Offener Brief DDR-Dopinggeschädigter an den Dt. Bundestag – Mai 2001
Nach dem Prozess um Manfred Ewald und Manfred Höppner im Jahr 2000 konnten zwar kaum noch Zweifel daran bestehen, dass das DDR-Doping-System viele Sportlerinnen und Sportler schwer krank zurück gelassen und mehr noch, auch viele geschädigte Kinder der zweiten Generation verursacht hatte. Doch die Betroffenen war auf sich selbst gestellt. Unterstützung, vor allem auch finanzieller Art gab es nicht. Entsprechende Forderungen wurden nicht gehört, es wurde abgewiegelt oder die Zuständigkeiten wurden weg geschoben. Ein Antrag der CDU/CSU aus dem März 2001 zur Errichtung eines Opfer-Fonds fand erst wenig Gehör. Kaum jemand, weder aus der Politik, noch aus den Sportverbänden wie DSB und NOK sahen eine Verantwortung für das Erbe des ehemaligen deutschen Staates.
Lediglich ein privater Verein hatte sich gegründet, der Verein Doping-Opfer Hilfe (DOH) in Heidelberg. Er konnte bis 2001 40 000 Mark in kleinen Teilen vergeben, die kaum hilfreich waren. Das Geld hatte der Verein entweder mühsam akquiriert oder kam von Strafzahlungen (Dopern) aus dem Gerichtsbezirk Erfurt. (Kontraste, 2.8.2001)
Anfang Mai wollen das 13 (?) Dopingopfer dieses Nichtstun nicht mehr hinnehmen. Sie wenden sich mit einem Offenen Brief an den Deutschen Bundestag. Eine direkte Folge dieser Initiative ist eine öffentliche Anhörung des Sportausschusses des Dt. Bundestages am 17.10.2001 über den CDU-Antrag (>>> Protokoll). Nach weiterem zähen Ringen wurde im Jahr 2002 das >>> Doping-Opfer-Hilfe-Gesetz verabschiedet.
der Offene Brief / die Petition im Wortlaut:
Symbolischer Fingerzeig genügt nicht
Seit vielen Jahren warten die betroffenen Dopingopfer des DDR-Sports vergeblich auf eine deutliche Erklärung der Politik und des Sports der Bundesrepublik Deutschland zu dem Verbrechen an der Sportjugend eines deutschen Staates.
Sport ist und wird immer ein Kampf um den Sieg bleiben. Wenn der deutsche Sport wieder fair und menschlich werden soll, muß mit der Art, bei einem zweiten Platz von einem Verlierer zu sprechen, Schluß gemacht werden.
Durch dieses Verhalten wird die Problematik des Dopings der Vergangenheit verharmlost und fast zum Kavaliersdelikt degradiert. Täterschutz kann jedoch nicht vor Opferschutz stehen.
Bei aktuellen Dopingfällen wird stets der/die ertappte SportlerIn als der Schuldige verurteilt, doch was ist mit den amtierenden Trainern und Ärzten? Nehmen ihre Schützlinge heute Dopingmittel ohne deren Wissen?
Bis auf einen symbolischen Fingerzeig durch die Justiz hat das Doping an minderjährigen SportlerInnen in der DDR keine Konsequenzen für die Trainer und Ärzte.
Wie ist es heute zu rechtfertigen, daß Stimmen laut werden, die allen Ernstes den Erfolgen des DDR-Sports nacheifern wollen?
Wie ist es heute zu rechtfertigen, daß Trainer und Ärzte mit Urteilen beziehungsweise Strafbefehlen wegen Dopingmißbrauchs an Minderjährigen wieder in Amt und Würden im deutschen Sport aktiv sind beziehungsweise den Ärzten ihre Approbation nicht aberkannt wird?
Wie ist es heute zu rechtfertigen, daß ebenjene Trainer sogar in den höchsten Reihen des Sports zu finden sind und als Repräsentanten des Sports der Bundesrepublik zu Olympischen Spielen fahren?
Eine Möglichkeit, die Lücke in den medizinischen Erkenntnissen zu schließen, wäre eine komplette Untersuchung aller bis jetzt bekannten Dopingopfer, um einen Status quo zu erreichen.
Wie ist es heute zu rechtfertigen, daß durch die Politik nur unzureichende finanzielle Mittel für die Erforschung der Neben- und Nachwirkungen des Dopings bereitgestellt werden? Um mangelndes Interesse sollte es sich doch wohl nicht handeln?
Außerdem fordern wir die Einrichtung einer Beratungsstelle für Dopingbetroffene in jedem Bundesland. Dopinggeschädigten der zweiten Generation muß dringend Betreuung und Vorsorge ermöglicht werden.
Wir machen in diesem Zusammenhang deutlich, daß mit einer eventuellen einmaligen Entschädigung von DDR-Dopingopfern die Tatsache der ein Leben lang Bestand habenden Schädigung nicht abgegolten ist. Wir fordern deshalb zum einen umfassende diagnostische Untersuchungen, um in der Folge selbst präventiv wirksam werden zu können.
Des weiteren ist eine Entschädigung in Form einer monatlichen Rente zwingend, um die ständig höheren Lebenskosten relativ auszugleichen und somit eine Gleichstellung zum nicht mit Doping geschädigten Bürger zu erreichen.
Bestehende oder absehbare körperliche Dopingfolgen machen es den Opfern zum Teil unmöglich, eine private Altersvorsorge in Form einer Lebensversicherung oder auch einer Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Das wiederum hat zur Folge, daß die Kinder der Betroffenen unversorgt zurückbleiben.