dopingbelastete Leichtathletik-Trainer der DDR
Folgende Trainer werden hier vorgestellt:
Baarck, Klaus Bauersfeld, Dr. Karl-Heinz Börner, Helga Börner, Peter Böttcher, Gerhard Elle, Siegfried Gehrke, Klaus Goldmann, Werner | König, Eberhard Kollark, Dieter Kühl, Lutz Pottel, Rainer Ritschel, Maria Schneider, Klaus Schubert, Dr. Bernd Schulz, Joachim |
Baarck, Klaus
Klaus Baarck war in der DDR als Leichtathletiktrainer bei dem Erfolgsclub SC Neubrandenburg angestellt. Nähere Angaben fehlen mir.
Nach der Wiedervereinigung erhielt er einen Vertrag vom Deutschen Leichtathletikverband, Disziplin Siebenkampf. Er stieg zum Bundestrainer auf. Am 31.8.2009 beendete der Disziplintrainer Siebenkampf, verantwortlich für den A- und B-Kader, altersbedingt mit 65 Jahren seine DLV-Tätigkeit.
Baarck blieb als Trainer seinem Heimatclub Neubrandenburg immer treu. Im Jahr 2012 ist er Vizepräsident des Leichtathletikverbands Mecklenburg Vorpommern und dessen Disziplintrainer Mehrkampf sowie Leiter des Landesleistungszentrums/Bundesstützpunkt Neubrandenburg (LVMV).
In den Jahren nach der Wiedervereinigung gehörte Klaus Baarck zu den Trainern, deren DDR-Dopingverstrickungen durchaus bekannt waren, die aber dennoch Verträge erhalten hatten. Diese Einstellungen führten zwar zu heftigen Diskussionen innerhalb der Verbände, insbesondere des Deutschen Leichtathletikverbandes, doch die Kritiker konnten sich nicht durchsetzen.
Über Klaus Baarck war nicht viel zu finden, im Spiegel steht lediglich „Klaus Baarck (Siebenkampf), unter dessen gedopten Schützlingen auch Jugendliche waren.“ (der Spiegel, 22.2.1993). Belegt soll dies durch Stasiunterlagen sein. Baarck hatte die vom DLV praktizierte Überprüfung durch eine Juristenkommission bestanden und mit Unterzeichnung einer eidesstattlichen Erklärung seinen Trainervertrag wie viele andere erhalten. Mehr Informationen siehe hier unter >>> 1992 / 1993 DLV: Anti-Doping-Maßnahmen, -Informationen. Hiermit hatten die Trainer auch erklärt nicht an „der Planung und/oder Anordnung im Bereich von unerlaubten trainingsunterstützenden Mitteln aktiv beteiligt gewesen“ zu sein.
Klaus Baarck macht in den folgenden Jahren keine Schlagzeilen. Sein Name findet sich jedoch im Jahr 2000 in einem Bericht des WDR-Magazins Monitor wieder, in dem während der Olympischen Spiele 2000 in Sydney gegenüber ehemaligen DDR-Trainern des Olympiakaders Vorwürfe erhoben wurden. Manfred Ewald und Manfred Höppner hatten die Monate zuvor in Berlin vor Gericht gestanden und waren am Eröffnungstag der Spiele verurteilt worden. MONITOR nannte zehn Trainernamen, die in der Urteilsbegründung in Zusammenhang mit Doping zu finden waren und die im Vorfeld der Ermittlungen befragt und zum Teil auch mit Geldbußen belegt worden waren. Keiner der Trainer war jedoch strafrechtlich belangt worden. Die DLV-Trainer waren: Bernd Schubert, Lutz Kühl, Eberhard König, Klaus Schneider, Bernd Jahn, Gerhard Böttcher, Klaus Baarck, Bernhard Riedel, Bernd Bierwisch, Hans-Joachim Pathus (MONITOR, 10.08.2000). Klaus Blume sprach in der Neuen Züricher Zeitung von 12 Trainern (NZZ, 4.8.2002).
Konsequenzen hatte diese kurze Diskussion nicht. Erst anlässlich der Olympischen Spiele 2008 in Peking geriet Klaus Baarck erneut in die Kritik, Im Zusammenhang mit der Diskussion um Trainer Werner Goldmann, dem vorgeworfen wurde, bei der Unterzeichnung einer vom DOSB geforderten Ehrenerklärung nicht die Wahrheit über seine Dopingvergangenheit während der DDR gesagt zu haben, wurde auch Baarcks Vergangenheit überprüft.
„Die drei Trainer Baarck, Schneider und Warnatzsch hatten im Vorfeld [der Olympischen Spiele]die vom DOSB geforderte Ehrenerklärung unterschrieben. Damit heißt es, sie hätten – Zitat- „zu keinem Zeitpunkt Sportlerinnen oder Sportlern Substanzen weitergegeben, zugänglich gemacht, rezeptiert oder appliziert oder Methoden angewandt, die gegen die jeweils gültigen nationalen oder internationalen Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen haben.“ (dradio, 22.8.2008)
Die Trainer konnten diese Behauptung nicht länger aufrecht erhalten und Baarck und Schneider nutzten die Brücke, die ihnen vom DOSB und der von ihm eingesetzten Untersuchungskommission, der Steiner-Kommission, gebaut worden war. Fünf Trainer – Klaus Baarck, Gerhard Böttcher, Rainer Pottel, Maria Ritschel, Klaus Schneider – unterzeichneten gemeinsam eine >>> Erklärung in der sie zugaben im „Einzelfall am Einsatz unterstützender pharmazeutischer Substanzen (Dopingmittel) beteiligt“ gewesen zu sein.
Ausführlicher Informationen siehe unter >> der Fall Goldmann und die Folgen.
