DLV Dopingvergangenheit
Manfred Ommer, Sprint
Der für den Verein Bayer 04 Leverkusen startende Sprinter Manfred Ommer, 1950 geboren, war mehrfacher Deutscher Meister über 100 und 200m, Vize-Europameister über 200 Meter und Halbfinalist bei Olympia 1972 in München. 1974 überraschte er mit der Superzeit von 10,0 Sek. über 100m. 1975 beendete er seine Leichtathletikkarriere. Mitte der 1980er Jahre bis 1994 leitete er als Präsident den Fußball-Club 08 Homburg und verhalf diesem kleinen Verein den Aufstieg in die 1. Bundesliga.
Im März 1977 erklärte Manfred Ommer gegenüber der Tageszeitung die Welt, dass er in seiner aktiven Zeit mit Anabolika gedopt hatte. Sein Vizeeuropameistertitel wären diesem Doping geschuldet. Er übernahm dafür die Verantwortung, gab aber gleichzeitig zu verstehen, dass Ärzte, Trainer und Funktionäre das Spiel mitspielten.
„Was zählt, ist nur der Erfolg. Der Athlet will gewinnen, und alles, was ihm dabei hilft oder auch nur Hilfe verspricht, ist gut und muß zumindest ausprobiert werden. Ein Mannschaftsarzt, der einem Athleten eine Apfelsine in die Hand drückt und ihn mit dem guten Rat in den Wettkampf schickt, sich noch einen Apfel zu kaufen, ist die längste Zeit Mannschaftsarzt gewesen.. Dafür sorgen die Athleten selbst…. Und der Arzt, von dem ich die richtigen Pillen habe, hat ja auch an der Dopingliste mitgearbeitet….“ Vor dem Training schluckte er täglich 15 bis 20 Milligramm, wobei eine Pille 5 Milligramm Steroide enthielt. 100 Pillen kosteten 87 DM. (die Welt, 15.3.1977)
Im Aktuellen Sportstudio unter Leitung von Harry Valérien (Teilnehmer, Berendonk, Ommer, Schmidt, Keul) wiederholte er kurze Zeit später seine Aussagen, wobei er auch andere Sportler/innen belastete. Insbesondere die Sprinterinnen Annegret Richter und Inge Helten sahen sich an den Pranger gestellt.
Diese ZDF-Sendung schlug hohe Wellen. Brigitte Berendonk hatte harte Vorwürfe vorgebracht, Manfred Ommer und Walter Schmidt untermauerten diese durch Geständnisse und Prof. Joseph Keul räumte ein, Anabolika zu verschreiben „um Schäden durch eine unkontrollierbare Selbstmedikation zu vermeiden“. (FAZ, 26.3.1977)
Aufgrund der Vorfälle anlässlich der Olympischen Spiele in Montreal 1976 und der sich anschließenden Diskussion sah sich der Sportausschuss des Deutschen Bundestages gezwungen, das Thema aufzugreifen. Am 28.9.1977 wurde zu einer >>> Öffentlichen Anhörung von Sachverständigen geladen. Manfred Ommer und Thomas Wessinghage vetraten dabei Sportler der Leichtathletik. Erneut nahm Ommer kein Blatt vor den Mund.
„Es wurde heute auch gesagt, sie [die Anabolika] seien verschreibungspflichtig. Das heißt: Wie ist es denn überhaupt möglich, daß ein so großer Teil der Athleten mit so Großen Mengen arbeiten kann? Wo kommen denn die Anabolika her, wenn die Ärzte keine Rezepte dafür ausstellen? Man liest sehr wenig von Einbrüchen in Apotheken. (Heiterkeit)
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Mittel aus Einbrüchen stammen. Die Frage ist , woher sie kommen. Eine Möglichkeit ist, daß sie die Ärzte verschreiben. Es ist mittlerweile auch nachgewiesen, daß Ärzte, die auch hier heute anwesend sind, Anabolika verschrieben haben. Die Rezepte sind zum Teil noch im Umlauf.
Zum anderen werden Anabolika auf dem Trainingsplatz wie Dornen für Spikes oder sonst etwas gehandelt. Vertreter der pharmazeutischen Industrie bieten diese Sachen an, Sie sind dann natürlich teurer als bei Rezepten, weil das Rezept vielleicht nur die Gebühr kostet, während die Pillen auf dem Trainingsplatz schwarz teurer sind.“
Zuvor wurde Manfred Ommer in der Presse zitiert mit der Aussage 90% der Athleten seien mit Anabolika gedopt. In der Anhörung präzisierte er diese Zahl dahingehend, dass er damit nur die Sportdisziplinen meinte, in denen Anabolika überhaupt Sinn machten, explizit nahm er Langstreckenläufer aus. Er deutete jedoch an, dass die Athleten von ihrer Umgebung wenig Einhalt geboten werde.Unterstützt wurde er von Thomas Wessinghage, der ebenfalls davon ausging, dass in Kraft- und Schnellkraftdisziplinen 90% der Athleten gedopt seien.
