie zur Unzeit kommen. Damit blieb der Rektor auf Kollisionskurs mit der Elite örtlicher Sportsachwalter: Die hätten die Konferenz, welche von der im eigenen Hause tätigen Doping-Untersuchungskommission initiiert worden war, lieber verhindert. Am Ende dreier aufschlussreicher Tage zeigte sich somit, dass Schweigen und Absenz auch erhellend sein können – zum Beispiel, wenn es um eine heikle Vergangenheit geht.
An der Freiburger Uni-Sportmedizin, jahrzehntelang das Mekka leistungswilliger Spitzensportler, ist seit Enthüllung der Dopingsystematik um das frühere Radteam Telekom nichts mehr, wie es war. Nun, mit der Tagung, hat die lange ausgebremste Prüfkommission ihre Rolle gestärkt.
…
So wirkte der Widerstand profilierter Sportvertreter der Region gegen die Tagung recht bizarr. Zwar hat Paoli stets differenziert, nur wenige Ärzte seien belastet, doch heilte das nicht die Empfindlichkeit. Uni-Sportwissenschaftler Albert Gollhofer führte in der Lokalzeitung den Gegenschlag: Er spekulierte über die Neutralität der Referenten, beklagte Pauschalvorwürfe und ‚dass dieses Meeting noch vor einem offiziellen Abschlussbericht der Evaluierungskommission hier in Freiburg tagt‘.
In den weniger sport-affinen Uni-Kreisen wurde das entgeistert registriert. Aufschlussreich auch, dass es am Schlusstag zum Aufmarsch regionaler Sportprominenz kam – da ging es konkret um zwei gefallene Helden der einst glanzvollen Breisgau-Ära: um den (2000 verstorbenen) Institutschef Joseph Keul und dessen Erzrivalen Armin Klümper. Beide Namen, eng mit der Dopingproblematik verknüpft, waren Lichtgestalten des deutschen Spitzensports; dass auch dies eine nationale Eigenheit ist, stellte der US-Professor John Hoberman heraus: ‚Ich kenne kein anderes Land, in dem Sportärzte zu Berühmtheiten werden konnten!‘ …“
Badische Zeitung, 15.9.2011; Kommentar Georg Gulde:
Doping-Tagung in Freiburg: Aufwind für die Aufklärer
„Der Kongress wirkt jenen Kräften entgegen, die bewusst auf Zeit spielen
Der Wind hat sich gedreht. Und zwar ziemlich. … Rektor Hans-Jochen Schiewer sagt, „die wissenschaftliche Aufarbeitung des Zusammenhangs von Sportmedizin und Doping ist das erklärte Ziel der Universität“. Man darf es ihm abnehmen, auch wenn es seit 2007 viele zähe Phasen gab und der unbedingte Aufklärungswille der Uni Freiburg nicht immer deutlich sichtbar war.
Unstrittig ist: Es war eine äußerst bemerkenswerte Leistung und es mussten zahlreiche Widerstände überwunden werden, um die internationale Doping-Fachtagung, die nach drei Tagen am Mittwoch zu Ende ging und in der erklärte Doping-Gegner das Wort führten, in Freiburg abzuhalten. In der Höhle des Löwen. Dort, wo kritische Geister wie der Heidelberger Zellbiologe Professor Werner Franke oft als Träumer oder Spinner verunglimpft wurden. Dort, wo der westdeutsche Spitzensport zum Spritzensport verkommen ist, von Joseph Keul und dem bei den Athleten sehr beliebten Armin Klümper geschickt verpackt und von der Politik in Stuttgart, Bonn und später Berlin gestützt. Dort, wo viel über den Anti-Doping-Kampf geredet, aber von Medizinern auch viel Doping praktiziert wurde. Dort, wo die Folgen der unerlaubten Starkmacher regelmäßig verharmlost oder gar geleugnet wurden. …“
Artikel überwiegend zum 3. Tag des Symposiums
Badische Zeitung, 14.9.2011; Andreas Strepenick; Text und Videos:
Brisante Tagung über dopende Sportärzte in Freiburg
„Die Freiburger Universität stellt sich auf einer Tagung mutig der Geschichte des Dopings an ihrer Klinik. Erstmals durfte auch Doping-Bekämpfer Werner Franke hier sprechen. Auf der Tagung kommt es zum Streit, aber nur ganz kurz.
Hans-Ulrich Wiedmann ist außer sich vor Zorn. „Ich finde es ungeheuerlich, wenn man dem Olympiastützpunkt unterstellt, er habe mit Manipulation zu tun.“ Wiedmann erregt sich, wie man es 23 Jahre lang nicht gesehen hat bei dem Freiburger Spitzenvertreter des Sports. So lange führt Wiedmann nun schon den Olympiastützpunkt Freiburg/Schwarzwald, und jetzt, am dritten und letzten Tag der Universitätstagung über Sportmedizin und Doping in Europa, fühlt er sich vor Wissenschaftlern und Doping-Experten aus aller Welt an den Pranger gestellt.
Wiedmann findet es unglaublich, was Gerhard Treutlein, der Heidelberger Professor an der Seite des einst führenden deutschen Doping-Bekämpfers Werner Franke, ihm soeben vor 200 Zuhörerinnen und Zuhörern in der Aula der Universität vorgeworfen hat. Die Atmosphäre im Saal ist zum Bersten gespannt. Zwei Lager sitzen sich gegenüber.
…
Und dann sitzen da in der Aula, am letzten Tag des Symposiums, plötzlich nahezu alle Spitzenvertreter des Freiburger Sports. Wiedmann ist gekommen, der Leiter des Olympiastützpunkts. Dieter Heinold kam, Verbandsarzt der deutschen Volleyballer und ebenso wie Helmut Schreiber, der Verbandsarzt der deutschen Leichtathleten, Schüler und Nachfolger Klümpers in der Mooswald-Traumatologie. Links vom Gang hat Hans-Hermann Dickhuth Platz genommen, Joseph Keuls direkter Nachfolger als Chef der Sportmedizin an der Universität und bis vor wenigen Jahren auch Deutschlands oberster Sportmediziner. Fast ein Dutzend weiterer Ärzte aus Freiburg verteilt sich im Saal. Sie alle haben wiederholt erklärt, dass sie nichts mit Doping zu tun hätten, damals nicht und heute nicht.
…
Wiedmann erregt sich über eine Schlussfolgerung Professor Treutleins. Der Heidelberger hatte drei Rechnungen aus dem Jahr 1991 auf der Leinwand der Aula abgebildet, Rechnungen über Genotropin. Ein Wachstumshormon, von dem Werner Franke sagt, es handle sich dabei um knallhartes Doping.
Das Brisante an den drei Rechnungen sieht Treutlein in der Tatsache, dass sie an den Olympiastützpunkt Freiburg/Schwarzwald gerichtet seien. Hat der Stützpunkt also Klümpers Dopingmittel bezahlt? „Und wer kontrolliert den Olympiastützpunkt?“ Diese Frage wirft Treutlein in den Raum.
