Doping: Kämpfe, Hans-Joachim

Deutsche Ärzte und Doping

Dr. Hans-Joachim Kämpfe

Dr. Hans-Joachim Kämpfe, Jahrgang 1943, verstorben im November 1986, arbeitete in den 70er Jahren am Zentralinstitut der Sportmedizin in Kreischa, wo er für die ‚Sportbetreuung Ringen‘ zuständig war. 1977 übernahm er hier die ‚Sportbetreuung Biathlon‘. 1972 war er Verbandsarzt im Ringerverband, ab 1982 betreute er als Verbandsarzt den Deutschen Ski- und Langlaufverband der DDR. In dieser Funktion betreute und erstellte er Anwendungskonzeptionen für die verschiedenen Disziplinen innerhalb des Verbandes.

Ausführliche handschriftliche Dopingprotokolle, die er in seiner Funktion als Verbandsarzt erstellt hatte und dem Minsterium für Staatssicherheit zur Verfügung stellen musste, sind in G. Spitzers Buch ‚Sicherungsvorgang Sport‘ (S. 410ff) abgedruckt. Angemerkt sei, dass er sich einer Stasimitarbeit weitgehend entzog.

Vom Juni 1984 liegt eine „Einschätzung der Wirksamkeit der Anwendungskonzeption u.M. im Trainings- und Wettkampfjahr 1983/84 im DSLV der DDR“ vor. Darin ging es im den Einsatz bei Skispringern, Nordisch Kombinierten, im Biathlon und Skilanglauf. Kämpfe merkt an:

„In der Disziplin Skilanglauf weiblich bestehen seit langem Vorbehalte gegenüber der Einnahme von u. M..“ Alle Vorbehalte wurden jedoch in Gesprächen beseitigt. Allerdings ist in der Disziplin Skilanglauf weiblich vor allem in Hinsicht Olympia „die Aufklärungs- u. Erziehungsarbeit zu verstärken, um zu sichern, daß die geplanten Maßnahmen exakt realisiert werden.“ Im Biathlon wurde die Konzeption realisiert „Die Einnahme der u. M. erfolgte mit dem Entmüdungstrunk ohne Wissen der Sportler. Diese Praxis ist für die kommenden Anwendungen zu verändern.“

Es folgen Dosierungspläne der einzelnen Sportarten. Zur Wirkung im Biathlon heißt es

„Die Wirksamkeit ist differenziert zu sehen. Jüngeren Sp. gelang es, ihre Laufleistung gegenüber der Weltspitze wesentlich zu verbessern während die trainingsälteren Sp. dies nichtnachweisen konnten.“

Jens Weißflog:
«Wenn es Köhlers Meinung ist, dass alle gedopt und es gewusst haben, dann kann ich nur von mir sagen, dass ich davon nichts wusste. Ich habe zu DDR-Zeiten gewonnen und auch nach der Wiedervereinigung – und das immer ohne Doping. Das haben unzählige Tests bewiesen. Köhlers Aussagen hören sich so an, als wolle er sich aus der Mitverantwortung stehlen.»
Bezug: Buch von Thomas Köhler, Vizepräsident des DTSB, erschienen 9.2010.

Zur Wirkung im Skisspringen heißt es.

„Die Entwicklung der Kraftfähigkeiten war bei allen Sportlern gut, ohne daß ein wesentlicher Unterschied zu den unbeeinflußten Sp. eindeutig nachweisbar war.“ Erwähnt wird auch Jens Weißflog, der 1983 in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Sarajevo Oral-Turinabol bekommen habe.