„Wenn z. B. in Mannschaftsbesprechungen von Verbänden Ärzte das Wort erteilt bekommen und dann mitteilen, daß der nächste große internationale Wettkampf an dem und dem Tag beginnt und daß man erfahrungsgemäß in einem bestimmten Zeitraum vorher die Anabolika absetzen muß, damit nan nicht auffällt, dann sollte das doch auch wiederum zu denken geben, inwieweit hier dem Athleten überhaupt nur der kleinste Druck oder Anstoß gegeben wird, von den Anabolika abzulassen.
Es gibt doch in der näheren Umgebung des Athleten überhaupt keine Stelle, die ihm von Anabolika abrät. Sollte ein Athlet tatsächlich Bedenken haben, gibt es sogar dann noch Ärzte, die sagen: Es ist überhaupt noch gar nicht festgestellt, ob Anabolika schädlich sind. Es werden also eventuelle Bedenken von Athleten teilweise sogar ausgeräumt. Aber es werden gegenüber dem Athleten kaum Bedenken erhoben.“
Ommer kündigte eidesstattlich untermauerte Dopingvorwürfe gegen DLV-Sprintertrainer >>> Wolfgang Thiele an.
„… daß Herr Thiele, der Trainer des Deutschen Leichtathletikverbandes, mit den Sprinterinnen – und hier haben wir ein besonderes Kapitel der Anabolika-Szene, nämlich Anabolika für Frauen – also mit den Sprinterinnen in Berlin Trainingslehrgänge abgehalten hat, wozu er einen Herrn Dr. Maidorn hinzugezogen hat, der Vorträge über Anabolika gehalten hat, Anabolika in Form von Spritzen an die Mitglieder der Silbermedaillen-Staffel von Montreal verabreicht hat.“
Es handelte sich hierbei um >>> Annegret Kroniger, die bekannte zu den Olympischen Spielen 1976 gedopt gewesen zu sein.
Gegen den nicht mehr aktiven Manfred Ommer wurde aufgrund seines Geständnisses vom zuständigen Landesverband Niederrhein ein Sportrechtsverfahren eröffnet, das Mitte 1977 eingestellt wurde.
„DLV-Funktionäre haben mir geraten, keine weiteren Angaben zu machen, weil dies für einige Kollegen unangenehm werden könnte“, äußerte Manfred Ommer nach der Verhandlung.“ (B. Berendonk, 31.12.1977).
Der DLV ging angeblich laut Präsident Kirsch in Revision, doch eine Verurteilung kam nicht zustande.
Manfred Ommer blieb sich auch in späteren Jahren treu. Als 1994 Edwin Klein sein Buch ‚Rote Karte für den DFB‘ veröffentlichte und darin Doping im Fußball anprangerte, bestätigte der ehemalige Sprinter und jetzige Fußballclubpräsident Doping in dieser Mannschaftssportart. (Doping im Fußball (BRD)). Aufgrund der Vorwürfe musste er dann allerdings seinen Präsidentenposten räumen (SZ, 10.3.1994).
rhein-berg-online.de, 13.9.2010:
Manfred Ommer spricht sich seit vielen Jahren für eine Freigabe bei Erwachsenen aus. „Wenn mir damals jemand gesagt hätte: Du wirst Olympiasieger, aber du lebst zehn Jahre weniger – ich hätte unterschrieben.“ Er habe Anabolika genommen, was damals nicht verboten gewesen sei. Die Dopingdiskussion findet er „verlogen“. Die Zuschauer auch. „Die pfeifen doch gnadenlos, wenn der Erfolg nicht da ist“, sagt er, „auch wenn die Sportler stattdessen noch so sauber sind.“
Manfred Ommer möchte Doping freigeben, zumindest im Jahr 2000 trat er dafür ein. Die Argumentation gleicht der, wie sie schon in den 1970er Jahren von vielen, besonders auch von Ärzten vorgebracht wurde:
„Doping ist für Ommer im Sport also etwas Alltägliches. Deshalb sei es wichtig, Doping zu legalisieren: „Es ist eine grausige Vorstellung, dass Sportler, so wie es bei der Tour de France 1998 geschehen ist, in Handschellen abgeführt werden – wie Kriminelle.“ … Auf diese Weise würden lebensgefährliche Überdosierungen bei der Einnahme von Doping-Substanzen verhindert. Ommer: „Jetzt nehmen die Sportler die Mittel heimlich und nach eigenen Dosierungen – und die sind oft zu hoch.“ Würde Doping kontrolliert freigegeben, „würde sich ein Riesen-Prozentsatz an die ärztlichen Vorgaben halten.“ Dabei schließt der Ex-Leichtathlet aber nicht aus, „dass der ein oder andere Idiot immer noch zwei, drei Pillen mehr futtern würde.“ Die Freigabe von Dopingmitteln hat bei Manfred Ommer auch seine Grenzen. „Es gibt auch eine Schmerzgrenze für mich. Es ist mir wichtig, dass die Leute das wissen“ , erklärt Ommer. Die Gabe von Testosteron-Präparaten (enthalten männliche Sexualhormone) bei Frauen hält der Kölner für bedenklich. „Knallhart“ ist Ommer beim Thema Kinder und Doping: „Die Gabe von Dopingmittel an Kinder ist kriminell – da kenne ich keine Einschränkungen. Da fordere ich sogar härtere Strafen, als zurzeit üblich sind.““ (Saarbrücker Zeitung, 3.2.2000)
Monika 2011