Wiedmann ergreift als Erster das Mikrofon. Es sei „ungeheuerlich, wie hier Wissenschaftler mit Fakten umgehen“. Der Leiter des Olympiastützpunkts erklärt, er kenne die auf Klümpers Rechnungen angegebene Kontonummer gar nicht. „Ich habe sie nicht erhalten und nicht bezahlt.“ Es handle sich auch nicht um Rechnungen an seinen Stützpunkt, sondern an das Bundesleistungszentrum Herzogenhorn e.V., also an den Skiverband Schwarzwald. Wiedmann erläutert, dass diese Adressaten 1991 genau wie sein Olympiastützpunkt in der Breisacher Straße 4 untergebracht gewesen seien. „Wenn ich selbst so eine Rechnung bekommen hätte, dann hätte ich reagiert.“ Und dann schleudert er Treutlein entgegen: „Sie sind doch Wissenschaftler und müssen bei den Fakten bleiben.“ … Perikles Simon geht ans Mikrofon, der Leiter der Sportmedizin Mainz. „Ich wundere mich über die emotionale Reaktion“, sagt Simon kühl. Man möge die Debatte über die Rechnungen doch einmal zum Anlass nehmen zu schauen, welche Dokumente sonst noch so vorhanden seien in Freiburg. „Es erscheint mir doch sehr unwahrscheinlich, dass diese die einzigen sein sollen.“ Natürlich sei es Wiedmanns gutes Recht, die Dinge richtigzustellen, fügt Simon an. „Aber immer nur zu sagen, damit habe ich gar nichts zu tun: Das finde ich nicht korrekt.“ Auch Helmut Papst, der frühere Leiter eines Unternehmens, das sich auf Dopingkontrollen spezialisiert hat, springt Treutlein bei. „Es gibt auch andere Institutionen des Sports, die Klümpers Rechnungen brav bezahlt haben“, sagt Papst.
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Wiedmann bleibt der einzige Freiburger Redner am Ende zweier fast einstündiger Vorträge über Keuls und Klümpers beängstigende Nähe zu Doping. Alle anderen Vertreter des Freiburger Sports schweigen zu dem Gesagten. … Der Standort schweigt weiter, und es ist kein gutes Schweigen.
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Doch der interessanteste Teil beginnt nun erst. Wiedmann kann in kleiner Runde nicht erklären, warum Klümper eigentlich Genotropin-Rechnungen an den Verein Bundesleistungszentrum Herzogenhorn e.V. geschickt hat. Aber er nennt nun die Namen der Träger des Vereins. Nach seiner Erinnerung habe es sich dabei um Fredy Stober gehandelt, den im vergangenen Jahr gestorbenen Erbauer des Herzogenhorns, und um Joseph Keul und Armin Klümper, mithin um die führenden Freiburger Ärzte selbst. Kann es sein, dass Klümper Rechnungen für Dopingmittel an sich selbst geschickt hat? Und wer hat sie dann am Ende bezahlt? Es geht immerhin um vierstellige Beträge. Auch Wiedmann findet auf diese Fragen am Mittwoch in der Aula der Universität keine Antwort. Dabei ginge es genau darum. Es ginge um eine Auseinandersetzung, in der sich Aufklärer und Vertreter Freiburgs an einen Tisch setzen und die Vorwürfe ansprechen.
…
Und was geschah wirklich zwischen 1954, dem Jahr der ersten geheimen Forschungen über Doping an der Universitätsklinik, und 2007, als der Spiegel den Dopingskandal um das Team Telekom/T-Mobile enthüllte? Hans-Jochen Schiewer, der Rektor der Albert-Ludwigs-Universität, will die Aufklärung nicht mehr allein den Heidelberger Vorkämpfern Treutlein, Singler und Franke überlassen. „Ich hoffe, dass dieses Symposium Modellcharakter bekommen wird“, sagt Schiewer am Ende der Tagung. „Es war von kardinaler Bedeutung nicht nur für die Universität Freiburg. Ich hoffe sehr, dass weitere Veranstaltungen stattfinden, die das Geschehen erörtern.“ …“
Schwarzwälder Bote, 15.09.2011; Ralf Deckert:
Klümpers Privatpraxis einst gerne besuchter Selbstbedienungsladen
„Sie waren »Gurus« der Sportmedizin, Väter von Erfolgen und Medaillen – und sie haben gedopt: Die Freiburger Sportmediziner Armin Klümper (76) und der vor 11 Jahren in Freiburg verstorbene Joseph Keul sind auch beim derzeitigen dreitägigen internationalen Kongress über »Sportmedizin und Doping in Europa« an der Uni Freiburg ein großes Thema.
…
Gegen Klümper wurde auch im Zusammenhang mit dem Todesfall der Siebenkämpferin Birgit Dressel im Jahr 1987 ermittelt. Die Sportlerin starb an »Multiorganversagen«, nachdem sie unter anderem von Klümper über Monate hinweg mit Anabolika, teilweise in höchsten Dosen, versorgt worden war. In seiner Privatpraxis konnten sich Sportler mit unterschriebenen Blankorezepten an Dopingmitteln bedienen. … um des Erfolgs Willen »alles ignorierte, was ihn behinderte«. Kritiker an seiner »kreativen Medizin« tat er als uninformierte, pseudowissenschaftliche Moralisten ab. Dabei habe es auch zahlreiche Mediziner gegeben, die Klümpers Praxis, verschiedene Medikamente wild und ungetestet miteinander zu kombinieren, kritisiert hätten. Gleichzeitig habe Klümper politische Unterstützung genossen. Schließlich, so Treutlein, sei man ja im internationalen Konkurrenzkampf gestanden.