Klaus Baarck stand für eine ausführliche öffentliche Stellungnahme zu den Vorwürfen nicht bereit. Die Süddeutsche Zeitung hatte versucht Aussagen von den Trainern zu erhalten, doch nur Rainer Pottel und Klaus Schneider öffneten sich.
„Die restlichen drei Unterzeichner dagegen schweigen. Klaus Baarck antwortet per E-Mail: „Aus heutiger Sicht gibt es keine neuen Erkenntnisse als in der Ihnen bekannten Erklärung.“ Es folgt Gerhard Böttcher: „Ich schließe mich der Antwort von Herrn Baarck an.“ Maria Ritschel: „Ich möchte mich über die Erklärung hinaus nicht äußern.“ (SZ, 05.06.2009)
Bauersfeld, Karl-Heinz Dr.
Dr. paed. Karl-Heinz Bauersfeld studierte als einer der ersten Studenten an der 1952 neu gegründeten deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig, an der er nahtlos seine berufliche Laufbahn anschließen konnte. Er gehörte dem Leichtathletik-Trainerrat an. In den 70er Jahren avancierte er zum DHfK-Professor für „Theorie und Methodik“ und galt als führender Theoretiker der Trainingslehre und Sportpädagogik.
Angeschlossen an die Hochschule ist der SC DHfK Leipzig, dessen Präsident Bauersfeld nach der Wende wurde, und dessen Ehrenpräsidentschaft er 1997 erhielt. Der Sportclub war Stätte besonders intensiver und zahlreicher Dopingprojekte, z. B. in Verbindung mit Dr. Günter Rademacher. Nach der Wende übernahm Bauersfeld zudem die Position des Vizepräsidenten des LSB Sachsen.
Brigitte Berendonk erhielt nach dem Erscheinen ihres Buches ‚Doping Dokumente‘ 1991 anonym eine Studie zugeschickt, aus der hervorgeht, dass Leistungssportler und -sportlerinnen zwischen 1968 und 1972 einem intensiven Versuchsprogramm mit anabolen Steroiden, Oral-Turinabol, unterlagen. Brigitte Berendonk 1992:
„In dieser Arbeit wurde erstmals und ausführlich das Oral-Turinabol-Doping von 42 Spitzenklasse-Sportlern über einen ganzen „Olympiazyklus“ (1968-1972) hin analysiert und die Ergebnisse in konkrete Empfehlungen umgemünzt. Die Namen der Sportler wurden in der Arbeit codiert, der Schlüssel war nur zwei Exemplaren beigefügt (dem des Erstautors und dem des WZ).“
Die Autoren waren Dr. Karl-Heinz Bauersfeld (DHfK Leipzig), der damals noch aktive Zehnkämpfer Jürgen Olek (SC DHfK Leipzig), Heinz Meißner (DVfL), Dr. Dietrich Hannemann, später Obermedizinalrat und Leiter des Sportmedizinischen Dienstes (SMD) der DDR und Jochen Spenke, Kugelstoßtrainer des SC Dynamo Berlin.
Bauersfeld war persönlicher Trainer von Margitta Gummel, die Teil des Dopingprogrammes war. Hier taucht auch, zeitlich gesehen, zum ersten Mal der Begriff der u. M., der unterstützenden Mittel auf.
>>> die Studie „Analyse des Einsatzes unterstützender Mittel in den leichtathletischen Wurf- und Stoßdisziplinen und Versuch trainingsmethodischer Ableitungen und Verallgemeinerungen“ von 1973
Börner, Helga
Das Ehepaar Helga und Peter Börner und Alfred Papendick, ehemals Leichtathletiktrainer beim TSC Berlin wurden 2000 in einem gemeinsamen Prozess verurteilt. Während Peter Börner zehn Monate Gefängnis, alternativ zwei Jahre auf Bewährung erhielt, bekamen seine Frau Helga und Alfred Papendieck, ehemaliger Leichtathletik-Trainer beim TSC – Berlin, je 7 Monaten auf Bewährung verordnet.
„Das Amtsgericht Tiergarten sah es als erwiesen an, dass das Trainer-Trio vom TSC Berlin in den Jahren 1974 bis 1985 in sieben Fällen Körperverletzung durch Hormondoping begangen hat. Die Prozess-Bevollmächtigten erklärten, dass die drei Angeklagten, die zu der Urteilsverkündung unentschuldigt fehlten, das ausgesprochene Strafmaß akzeptierten. Staatsanwalt Dietmar Reichelt sagte, die drei Angeklagten hätten exzessiv gedopt. „Sie haben zum Teil weit mehr Hormonpräparate vergeben, als es die Verbandskonzeption vorsah.““ (Tagesspiegel, 16.6.2000)
Im Jahr 2000 war Helga Börner, 1969 DDR-Meisterin im Speerwerfen, als Sportlehrerin im staatlichen Schuldienst von Berlin angestellt. (Berliner Zeitung, 7.7.2000)
Das Trainer-Ehepaar arbeitete beim TSC Berlin eng mit der Ärztin Dr. Karin Kögler zusammen.
Helga Börner trainierte >>> Brigitte Michel und >>> Birgit Papst, verh. Boese. Beide Sportlerinnen wurden gedopt und sind heute schwer krank. Sie sind anerkannte DDR-Dopingopfer.
Die Trainerin war bekannt für ihre harten Trainingsmethoden und hohen Dosen unterstützender Mittel. So verlangte sie, wohl im Einvernehmen mit Ärztin Kögler, von ihren Mädchen ähnlich hohe Trainingsumfänge wie bei Männern üblich und verordnete die fünffache Menge an ‚unterstützenden Mitteln‘ als für Männer nach Plan vorgesehen.
