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Prof. Gerhard Treutlein: Briefe an Clemens Prokop, 11.5. und 17.7.2009
Hintergrund: BRD Doping-Aufarbeitung
Der Briefwechsel G. Treutlein – C Prokop
18.3.2009
9.4.2009
Die Antwortscheiben von C. Prokop sind nicht öffentlich. Auf dessen letztes Schreiben antwortet G. Treutlein am 11.5.2009.
Der Briefwechsel:
Schreiben G. Treutlein vom 11.5.2009
(…) … konkrete Vorschläge [für den Umgang mit der Dopingvergangenheit und -zukunft] ..
– Zusätzlich zur Entwicklung einer ‚inneren Beobachtungsplattform durch die handelnden Personen‘ (… Vergleich der eigenen Handlungen mit den öffentlich geäußerten Bekenntnissen zu Ethik, Moral und Sauberkeit) müsste eine ‚äußere Beobachtungsplattform‘ (Beratung des Verbands durch externe Experten, vorwiegend aus den Bereichen Soziologie und Pädagogik) kommen, verbunden mit der Verpflichtung zu Konsequenzen aus den Ratschlägen….
– Integration der Doping/-präventionsthematik in alle Trainerfortbildungen (im Sinne des Schaffens von Problem- und Aufgabenbewusstsein) – Übernahme der von uns (Heidelberger Zentrum/Teamergruppe Radsport) für den DOSB/dsj (Übungsleiter) und den BDR entwickelten Ausbildungsordnung (Trainer) zu Doping und zur Präventionsthematik (siehe Arbeitsmedienmappe der dsj/Heidelberger Zentrum für Dopingprävention/Gert Hillringhaus) – Kooperation zwischen DLV und dsj/Heidelberger Zentrum für Dopingprävention bei der Gestaltung von Präventionsmaßnahmen.
– Durchführung von Expertengesprächen und Runden Tischen (wie z.B. 1993 in Erfurt -warum gab es nie eine Folgeveranstaltung?) zur Doping- und Präventionsthematik, mit dem Schwerpunkt: ‚Welche Konsequenzen können abgeleitet werden?‘
– Erweiterung Ihres Appells an westdeutsche Trainer auf Funktionäre, Ärzte, Politiker (z.B. an den Innenminister Schäuble)
– Untersuchung, wie DDR-Spezialisten in Sachen Dopingforschung bereits im April 1990 zu Referenten bei DLV-Lehrgängen werden konnten.
– Untersuchung der Frage, wie die Brutstätten des DDR-Dopings -FKS in Leipzig und Dopinglabor in Kreischa- in den Einigungsvertrag von 1990 gekommen sind.
– Überprüfung der für Siegerehrungen bei der WM in Berlin vorgesehenen Personen sowie von Ehrengästen auf ihre Vergangenheit (Schutz vor falschen Signalen) d.h. Unterschreiben von Funktionären, Trainern, Ehrengästen (nicht nur der ostdeutschen) einer Erklärung, dass sie in der Vergangenheit Doping weder durchgeführt, begünstigt oder geduldet haben.
– Preise mit den Namen ‚Munzert‘ und ‚Berendonk‘ für Personen, die sich mit ihrem Bemühen um eine saubere und glaubwürdige Leichtathletik verdient gemacht haben, jährlich zu vergeben.
– Untersuchung zu Wissen und Verantwortlichkeit der verschiedenen DLV-Präsidien zur Dopingproblematik.
– Untersuchung der Rolle von Spilker und Sturm beim Sturz von Eberhard Munzert.
– Ernstnehmen Ihrer Aussage bei der WM 2007 zum Thema ‚Mündigkeit von Athleten‘ …
– Verbreitung der Internetadresse www.cycling4fans.de als derzeit beste Informationsmöglichkeit zur Dopingthematik.
Ohne Bereitschaft zu solchen konkreten Maßnahmen sind bisherige Aussagen und Aktionen ebenso wie die Ausschreibung des 500.000-Euro-Forschungsprojekts nur ein Versuch, die Öffentlichkeit vor und während der Weltmeisterschaft in Berlin ruhig zu stellen.
Folgeschreiben von G. Treutlein vom 17.7.2009
„Digel:… Der Antidopingkampf kann, so wie er geführt wird, nicht erfolgreich sein. Wir brauchen neue Ideen und Konzeptionen, die Wege aufzeigen, wie man junge Menschen davor schützt, dass sie ihre Gegner betrügen.
TAZ: Sie sprechen von Dopingprävention?
Digel: Exakt! Hier gibt es noch viel zu wenig Initiativen. In den Präventionssektor wird so gut wie gar kein Geld hineingegeben, gerade wenn man ihn mit dem Kontrollsektor vergleicht.“ …
(H. Digel, taz 18.8.2009)
Das Antwortschreiben C. Prokops auf den oben genannten mit den G Treutleins konkreten Handlungsvorschlägen ist nicht bekannt. Einiges lässt sich allerdings aus dem folgenden Brief ableiten. So gab es bspw. Vorwürfe dahingehend, G. Treutlein würde falsche Behauptungen aufstellen bzw. leide an mangelnde Recherchefähigkeit. Treutlein hatte sich in seinem obigen Schreiben auf die DLV-Nachricht bezogen, dass Prof. H. Digel, Tübingen mit der Erstellung eines Präventionskonzeptes beauftragt worden sei (1.5.2009, Anti-Doping-Newsletter des DLV). C. Prokop bestritt diese Meldung und stellte klar, Ansgar Thiel hätte den Auftrag erhalten. G. Treutlein geht in seinem Antwortschreiben auch darauf ein. Hintergrund ist, dass mit Geldern des DOSB die dsj mit dem ZDP während der letzten Jahre ein umfangreiches Präventionskonzept und Präventionsmaterialien erstellt haben, die mittlerweile bundesweit in den Landessportbünden zum Einsatz kommen: Prävention dsj, Prävention ZDP
>>> Antwortschreiben G. Treutlein an C. Prokop vom 17.7.2009:
Ihr Schreiben vom 4.6.2009
Sehr geehrter Herr Prokop,
eigentlich hatte ich gehofft, Sie würden die Größe zeigen, einige Bemerkungen Ihres Schreibens vom 5.6.2009 zurückzunehmen und andere zu belegen („polemische und durchaus ehrenrührige Formulierungen“). Dies haben Sie auch nach fast sechs Wochen nicht getan. Deshalb einige Bemerkungen zu Ihrem Schreiben, die ich auch öffentlich machen werde.