…
Auch der einstige Chef der Sportmedizin an der Uniklinik, Joseph Keul, stand als Freund unerlaubter Leistungsförderer immer wieder in der Kritik. Über viele Jahre hinweg verteidigte er die Verabreichung von Anabolika als ungefährlich, wenn man die Dosierung beachte. … Der langjährige Olympiaarzt sei dafür bekannt gewesen, neue Dopingmittel zunächst grundsätzlich als »kein Doping« interpretiert zu haben. Keul war eine schillernde Figur von Weltruhm mit über 800 akademischen Veröffentlichungen – und er war Anti-Doping-Berater des Nationalen Olympischen Komitees. … Auch Keul habe die politische Haltung, »machen, wenn es keinem schadet«, hinter sich gewusst. Erst in den Achtzigern habe er seine Meinung teilweise revidiert und sogar den Ausschluss Klümpers als Arzt des Deutschen Leichtathletikverbands gefordert. …“
Stellungnahme Albert Gollhofer, Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität
Badische Zeitung, 14.9.2011:
Stellungnahme Albert Gollhofer
„Albert Gollhofer, der Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität, kritisiert die Tagung über Sportmedizin und Doping in Europa, die in Freiburg stattfindet. Gollhofer, der an der Tagung selbst nicht teilnimmt, hat der Badischen Zeitung dazu folgende Stellungnahme zukommen lassen. Sie bringt seine persönliche Ansicht zum Ausdruck.:
„Der momentan stattfindende Kongress adressiert zwar zu Recht extrem wichtige Themen eines breiten Spektrums des realen Sports. Es ist sicherlich ein Verdienst des Symposiums, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung über Doping die unfairen Praktiken und nicht abschätzbaren, teils gesundheitsbedrohenden Risiken für Athleten hinterfragt werden sollen. Als Vertreter des sportwissenschaftlichen Instituts bin ich aber auch irritiert, dass dieses Meeting noch vor einem offiziellen Abschlussbericht der Evaluierungskommission hier in Freiburg tagt. Selbst nach vier Jahren sind zu den konkreten Vorwürfen weder Kommissionsgutachten, noch offizielle Gerichtsurteile verfügbar. Die spezifischen Reflexionen, die mit einigen Vortragsthemen des Symposiums und mit offiziellen Themen der Evaluierungskommission auf engste Weise verknüpft sind, legen die Vermutung nahe, dass es massiv schwierig wird, Aufgaben der Kommission und Fakten der Dopingpraktiken auch der Öffentlichkeit zu vermitteln. Als Wissenschaftler sind wir gewohnt, auf der Basis von Daten und Fakten unsere Theorien zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Mit dem Symposium entsteht massiv die Gefahr, dass wichtige Grundsätze verlassen werden, die im Zusammenhang mit unabhängiger, wissenschaftlicher und evidenzbasierter Gremienarbeit verbunden sind. Die immer wieder vorgebrachten pauschalisierenden Vorwürfe einiger Referenten des Symposiums in der Presse sprechen jedenfalls gegen eine neutrale Positionierung und differenzierte Darlegung von Ross und Reiter, insbesondere in Bezug zu den Freiburger Dopinggeschehnissen.“
Artikel überwiegend zum 2. Tag des Symposiums
Neues Deutschland, 15.9.2011; Tom Mustroph:
Jeder zweite würde es tun
„»Doping ist eine Epidemie.« Mit diesem Satz ließ der Mediziner und Biologe Perikles Simon auf einer Freiburger Tagung zur Verbreitung von Doping aufhorchen. Der Mainzer Wissenschaftler erforschte durch Befragungen nicht nur die Neigung von Spitzensportlern, zu einer Wunderpille zu greifen, wenn dies nicht nachweisbar wäre. Jeder zweite wäre seinen Studien zufolge dazu bereit. Außerdem hätten 14 Prozent der von Simon befragten Sportler sogar bereits Blutdoping betrieben. Diese Zahlen stehen in krassem Widerspruch zu den Ergebnissen von Dopingkontrollen. Dort werden lediglich im Promille-Bereich (ca. 0,2 Prozent) Sportler als Doper enttarnt.
…
Sehr pessimistisch fasste Richard Pound, Gründungsdirektor der weltweiten Antidoping-Agentur WADA, die allgemeine Situation zusammen: »Sportler reden nicht, Trainer reden nicht, Betreuer reden nicht. Und Funktionäre liefern nur Lippenbekenntnisse.«
Interessante Einblicke gab es dennoch. Der britische Soziologe Ivan Waddington etwa legte dar, dass Sportärzte strukturell leichter zum Doping bewegt werden könnten als andere Mediziner, weil sie nicht unabhängig als Ärzte agierten, sondern finanziell und mental in die Erfolgsdynamik der Teams integriert seien. … Rektor Hans-Jochen Schiewer erklärte, dass sportärztliche Betreuung nicht mehr als lukrative Nebentätigkeit möglich sei. Auch von der neuen Landesregierung in Baden-Württemberg waren auf dem Kongress markante Worte zu vernehmen. Kultusministerin Theresia Bauer will einen Arbeitskreis zur Dopingprävention einrichten und kündigte eine Überprüfung der universitären Sportmedizin in Baden-Württemberg an. »Wie müssen wir die Strukturen der Sportmedizin verändern, um Doping zu verhindern?«, formulierte sie als Aufgabe. Außerdem will die Grünen-Politikerin eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping gründen. …“
SID, 15.9.2011; Jörg Mebus:
Zwischen Optimismus und Ohnmacht – Doping-Jäger plagen Zweifel
„… Irgendwann wurde Arne Ljungqvist die Stimmung zu destruktiv, also ergriff der Vize-Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA das Mikrofon. „Ich bin optimistisch, was den Kampf gegen Doping angeht“, sagte der 80-Jährige während des Internationalen Doping-Symposiums in Freiburg und legte alle Überzeugungskraft in seine Stimme: „Die Wissenschaft hat immer wieder bewiesen, dass sie Mittel findet, die zu finden ihr niemals jemand zugetraut hat. Und so wird es immer wieder kommen.“
…
„Der Kampf gegen Doping ist nicht beendet, er hat im Gegenteil gerade erst begonnen“, sagte Richard Pound. Der Gründungspräsident der WADA trug durch schonungslose Offenheit maßgeblich dazu bei, dass in Freiburg Zweifel an der Effektivität der Anti-Doping-Arbeit eher auf- als abgebaut wurden. Ein weiterer seiner Sätze lautete: „Ein Sportler, der bei Wettkämpfen erwischt wird, muss durch zwei Tests gefallen sein: den Doping-Test und den IQ-Test, denn so blöd kann er eigentlich gar nicht sein.“
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Perikles Simon, Leiter der Abteilung Sportmedizin an der Uni Mainz und einer der Hoffnungsträger der Branche, berichtete in einer Diskussion eher beiläufig, dass er von einer Gruppe deutscher Sportpolitiker eingeladen und um Rat gefragt worden war. Er sei ausgelacht worden, als er die Notwendigkeiten für einen effektiven Anti-Doping-Kampf erläuterte. Simon: „Glauben Sie, da gehe ich noch einmal hin?“ …“
Badische Zeitung, 14.9.2011; Georg Gulde:
„Doping ist eine Epidemie“
„Ein zentraler Punkt in der Doping-Diskussion ist die Frage: Wie viele Sportler dopen? Sportorganisationen verweisen dabei gerne auf das Gute im Menschen und bezeichnen die dopenden Athleten als „schwarze Schafe“. Das soll signalisieren: Doper sind eine verschwindend geringe Menge im Heer der Leistungssportler. Perikles Simon, Leiter der Abteilung Sportmedizin der Universität Mainz, ist da anderer Ansicht. „Doping ist nicht nur eine Krankheit, es ist eine Epidemie“, sagte er am Dienstag bei der internationalen Fachtagung der Universität Freiburg. Und auch andere Redner räumten gewaltig mit der Mär auf, im Spitzensport werde nur wenig gedopt und die Zahl der Athleten, die unerlaubte Substanzen einsetzen, sei gering. Vor allem aber wurde in den Vorträgen wieder einmal klar, was viele Sportfunktionäre noch immer mit großem Fleiß leugnen: dass es sich oft um systematisches Doping handelt, das nicht von den Athleten gesteuert wird, sondern von anderen Berufsgruppen: allen voran den Sportmedizinern.