„Unsere Schulung hieß Drohung, Anweisung, ständiges Begutachten und Verreißen.“ Mit 13 Jahren wurden der jungen Sportlerin die ersten Pillen gegeben. „Die Trainer hatten […] einen Raum, der durch Umkleideschränke abgetrennt war. „Es hieß dann immer, komm mal nach dem Training“, erzählt Boese. In der Mitte des Raumes stand ein Schreibtisch, darauf lagen die Pillen, gelbe, weiße, braune und eben auch hellblaue – die mit Oral-Turinabol. Sie musste die Tabletten vor ihrer Trainerin nehmen. Die sagte: „Das sind Vitamine, frag nicht so viel, mach!“ (SZ, 19.5.2000)
Börner, Peter
Im Jahr 2000 wurden die ehemaligen DDR-Leichtathletiktrainer des TSC Berlin Helga und Peter Börner und Alfred Papendick in einem gemeinsamen Prozess wegen Dopings verurteilt. Während Peter Börner zehn Monate Gefängnis alternativ zwei Jahre auf Bewährung erhielt bekamen seine Frau Helga und Alfred Papendieck je 7 Monaten auf Bewährung verordnet (s. o.).
Peter Börner ist als IM „PAUL“, als IM in Schlüsselposition, in den Stasiunterlagen vermerkt. Als solcher berichtete er auch über Angelegenheiten, die seine Frau und Ärztin Kögler betrafen (s. o. Helga Börner). Giselher Spitzer bezeichnete IM „PAUL“ als einen an der Entstehung der schweren Gesundheitsschäden wie an deren Verdeckung beteiligten „inoffiziellen Mitarbeitern“ der „Staatssicherheit“.
Peter Börner trainierte in den 1970er Jahren den jugendlichen Kugelstoßer Gerd Jakobs, der heute aufgrund des langjährigen Dopings mit anabolen Steroiden schwer krank ist. Jakob ist anerkanntes DDR-Dopingopfer.
„Er kommt in den Kaderkreis III, zwei Stufen unter der Weltspitze. Sein Trainer wird Peter Börner. Ihn wird man viele Jahre später zu zwei Jahren Haft verurteilen. … Im Winter 1976 stattet Börner der Familie Jacobs einen Besuch ab. Man habe sich entschieden, erklärt er in kleiner Runde, dem 16-jährigen Gerd eine Reihe von „Vergünstigungen“ zu gewähren, darunter auch „unterstützende Mittel“. Unterstützende Mittel? Keiner fragt nach. „Das musste man halt so hinnehmen“, sagt Jacobs. … Tolles Zeug, denkt Jacobs, der sich vom Training immer schneller erholt und „physisch belastbarer“ wird. Er ahnt, dass ihm womöglich doch mehr als Ascorbinsäure verabreicht wird. Er will es gar nicht so genau wissen. Er gehört zur Speerspitze.“ (FR, 10.8.2009)
Böttcher, Gerhard
Gerhard Böttcher besuchte von 1959 bis 1964 die Kinder- und Jugendsportschule in Halle. Während seines Studiums an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig arbeitete er als Basketballtrainer, danach wechselte er in die Leichtathletik und wurde Diskus- und Kugelstoß-Trainer zunächst als Assistent von Trainer Lothar Hinz, ab 1975 selbstständig tätig. Sein Verein war und blieb der SC Chemie Halle, der sich nach der Wende in SV Halle umbenannte.
1991 bis zu seinem Ruhestand 2009 war er DLV-Bundestrainer für Frauen, von 1992 bis 2001 auch für Männer. Er gilt als einer der erfolgreichsten deutschen Leichtathletiktrainer. (mz-web.de, 22.08.05)
2012 ist er Vizepräsident des Vereins Hallesche Leichtathletikfreunde e.V., dessen Vizepräsidentin für Leistungssport Trainerin Maria Ritschel ist, die 2009 wie Böttcher auch die DOSB/DLV-Dopingerklärung unterzeichnete (s.u.). Dem SV Halle, dessen Präsident Dr. Christoph Bergner (CDU-Mitglied, Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium) ist, blieb Böttcher als Berater verbunden.
Nach der Wende war bekannt, dass Gerhard Böttcher Teil des DDR-Dopingsystems war. Der Spiegel berichtete im Februar 1993 von einer „bislang geheimgehaltenen Liste über neue „Hauptamtliche Trainerverträge (Ost)“„. Die darauf genannten Trainer sollten Verträge vom DLV erhalten. Mit dabei war Gerhard Böttcher (Diskuswurf) (der Spiegel, 22.02.1993).
Gerhard Böttcher trainierte in der DDR u.a. Kugelstoßerin Helma Knorscheid und Diskuswerferin Silvia Madetzky. Brigitte Berendonk listete „reguläre und ordentlich protokollierte orale Milligramm-Leistungen“ (keine Injektionen) auf. Danach hatte Silvia Madetzky, Diskus-Fünfte der EM 1982, eine Jahresdosis des Anabolikums Oral-Turinabol bis zu 2390 mg erhalten, bei Helma Knorscheid, die bei der WM 1983 Silber im Kugelstoßen errang, waren es bis zu 2900 mg. Viele der von Berendonk genannten Sportlerinnen mussten pro Jahr mehr Anabolika einnehmen als ihre männlichen Kollegen, „manche z. B. mehr als das Doppelte (!) der Anabolika-Jahresdosis des kanadischen Dopingsprinters Ben Johnson.“ (Berendonk, Doping, 1992)
In den Folgejahren führte er Ilke Wyludda zu Siegen, 1996 gewann sie bei den Olympischen Spielen in Atlanta Gold.
