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Prof. G. Treutlein: Leserbrief: Das Problem des Radsports ist nicht nur seine Gegenwart sondern auch seine Vergangenheit
Leserbrief zu den Äußerungen von Dietrich Thurau
(Abendzeitung, 17.10.2008: „Deckel drauf und Schluss“):
“ Naja, auch Sie haben zu Ihrer aktiven Zeit gedopt, da war auch keine Einsicht da.
Ja, aber gegen das, was die heute machen, waren wir Chorknaben. Wir haben ein bisschen Amphetamine genommen und Anabolika, aber das war’s auch. Zum Glück habe ich auch keinerlei Nebeneffekte davongetragen, toi, toi, toi. Heute werden sonst was für Cocktails miteinander gemischt, Wahnsinn. Als ich das das erste Mal im Detail gelesen habe, da hatte ich nur Angst um meinen Sohn. Und Erleichterung, dass wir das damals nicht machen mussten. Mit Eigenblut spritzen und allem drum und dran. Mir will nicht in den Kopf, das man das mitmacht.“
Der Leserbrief:
Das Problem des Radsports (und auch anderer Sportarten) ist nicht nur seine Gegenwart sondern auch seine Vergangenheit. Frühere Stars wie Altig und Thurau verkünden, dass sie früher nur kleine Dummheiten begangen hätten (Altig) oder nur Amphetamine und Anabolika (Thurau) genommen hätten, weit entfernt von der heutigen Dopingpraxis. Was Thurau zu seiner Vergangenheit sagt, ist ebenso Schwachsinn wie die Bemerkungen von Rudi Altig. Auch Amphetamine (siehe Todesfall Simpson) und Anabolika (siehe die Todesfälle wie Ralf Reichenbach, Birgit Dressel u.a.m.) waren höchst gefährlich. Die Pillenschlucker von damals (Spitzname bei fast jedem: Rollende Apotheke) waren die Wegbereiter für die Dopingmentalität von heute. Die heutigen Doper sind in ein Betrugsmilieu hineingewachsen, das durch die früheren Doper wie Simpson, Nencini, Thurau oder Altig und ihr Umfeld entwickelt wurde – viele haben übrigens sich Krebs als Folge des
Dopings eingefangen. Da Radprofis meist keinen anderen Beruf haben, bleiben die Betrüger nach dem Karriereende im Radsport als Trainer,
Sportdirektoren, Pfleger, Mechaniker, Funktionäre und vermitteln ihre
Dopingmentalität meist an ihre Erben weiter. Didi Thurau sollte sich mal die Verantwortung seiner Generation für die heutige Situation klar machen und nicht so einen Blödsinn daher reden! Schade um diese schöne Sportart – aber in so manchen anderen Sportarten ist die Situation kaum besser! Schade auch um die vielen Toten und Kranken als Folge des Dopings in dieser Sportart!
Prof. Dr. Gerhard Treutlein, Zentrum für Dopingprävention der PH Heidelberg