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Simon weiß vor allem mit Zahlen zu beeindrucken. Bei einer Umfrage hätten tatsächlich 50 Prozent der Leistungssportler folgende Frage mit einem „Ja“ beantwortet: „Wenn Sie eine Wunderpille erhalten, die Sie unschlagbar macht – würden Sie dann in Kauf nehmen, dass Sie in den nächsten fünf Jahren sterben?“ Das macht deutlich, wie wichtig vielen Athleten Leistungssteigerung und Erfolg sind – sei es aus finanziellen oder persönlichen Gründen.
Deshalb ist der Leiter der Abteilung Sportmedizin der Uni Mainz auch skeptisch, wenn es um Erfolge bei der Dopingbekämpfung geht. „Nur 0,2 Prozent der Dopingtests enden mit einer Sperre der Athleten“, sagt er. Was so mancher Sportfunktionär als Beleg für seine Schwarze-Schafe-These ansieht, bewertet Simon anders: Doping habe sich wie eine Epidemie ausgebreitet. Schließlich würden sich Athleten, Trainer und Mediziner austauschen. Und in diesem Kreis sei ein Umdenken und ein Hinwenden zur Dopingprävention nicht häufig erkennbar.
Aber warum dopen Sportärzte Athleten? Ivan Waddington von der Universität in Leicester (England) erforscht diese Frage. Neben dem Wunsch der Sportler, ihre Leistungen zu steigern, gebe es eine ausgeprägte „Kultur des Risikos“. Das wohne dem Sport und dem Doping inne – man wolle dem Gegner schließlich ein Schnippchen schlagen und sei darauf meist stolz. Scharf kritisierte Waddington die unter anderem im englischen Profifußball verbreitete Praxis, dass die Vereinsärzte eng an die Klubs gebunden werden – vor allem emotional. Den Ärzten werde signalisiert, dass sie stolz sein müssten, wenn sie von den Klubs ausgewählt werden. Diese Vorgehensweise, die auch in der Fußball-Bundesliga und anderen Ligen zu beobachten ist, werde im US-Sport auf die Spitze getrieben. … Aber auch die Ärzte würden einem massiven Druck unterliegen, der es ihnen schwer macht, nach rein medizinischen Kriterien zu entscheiden.
Diesem Druck unterliegen auch Doping-Gegner wie der Italiener Alessandro Donati, der unter anderem als Leichtathletiktrainer tätig war. Als er 1997 Sportfunktionäre über Doping informierte, bekam er zunächst keine Antwort. Vielmehr wurde kurze Zeit später eine von Donati betreute Athletin positiv auf Koffein getestet. Damit sollte, so Donati, seine Integrität in Frage gestellt werden. …“
TAZ, 14.9.2011 und junge Welt, 14.9.2011; Tom Mustroph:
Junge Welt: Reden statt bohren
TAZ: Doping-Symposium „Nur Lippenbekenntnisse“
„… Das [Symposium] ist hochkarätig besetzt und bietet die Gelegenheit, den Stand von Antidopingmaßnahmen zu bestimmen und in die Zukunft von Dopingvermeidung und Sportmedizin zu blicken.
Es irritierte allerdings, dass die Untersuchung der Vorgänge in Freiburg selbst bislang weitgehend ausgespart blieb und die Öffentlichkeit auf den Abschlussbericht im Jahre 2012 vertröstet wird. „Wir brauchen Zeit“, bat Paoli um Verständnis. „Wir haben mit Befragung von Zeitzeugen begonnen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Das ist sehr aufwändig“, erklärt sie.
50 Zeugen, ehemalige Mitarbeiter der Freiburger Sportmedizin, frühere Patienten und internationale Experten, will sie insgesamt befragen. Das ist ein erfrischender Zugang. Er weist aber zugleich auf Hindernisse hin. „Aus Datenschutzgründen sind uns einige Dokumente, darunter Krankenakten, nicht zugänglich“, sagt Paoli.
Und auch die meisten direkten Beschuldigten ziehen es vor zu schweigen. „Sportler reden nicht, Trainer reden nicht, Betreuer reden nicht. Und Funktionäre liefern nur Lippenbekenntnisse“, fasste auf dem Kongress der Gründungsdirektor der Welt-Antidoping-Agentur Wada, Richard Pound, die Situation zusammen. … Freiburgs Rektor Hans-Jochen Schiewer zählte immerhin auf, was sich bei der Freiburger Sportmedizin seit dem, Skandal geändert hat: „Jeder Mitarbeiter hat eine Antidopingerklärung unterzeichnet. Rezeptpflichtige Medikamente müssen im Notfallset aufbewahrt werden. Die Patientenbetreuung ist zentralisiert. Sportärztliche Betreuung ist nicht mehr als Nebentätigkeit möglich, sondern Bestandteil der Dienstpflichten. In die Lehre ist der Anti-Doping-Aspekt aufgenommen worden.“
Und auch gegen die akademischen Ehren der delinquenten Doktoren Lothar Heinrich und Andreas Schmid behält Schiewer sich Maßnahmen vor: „Wir müssen erst den strafrechtlichen Prozess und auch das Verfahren zur Aberkennung der Approbation abwarten. Danach können wir prüfen, ob ihnen die akademischen Titel genommen werden können.“
Eines muss man Schiewer tatsächlich zugestehen: Er leitet die erste Universität weltweit, die bei Dopingärzten zeitnah und konsequent durchgegriffen hat. …“
Süddeustche Zeitung, 14.9.2011; Thomas Kistner:
Abgründe im Breisgau – Ein Symposium zum Thema Doping lenkt den Blick auf Freiburgs Vergangenheit
„Gleich am ersten Tag schaute Hans-Jochen Schiewer in einen „Abgrund“. Dieses mulmige Gefühl hinterließ der Auftakt des dreitägigen Symposiums „Sportmedizin und Doping in Europa“ beim Rektor der Freiburg Universität: Die Chuzpe, mit der Athleten und Ärzte Gesundheitsrisiken hinnehmen und Regeln umgehen, hätte er sich nicht so drastisch ausgemalt, wie es international namhafte Referenten vortrugen. Für Schiewer läuft bis Mittwoch demnach eine „sehr lehrreiche Veranstaltung“ an seiner Uni – für das Gros der Uni-Sportmediziner eher nicht. Kaum ein Freiburger Sportarzt ließ sich bisher blicken beim Kongress …
Die weitgehende Absenz der Sportärzte beim Fachkonvent im eigenen Haus zeigt, wie heikel die Sache ist. Es gab gar Bemühungen, die Veranstaltung zu torpedieren; intern befürchten viele, so eine Doping-Tagung führe unweigerlich zur Vermischung mit der hauseigenen Thematik. Dies umso mehr, als zum Auftakt Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer ankündigte, die neue Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Doping solle in Freiburg statt wie geplant in Stuttgart errichtet werden – das hat Symbolkraft.