Als die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) im Bereich Leichtathletik zu ermitteln begann, fiel der Name Gerhard Böttcher erneut, gemeinsam mit Werner Goldmann und Maria Ritschel. (Ob und wie diese Emittlungen eingestellt wurden, ist mir nicht bekannt.) (der Spiegel, 29.12.1997)
Auch im Jahr 2000 gehörte Gerhard Böttcher zum deutschen Aufgebot der Olympischen Spiele. Insgesamt 10 Trainer mit DDR-Dopingvergangenheit nannte hierzu das TV-Magazin MONITOR: Bernd Schubert, Lutz Kühl, Eberhard König, Klaus Schneider, Bernd Jahn, Gerhard Böttcher, Klaus Baarck, Bernhard Riedel, Bernd Bierwisch und Hans-Joachim Pathus. Ein Fakt, der von den Dopingopfern, die noch vor kurzem in den DDR-Doping-Prozessen als Zeugen ausgesagt hatten, kritisch aufgegriffen wurde. (Monitor, 10.08.2000), Klaus Blume sprach in der Neuen Züricher Zeitung von 12 Trainern (NZZ, 4.8.2002).
Schwieriger wurde es für Diziplintrainer Böttcher 2008, als auch seine Vergangenheit in Zusammenhang mit der des Trainers Werner Goldmann diskutiert wurde. Er unterzeichnete gemeinsam mit seinen DLV-Trainerkollegen Klaus Baarck, Rainer Pottel und Maria Ritschel eine Erklärung, die allen eine Weiterbeschäftigung ermöglichte. Darin bekannten sie sich dazu gedopt zu haben, sahen sich aber als Opfer des Systems. Nach der Wende hätten sie durch eine dopingfreie Praxis überzeugt und würden Doping streng ablehnen. (>>> der Fall Goldmann und die Folgen)
Gerhard Böttger hielt sich mit öffentlichen Äußerungen zu den Vorwürfen weitgehend zurück. Die Süddeutsche Zeitung versuchte Aussagen von den Trainern zu erhalten, doch nur Rainer Pottel und Klaus Schneider öffneten sich.
„Die restlichen drei Unterzeichner dagegen schweigen. Klaus Baarck antwortet per E-Mail: „Aus heutiger Sicht gibt es keine neuen Erkenntnisse als in der Ihnen bekannten Erklärung.“ Es folgt Gerhard Böttcher: „Ich schließe mich der Antwort von Herrn Baarck an.“ Maria Ritschel: „Ich möchte mich über die Erklärung hinaus nicht äußern.“ (SZ, 05.06.2009)
Elle, Siegfried
Siegfried Elle war Leichtathletik-Trainer beim SC Cottbus. Sein Name wird in Zusammenhang mit 400m-Hürdenläuferin Birgit Uibel-Sonntag genannt.
Birgit Uibel-Sonntag starb im Januar 2010 mit 48 Jahren. Sie war anerkanntes DDR-Dopingopfer. Anabolika hatte sie ab dem 15. Lebensjahr erhalten. Vor der Zentralen Ermittlungsgruppe für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) gab sie zu Protokoll:
„Mein Trainer Siegfried Elle sagte mir, dass ich wegen eines Gespräches zum Arzt Krocker gehen müsse. Ich wurde allein dort vorstellig. Dr. Krocker versuchte mir zu erklären, warum ich diese unterstützenden Mittel nehmen müsse. Ich würde durch diese Einnahme der Mittel bessere Leistungen erzielen und dadurch an großen Wettkämpfen teilnehmen können.“
Siegfried Elle wurde nach dem Tod der ehemaligen Sportlerin nach Doping gefragt. Er stritt ab Mittel vergeben zu haben.
„Ich fühle mich nicht schuldig“, sagt ihr damaliger Trainer Siegfried Elle am Telefon. „Wenn sie etwas bekommen hat, dann wusste sie das auch.“ Er habe keine Doping-Mittel verabreicht. Sein Kontakt zu Birgit Uibel sei vor zehn Jahren eingeschlafen, sagt Elle, ist sich aber sicher: „Sie war nicht böse auf mich.“ (FAZ, 16.01.2010)
2008 konnte sich Siegfried Elle über die Anerkennung seiner 35 Jahre währenden Laufbahn als Leichtathletik-Trainer freuen.
So ehrte die Stadtgruppe Cottbus der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) Siegfried Elle mit der Leistungsplakette. Für den ehemaligen Leichtathletiktrainer ein erfreulicher Abschluss seiner 35-jährigen Laufbahn. “Die Anerkennung kam für mich überraschend, und ich freue mich über diesen Dank” , resümierte der Geehrte am Galaabend. Siegfried Elle galt vor allem als Spezialist für das Hürdentraining. Seinen vielleicht größten Triumph feierte Elle im Jahr 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul. In Südkorea sprintete sein Schützling Gloria Siebert zur Silbermedaille über 100-Meter-Hürden. (Leichtathletik Club Cottbus, 24.1.2008)
Gehrke, Klaus
Klaus Gehrke war in der DDR Ende der 1960er Jahre Verbandstrainer des DVfLund später bis 1985 Cheftrainer für Mehrkampf und Sprung in der Leichtathletik. 1990 übergab er Dokumente, die das Dopingsystem offen legten.
Nach 1990 fand er als Mehrkampfexperte Betätigungsmöglichkeiten im Deutschen Leichtathletikverband (DLV), erstellte Trainingspläne, bildete Trainer aus und betreute das Zehnkampf-Team. Im Januar 2011 verstarb er im Alter von 83 Jahren (Zehnkampf-TEAM, 13. Januar 2011)
Gehrke war schon früh über das Dopingprogramm informiert und eingebunden. So wählte er die Sportler mit aus, die für das Dopingprogramm ausgewählt wurden.
