31.5.1994 Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“
Im Mai 1992 wurde eine Enquete-Kommission eingesetzt, mit dem Ziel ‚die Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland‘ zu leisten.
Am 31. 05. 94 wurde der Bericht der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ (Drucksache 12/7820) vorgelegt. Darin wird auch das DDR-Dopingsystem erwähnt und analysiert.
Zusammenfassend heißt es unter 7.4. Doping im DDR-Leistungssport:
Nach dem Ende der DDR konnten trotz umfangreicher Dokumentenvernichtungsaktionen bisher noch über 150 eindeutige und in ihrer Qualität unanfechtbare Schriftstücke zur Dopingpraxis im Sport der DDR sichergestellt werden. Sie waren meist als „Vertrauliche Verschlußsachen“ (VVS) bzw. „Vertrauliche Dienstsachen“ (VD) geführt und beweisen ein umfangreiches, staatlich angeordnetes und gelenktes Dopingsystem im DDR-Sport spätestens seit 1967. Seit Anfang der siebziger Jahre wurden Dopingmittel von der DDR-Regierung und ihrem Sportmedizinischen Dienst Jahr für Jahr in den meisten Sportarten und bei Tausenden von Sportlern zur Leistungssteigerung benutzt. Schädliche Nebenwirkungen wurden in Kauf genommen und z. T. sogar in den Berichten verzeichnet. In der Regel erfolgte keine Aufklärung der Sportler über die Natur der Dopingmittel und die Nebenwirkungsrisiken; die Betroffenen mußten sich vielmehr zu strenger Geheimhaltung verpflichten. Der durch Doping erzielte Leistungszuwachs wurde systematisch ausgewertet. Besondere Forschungsprojekte befaßten sich mit der Entwicklung von Methoden zum „Unterlaufen“ der internationalen Dopingkontrollen; einige dieser Betrugsmethoden sind schließlich routinemäßig eingesetzt worden. Der systematische Verstoß gegen die Regeln des internationalen Sports sowie der ärztlichen und wissenschaftlichen Ethik, aber auch gegen Gesetze der DDR, wurde durch Sprachregelungen verschleiert und mit der politischen Zielsetzung und der weltanschaulichmoralischen Überlegenheit des eigenen politischen Systems begründet [–> Franke, de Marées, Pickenhain, Kruczek, Protokoll Nr. 35 des Sportausschusses].
Das vereinte Deutschland nutzt zwar Hochleistungserfolge aus der DDR-Substanz, muß aber noch auf Jahrzehnte hinaus die Schulden in Milliardenhöhe bezahlen, die das Sportregime der SED hinterlassen hat. Vor allem aber bleibt die kaum meßbare Schuld an seelischen Schäden und Verkrümmungen, die Funktionäre und Mediziner den Sportlern zugefügt haben. Die Verstrickungen von Athleten, Trainern, Wissenschaftlern und Funktionsträgern mit dem MfS und den geheimen, von der Partei- und Sportführung angeordneten Doping- und Manipulationspraktiken gehören neben dem geduldeten Verrottungsprozeß der Sportstätten zu den Relikten, die den reibungslosen Vereinigungsprozeß zweier unterschiedlicher Sportorganisationen am meisten belasten. Dazu gehört im übrigen auch das oktroyierte Unschuldsbewußtsein.
Den in die deutsche Einheit hineinwirkenden internationalen Erfolgen von Sportlern, deren Karriere in der DDR begonnen hatte, stehen zahlreiche bittere Hinterlassenschaften gegenüber:
… — Leistungsdefizite und beeinträchtigte Vorbildfunktionen durch Dopingpraktiken
— Aufklärung und Aufarbeitung der Verstrickungen von Athleten, Trainern, Wissenschaftlern und Funktionsträgern über die von der Partei- und Sportführung der DDR angeordneten Doping- und Manipulationspraktiken, die berücksichtigen, daß solche Praktiken nicht nur in der DDR existierten.
Als Opfer des DDR-Regimes werden auch Opfer durch Doping genannt und mögliche finanzielle Entschädigungen skizziert:
Es ist, wenn möglich, aus Mitteln von Institutionen der früheren DDR ein Fonds einzurichten, der auf unbürokatische Weise bei Härtefällen Not zu lindern versucht und spezifisch Benachteiligten, für deren Ansprüche es [noch] keine rechtliche Grundlage gibt, hilft. Zu denken ist auch an Opfer des Dopings im DDR-Sport.