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Die eine [Untersuchungskommission] spürte konkreten Vorwürfen gegen die Radsportärzte nach und legte unter der Leitung des Ex-Richters Hans-Joachim Schäfer 2008 einen aufsehenerregenden Zwischenbericht vor, der detailliert ein Betrugssystem beschrieb. Doch jäh erlahmte der Enthüllungsdrang der Schäfer-Kommission, geraunt wurde von massiver Verhinderungspolitik, und ihr Endbericht 2009 barg nur ein erstaunliches Resultat: Als Hauptschuldige wurden die mäßig bedeutenden Radsportärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich identifiziert, entlastet wurde zugleich das gewachsene Umfeld aus Sportmedizin, Sport, Sponsoren, Funktionären. Seither ruht die Hoffnung ernsthafter Aufklärer auf der zweiten, der großen Kommission. Sie soll die Vergangenheit der Freiburger Sportmedizin seit den Siebzigern aufrollen – auch zum Schutze derer, die nicht in schmutzige Praktiken involviert waren.
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In Freiburg erzählte ein Kongressbesucher, der ehemalige Sportmediziner Wolfgang Stockmann [Stockhausen], wie er in den neunziger Jahren einem Kollegen vom Doping-Treiben abriet und dafür eine knallharte Warnung kassiert habe: „Grüße vom Sponsor, wenn du den Mund nicht hältst, wirst du verklagt!“ Doch auch Paoli stößt auf Schranken, Rechtsgutachten verwehren ihrem Stab den Zugriff auf die Akten der kleinen Kommission. So gilt das Symposium schon als Sieg über interne Widerstände. Rektor Schiewer steht dazu, und was die Absenz der Freiburger Sportärzte angeht, meint er: „Das entscheidet jeder für sich, es gibt keine Zwangsmaßnahmen.“ Die Tagung allerdings, die müsse „die Sportmedizin schon aushalten“.
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Rund 70 Tagesakkreditierungen für auffallend viele Vertreter des deutschen Sports liegen in Freiburg übrigens noch aus.“
SWR cont.ra, 14.9.2011; Interview mit ARD-Dopingexperte Sebastian Krause, Text und Audio-Beiträge:
Bei Fußballern sind die Kontrollen zu lasch
Der Dopingsumpf scheint ja allgemein recht tief zu sein. Es gibt Sportarten wie Biathlon, Schwimmsport, Leichtathletik – da erwarten die Zuschauer schon fast automatisch Doping. Beim Fußball wird dagegen noch ziemlich wenig darüber gesprochen, obwohl es ja auch schon einzelne Fälle gegeben hat. Sind wir auf dem einem Auge noch blind?
Tatsche ist, dass im Fußball vergleichsweise wenig gemacht wird. Es gibt noch nicht einmal Blutkontrollen, es gibt kein Blutprofilsystem, wie im Radsport. Also ein System, bei dem Blutwerte der Sportler genommen und beobachtet werden. Unnormale Schwankungen gelten dann als Indiz für Doping, weil man davon ausgeht, dass viele Dopingsubstanzen einfach nicht direkt im Urin nachweisbar sind. Ein solches System gibt es im Fußball bisher noch nicht. Das ist ein Unding, weil im Fußball wird das meiste Geld umgesetzt und eigentlich sollte gerade der Fußball mit gutem Beispiel vorangehen.
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Ist der Uniklinik Freiburg das Kapitel eher peinlich oder ist da ein ernsthafter Aufklärungswille zu spüren?
Also, die Tatsache, dass die Evaluierungskommission immer noch arbeitet und dass es so eine Veranstaltung hier gegeben hat in den letzten drei Tagen – das gab es bisher noch nie mit solch namhaften Antidoping-Experten – das zeigt, dass man hier sehr wohl mit der Vergangenheit aufräumen will. Es bleibt eben noch die Frage, wie frei die Experten der Kommission arbeiten dürfen. An der Spitze ist ja ein Kriminologin, Letizia Paoli. Sie hat das Ganze in die Hand genommen, wirkt auch sehr energisch und motiviert. … Sie hat erwähnt, dass die Untersuchungen in der Vergangenheit etwas ins Stocken geraten sind. Dann kam sie, hat den Vorsitz übernommen und das Ganze nochmal angekurbelt. Sie hat auch angeregt, dass Zeitzeugen interviewt werden müssen. Es wurden inzwischen auch tatsächlich rund 50 Zeitzeugen von damals befragt. Paoli hat gesagt, dass man auf die Ergebnisse im kommenden Frühjahr gespannt sein darf.
Es gibt ja die Welt-Anti-Doping-Agentur, WADA, die sich eigentlich dem Kampf gegen Doping verschrieben hat. Jetzt hat ihr Gründungspräsident Pound in Freiburg seine eigene Behörde kritisiert. Steht’s denn wirklich so schlecht um die WADA?
Er hat vor rund zwölf Jahren die Welt-Anti-Doping-Agentur gegründet und hat auch, wie er gesagt hat, negative Erfahrungen machen müssen. Beispielsweise, dass Regierungen die finanziellen Unterstützungen reduzieren, statt sie zu erhöhen. Er sagt zwar, es sei ein guter Schritt und ein entscheidender Schritt gewesen, die WADA einzuführen, aber man sei noch lange nicht so weit, wie man eigentlich sein wollte.
Mit welchem persönlichen Gefühl sind Sie von Freiburg nach Hause gefahren? Viele Sonntagsreden wie immer oder tut sich da tatsächlich was?
Ich glaube, ich habe selber noch nie eine derartige Anti-Doping-Veranstaltung erlebt, mit so vielen namhaften prominenten Experten auf einem Fleck, die dann auch wirklich Klartext geredet haben, die auch wirklich die Probleme angesprochen haben. Ich denke man sollte das Thema Doping immer an der Öffentlichkeit halten, warnend den Zeigefinger heben. Allein deshalb war dieses Symposium schon ein Riesenerfolg.