„Der Verbandstrainer GEHRKE und der zuständige Arzt wählten Sportler aus, die ‚im persönlichen Gespräch‘ über die Dopinganwendung informiert wurden. Als Rückkoppelung ging die so erstellte für ein Jahr gültige Liste an Verbands- und Sektionsarzt. Hier ist bemerkenswert, daß in der Leichtathletik eine grundsätzliche Information über „UM“ gegenüber den Athleten als Objekten dieser „Maßnahmen“ nachweisbar ist, so wie 1968 im Turnen. Über Mitteilungen zu Nebenwirkungen hat GEHRKE jedoch nichts ausgesagt. … In der Realität blieb die vertraulich ausgehandelte Doping-Liste des DDR-Leichtathletik-Verbandes jedoch, was sie war – Papier. Nach München 1972 war der Durchbruch der „Mittel“ auf breiter Front erfolgt; alle Dämme waren eingerissen worden.“ (Spitzer, Doping in der DDR, S. 32)
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitierte 1994 aus einem 1974 erstellten Bericht Manfred Höppners, IMB „Technik“, an die Staatssicherheit über
„unverantwortliche Vorstellungen“ von Trainern: „So versucht der Trainer GEHRKE die Ärzte zu beeinflussen, damit die Hochspringerin … präpariert wird mit dem Ziel, Weltrekord zu springen, selbst wenn Nachwirkungen auftreten sollten, und motiviert dies damit, daß er nicht weiß, ob er im nächsten Jahr überhaupt noch als Trainer arbeitet und deshalb mit dem Weltrekord nicht bis zu den nächsten OS (Olympischen Spielen) warten könne.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.01.1994)
1978 gehörte er zu den 23 Personen im Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB), die laut Prof. Röder innerhalb des DTSB „als Geheimnisträger zum Forschungsthema Komplex 08“ (Staatsplanthema 14.25) verpflichtet werden sollten. Dies betraf sowohl die Anwendung von Doping als auch die entsprechende Forschung (Spitzer, Doping in der DDR, S. 132).
1990 übergab Klaus Gehrke dem Spiegel einen Bericht, aus dem hervorging, wie die Sportler/innen ganzjährig gezielt auf Jahreshöhepunkte hin trainiert und mit Mitteln behandelt wurden.
„“Dreifachperiodisierung“ heißt das Schlüsselwort für die DDR-Erfolge in der Leichtathletik. Klaus Gehrke, der ehemalige Chef-Verbandstrainer, der jetzt im rheinischen Geldern lebt, berichtet, daß nach diesem strengen Trainingsschema, das in drei Stufen unterteilt war, systematisch auf einen Jahreshöhepunkt hin gedrillt wurde. Männer wie Frauen wurden dabei in fünf Anabolika-Kuren – von jeweils mindestens einem Monat Dauer – mit täglich bis zu vier Tabletten des DDR-Anabolikums Oral-Turinabol gefüttert. Und zwar ausnahmslos auch alle Spitzenkräfte. „Wer einmal dabei war, der kam nicht mehr raus“, sagt Gehrke. Für die Stars wurden in Kreischa ganz individuelle Absetz-Zeiten ermittelt, damit bis zum letztmöglichen Zeitpunkt gedopt werden konnte. Das System von Lehrgängen und Dopinggaben ist so perfekt, daß die gedopten Athleten gar nicht erwischt werden können. Gehrke hat errechnet, daß die Sportler elfmal im Jahr kontrolliert werden müßten, wollte man wirklich sichergehen, daß sie clean sind.“ (der Spiegel, 27.08.1990, s.a. Berendonk Doping, S. 154f)
Gehrke sagte dem Spiegel 1990 gegenüber auch, daß er
von ehemaligen Kollegen erfahren habe, „daß die Athleten – jetzt nicht mehr zum Ruhme des Sozialismus, sondern für harte D-Mark – nach kurzer Pause längst wieder die alten Erfolgsrezepte anwenden.“
1993 wurde Klaus Gehrke im Vorfeld der Anhörungen eingebunden, denen sich ehemalige DDR-Trainer des DLV vor der Antidoping-Kommission des Deutschen Sportbundes (DSB) stellen mussten. Überprüft werden sollten analog zu der Überprüfung der DSV-Trainer im Januar/Februar die 21 (22?) DLV-Trainer, speziell Bernd Schubert. In einem Vorgespräch mit Brigitte Berendonk, dem früheren DVfL-Cheftrainer Klaus Gehrke und Dreisprung-Nachwuchstrainer Jörg Elbe sollte geklärt werden, zu welchen Trainern Klärungsbedarf besteht. Hintergrund war eine offen ausgetragene Kontroverse zwischen dem DLV, Jörg Elbe und Brigitte Berendonk im Jahr 1992 über die Dopingverstrickungen Bernd Schuberts. (FAZ, 8.4.1993)
>>> GOLDMANN, WERNER
König, Eberhard
Eberhard König trainierte als Trainer des Erfurter Leichtathletik Clubs die Sprinterinnen, u. a. Läuferinnen der 4x400m Staffel, die 1984 Gold gewannen.
König wurde Ende 1990 als Disziplin- und Nachwuchstrainer vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) angestellt. Im Juli 2000 übernimmt er die Nationaltrainerstelle von Wolfgang Thiele als DLV-Teamleiter Sprint Frauen und wird damit auch Hürdentrainer, 2004 wird er als DLV-Teamleiter Staffel genannt. 2009 endete seine Karriere als Bundestrainer.
Dem Erfurter LAC blieb er erhalten, 2012 betreut er als Sportwart Mittelstreckler Wolfram Müller.
