DLV Dopingvergangenheit
Walter Schmidt, Hammerwurf
Hammerwerfer Walter Schmidt (ASC Darmstadt, Eintracht Frankfurt) gehörte in den 1970er Jahren zu den erfolgreichsten deutschen Leichtathleten. 1971 und 1975 stellte er Weltbestweiten auf. Bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal belegte er den 5. Platz.
Walter Schmidt gehörte zu den ersten Sportlern, die ab 1976 nach den öffentlich gewordenen Dopingvorfällen rund um die Olympischen Spiele in Montreal Anabolikadoping eingestanden. In der Fernsehdokumentation ‚Hormonathleten‘ des Südwestfunks im Herbst 1976 hatte er bereitwillig erzählt, wie er von seinem Arzt >>> Armin Klümper mit Anabolika behandelt wurde.
„Jeden 10. Tag habe ich eine Spritze bekommen, die 50mg enthielt, d. h. eine Depotspritze … Die Spritze hat mir Dr. Klümper aus Freiburg gegeben… Aber ich hab’s mir zum Teil auch selbst gespritzt, d.h. in das Gesaß oder in den Oberschenkel. Es ist also keine Schwierigkeit, an das Zeug heranzukommen.“
Klümper hatte das in derselben Sendung bestätigt:
„Wir haben immer individuell entschieden und individuell im Rahmen der persönlichen Freiheit Anabolika gegeben. Das zweifelsohne“ (B. Berendonk, 1992, S. 242)
Schmidt wurde zu jener Zeit von Uwe Beyer trainiert, der sich ebenfalls zu den anabolen Steroiden bekannte. Offen wurde von Schmidt die Meinung vertreten, dass ohne die Muskelmacher keine Höchstleistungen und damit kein Mithalten im internationalen Vergleich möglich seien. 1977 wiederholte er im Aktuellen Sportstudio, in dem auch Brigitte Berendonk, Manfred Ommer und Joseph Keul das Thema medienwirksam diskutierten, sein Geständnis. ( Das aktuelle Sportstudio, Anabolika, 7.3. und 26.3.1977)
DSB-Präsident Willi Weyer;
“ Teile der Sportführung wie auch manche Betreuer von Spitzensportlern werden schwerlich den Verdacht entkräften können, bewußt oder fahrlässig ihre Aufsichtspflicht verletzt und damit der pharmakologisch-medizinischen Manipulation einer unbekannten Zahl von Athleten Vorschub geleistet zu haben“Weyer hatte für einen Freispruch von Walter Schmidt, Uwe Beyer und Manfred Ommer plädiert, da sie
„ohne Rücksicht auf mögliche Folgen für sich selbst die Grauzone schmutziger Praktiken erhellt und eigene Fehler in der Öffentlichkeit mutig bekannt haben.“
/der Tagesspiegel, 11.5.1977, zitiert nach Singler/Treutlein)
Der DLV eröffnete damals Verfahren gegen mehrere Geständige, sanktioniert wurde allerdings nur Walter Schmidt. Der Rechtsausschuss des Hessischen Leichtathletikverbandes (HLV) verurteilte ihn wegen Verstoßes gegen die Regel 16 der allgemeinen Leichtathletikbestimmungen zu einer einjährigen Wettkampfsperre auf Bewährung. Grund für die Bewährung:
„Der Rechtsausschuss kann nicht ausschließen und geht deshalb zu Gunsten des Betroffenen davon aus, dass dem Betroffenen durch Sportärzte, die für den DLV offiziell tätig waren oder sind, anabole Steroide verabreicht wurden, ohne dass die im DLV dafür Verantwortlichen den nötigen Einhalt geboten hätten, was diesen Verantwortlichen möglich gewesen wäre.“
Deutlich widersprach das Gericht einem Trainer, der als geladener Zeuge behauptet hatte, niemals mit Schmidt über Anabolika geredet zu haben. Diese Aussage wurde von den Ausschussmitgliedern als unglaubwürdig eingestuft. Um wen es sich handelte, wird nicht deutlich, allerdings war Bundestrainer Karl-Heinz-Leverköhne während dieser Anhörung von dem Zeugen Horst Klehr in Zusammenhang mit Anabolikaanwendungen des Hammerwerfers Karl-Hans Riehm belastet worden. (Singler/Treutlein, S. 213ff)
Walter Schmidt sprach sich in der Verhandlung nicht gegen anabole Steroide aus. Und er bekannte ganz selbstverantwortlich zu den Dopingmitteln gegriffen zu haben:
„Ich bin dafür, die Sache weiterzunehmen unter Kontrollen von Ärzten, Anabolika weiterzunehmen unter Kontrolle von Ärzten …… und dann möchte ich noch dazu sagen, dass wir unsere Ärzte nicht als Helfershelfer gebraucht haben, dass sie nicht uns gezwungen, die Sache zu nehmen, so wurde es nämlich hingestellt in der Presse, sondern, daß wir unsere Ärzte gebeten haben, uns zu helfen, daß wir an den Olympischen Spielen teilnehmen können, wo wir schon 10 Jahre im Leistungssport sind und einfach nicht einsehen, daß wir zurückstehen sollen hinter Ländern des Ostens, weil das einzige Ziel eines Sportler ist es, daß man an Olympischen Spielen teilnimmt“. (Singler/Treutlein, S. 203/204, zitiert nach dem Urteil des Rechtsausschusses des Hessischen Leichtathletik-Verbandes im Verfahren gegen Walter Schmidt wegen Verstoßes gegen die Doping-Bestimmungen vom 17. Juni 1977).
