Doping: Trainer Heinz Hüsselmann

BRD / DDR – Vergangenheit

Trainer Heinz Hüsselmann

Der TV Wattenscheid geriet Anfang der 1990er Jahre in die Dopingschlagzeilen. Am 10. Dezember 1990 berichtete der Spiegel über Dopingvorwürfe gegenüber dem zeitweiligen DLV-Bundestrainer Heinz Hüsselmann, Manager und Trainer des TV Wattenscheid, die auf die Jahre 1985 und 1986 zurückgingen und bis dato öffentlich nicht bekannt geworden waren.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte 1986 gegen den Trainer ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz eingeleitet. Hintergrund war eine Anzeige, die Hürdensprinterin Brigitte Gerstenmaier zusammen mit ihrem Verlobten Thomas Grönich vorgebracht hatte. Gerstenmeier hatte Hüsselmann vorgeworfen, von diesem gegen ihren Willen anabole Steroide bekommen zu haben.

Brigitte Gerstenmaier war seit dem Winter 1984 Hürdensprinterin beim TV Wattenscheid. Seit Juni 1985 wurde sie vom Leichtathletiktrainer Heinz Hüsselmann betreut. Noch vor Weihnachten habe Hüsselmann, so Brigitte Gerstenmaier, ihr Tabletten gegeben, „mit der Bitte, diese in der Folgezeit einzunehmen“. Sie seien eine „wichtige Ergänzung zur normalen Ernährung“. Die Pillen waren „nicht in ihren Originalpackungen, sondern einzeln“ in einer „extra dafür vorgesehenen Dose untergebracht“. In dem Tablettenkästchen von „ca. 15 x 20 cm, innen versehen mit einer Einteilung nach Wochentagen und Tageszeiten“ (Grönich), befanden sich neben bekannten Vitaminpräparaten auch „kleine weiße Tabletten, die ich nicht kannte“. Hüsselmann habe ihr erklärt, es handele sich um „ein Präparat zur Verbesserung der Nervreizleitung“.

Der Trainer versorgte die Athletin jeweils mit Tabletten für eine Woche. In einem Schrank in seinem Büro des Wattenscheider Leistungszentrums an der Lohrheidestraße, so Brigitte Gerstenmaier, befand sich ein „relativ großer Plastikbehälter, gefüllt mit entsprechenden Tabletten“. Daraus wurde „das Tablettenkästchen stets aufgefüllt“.

Die Zahl der kleinen weißen Tabletten nahm ständig zu: „Im Winter waren es täglich erst zwei, dann drei ,kleine weiße‘ und zum Frühjahr dann vier bis sechs.“ Grönich, dem als Arzt und aktivem Leichtathleten „das Aussehen von Anabolikapräparaten bekannt war“, sprach seine Verlobte mehrfach darauf an, daß ihr unter Umständen Steroide verabreicht würden.

Doch Brigitte Gerstenmaier beruhigte ihn. Hüsselmann habe ihr auf Anfrage bestätigt, daß es sich „sämtlich um harmlose Vitamin-Präparate handelt“. Sie „vertraue“ ihrem Trainer, weil der, „wenn das Gespräch unter uns Sportlern auf Anabolika kam, sich immer strikt gegen diese Präparate aussprach“ und sie „für sinnlos“ hielt.

Im Mai 1986 bemerkte Brigitte Gerstenmaier „Veränderungen“ an ihrem Körper: eine ausgeprägtere Muskulatur, eine „insbesondere morgens rauhe und dunklere Stimme“, erhöhte Leistungsfähigkeit. Und schließlich stellte sie „in der Zeit der Einnahme der Tabletten eine Steigerung der Libido fest“. (Der Spiegel 10.12.1990)

Thomas Grönich ließ die Pillen überprüfen. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um das Anabolikum Methandienon (Dianabol) handelte, das in der BRD nicht mehr hergestellt und vertrieben wurde.

Nach Singler/Treutlein (Doping im Spitzensport, S. 265) handelte sich hierbei um sehr hochdosierte Anabolikamengen (Dianabol), die über den Dosen lagen, die von vielen männlichen Athhleten genommen wurden.

