Cornelia Reichhelm (verh. Jeske)
Cornelia Reichhelm begann im Alter von 13 Jahren ihre sportliche Karriere als Ruderin. Von 1976 bis 1982 gehörte sie dem SC Dynamo Berlin an und trainierte hier unter Cheftrainer Günther Schniebel und Trainer Bernd Ahrendt, von denen bekannt wurde, dass sie mit ihren Ruderinnen Experimente mit Medikamenten und Dopingmitteln durchführten.
Cornelia Reichhelm ist heute schwer krank und anerkanntes Dopingopfer. Am 20. März 2013 schreibt sie in einem Leserbrief an die Zeit:
„Ab meinem 13. Lebensjahr, von 1976 bis 1982, ruderte ich im Verein. Von Beginn wurden uns diverse Mittel verabreicht. Zunächst sogenannte Vitamintabletten. Später kamen zahlreiche Schmerzspritzen, Infusionen und eklig schmeckende Eiweißgetränke hinzu. Letztere wurden durch Pralinen ersetzt. Was da drin war, wussten wir nicht.
Über das Buch „Doping in der DDR“ von Giselher Spitzer erfur ich, dass auch Pralinen und Schokolade mit Anabolika versetzt wurden. Als ich 18 Jahre geworden war, wurde ich offen aufgefordert, Anabolika zu nehmen. Das verweigerte ich. Heute gehe ich davon aus, dass ich schon vorher Anabolika erhalten hatte. Doch mit der Volljährigkeit musste ich mein Einverständnis geben.
Mit 16 bekam ich immer stärker werdende Rücken- und Kopfschmerzen, die häufig mit Spritzen behandelt wurden, vor allem unmittelbar vor den Wettkämpfen. Das seien nur harmlose Muskelverspannungen, sagte man mir. 2003 erfuhr ich aus meiner Krankenakte, dass ich bereits im Alter von 17 Jahren Bandscheibenvorfälle hatte. Doch Ärzte und Trainer verharmlosten diese Befunde, damit ich weitermachte.
Später bekam ich eine Herzmuskelentzündung, ständig Blasen-, Nierenbecken-, Venen- und Magenschleimhautentzündungen, etwa zehn Jahre lang immer im Wechsel. Durch die Dopingmittel wurde auch das Stütz- und Bindegewebe geschädigt. Ich musste mich vielen Krampfader-OPs unterziehen. Nach der sechsten OP habe ich aufgehört zu zählen. Im Jahr 2000 bin ich körperlich völlig zusammengebrochen. In einem der zahlreichen ärztlichen Berichte hieß es: „schwer degenerativ veränderte Wirbelsäule“. Seit über 30 Jahren habe ich täglich Schmerzen. Aufgrund der schweren Schäden bin ich erwerbsunfähig.“
2003 erhielt Cornelia Jeske ihre gynäkologische Dynamo-Akte. Darin konnte sie nachlesen, dass sie bereits im Alter von 13 Jahren Testosteron bekam:
„Enthalten sind Eintragungen mit „T“ für Testosteron sowie verabreichte Dosen von „7 mal T pro m“, also siebenmal Testosteron pro Monat. Die Aufzeichnung erfolgte ab dem Jahr 1976, da war Cornelia Jeske ein Mädchen von 13 Jahren. Im Folgejahr wurde die Testosteron-Dosis auf „24x“ erhöht.“
Mit 18 Jahren wurde sie von Trainer Arendt offen dazu aufgefordert, Anabolika zu nehmen. Sie lehnte ab:
„Er setzte mich massiv unter Druck. Ich habe aber unter rund 20 Zeugen die Einnahme verweigert. Darunter waren zig Funktionäre, auch die spätere Skull-Cheftrainerin Rita Schmidt, verheiratete Rita Bludau.“ (dradio, 27.12.2009)
Klage auf eine Lebensrente
Nach dem Doping-Opfer-Hilfe-Gesetz von 2002 wurden bis 2005 insgesamt 194 ehemalige Sportler/innen der DDR als Doping-Opfer anerkannt und erhielten eine einmalige Entschädigung. Für Schwerstgeschädigte, die berufsunfähig sind und hohe Krankheitskosten haben, ist dies finanziell jedoch nicht ausreichend, daher wurde für diese Fälle auf verschiedenen Politik- und Sportebenen eine Rente diskutiert, aber nie ernsthaft weiter verfolgt.