Eberhard König gehörte zu den 53 Angeklagten, gegen die aufgrund ihrer Einbindung in das DDR-Dopingsystem die Erfurter Staatsanwaltschaft Ermittlungen durchgeführt hatte, deren Verfahren dann aber wegen geringer Schuld gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt wurden. (FAZ, 12.4.2000, der Spiegel, 25.1.2010).
Als zu Beginn der Olympischen Spiele 2000 in Sydney die Urteile im DDR-Dopingprozess gegen Manfred Höppner und Manfred Ewald fielen, wurde dann, wenn auch nur kurze Zeit, öffentlich thematisiert, dass der DLV die Doping- und Stasivergangenheit seiner Trainer niemals richtig aufgearbeitet hatte und nun 12 ehemalige DDR-Trainer nach Sydney geschickt hatte. Dabei war auch Eberhard König: „Oder Eberhard König: seit 1990 im DLV, als Nachfolger von Wolfgang Thiele nun „Teamchef Frauensprint“. In der DDR trat er besonders 1983, 1984 und 1986 als Hormondoping-Praktiker in Erscheinung.“ (die Welt, 13.11.200, Monitor, 10.08.2000, dpa, 10.8.2000)
Brigitte Berendonk hatte bereits 1991/92 in ihrem Buch auf die Einbindung Königs in Verbindung mit Doping der Läuferinnen Sabine Busch und Dagmar Rübsam verwiesen. Sie veröffentlichte Unterlagen, die belegen, dass beide Läuferinnen in Vorbereitung des Jahreshöhepunktes 1983 Überbrückungsdoping mit Testosteron erhalten hatten.
Im Jahr 2010 meldete sich Gesine Tettenborn, geb. Walther, die 1984 gemeinsam mit Sabine Busch, Dagmar Rübsam und Marita Koch in Erfurt einen neuen Weltrekord aufgestellt hatten. Der damalige Rekord ist immer noch deutscher Rekord. Gesine Tettenborn verlangte vom DLV, dass sie aus allen Rekordlisten gestrichen werde. Sie wollte nicht lügen und unglaubwürdig dastehen. Ihr Trainer war Eberhard König. Sie gab an von den Dopingmitteln, Anabolika, gewusst zu haben, zumal sie von ihrem Trainer die Pillen in Originalpackung erhalten habe. Sie habe auch gewusst, dass es verbotene Mittel gewesen seien. Insgesamt über 4 Jahre hatte sie die Pillen eingenommen, ab 17 Jahren bis zu ihrem Karriereende.
„Tettenborn: … Später habe ich einmal meine Tante darauf angesprochen, die als Ärztin an der Charité arbeitete. Sie kannte die Mittel auch nicht genau. Sie hat gesagt: Lass sie einfach weg. Ich habe dann ein bisschen experimentiert. Aber ich konnte mit niemandem darüber sprechen, weil ich mich in einer schriftlichen Erklärung dazu verpflichtet hatte. Und mein Trainer wäre total ausgeflippt, wenn ich ihm erzählt hätte, dass ich die Pillen nicht mehr will. …
Dass die Einnahme nur über eine relativ kurze Zeit ging, ist aus heutiger Sicht wohl mein Glück. Ich habe mit 17 Jahren angefangen, damals waren wir in der Vorbereitung für die Olympischen Spiele 1980. Ich bin dann als Ersatzsprinterin mit nach Moskau gefahren. …
SPIEGEL: Machen Sie Ihrem ehemaligen Trainer Eberhard König einen Vorwurf?
Tettenborn: Nein, er war wie ein Vater für mich. Ich habe ihm einiges zu verdanken. Ich kann ihn jetzt nicht als Verbrecher hinstellen.
SPIEGEL: Gegen König, der bis vor kurzem noch Bundestrainer war, wurde wegen seiner Rolle im Dopingsystem der DDR ermittelt. Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Haben Sie deshalb so lange geschwiegen, um ihn zu schützen?
Tettenborn: Nein, ich will ihn auch jetzt nicht schlechtmachen. Er hatte durchaus eine soziale Seite. Ich bin im Training einmal 10,60 Sekunden über 100 Meter gelaufen, danach ist mein Kreislauf kollabiert. Daraufhin wurden die Pillen abgesetzt, und ich wurde durchgecheckt. In Erfurt am Leistungszentrum, wo ich trainierte, wurde nicht verantwortungslos drauflosgedopt. Ich sehe das Dopingproblem differenziert: Es gab gewissenlose Trainer, die Kinder gedopt haben. Und es gab Trainer, die haben nur das Nötigste gemacht. Unser Trainer hat gesagt: „Ich will, dass meine Mädchen gesunde Kinder bekommen.“ (der Spiegel, 4/2010)
Der DLV entsprach Gesine Tettenborns Wunsch und ersetzte ihren Namen durch ein Sternchen, der Rekord selbst wird weiterhin als Deutscher Rekord aufgeführt (DLV Deutsche Rekorde).
Kollark, Dieter
Der erfolgreiche Diskus-Trainer Dieter Kollack war Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi und in das DDR-Doping-Programm eingebunden. Vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking gehörte er zu den Trainern, deren Teilnahme heftig umstritten war. Er trainierte damals die Diskuswerferin Franka Dietzsch. Eine Akkreditierung durch den DLV wurde ihm am 2008 verweigert. Er ging nach China und trainierte dort erfolgreich Werferinnen.
Im Jahr 2018 trainiert er wieder eine deutsche Nachwuchshoffnung seines ehemaligen Vereins SC Neubrandenburg als Heimtrainer und konnte damit an den Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin teilnehmen. Für ehemalige DDR-Sportler, deren Trainer er war und die heute unter schweren gesundheitlichen Schäden aufgrund des DDR-Dopings leiden, ist dies nur schwer verständlich. Kollark selbst leugnet jegliche Verantwortung.