Ilse Bechthold, Vertreterin des DLV bei der Verhandlung, hatte für Freispruch mangels Beweisen plädiert. Schmidt selbst reagierte auf das Urteil enttäuscht. Seiner Ansicht nach wurde seine Ehrlichkeit und sein Versuch deutlich zu machen, warum ein Sportler nach den verbotenen Mitteln greift, nicht anerkannt. Unklar blieb zudem, warum er der einzige der ‚Hormies‘ blieb, der bestraft wurde. Schmidt ging in Revision und erreichte Ende Juni 1978, dass die Sperre durch den Rechtsausschuss des DLV aufgehoben wurde. Ein Verstoß gegen die Dopingbestimmungen sei ihm nicht nachzuweisen, lediglich ein sportschädigendes Verhalten, wofür er zur Zahlung von 100.- DM verpflichtet wurde. Schmidt war anscheinend nicht mehr persönlich für eine persönliche Aussage vorgeladen worden, was durch seinen Anwalt heftig kritisiert wurde. (FAZ, 1.7.1978)
Die von Schmidt hervorgehobene Selbstverantwortung wurde auch von Prof. Klümper betont. Die Haltung Schmidts diente ihm als wichtiges Beispiel für seine Rechtfertigung dafür, warum er Sportlern Anabolika unter ärztlicher Aufsicht verabreichte und verabreichen möchte. Nur so könne eine Übermedikamentalisierung und daraus entstehende Schäden vermieten werden. Klümpers gab zudem an, dass Schmidt bereits 1971 diese Dopingmittel eingenommen hatte. Schmidt selbst bestätigte dies später in Aussagen vor Gericht.
„In dieser Zeit zwischen seinem Weltrekord und der Olympiade 1972 in München dürfte wohl auch im wesentlichen die persönliche Erfahrungssammlung [mit Anabolika] von Walter Schmidt liegen, die dann zu der bekannten Verunstaltung seiner körperlichen Statur mit einem riesigen Hängebauch und erheblicher Anfälligkeit für Verletzungen führte. Trotz ungewöhnlicher personeller Anstrengungen … ist es mir nicht gelungen, ihn davon zu überzeugen, daß er mit einer vernünftigen Trainingsplanung und Trainingsarbeit sein Ziel auch erreichen werde; bei der gleichzeitigen völligen Fixierung auf das Schlagwort Anabolika – solche Dinge muß man als Arzt auch berücksichtigen – habe ich versucht, die Dinge in einigermaßen normale Bahnen zu lenken; ich muß gestehen, daß mir das auch nicht gelungen ist. . – Ich bin völlig sicher, daß es mir auch in Zukunft nicht gelingen wird, Walter Schmidt sozusagen als Erstmaßnahme davon zu überzeugen, daß eine … bestimmte Dosis von Anabolika sinnvoller ist als seine unkontrollierte Einnahme.“ (Berendonk, S. 279/280)
Wohlgemerkt, Anabolika waren längst verboten, auch Ärzte hatten sich daran zu halten.
Im Herbst 1978 erklärte Walter Schmidt in einem Interview mit der Welt auf die Frage, ob er wieder trainieren wolle und wenn ja, mit oder ohne Anabolika, dass ihm in diesem Fall keine andere Wahl bliebe als erneut zu dopen:
Walter Schmidt beendete nach der Sperre seine Karriere.
Monika 2011