2009 reichte Cornelia Jeske daher vor der für sie zuständigen 14. Kammer des Sozialgerichtes Magdeburg Klage ein mit der sie eine monatliche Rente für die an ihr verübte Gesundheitsschädigung erreichen wollte. Zuvor war ihr Antrag auf Unterstützung vom zuständigen Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales abgelehnt worden, da laut dem Münsteraner Gutachter Prof. Eberhard Nieschlag
„“ … ein kausaler Zusammenhang zwischen der damaligen Zufuhr anaboler Steroide und den heute geltend gemachten Gesundheitsstörungen ausgeschlossen werden“ könne.“ Warum ein Gutachter, der laut Prof. Werner Franke hierzu ungeeignet ist, eingesetzt wurde, ist unklar. „Das Berliner Gesundheitsamt teilt auf Nachfrage mit, die Wahl des Gutachters sei, anders als sonst üblich, nicht im eigenen Haus getroffen worden. Man sei einer Empfehlung des Bundesgesundheitsministeriums gefolgt. Von wem sie dort auf welcher Grundlage ausgesprochen wurde? Das kann oder will niemand beantworten.“ (FR, 27.1.2010)
Aufgrund dieser Befangenheit des Gutachters bestellte das Magdeburger Sozialgericht einen neuen, Dr. Christoph Raschka, der 2013 einiges anders sah:
„Anhand von Statistiken belegt er, dass Skelettschäden zum typischen Erscheinungsbild von DDR-Dopern gehören.
Und er kommt zu dem Schluss, dass die Wirbelsäulenschädigung „in erster Linie als Folge einer unphysiologischen Überbelastung durch gewaltige Trainingsvolumina und Trainingsintensitäten anzusehen ist, welche der jugendliche, weibliche Körper der Klägerin noch in der Wachstumsphase nur durch unphysiologische Gabe anaboler Steroide durchhalten konnte.“ (TAZ, 21.10.2013)
Mit Hilfe dieses Gutachtens wurde Cornelia Reichhelm vom Gericht eine Schwergeschädigtenrate von 70 % zugesprochen. Damit steigen Ihre Chancen mit Ihrer Klage auf eine Rente Erfolg zu haben.
Im Februar 2013 hatte sich die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hinter die Forderung nach einer Rente für Doping-Schwerstgeschädigte gestellt und einen Antrag für den Deutschen Bundestag gestellt, Rente für Dopingopfer in der DDR.
Weiterhin befinden sich viele Dopingopfer in einer sozialen Notlage, da weder im Rechts-, Sozial- noch Gesundheitssystem Regelungen zur Verfügung stehen, die den Sachverhalt des staatlich organisierten Dopings ausdrücklich erfassen. Die Einmalzahlung aus dem DOHG hat die Situation der Betroffenen zeitweise verbessert. Da es sich bei den Folgen des Dopings jedoch um dauerhafte Gesundheitsschäden handelt und die Beschwerden mit steigendem Alter zunehmen, kann eine Einmalzahlung nicht als dauerhaft ausreichende Unterstützung betrachtet werden. Bleibende Schäden verlangen bleibende Hilfe. Insbesondere kann die Erwerbstätigkeit und damit auch der Erwerb von Rentenansprüchen stark eingeschränkt sein. Daher käme die Gewährung der Rente als zusätzliche Leistung erst ab Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters für viele Betroffene zu spät.
Der Antrag wurde in die Ausschüsse verwiesen: >>> Drucksache 17/1401
Im November 2013 wandte sich Cornelia Reichhelm mit einem Offenen Brief an Merkel, Gauck und die Bundestagsfraktionen mit der Bitte um Unterstützung:
>>> Cornelia Reichhelm, Offener Brief, 18.11.2013
Näheres zu der Diskussion um eine Doping-Opfer-Rente und den Stand einzelner Verfahren, soweit bekannt, ist zu finden unter