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Erklärung von DDR-Dopinggeschädigten zur anstehenden Entschuldungspauschale für Sportkriminelle, 1.4.2009
Die Erklärung im Wortlaut:
Die Entschuldungspauschale von dopingbelasteten Trainern wird einer konsequenten Dopingbekämpfung in Deutschland, einer sachgerechten Aufarbeitung der Dopingvergangenheit in Ost und West sowie dem massiven Schadensvolumen der zahlreichen Dopingopfer nicht gerecht. Wir akzeptieren keine pauschalen Entschuldungsschreiben von Trainern, die zwanzig Jahre lang ihre Geschichte weggelogen und sich damit Einstellungsverhältnisse erschlichen haben. Ein universaler Entschuldungstext meint niemanden und respektiert niemanden. Wir lehnen es ab, dass durch eine solche Erklärung zahlreiche Verantwortliche einen rückwirkenden Freifahrschein für angetanes Unrecht, Zugriffe und Verfehlungen im Sport erhalten sollen. Das viel gebrauchte Argument, diese Trainer seien in den vergangenen zwanzig Jahren in Sachen Doping unauffällig geblieben, ist gemessen am Zustand des deutschen Antidopingsystems nicht nur gezielt scheinheilig, sondern unstatthaft. Jeder, der in diesem Land dopen will, kann das unbehelligt tun.
Wir fordern das BMI auf, die jahrelangen Verstöße gegen die Antidoping-Klauseln in den Zuwendungsbescheiden zu prüfen und entsprechende Fehlmittel zurückzufordern. Wie ist es möglich, dass die Steiner-Kommission zu Empfehlungen kommt, ohne dass dabei Geschädigte des DDR-Dopingsystems in transparenter Weise einbezogen wurden? Warum gab es zu der anstehenden Trainererklärung keine öffentliche Anhörung im Sportausschuss? BMI und DOSB fordern wir auf, ihre selbstgesetzten Dopingrichtlinien, Vielfacherklärungen und Statute einzuhalten und endlich auch umzusetzen. Somit liegt es in der Natur der Sache, dass wir es ablehnen, dass DOSB, DLV und BMI der anstehenden Erklärung dopingbelasteter Trainer zustimmen.
Wenn Innenminister Wolfgang Schäuble meint: „Wir haben ganze Rekordlisten getilgt”, wenn Peter Danckert als Sportausschussvorsitzender nicht klar kriegt, ob Opfer tatsächlich Opfer sind, wenn DOSB-Chef Thomas Bach den Nivellierungscode schon abnickt, noch bevor die beschuldeten Trainer ihre Unterschrift überhaupt gegeben haben, ist das nicht vereinter Klärungswille, sondern Betrug am Sport und feiste Desinformationspolitik, mit der im Jahr 20 nach dem Mauerfall alles weggedrückt werden muss, was nach Missbrauch, Schuld, Schaden aussieht. War da was? Gibt`s da immer noch ein Aua, immer noch was zu klären? Haben Politiker und Sportfunktionäre gar Anteil daran?
Ja! Seitdem es DDR-Dopinggeschädigte in der Öffentlichkeit gibt, d. h. seit nunmehr zehn Jahren, besteht ihr klarer Einspruch gegen die Logik des Machbaren im Sport. Wozu braucht es jede Menge multipel Traumatisierte mit Krebs, schweren Organschäden, Hormonstoffwechselstörungen, behinderten Kindern? Erteilt irgendwo jemand eine Unterschrift, mit der die Opfer des Dopingmissbrauchs ihre zerstörten Körper und Seelen gesund zurück erhalten?
Sind nicht mehr als tausend Tote pro Jahr im globalen Effizienzsport Zeichen genug? Spricht der Imageschaden, den der vergiftete Business-Sport in Deutschland mittlerweile zu verzeichnen hat, nicht mehr als eine deutliche Sprache? Ist die illustre Polittroika Schäuble/Bach/Danckert in Fragen Sportethik der gebührende Garant, wo doch der eine schon in den Siebzigerjahren Doping für die Bundesrepublik frei geben wollte, der andere sich als Anwalt von Schalck-Golodkowski auszeichnete und der dritte als Supernova des globalen Wirtschaftslobbyismus notorisch in die Schlagzeilen kommt? War es das, was man unter deutscher Einheit verstanden wissen wollte?
Es geht nicht darum, erlittene Sportschäden künstlich in die Zukunft zu verlängern, sondern weiterhin um Klärung, konkrete Beteiligungen und Verantwortung, also darum, die Zukunft des Sports zu sichern.
Unterzeichnende:
Ute Krieger-Krause, Andreas Krieger, Uwe Trömer, Yvonne Gebhardt, Bernd Richter, Karen König, Brigitte Michel, Bernd Michel, Dagmar Kersten, Marie-Katrin Kanitz, Ines Geipel, Andreas Heß, Jürgen Grundler