Uwe Beyer, Hammerwerfen
Göttinger Tageblatt, 10.3.1977:
Uwe Beyer hatte kürzlich Anatoli Bondartschuk (UDSSR) zu Gast, den Olympiasieger von 1972 und Olympiadritten von 1976 im Hammerwerfen. Er ist seit wenigen Monaten Cheftrainer der sowjetischen Hammerwerfer.
„Er hat mir durch die Blume zu verstehen gegeben, daß Gamski und Chmelewski (Olympiadritter 1972) kaputt seien. Sie tranken auch noch viel Alkohol und haben jetzt schwere Leberschäden. Die Russen besitzen so viele gute Werfer, daß es gar nicht auffällt, wenn welche wieder verschwinden.“
Uwe Beyer startete in den 1960er Jahren für Holstein Kiel und Bayer 04 Leverkusen, 1971 für den USC Mainz. 1964 gewann er bei den Olympischen Spielen in Tokio die Bronzemedaille, 1971 siegte er bei der Leichtathletik-Europameisterschaft in Helsinki. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München belegte er den 4. Platz. Über einige Jahre hielt er den Weltrekord.
Während im wiedervereinten Deutschland die Auseinandersetzung um das DDR-Erbe schwelte und auch das Doping im Westen während der vergangenen Jahrzehnte ins Visier geriet, verstarb am 15. April 1993 Uwe Beyer im Alter von 48 Jahren an einem Herzinfarkt. Die Obduktion erbrachte Hinweise auf langjährigen Anabolikamissbrauch.
Als nach den Olympischen Spielen 1976 eine breite öffentliche Dopingdiskussion entbrannte, gehörte Uwe Beyer zu den Sportlern, die sich zu ihrem eigenen Anabolika-Konsum bekannten. Am 5. März 1977 gab er diesen im „Aktuellen Sportstudie“ des ZDF mit Harry Valerien zu und zeigte dem Moderator zum Beweis ein Rezept für Deca-Durabolin, ausgestellt von Prof. Joseph Keul. (>>> Diskussionen im aktuellen Sportstudio, 5.3. und 26.3.1977)
Am 10.3.1977 brachte das Göttinger Tageblatt genauere Angaben. Beyer hatte dem Journalisten Robert Hartmann im Detail von seinem Dopingkonsum und den damit verbundenen Nebenwirkungen erzählt.
Mit dem Anabolikadoping (Fortabol) hatte Beyer vor den Spielen in Montreal 1976 auf eigene Initiative begonnen. Als Grund gab er an, dass er befürchtet hatte sich ohne Doping nicht für die Spiele qualifizieren zu können.
„Dabei habe ich mir bewußt eine positive Grundtendenz zurechtgelegt nach dem Muster: ‚Die anderen nehmen es ja auch alle.‘ Ich habe sofort gemerkt, daß ich Anabolika nahm. Plötzlich wog ich über 120 Kilogramm. Mein Normalgewicht liegt bei 107 bis 108 . Ich erlebte einen sprunghaften Anstieg der Kraftleistungen. Beim Training wurde ich einfach nicht mehr müde. Immer hätte ich Bäume ausreißen können. das ist etwas, was ich als sehr angenehm empfunden habe in diesem Taumel“
Anfangs habe er nur geringe Mengen genommen, 6 Milligramm täglich während der ersten zwei Wochen, später erhöhte er auf 12 und 18 Milligramm. Dosen von denen Sportärzte angeblich sagten, sie seien unschädlich. Nach der ersten ‚Kur‘ von vier Wochen setzte er, aus gesundheitlichen Gründen notwendig, die Hormone für einige Zeit ab. Doch bereits während dieser ersten Pause stellte er Entzugserscheinungen fest.
„Nach drei Tagen war alles weg. Ich war lustlos, depressiv, ja es ging hin bis zur Hoffnungslosigkeit und Resignation. Ich litt regelrecht unter Entzugserscheinungen wie ein Drogenabhängiger. Und dabei hatte ich nur geringe Dosen genommen. Andere nehmen bis zu vierzig. Wenn ich allein im Zimmer war, hatte ich das Gefühl, wie im Gefängnis zu sitzen und nicht ausbrechen zu können.“
Laut Beyer, riet Arzt Keul zwar nach der Schilderung der Nebenwirkungen dazu, das Zeug abzusetzen, gab ihm aber ein Privatrezept für das an Nebenwirkungen ärmeren Deca-Durabolin.
Prof. Keul distanzierte sich von der Aussage Anabolika verschrieben zu haben.
„Und was heißt hier behandelt? Er kam 500 km weit angereist, um sich von mir beraten zu lassen. Ich habe ihn nie behandelt, ich habe ihm nur Literatur gegeben, freundlicherweise auch ein damals noch unveröffentliches Manuskript von mir. Beyer ist doch intelligent genug, selbst seine Schlüsse zu ziehen. Es sind zu mir schon Athleten gekommen, die täglich 30 Pillen geschluckt haben.“ (die Welt, 9.3.1977)
1992 rechtfertigte der Sportmediziner seine Anabolikarezeptur für Beyer mit den von diesem beschriebenen Nebenwirkungen. Er hätte nur versucht damit dem Sportler den Übergang hin zur Entwöhnung zu erleichtern. (Anwaltsschreiben an Berendonk, 14.2.1992). Allerdings hatte er laut Brigitte Berendonk 1977 ihr gegenüber öffentlich heftig bestritten, Anabolika hätten Abhängigkeit und Entzugserscheinungen zur Folge. (Berendonk, Doping, S. 277/278)
1977 wurde gegen Uwe Beyer ein Verbandsstrafverfahren eingeleitet, er trat aus dem USC Mainz aus und damit aus dem DLV und wurde daraufhin nicht mehr belangt. Zuvor hatte er
„dem DLV-Vorstand Mitwisserschaft bei der Einnahme von Dopingmitteln durch die Spitzenathleten vorgehalten und ihm deshalb das Recht von Sportgerichtsverfahren abgesprochen“. (SZ, 27.10.1977)
„Das beim Landesverband Rheinhessen eingeleitete Verbandsstrafverfahren gegen den Bronzemedaillengewinner und Europameister im Hammerwerfen wurde von Anfang an vom Vorsitzenden dieses Landesverbandes, Oehlenschläger, kritisiert: „Ich spreche dem DLV infolge seiner Mitwisserschaft über die Anabolika-Fütterung das Recht ab, Jagd auf seine Athleten zu machen!“ (Brigitte Berendonk, 31.12.1977)
„Ein Freund von mir, Uwe Beyer, ist ein Star geworden, hat einen Weltrekord im Hammerwerfen aufgestellt und hat den Siegfried im Nibelungen-Film gespielt. Er hat ganz früh mit Doping gefangen – und ist sehr früh gestorben.
Haben sie mitbekommen, dass er gedopt hat?
Ja, das war nicht zu übersehen.
Aber Sie haben nicht mit ihm darüber gesprochen?
Nein, das war ein offenes Geheimnis, über das man nicht sprach.
Darüber gesprochen hat später auch der DLV nicht. Das Verbandsmagazin ‚Leichtathletik‘, Ausgabe 16-1993, erwähnte in seinem Rückblick auf das Leben und die Erfolge des Athleten mit keinem Wort dessen Dopingvergangenheit.
Aber der Tod des Athleten wurde und wird offen mit dem Konsum der anabolen Steroide in Zusammenhang gebracht.