Der Arzt informierte Deutschlands obersten Dopingfahnder Manfred Donike und wollte wissen, was zu tun sei. Dieser riet ihm, sich an den Generalsekretär des Deutschen Sportbundes, Karlheinz Gieseler zu wenden. Was er tat. Gerstenmeier und Grönig brachten die Sache auch bei der Kriminalpolizei in Bochum vor und gaben verschiedene Pillen zur weiteren Untersuchung ab, das Dianabol wurde bestätigt. Einige Zeit später erstattete die Sportlerin Anzeige. Eine Anzeige, von der Hüsselmann behauptete, Gerstenmeier hätte gestanden, diese sei auf Druck eines Kriminalbeamten erfolgt. Die Sportlerin selbst hielt sich zurück und machte keine weiteren Angaben. Sie wollte das mühsam wieder aufgebaute Vertrauensverhältnis zu dem Trainer nicht gefährden.

Hüsselmann leugnete jegliches bewusstes Doping und wie die Kraftpillen in den Dosierspender gekommen seien, wisse er nicht.

Die Staatsanwaltschaft stellte am 29. Januar 1988 das Verfahren ein.

„Gegen den Beschuldigten spräche zwar „ein gewisser Verdacht, schuldhaft Anabolika an Sportler, so auch an die Zeugin Grönich, verabreicht zu haben“. Dieser Verdacht habe sich aber nicht „mit letzter Sicherheit beweisen“ lassen. Hüsselmann habe sich „unwiderlegt darin eingelassen“, daß er nicht sagen könne, „wie auch anabolikahaltige Mittel in den Dosierspender hineingekommen seien“.

Die „Einstellungsnachricht an den Beschuldigten Hüsselmann“ wird ausdrücklich mit dem Zusatz versehen: „Die Einstellung des Verfahrens erfolgte, da nicht mit letzter Sicherheit nachzuweisen war, daß die anabolikahaltigen Präparate von Ihnen stammten.“

Hüsselmann selbst stellte keine Anzeige gegen Unbekannt. DLV-Untersuchungen zu dieser Sache soll er umgangen haben, indem er aus dem TV Wattenscheid austrat. Äußerungen der Vereinsspitze und Reaktionen aus dem DSB und DLV sind mir zu dieser Causa nicht bekannt. Wenig später konnte Hüsselmann jedenfalls seine Vereinstätigkeit fortsetzen. Brigitte Gerstenmeier wurde Honorartrainerin und persönliche Referentin ihres ehemaligen Trainers und Managers Heinz Hüsselmann, mit dem sie zudem einen persönlich enge Beziehung einging.

Vieles deutet daraufhin, dass neben Gerstenmeier noch andere Sportlerinnen und Sportler mit illegaler Leistungssteigerung durch Heinz Hüsselmann in Berührung kamen. Noch während dieses Verfahren um Sportlerin Gerstenmeier in den Anfängen sreckte, machte der Trainer offenbar einer weiteren Sportlerin gegenüber Dopingangebote. So hat er Läuferin Ute Thimm im Herbst 1986 vorgeschlagen, sich mit unerlaubten Mitteln auf die Saison vorzubereiten. Mit einem neuen Mittel könne sie ihr Leistungsniveau signifikant verbessern. Dies sei nötig um in der Weltspitze mithalten zu können. Er nannte sogar Namen von Sportlerkollegen, denen er entsprechend geholfen habe und betonte auch bei Frauen habe er entsprechende Erfahrungen. (der Spiegel, 10.12.1990) Ute Thimm wiederholte ihre Vorwürfe 1991 in der Westdeutsche Allgemeinen Zeitung, die in der Süddeutschen Zeitung vom 21.5.1991 wie folgt zitiert werden:

„Hüsselmann bietet den Sportlern leistungsfördernde Mitteln an.“ Die heutige Sprinttrainerin der Siebenkampf-Europameisterin Sabine Braun erklärte, daß Hüsselmann ihr im Herbst des Jahres 1986 selbst Dopingmittel angeboten habe. Als sie abgelehnt habe, sei die Zusammenarbeit abrupt zu Ende gewesen. Selbst Vereinsgelder, die ihr zustanden, seien ihr nicht mehr ausgezahlt worden.