„Kollarks eigene Akte ist ziemlich konkret. In einem Auskunftsbericht des 28. Juli 1981 heißt es:
„Er kennt sich in den Grundlagen des Leistungssports sehr gut aus (…) Aus seiner Begründung ist zu ersehen, daß er nicht nur die Sachen kennt, die unter Verschluß stehen, sondern auch solche Mitteln, welche den uM (unterstützenden Mitteln/Doping, Anmerkung der Redaktion) gleichzusetzen sind. In seinem Auftreten ist er selbstsicher.“
Heute will der Trainer davon nichts mehr wissen. 2010 sagte Kollark der Deutschen Presse-Agentur: „Das sind alte Kamellen. Ich bin der einzige nicht-belastete Ost-Trainer, deshalb versucht man, an meinem Stuhl zu sägen.“ Seine Sportlerinnen hielten trotz der Vorwürfe zu ihm. (tagesspiegel.de: Warum das DDR-Staatsdoping bis heute nachwirkt, 5.8.2018
Die folgenden Textstellen sind aus der NDR-Dokumentation vom 30.1.2016 zusammen gestellt:
„Wie alles begann
1944 in Sachsen geboren, lernte Kollark zunächst Maurer. Von 1964 bis 1967 leistete er seinen Wehrdienst ab. Nach der Armee wurde der einstige Leistungssportler Sportlehrer in Bischofswerda. 1972 ging er als Trainer zum Sportclub Neubrandenburg (SCN).
Dieter Kollarks Vergangenheit als Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit wurde 1994 bekannt.
Privat hatte Kollark sein Glück mit der Halbschwester eines der besten Diskuswerfer der Welt gefunden. Wolfgang Schmidt wollte die DDR verlassen. Seine Pläne aber flogen auf, weil ein vermeintlicher Fluchthelfer für die Staatssicherheit arbeitete. Schmidt wurde Anfang Oktober 1982 vor dem Stadtbezirksgericht Lichtenberg zu einer Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren verurteilt. Kollark hatte Schmidt nicht verraten. Doch – ohne überhaupt eine Verpflichtungserklärung für die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterschrieben zu haben – zeigte er sich der Stasi gegenüber auskunftsfreudig: …
Kollark wurde vom MS gezielt um Informationen über Schmidt ersucht. Die Stasi wollte Schmidt vom Bleiben in der DDR überzeugen. Kollark sollte dabei helfen. …
Kaum ein Jahr nach diesem Treffen unterschreibt Kollark aus Überzeugung die Verpflichtungserklärung für die Zusammenarbeit mit dem MfS. Er trifft Schmidt nach dessen Haftentlassung häufiger und berichtet der Stasi bis zu dessen Ausreise im November 1987 detailliert von den Treffen. Als unter den DDR-Leichtathleten bekannt wurde, dass Schmidt einen Ausreiseantrag gestellt hatte, teilte der als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) unter dem Decknamen „Alexander“ geführte Kollark der Stasi mit:
„Während des Trainingslagers der Juniorennationalmannschaft in Kienbaum zur Vorbereitung auf die JEM in Birmingham wurde uns in der Mannschaftsberatung kurz vor der Abreise mitgeteilt, daß […] einen Ausreiseantrag in die BRD gestellt hat. Diese Mitteilung erhielten wir mit dem Hinweis, falls in Birmingham Fragen an die Sportler gestellt werden, daß sie dann antworten: „das ist ein unbekannter Athlet für unsm der aufgehört, der war nicht mehr aktiv“. Der Hinweis galt vor allen Dingen für die Sportfreunde ,die von Dynamo waren. Im kleineren Kreis der Delegationsleitung wurde gesagt, daß dem Antrag von […] wahrscheinlich stattgegeben werden soll. Die „Biertischgespräche“ war so, daß eine Beratung stattgefunden haben soll. wo man überlegt hat, wo ist der Schaden größer, […] hierbleibt oder wenn er drüben ist. Heute habe ich gerade erfahren von dem Kolleg. […], Wurftrainer bei Dynamo, der hier im Trainingslager ist, daß […] letzte Woche bei Dynamo noch trainiert hat.“ (Quelle: Reg IM III 1262/83 Teil II „Alexander“, BStU 000116, ASt Neubrandenburg, Informationen zum Sportler des SC Dynamo Berlin (Wolfgang Schmidt) vom 14.8.87)
…Kollark hatte auch eine Auge auf den damals noch jungen und hoffnungsvollen Nachwuchstrainer Thomas Springstein. Bereits 1986 erzielte Springstein mit seiner Athletin Katrin Krabbe erste Erfolge. Auch seine spätere Lebensgefährtin, Grit Breuer, gehörte zu den ihm anvertrauten Sportlern. Kaum im SCN angekommen, lag dem MfS der erste Bericht von IM „Alexander“ über Springstein vor.
Kollark berichtete ab 1987 ausführlich über Katrin Krabbe, schätzte deren Persönlichkeit und Verhalten ein.
Die Sportlerin machte dessen Denunzationen erstmals 1994 öffentlich.
