Prof. Dr. Dr. Siegfried Israel
Siegfried Israel, 1928 in Brandenburg geboren, ging 1962 als Chefarzt an das Sportmedizinische Rehabilitationszentrum Kreischa, das unter seiner Leitung zum Zentralinstitut des Sportmedizinischen Dienstes ausgebaut wurde. Der Facharzt für Innere Medizin, habilitierte 1964 und wechselte 1970 an das FKS, 1978 an das Institut für Freizeit- und Erholungssport der DHfK.
Nach der Wende erhielt er in Göttingen eine Gastprofessur. 1991 übernahm er die Leitung der Abteilung Sportmedizin der Universität Leipzig.
Israel war in den 50er und 60er Jahren Radsport-Verbandsarzt und von 1956 bis 1971 Rennarzt der Internationalen Friedensfahrt. Als Mannschaftsarzt der Radsportler nahm er an mehreren Weltmeisterschaften sowie an den Olympischen Spielen von Rom (1960), Tokio (1964) und Mexiko-City (1968) teil.
Dr. Israel wird bereits früh, schon während seiner Zeit als Verbandsarzt mit Dopingpraktiken in Verbindung gebracht. Es war in der präanabolen Phase, in den 50er und 60er Jahren, in der auch im Westen besonders im Radsport großflächig Aufputschmittel eingesetzt wurden. Ein staatlich geordnetes und verordnetes Dopingprogramm gab es damals in der DDR noch nicht. Es wurde aber viel experimentiert. Auch schon mit Anabolika. 1964 verlor Israel aufgrund falscher Anwendung von Testosteron seine Stelle als Medizinischer Leiter am Zentralinstitut des SMD in Kreischa. Getestet wurde Testosteron. Dr. Israel hatte einer Radfahrtraingsgruppe reines Testosteron gespritzt.
„Die … ersten Versuchsgruppen bezüglich der Anwendungen von Anabolika gingen nur über den Tisch von Dr. Israel.“ Doch die Radfahrmannschaft von 1964 erbrachte sportlich nicht die gewünschten Erfolge. Dr. Israel war anscheinend noch nicht bekannt, „daß das „reine“ Hormon die männliche Physis weniger stark zur Leistungsverbesserung provoziert als dessen Metaboliten, die es damals bereits in viele Präparaten in Tablettenform gab.“ (lt. Spitzer, S. 21)
Ein Jahr später gab es weitere Probleme. Aus dem Treffbericht eines IM geht hervor, dass der Grund für das Ausscheiden Klaus Amplers aus der Friedensfahrt 1965 nicht auf eine Krankheit zurück zu führen war, sondern auf eine ‚einwandfreie‘ Überdosis an Pervitin. Inwieweit Israel darin involviert war, wird nicht ganz klar, doch er war „mitbeteiligt an den Erfolgen des DDR-Radsports, indem er dafür die medizinische-biologischen Voraussetzungen schuf,“ und war damit mitverantwortlich für Pannen und Misserfolge. Doping sei System gewesen. IMS ‚Rolf‘ (Arzt Kipke) berichtete 1971 rückblickend.
„Die Konjunktur seines [Israels] Aufstiegs war die Zeit, wo er die erfolgreiche Friedensfahrtmannschaft als Sportarzt betreut und begleitet hat. Fachmediziner sind sich darüber einig, daß die Erfolge der Sportler Schur und anderer nicht erstrangig im sportlichen Können zu suchen sind, vielmehr in den durch Dr. Israel erfolgreich angewandten Methoden des Dopings. I. hat auf diesem Gebiet wissenschaftlich gearbeitet und praktische Erprobungen bei Leistungs- und Spitzensportlern durchgeführt. Er hat dazu neben DDR-Produkten auch ein spezielles algerisches Präparat verwandt.“ (Spitzer, S. 8/9)
Dr. Israel arbeitete von 1970 bis 1978 an das FKS, ein Hort intensivster Dopingforschung. In einer Laudatio zu seinem 80. Geburtstag in der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin Nr. 9 (2008) wird der „Leuchtturm der Sportwissenschaft im Osten“ hochgelobt.
„Mangelnde Systemkonformität bzw. fehlende Botmäßigkeit gegenüber den Sportoberen führten Mitte der siebziger Jahre zur „Abstellung“ an das Institut für Freizeit- und Erholungssport der Deutschen Hochschule für Körperkultur Leipzig. Seine Lösung vom Leistungssport erwies sich aber letztlich als Glücksfall; erfolgten doch jetzt durch Israel maßgebliche Forschungen im Breitensportbereich.“
Legitimes…
Brigitte Berendonk zitiert aus einer Schrift, die Israel 1979 an der DHfK verfasst hat. Darin begründet er die Legitimität des Dopings in der sozialistischen Gesellschaft:
„[1] Auf die Frage ‚wem nützt es‘ läßt sich antworten, daß politische, wissenschaftliche, aber auch eindeutig individuelle Interessen berührt werden. Man kann von einem ‚gemeinsamen Ziel‘ sprechen. Die Zielstellung der u. M. ist damit legitimiert und human. …
[2] Der Gang der Entwicklung der u. M. verlangt die ärztliche Zustimmung für diesen Einsatz der u. M. im Sport. …
[3] In der Anwendung u. M. im Leistungssport kann ein Arzt durchaus eine verantwortungsbewußte Gestaltung der eigenen sozialen Rolle sehen. Die Mitwirkung beim systematischen Aufbau einer sportlichen Spitzenleistung löst auch beim Arzt Erfolgserlebnisse aus. …
[4] Es ist zu sichern, daß alle Personen, die … über die Anwendung von u. M im Einzelfall informiert sein müssen, in die Schweigepflicht (etwa mit dem Rechtsstatus des Erfüllungsgehilfen) einbezogen sind. Sie sind über die Notwendigkeit der Verschwiegenheit zu belehren und sollten dies Belehrung auch schriftlich bestätigen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen sind … alle Beteiligten daran interessiert, daß die Applikation von u. M. verschwiegen wird…“ (Berendonk, S. 107)
Monika