1. Sie unterstellen mir Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache. Dopingprävention ist kein egoistisches Tun. Geld und Ruhm sind damit nicht zu verdienen, wie Ihnen als Landesbeamter und ehrenamtlicher DLV-Präsident bekannt sein dürfte. Sich mit Dopinggeschichte zu beschäftigen, wie es Andreas Singler und ich getan haben, führt zu einem Verstoß durch die „Familie“ (Dropout-Problematik). Das Handeln des DLV ist der beste Beleg.
2. Meine wie Sie schreiben ‚einseitig gesetzten Bedingungen‘ sind konstruktive Vorschläge für einen sauberen Sport. Falls Sie daran zweifeln, würde ich gerne die Auseinandersetzung darüber in aller Öffentlichkeit führen. Eine Sportart mit dem Anspruch der Vorbildwirkung des Spitzensports für Jugendliche und für den Schulsport muss sich mit solchen Vorschlägen auseinandersetzen.
3. Ihre eigene sportliche Tätigkeit auf nationalem Niveau Ende der 70er Jahre und die sich anschließende ehrenamtliche Tätigkeit im BLV und DLV lassen mich sicher sein, dass Ihnen in dieser Zeit die Doping-Situation in der BRD geläufig war. Dass Sie dazu in irgendeiner Verantwortlichkeit dafür standen, habe ich nicht behauptet.
4. Dass ein DLV-Präsidiumsmitglied, und sogar der DLV-Präsident, seine Verantwortung für den Verband nach Datum – etwa ab 1993 – begrenzen will, macht nicht nur mich stutzig. Entlastungen vereinsrechtlicher Art verändern nicht vorausgegangenes Verbandsgeschehen. Die vielfältigen Äußerungen Ihres Vorgängers, Prof. Dr. Helmut Digel, beleuchten das auf besondere Art („DLV-Präsident verteidigt die Einstellung von Skandal-Trainer Thomas Springstein“ sid, 13. Februar 1999, 00:00 Uhr; „Es wurde noch nie so viel betrogen“ stb, 18.06.2009; „Der Kampf gegen Doping ist gescheitert“ NZZ, 8. Juli 2009) .
5. Ob Dopingprävention sportartspezifisch sein kann und muss, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden – hierzu sind sich Experten einig. Die Tätigkeit des Zentrums für Dopingprävention Heidelberg kann umfangreich belegt werden, ist national und international anerkannt und braucht keinen Vergleich zu scheuen. Der DLV könnte die von verschiedenen Seiten sehr gelobte und von dsj/DOSB empfohlene Konzeption, die wir in Kooperation mit dsj und BdR („GATE“) entwickelt haben, übernehmen. Einst hat zumindest die Antidoping-Verantwortliche des DLV, Dr. Anne Jakob, unsere Präventionsbroschüre „Sport ohne Doping“ sehr gelobt.
6. Übrigens haben an den Präventionsveranstaltungen, die wir im Auftrag von dsj/DOSB und in Kooperation mit der NADA für Landessportbünde durchgeführt haben (Multiplikatorenschulung), auch Leichtathleten teilgenommen. Diese können Sie gerne zur Qualität unserer Veranstaltungen und unserer Präventionskonzeption befragen.
7. Die Vergabe eines bezahlten DLV-Auftrags an ein vormaliges Präsidiumsmitglied (und hausinterne Weitergabe an Ansgar Thiel) berührt eigenartig, vor allem wenn Sie als Präsident eine DLV-offizielle Verlautbarung im Leichtathletik-Newsletter vom 1.5.2009 in Abrede stellen und mir mangelnde Recherchefähigkeit unterstellen. Ansgar Thiel, den ich sehr schätze, ist mir als Spezialist in Sachen Dopinggeschichte und Dopingprävention bisher nicht bekannt.
8. Vielleicht ist Ihren Recherchen bis heute entgangen, dass meinem Koautor Andreas Singler trotz der Erlaubnis durch den damaligen Präsidenten Digel die Einsicht in das DLV-Archiv verwehrt wurde.
9. Der frühere DLV-Präsident Munzert ist übrigens im Jahr 2000 gestorben; es würde dem also nichts entgegen stehen, einen Preis für die Arbeit an der Glaubwürdigkeit der Leichtathletik mit seinem Namen zu verbinden.
10. Ich hoffe, dass ich damit meine Recherche-Fähigkeiten auch in Ihren Augen zufrieden stellend nachgewiesen habe.
Sie werden mir zugestehen, dass diese Erfahrungen der letzten Jahre und Jahrzehnte bei mir Spuren hinterlassen haben. Ein Verband, der trotz vorhandener Kenntnisse Personen wie Thiele oder Schubert gehalten hat und andere hält, andererseits aber Kritiker ausgrenzt, arbeitet aus meiner Sicht nicht ausreichend an seiner Glaubwürdigkeit.
Mit freundlichen Grüßen!
(Prof. Dr. Gerhard Treutlein)