„Hüsselmann hat immer mit Doping gearbeitet“ und „Ich kann auf Anhieb 15 Sportler nennen, die Doping genommen haben“ sind unüberbietbare klare Worte. … „Herr Hüsselmann soll mich doch verklagen, dann kommt es wenigstens zu einer offiziellen Gerichtsverhandlung. Dann muß endlich die Wahrheit vor Zeugen auf den Tisch“ „

Hüsselmann reagierte nicht. Er meinte lediglich „er sei es leid, „mich immer gegen diese Vorwürfe wehren zu müssen“, um dann den Spieß umzudrehen und sich als Förderer eines „lupenreinen Sports“ darzustellen. (Süddeutsche Zeitung, 21.5.1991).

VEREINSINTERNA

Hüsselmann war kein Einzelkämpfer beim TV Wattenscheid. Zehnkämpfer Holger Schmidt berichtete A. Singler/ G. Treutlein in einem Interview, wie er nach Wattenscheid ging um eine bessere Betreuung zu erhalten. Der angesagte Trainer war Peter Hunold, der 1979 aus der DDR geflüchtet war und im Westen dem Doping nicht abgeneigt gegenüber stand.

„Offiziell hat keiner was genommen, das ist ganz klar. Und so war auch die Haltung der Vereinsführung. Ich weiß aber noch, damals war ein Europacup in Madrid, Vereins-Europacup, und ich war gerade in der Vorbereitung auf irgendeinen Zehnkampf, und ich sollte in Madrid im Einzel starten über 110 Meter Hürden. Und ich habe gesagt, ich kann nicht starten da, ich bin hier schon wieder drin (gemeint ist eine Anabolikakur, d. V.). So habe ich mit dem geredet (einem Vereinsfunktionär, d. V.). Sagt er: Da wird nicht kontrolliert, du kannst da ruhig starten.“ (>>> Holger Schmidt)

A. Singler und G. Treutlein zitieren noch einen weiteren Zeitzeugen, einen ehemaligen Trainer, der ihnen gegenüber folgende Aussagen gemacht hatte:

„Ich habe noch zwei Jahre in … (Name der Stadt) trainiert, da war auch der … (Name des Athleten) dabei. Der kam im Verein nicht zurecht. Ich sagte ihm, ich rate von einer Veränderung ab, weil er sich als Bayer woanders nicht wohl fühlen würde. Da oben gibt es Wattenscheid und Leverkusen. Aber du kommst sofort wieder zurück. Er kam zurück und sagte, in Wattenscheid war er nur eine Viertelstunde drin, da ist er wieder nach Hause gefahren. Er wurde angesprochen: … Eine Frage an Sie, die für uns sehr entscheidend ist: Sind Sie auch bereit, Medikamente einzunehmen, die zu einer besseren Leistung führen? … (Name des Athleten) sagte: Da habe ich gezuckt, habe gesagt ’nein‘, bin aufgestanden und nach Hause gefahren. Das war in den 80er Jahren, ’81, ’82 muß es gewesen sein.“ (Singler/Treutlein, S. 263ff)

OHNE FOLGEN

Die gegen Hüsselmann vorgebrachten Anschuldigungen waren keine Lapalien. Doch für Untersuchungen des DLV in den 1980er Jahren reichten die staatsanwaltlichen Ermittlungen offenbar nicht. Von sportrechtlichen Schritten ist nichts bekannt. Hat der DLV überhaupt reagiert? Hat er nachgefragt? Hüsselmann hatte jedenfalls in den Folgejahren einige Funktionen im Namen des DLV inne.

1990/91 musste der DLV dann aber in einer anderen Sache reagieren. Die Diskussion um das Dopingerbe der DDR und damit um die Dopingbelastung der wichtigsten Trainer und Athleten hatte auch die Dopingvergangenheit des Westen in den Fokus gerückt. Kommissionen wurden gebildet, die die offenen Fragen beantworten sollten. Wir wissen heute, dass dies nicht gelang.