Pressekonferenz / erster Tag
FAZ, 12.9.2011; Anno Hecker:Pound: „Sportverbände und Regierungen unwillig“
„Richard W. Pound, Gründungspräsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), hat die Glaubwürdigkeit aller am Kampf gegen Doping beteiligten Parteien in Frage gestellt. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Sportverbände und Organisationen unwillig sind, die Unterstützung auszuweiten, Regierungen reduzieren ihre finanziellen Beiträge, statt sie zu erhöhen“, sagte Pound. … Pound beklagte unter anderem, dass Regierungen und Verbände glaubten, allein mit der Einrichtung von Nationalen Antidoping-Agenturen sei der Kampf gewonnen. … „Mehr als sieben Jahre nach dem Inkrafttreten des Wada-Kodex gibt es immer noch keinen Bericht über dessen Einhaltung.“ Der Wada-Kodex verpflichtet die Mitglieder unter anderem Sanktionen etwa gegen Sportverbände auszusprechen, die sich nicht an die internationalen Antidoping-Regeln halten. „Es müssen Sanktionen verhängt werden“, sagte Pound, „es gibt aber keine Anzeichen für eine Bereitschaft, solche Maßnahmen zu ergreifen.“ … Der Rechtsanwalt ist überzeugt, dass „99 Prozent“ aller entdeckten Dopingfälle keine Zufälle seien. „Doping wird geplant, ist gut organisiert und gut finanziert. (…) Die Schlacht ist längst nicht gewonnen, sie hat gerade erst begonnen.“
Deutsches Ärzteblatt, 13.9.2011:
Nachhaltige Konsequenzen aus Freiburger Dopingskandal gefordert
Die baden-württembergische Landesregierung möchte aus den früheren Verflechtungen des Instituts für Sportmedizin der Universität Freiburg in Doping nachhaltige Konsequenzen ziehen: für die Arbeit an den Hochschulen ihres Landes, aber auch durch Stärkung der Aufklärungspotenziale der Justiz.
„Gegenüber Doping darf es keine Toleranz geben“, sagte die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Bündnis90/Die Grünen) beim Symposium „Sportmedizin und Doping in Europa“ in Freiburg. Es gebe Bemühungen, für das Land bei der Staatsanwaltschaft Freiburg einen Schwerpunkt „Doping“ einzurichten. Einen solchen Schwerpunkt hat Bayern bereits bei der Staatsanwaltschaft in München geschaffen.
„Es geht um den Schutz der Integrität des Sports, der Sportmedizin als wissenschaftliches Fach an den Universitäten und natürlich auch der körperlichen Integrität der Sportler“, sagte Bauer.
…
„Die neue Landesregierung räumt dem Thema Doping besonders hohe Relevanz ein, was sehr zu begrüßen ist“, sagte der Rektor der Universität Freiburg Hans-Jochen Schiewer. Medizin und medizinische Forschung hätten eine hohe Mitverantwortung für die Entwicklung des Dopings. Die Universität habe seither Fortbildungsveranstaltungen und Antidopingerklärungen für Mitarbeiter verpflichtend gemacht und die Betreuung von Sportlern als Nebentätigkeit untersagt. Vermutlich nach Abschluss des noch laufenden strafrechtlichen Verfahrens gegen Schmid und Heinrich werde das zuständige Regierungspräsidium wohl prüfen, ob Schmid und Heinrich die Approbation entzogen werde.
Die Universität beschäftige sich mit der Frage, ob Schmid der Titel des außerplanmäßigen Professors wegen unwürdigen Verhaltens abzuerkennen sei, sagte Schiewer zum Deutschen Ärzteblatt. Die Frage sei noch nicht entschieden.
Der stellvertretende Vorsitzende der achtköpfigen Evaluierungskommission, Hellmut Mahler (LKA Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf), sprach von einer „explosiven Zunahme“ von Produktion und Handel mit dopingrelevanter Substanzen durch das Internet. Wöchentlich würden neue chemische Verbindungen mit stimulierender oder beruhigender Wirkung entdeckt, fast ausnahmslos durch die Analyse von Präparaten, selten durch die Untersuchung von Konsumenten. … Kontrolle und Eindämmung könnten nicht allein über den Nachweis erfolgten, sondern erforderten ein konzertiertes Vorgehen von Sportverbänden, Regierungen, Gesetzgeber und Aufklärung der allgemeinen Bevölkerung. „Die Information und Weiterbildung der Ärzte über Prävention und Therapieprogramme hat hier einen großen Stellenwert und sollte intensiviert werden“, sagte Mahler.“
Südkurier, 14.9.2011; Karl-Heinz Zurbonsen:
Doping durch Sportmediziner in Freiburg „kein Einzelfall“
„Am Universitätsklinikum Freiburg ist über viele Jahre hinweg systematisch gedopt worden. Das bestätigte die Vorsitzende der vor vier Jahren eingesetzten Untersuchungskommission, Professorin Letizia Paoli, zum Auftakt des internationalen Symposium „Sportmedizin und Doping in Europa“ in Freiburg.
…
Namen, Fakten und andere Einzelheiten nannte die Dopingfahnderin nicht. Das kündigte sie fürs Frühjahr 2012 an, wenn sie die Ergebnisse der Untersuchung der Freiburger Sportmedizin zwischen 1970 und 2007 vorlegen will. „Wir erwarten mit Spannung die Ergebnisse ihrer Arbeit, die uns Hinweise für mögliche weitere Schritte geben können“, so Wissenschaftsministerin Bauer. Freiburgs Unirektor Hans-Jochen Schiewer berichtete, die arbeitsrechtlichen Schritte gegen die vor vier Jahren wegen Dopings von Radsportlern fristlos entlassenen Sportmediziner seien abgeschlossenen, nicht aber die strafrechtlichen Untersuchungen. Überdies werde noch daran gearbeitet, den Ärzten ihre Approbation und akademischen Grade abzuerkennen. … Die Kommissionsvorsitzende warnte die Öffentlichkeit vor einem Pauschalurteil über die Freiburger Sportmedizin. Es dürfe trotz teils sehr fundierter Dopingverdächtigungen nicht der Fehlschluss gezogen werden, so Paoli, die Freiburger Sportmedizin sei per se mit Doping gleichzusetzen. Sie plädierte für eine genaue Differenzierung, da von 1970 bis 2007 etwa 230 Personen, davon 90 Ärzte, teils für kurze Zeit, teils bis zu 36 Jahre, zudem 23 Gastärzte und 35 Arzthelferinnen und medizinisch-technische Assistenten in der sportmedizinischen Abteilung angestellt gewesen seien. „Und nach allem, was bislang öffentlich bekannt wurde, ist nicht davon auszugehen, dass die überwiegende Mehrzahl dieser Ärzte und Mitarbeiter mit kriminellen Dopingmachenschaften auch nur das Geringste zu tun hatte oder hat“, versicherte die Kommissionsvorsitzende in einer Pressekonferenz.