Diese Vorbehalte bei Langläuferinnen werden auch in einem weiteren Dokument festgehalten, in dem Kämpfe eine ‚Kurzeinschätzung der Wirksamkeit der UM in der Vorbereitung der OWS 1984 in Sarajewo‘ lieferte. Daraus geht u.a. hervor, dass bei den Frauen im Skilanglauf aus ‚objektiven Gründen (Erweiterung der Dopingliste) die Mittelkonzeption verändert wurde. So wurden nicht zugelassene und klinisch nicht gut untersuchte STS-Substanzen eingesetzt (eine genauere Bezeichnung fehlt, es könnte STS 646 gewesen sein). (Mehr zu der STS-Problematik siehe hier unter Hermann Buhl). Kämpfe notierte:

„Obwohl bei entsprechender Trainingsbelastung u. Einsatz dieses UM nachweislich keine Gewichtsprobleme bei den Sportlerinnen auftraten, zeigte es sich, daß bei einigen Sp. aus diesem Grunde Vorbehalte gegenüber der Einnahme der UM immer noch auftraten. Dies führte dazu, daß selbst in der UWV [Unmittelbaren Wettkampfvorbereitung]die ausgegebenen UM nicht konsequent eingenommen wurden. … Im Trainingslager Schweden (Ende Okt. bis Anfang Dez. 83) wurde die Einnahme konsequent überwacht.“

G. Spitzer merkte an, dass die STS-Mittel „möglicherweise besondere Bedeutung für die Schädigung der Keimbahn“ besitzen.

gedopt trotz Weigerung

„Das Beharren auf hohen Anabolikadosen hatte Folgen. Einige der von Kämpfe erwähnten Olympiasportler leiden noch heute unter schwerwiegenden Schäden. Die LKA-Beamten fanden heraus, daß es unter den Athletinnen Fälle von „fehlentwickelten Föten, Tot- und Fehlgeburten, erzwungenen Schwangerschaftsunterbrechungen“ gegeben habe.“
(der Spiegel, 26.4.1999)

Auch für 1984/85 liegt eine handschriftliche „Einschätzung der Wirksamkeit der Anwendungskonzeption u. M. des DSLV“ vor. Noch immer gibt es Akzeptanz-Probleme im Skilanglauf der Frauen.

„Probleme gibt es nach wie vor mit der Sp. Ute Noack, die u. M. prinzipiell ablehnt. Bei einigen Sportlerinnen u. bei (XXX) traten erhebliche Gewichtsprobleme auf, die zu einer Dosisreduzierung bzw. Absetzen der u. M. führten,“

Aus der Anwendungskonzeption der Jahre 1985/86 kann man entnehmen, dass Ute Noack trotz ihrer Ablehnung gedopt wurde. Nach den Berechnungen Kämpfes erhielten die Frauen während dieser Saison eine Gesamtdosis von 550mg Oratl-Turinabol und 13 Injektionen à 10mg Testosteronpropionat (insgesamt 680mg Anabolika), den Männern wurde weniger verabreicht, sie erhielten 500mg OT und 30 Tabletten Clomiphen.

Das Mindestalter für die Gabe u. M. im DSLV betrug laut Kämpfe 1985/85 16 Jahre.

Die Folgen dieser Dopingpraxis liegen heute oft im Dunkeln, nur wenige ehemalige Sportlerinnen und Sportler gehen offensiv damit um. Ute Noack, die sich wie erwähnt, gegen die Einnahme gewehrt hatte, spricht darüber und stellt sich selbst quälende Fragen.

„Als die einstige Ski-Langläuferin vom SC Traktor Oberwiesenthal nach ihrer Karriere im DDR-Nationalkader einen Sohn gebar, war der schwer behindert. Muskelatrophie lautete die Diagnose, ein genetisch bedingter Schwund der Muskeln. Seither grübelt die Mutter, ob die Krankheit ihres Kindes mit jenen „unterstützenden Mitteln“ zusammenhängt, die einst im Training ihre eigenen Muskeln aufbauen und sie so zu Höchstleistungen treiben sollten. Als Achte wurde Noack bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo die beste DDR-Frau beim Fünf-Kilometer-Langlauf. Zuerst bekam sie die gleichen „blauen Pillen“ wie andere DDR-Spitzensportler. Weil ihr Körper „immer verrückt spielte“, sie sich weigerte, die Substanz weiterzunehmen, die sich später als Oral-Turinabol entpuppte, wurde umdisponiert: Fortan verabreichte man ihr das Anabolikum im Vitamintrunk ohne ihr Wissen.“ (freie presse, 5.2.2010

Monika