Im April 1991 beschloss der Rechtsausschuss des deutschen Leichtathletikverbandes Verfahren gegen drei bekannte DLV-Persönlichkeiten einzuleiten. Die Ereignisse lagen z. T. viele Jahre zurück bzw. erstreckten sich über viele Jahre. 400m-Bundestrainer >>> Jochen Spilker (Hamm), Diskus-Bundestrainer >>> Karlheinz Steinmetz (Dieburg) und Heinz Hüsselmann (Wattenscheid) wurden des Dopings beschuldigt. Hüsselmann wurden nicht die bekannt gewordenen Ereignisse um die Sportlerinnen Gerstenmeier und Thimm angelastet, sondern die Anti-Doping-Kommission des DLV bemängelte,

„durch seine falsch verstandene Rolle als Koordinator für Doping-Kontrollen im Olympia-Stützpunkt Ruhr Ost habe er dort bisher alle Tests der Athleten verhindert.“ (FAZ, 23.4.1991)

Anfang Dezember 1991 war für Hüsselmann auch dieses Problem ausgestanden. „Aus formellen Gründen“ wurde das Verfahren eingestellt. Laut Regelwerk des IAAF

„hätte erst ein Beschluss oder eine Entscheidung über eine formelle Untersuchung oder Sanktionen des DLV-Präsidiums im „Fall Hüsselmann“ vorliegen müssen, bevor dieser dem Gremium vorgelegt wird.“ (FAZ, 5.12.1991)

SPORTMANAGER HÜSSELMANN

„Hüsselmann hat in Mainz Sport studiert, war schon mit 20 Jahren Trainer, bis ihn einer der bedeutendsten Sportmäzene in Deutschland, der Modefabrikant Klaus Steilmann, zum TV Wattenscheid holte, wo er bis 1997 Manager und Cheftrainer war. Hier kümmerte er sich nicht nur um den Hochleistungssport, sondern auch um den Nachwuchs, baute ein Jugendinternat auf. Diesen Spagat zwischen Spitzensport und Jugendförderung praktiziert Hüsselmann bis heute aus Leidenschaft.“
Niederelbe Zeitung, 12.9.2002

Heinz Hüsselmann war bis 1997 Manager und Cheftrainer beim TV Wattenscheid wo er auch für den Jugendsport engagiert war. Ab 1997 machte er sich als Sportmanager selbstständig, u.a. organisierte er über die Jahre als Meetingdirektor das Askina-Sportfest in Kassel.

bmw-hannover.de, Ausgabe 2/2007:

Was begeistert den Menschen Hüsselmann an der Leichtathletik?

Heinz Hüsselmann: Ich war ja früher Bundestrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Das verbindet einen ein Leben lang mit dem Sport. Dass ich nun die Chance habe, einem breiten Publikum die Faszination dieser Sportarten zu vermitteln, macht mich unglaublich stolz.

Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade Leichtathletik-Veranstaltungen organisieren?

Heinz Hüsselmann: Ich bin unter anderem Olympiabeauftragter der Stadt Cuxhaven. Wir bewerben uns um die olympischen Segelwettbewerbe 2012. Und ich denke, wir haben gute Chancen. So ganz ohne Sport geht es wohl nie bei mir.

Cuxhavener Nachrichten, 17.7.2002:

„Viele Menschen neigen dazu, jede gute sportliche Leistung in Verbindung mit Doping zu bringen“, sagt Heinz Hüsselmann, Veranstalter des Sportfestes „Weltklasse hinterm Deich“. Man ist für eine strikte Haltung und strenge Regeln, die auch beim Cuxhavener Sportfest umgesetzt werden.

„Es ist natürlich besser, wenn keiner auffällt. Doch wenn jemand auffällt, dann weiß man zumindest, dass kontrolliert wird“, so Hüsselmann, der mit dem am Sonnabend auf dem Strichweg-Sportplatz stattfindenden Leichathletik-Sportfest zu den erfolgreichsten zehn Meetings bundesweit gehört. Diese Top-Ten haben sich zusammengeschlossen unter dem Begriff „German Meetings“.

Der Bochumer Sportfest-Veranstalter hat für seine insgesamt drei Top-Platzierten mit Klaus Wengoborski einen der renommiertesten Doping-Kontrolleure engagiert.

Monika 2011