…
„Doping ist kein Zufall“, sagte Pound, Doping sei Betrug, der verfolgt und publik gemacht werden müsse. Auch der Breitensport sei davon schon befallen, räumte der Wada-Funktionär ein. Die Einnahme von Dopingpräparaten ist nach seiner Einschätzung mindestens genauso abzulehnen wie der Konsum von Haschisch oder Koks, wenn nicht sogar schlimmer und gefährlicher.“
SWR, 12.9.2011; Text und verschiedene Audiobeiträge:
Auf den Spuren dopender Sportmediziner
„Zum Auftakt der dreitägigen Konferenz sagte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Teresia Bauer, bei Doping dürfe es keine Toleranz geben. Sie sei der Ansicht, dass die Universität Freiburg die Doping-Vergangenheit ihrer Sportmedizin konsequent aufarbeite. Teresia Bauer erklärte weiter, die neue Landesregierung sei derzeit mit der Bildung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Doping-Vergehen beschäftigt. Sie werde möglicherweise in Freiburg eingerichtet. Ergebnisse der Untersuchung der langfristigen Doping-Aktivitäten von Freiburger Sportmedizinern durch eine spezielle Kommission wird es bei der Tagung nicht geben. Die werden nach Aussagen der Kommissionspräsidentin Letizia Paoli erst nach Abschluss der Untersuchungen im Frühjahr 2012 vorgelegt.“
Badische Zeitung, 12.9.2011; Text und Videos:
Doping-Staatsanwaltschaft nach Freiburg?
„Die grün-rote Landesregierung wollte die Doping-Staatsanwaltschaft zunächst in Stuttgart installieren. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sie nun in Freiburg eingerichtet werde, sagte die Grünen-Politikerin Bauer am Montag in Freibur. Die Einrichtung wäre die zweite ihrer Art neben München. Das Land sichere zudem der Untersuchungskommission, die sich mit der Geschichte der Freiburger Sportmedizin befasst, Unterstützung zu.
Bauer: „Gegenüber Doping darf es keine Toleranz geben“
… Die Landesregierung unterstütze mit Nachdruck die Aufklärungsarbeit, die nach der Aufdeckung des Dopings beim Radsportteam Telekom/T-Mobile 2007 durch den Spiegel in Freiburg in Gang gekommen sei, sagte Bauer. Sie würdigte das Engagement der Albert-Ludwigs-Universität bei der Aufarbeitung der Geschehnisse. Sie sicherte der unabhängigen Untersuchungskommission, die sich auf Bitte der Universität seit 2007 mit der Geschichte der Freiburger Sportmedizin befasst, umfassende Unterstützung zu.
… Die im Vorfeld des Symposiums in Stuttgart und an der Universität diskutierten Pläne, die ehemals weltweit führende Anlaufstelle für Spitzensportler in Freiburg nach und nach umzuwandeln, wurden am Montag allerdings nicht konkret. Weder Bauer noch Universitätsrektor Hans-Jochen Schiewer äußerten sich zu dem Vorhaben, die Einrichtung neu zu justieren und sich künftig eher auf den Sport nach Krankheit und den Gesundheitssport für jedermann zu konzentrieren als auf die Betreuung von Topathleten. Wissenschaftsministerin Bauer erklärte allerdings, die neue grün-rote Regierung verfolge für alle sportmedizinischen Einrichtungen in Baden-Württemberg das Ziel, sich künftig stärker als bisher auf Prävention und Rehabilitation zu konzentrieren. Konkrete Schritte in Freiburg will Bauer freilich erst unternehmen, wenn die von der Kriminologin Letizia Paoli geleitete Untersuchungskommission ihren Abschlussbericht vorlegt.
…
„Die fortlaufende Arbeit der Kommission hat die langfristige Planung regelrecht überholt“, sagte die international renommierte Expertin für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Mafia. „Niemand konnte im Dezember 2009 bei meiner Übernahme des Vorsitzes davon ausgehen, und ich am allerwenigsten, dass wir unsere Arbeiten wohl erst im Frühjahr 2012 abschließen werden.“ Vor allem die Entscheidung, Zeitzeugen zu befragen, habe zu den Verzögerungen beigetragen. Mittlerweile seien mehr als fünfzig gehört worden. Paoli erneuerte ihre Bitte an sachkundige Personen und Kenner der Freiburger Materie, sich der Kommission für eine Befragung zur Verfügung zu stellen. Die Kriminologin sicherte den Zeitzeugen strikte Anonymität zu.
Unirektor Schiewer wollte sich zur Doping-Vergangenheit des Standorts gestern nicht konkret äußern. „Medizin und medizinische Forschung spielen eine wesentliche Rolle beim Doping im Sport und tragen eine hohe Mitverantwortung für die Entwicklung des Dopings“, sagte Schiewer. … Bei der Fachtagung in Freiburg gehe es allerdings nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch um die Zukunft. Das Symposium solle zeigen, „welche Fortschritte erreicht wurden und wo weiterer Handlungsbedarf und weitere Herausforderungen bestehen. …“
Artikel erschienen im Vorfeld des Symposiums
Badische Zeitung, 12.9.2011; Andreas Strepenick:
Doping-Symposium: Bewährungsprobe für die Uni
„Die Freiburger Universität versucht erneut, sich mit der Geschichte des Dopings an ihrer Klinik zu befassen. Auf dringenden Wunsch einer international besetzten Untersuchungskommission veranstaltet sie von heute an bis zum Mittwoch ein Symposium. Es trägt den Titel „Sportmedizin und Doping in Europa“. Zumindest am dritten Tag soll dabei auch die Freiburger Vergangenheit zur Sprache kommen. Erstmals dürfen führende Doping-Aufklärer um Werner Franke und Gerhard Treutlein in Freiburg auftreten.
…
Die sogenannte kleine Kommission unter der Leitung des früheren Richters Hans-Joachim Schäfer aus Nürtingen legte 2008 – auch unter dem Druck der Medien – zunächst einen bemerkenswerten Zwischenbericht vor. Schäfer beschrieb als Erster ein westdeutsches System des Dopings bis ins Detail. Die öffentliche Aufmerksamkeit ließ in der Folge nach. 2009 übergab die Schäfer-Kommission ihren Abschlussbericht. Er ging kaum über den Zwischenbericht hinaus und sorgte in Fachkreisen für Erstaunen – vor allem, weil er die eher unbedeutenden Freiburger Sportmediziner Andreas Schmid und Lothar Heinrich zu den allein Schuldigen erklärte. Vorgesetzte, Kollegen, Sponsoren und Institutionen wurden dagegen von jeder Mitverantwortung freigesprochen. Eine öffentliche Debatte über den Bericht und seine umstrittenen Ergebnisse fand nie statt.
Noch im Sommer 2007 hatte die Universität selbst eine zweite Kommission einberufen, die sogenannte große Kommission. … Allerdings schienen in der Folge nicht alle Kommissionsmitglieder von demselben Aufklärungseifer beseelt zu sein wie Franke. Mehrere sollen gebremst haben. Ohnehin nahm die – zunächst ebenfalls von Schäfer geleitete – Forschergruppe ihre Arbeit nur in Ansätzen auf. Erst als der gesundheitlich mittlerweile schwer angeschlagene Schäfer den Vorsitz Ende 2009 niederlegte, begann die Kommission damit, sich ihrer eigentlichen Aufgabe zuzuwenden. Den Anstoß dazu gab Schäfers Nachfolgerin Letizia Paoli. Die Expertin für Organisierte Kriminalität und die Bekämpfung der Mafia versucht seither, auch durch die Befragung von Zeitzeugen Licht in die Vergangenheit zu bringen. Einfach hat sie es dabei nicht. Von der Universität in Auftrag gegebene Rechtsgutachten verwehren Paoli den Zugriff auf die Unterlagen der kleinen Kommission. …“
Badische Zeitung, 12.09.2011; Andreas Strepenick:
Gefeiert und umstritten: die Freiburger Sportmedizin – Seit Jahrzehnten muss sich die einst weltweit führende Einrichtung des Vorwurfs erwehren, sie habe mit Doping zu tun.
„Die Freiburger Sportmedizin wurde schon im Jahr 1924 als eigenständige Abteilung der Universitätsklinik gegründet. Sie ist damit die wohl weltweit älteste Institution ihrer Art. Unter Herbert Reindell (1908–1990) erlangte die Abteilung internationalen Ruhm durch ihre Forschungen über das Herz des Sportlers. Doch schon unter Reindell wurde vereinzelt und im Geheimen auch mit leistungssteigernden Medikamenten und Methoden gearbeitet. Das belegt Oskar Wegeners Doktorarbeit aus dem Jahr 1954. Wegener dopte Ruderer und Leichtathleten mit dem bereits im Zweiten Weltkrieg gebräuchlichen Aufputschmittel Pervitin. Er maß Leistungssprünge von bis zu 23,5 Prozent und war begeistert. Seine Arbeit wurde lange Zeit unter Verschluss gehalten. Ende der 1960er Jahre, der Kalte Krieg zwischen Ost und West war in vollem Gange, begannen Freiburger Sportmediziner systematisch nach Methoden der Leistungssteigerung Ausschau zu halten. Die westdeutschen Athleten sollten gegenüber ihren Konkurrenten aus der DDR nicht ins Hintertreffen geraten. Anabolika wurden gebräuchlich. Auch Freiburger Ärzte warben für die „Muskelpille“ und verharmlosten die Nebenwirkungen. Freiburg entwickelte sich zum „Mekka der Sportmedizin“. Bis zu 90 Prozent der deutschen Top-Athleten fuhren regelmäßig zu Untersuchungen in den Breisgau und wurden bei Olympischen Spielen und Meisterschaften von Freiburger Ärzten betreut.
Joseph Keul und Armin Klümper brachten es zu Weltruhm. Keul führte die sportmedizinische Abteilung der Universitätsklinik bis zu seinem Tod im Jahr 2000. Er war der führende Olympiaarzt Deutschlands, die von ihm ausgebildeten Mediziner gingen in alle Welt.
…
Keul, Klümper und Kollegen saßen schwerste, auch schriftlich belegte und eidesstattlich versicherte Dopingvorwürfe systematisch aus. Vor allem die Heidelberger Professoren Werner Franke und Gerhard Treutlein, aber auch Ex-Athleten, Trainer und Spitzenfunktionäre sehen in Freiburg inzwischen das kapitalistisch-westliche Pendant zum einstigen Staatsdoping der DDR. Die Aufklärungswellen früherer Jahrzehnte verebbten, auch weil Ministerien und Sportverbände sie nicht unterstützten. Die Arbeit mehrerer Kommissionen zu Beginn der 1990er Jahre endete ergebnislos. Die Geschichte der Freiburger Sportmedizin ist erst in Ansätzen erforscht. Es hat noch niemand versucht, sie im Zusammenhang darzustellen.“
Badische Zeitung, 11.09.2011; Interview mit Gerhard Treutlein:
„Das war der Witz“ – Professor Treutlein über das Massenphänomen Doping im Sport
„Herr Treutlein, ein internationales Symposium zum Thema „Sportmedizin und Doping in Europa“ mit renommierten Referenten, ausgerechnet in Freiburg – welches Signal soll davon ausgehen?
In Freiburg waren nicht nur einzelne schwache Charaktere am Wirken – hinter Dopingaktivisten steht meist ein breites Unterstützersystem. Das, was sich in Freiburg – aber auch an anderen Orten – ereignet hat, soll deshalb in einen größeren, nationalen und internationalen Rahmen gestellt werden.
Sie halten einen Vortrag zu Professor Armin Klümper, eine Schlüsselfigur der Freiburger Dopinggeschichte. Beschreiben Sie in aller Kürze seine Rolle.
Die Uni Freiburg muss ich loben, dass sie mehrmals versucht hat, gegen Klümper vorzugehen. Er hatte aber mächtige Unterstützer in Stuttgart und Bonn und auch in Verbänden. Da war die Universität fast machtlos. Klümper war lange das Gesicht der Freiburger Sportmedizin, obwohl er gar nicht in der Sportmedizin der Uni arbeitete.
…
Sportarten wie der Radsport scheinen nicht fähig, vielleicht nicht einmal gewillt, gegen Doping effektiv vorzugehen.
Dieser Eindruck ist teilweise falsch. International ist der Radsportverband mit der Einführung des Blutpasses Vorreiter. Wie viel man damit erreichen kann, ist aber noch offen. Auch national wird einiges gemacht; der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) ist der einzige deutsche Sportverband, der in seiner Trainerausbildung Module zur Dopingprävention aufgenommen hat. Andere Verbände machen keine Anstalten, diesem Beispiel zu folgen. Der Radsport wurde wegen seiner systemischen Dopingpraxis zwar zu Recht abgestraft, andere haben sich jedoch hinter dem Radsport versteckt….
Findet beim BDR also ein Umdenken statt?
Ansatzweise ja, mit Sicherheit nicht bei allen. Bei unseren Veranstaltungen zur Dopingprävention haben sich Dopinggegner anfangs fast überhaupt nicht getraut, etwas zu sagen, dann aber immer mehr. So wird auch deutlich, dass nicht alle mit der Lage im Verband einverstanden sind, das ist sehr hilfreich.
…
Welche Sportarten verstecken sich hinter dem Radsport?
Zu viele. Nicht nur bei Doping-Präventionsveranstaltungen neigen Teilnehmer dazu, jeweils ihren Sport für sauber zu halten. Ich habe einen Bundesligatrainer erlebt, der sagte, bei ihnen gebe es definitiv kein Doping – das war der Witz. … Der Punkt ist: Das Problembewusstsein muss größer werden. Auf der Landesebene verweist man gerne auf die Verantwortung der Bundesebene. Wer das sagt, ist sich nicht bewusst, dass sich eine Dopingmentalität langfristig entwickelt, von klein auf über die Gabe von Nahrungsergänzungs-, Schmerzmitteln und Medikamenten. …“