„Kollarks Beschreibungen brachten auch den Dreispringer Volker Mai in Bredouille. Mai gehörte zum Kader des SCN für die Olympischen Spiele 1988 in Seoul. Und Kollark gab Mitte Mai 1987 sein Urteil über den damals 21-Jährigen ab.“
Zu Kollarks Einbindung in das DDR-Dopingsystem heißt es::
„Kollark war bereits Anfang der 1980-er Jahre in das DDR-Dopingprogramm eingebunden. Die Arbeitsgruppe Geheimnisschutz (AG G) der Neubrandenburger MfS-Bezirksverwaltung notierte im Juli 1981 in einem Auskunftsbericht über den Trainer:
“ 11. Einschätzung des Geheimnisträgers
… Er versucht, was umzusetzen, macht sich Gedanken und kann gut analysieren. Er kennt sich in den Grundlagen des Leistungssports sehr gut aus, hat im Wurf/ Stoßbereich seine Erfahrungen. Durch seine Verbindungen zum […] beim SC Dynamo kennt er den Medikamenteneinsatz bei Leistungssportlern und kennt auch dessen Trainingsprotokolle. Aus seiner Begründung ist zu ersehen, daß er nicht nur die Sachen kennt, die unter Verschluß stehen, sondern auch solche Mittel, welche den „uM“ gleichzusetzen sind. In seinem Auftreten ist er selbstsicher.
15. Einschätzung der Kenntnisse des Geheimnisträgers über geheimzuhaltende Informationen
[…] ist seit 20.10.1978 in seiner Funktion als Trainer Leichtathletik als Geheimnisträger im SCN verpflichtet. Die Verpflichtungsunterlagen als VS-berechtigte Person befinden sich beim Hauptstellenleiter im SCN. In seiner bisherigen Arbeit gab es keine Verstöße gegen die „AO zum Schutz von Staatsgeheimnissen“. Die VS-Dokumente, mit denen er arbeitet oder von denen er Kenntnis hat, werden in der VS-Hauptstelle aufbewahrt. Die Dokumente, die er kennt, behinhalten Auswertungen von zentralen Tests der Spitzensportler und die Maßnahmen, welche zur Trainingssteigerung festgelegt sind. Er hat Kenntnis über aktuelle wissenschaftliche Trainingsmethoden, die sich aus dem RTP und ITP ergeben. Er kennt die wissenschaftlich-medizinischen Methoden zur Leistungssteigerung in Vorbereitung internationaler Wettkämpfe sowie die dazu getroffenen internen Festlegungen.
Beim Verrat dieser Kenntnisse kann das Auswirkungen auf die Wettkampfergebnisse der Sportler bei internationalen Wettkämpfen wie Europa- und Weltmeisterschaften sowie der Vorbereitung der Olympischen Spiele 1984 haben. Es kann dadurch das internationale Ansehen des Leistungssports der DDR geschädigt werden. Wie in Punkt 11 herausgearbeitet, hat […] umfangreiche Kenntnisse über den Leistungssport der DDR.“ (MfS ZAGG Nr. 1009, BStU 000033ff., ASt Neubrandenburg, Auskunftsbericht zum Geheimnisträger […] vom 28. Juli 1981)
Kollark war als Trainer für die DDR-Olympiamannschaft 1984 in Los Angeles vorgesehen. Die DDR boykottierte letztlich die Spiele in den USA. Von Mitte der 1980er-Jahre an trainierte Kollark den Nachwuchs beim SCN.“ …
„Die DDR ging ihrem Ende entgegen, und Dieter Kollark blieb ihr und der Staatssicherheit bis zum letzten Tag treu. Am 8. November 1989 traf sich der Leichtathletik-Trainer des SCN mit seinem MfS-Kontaktmann. Morgens um acht Uhr in der eigenen Wohnung. Der letzte Vermerk in Kollarks Stasi-Akte macht vor allem eines deutlich: die Angst, die Kollark auf einmal beschlich:
„IM bezog Standpunkt, daß Arbeit MfS auf Gebiet LS gegenstandslos geworden ist. … IM wurden aktuelle Aufgaben des MfS (Unterstützung Wende) dargelegt – IM akzeptierte. … Bitte IM zu gewährleisten, daß im MfS befindliche Unterlagen zu seiner Person nicht fremden Personen in die Hände fallen – wurde durch MA als verbindlich ausgeschlossen.“ (Reg IM III 1262/83 Teil II „Alexander“, BStU 000192, ASt Neubrandenburg, Treffbericht vom 8.11.1989)
Kühl, Lutz
Lutz Kühl war in den 1980er Jahren Wurf-Jugend-Trainer beim SC Dynamo Berlin. Nach der Wende wurde er vom Deutschen Leichtathletikverband für die Disziplin Speerwurf übernommen und stieg 1993 zum Bundestrainer auf. Diese Stelle hatte er bis 2005 inne. Bis 2008 (?) betreute er als Wurftrainer am Leichtathletikzentrum (LAZ) Leipzig e.V. Sportler/innen.
Sein Vater Willi Kühl war bereits in den 1970er Jahren ein bekannter Leichtathletiktrainer und trainierte in den 1980 Jahren die erwachsenen Frauen beim SC Dynamo Berlin. 1975 gehörte er der erweiterten, 42 Personen umfassenden Forschungsgruppe „Zusätzliche Leistung“ (ZL) an, die maßgeblich für das Dopingprogramm (Staatsplan 14.25) der DDR verantwortlich war (G. Spitzer, Doping in der DDR, S. 77ff). Willi Kühl trainierte u.a. Ilona Slupianek, Olympiasiegerin 1980 und 1977 erster bekannt gewordene Dopingfall der DDR.
Lutz Kühl war als Wurf-Jugend-Trainer auch verantwortlich für >>> Heidi Krieger. Als Erwachsene kam sie zu Willi, war dieser mit seinen Schützlingen ohne Heidi im Trainingslager oder bei Wettkämpfen, sprang der Sohn wieder als Trainer ein. Heidi Krieger, heute Andreas Krieger wurde als Dopingopfer anerkannt und streitet unermütlich für die Aufarbeitung des geschehenen Unrechts und die Rechte der Geschädigten.
Die Anstellung Lütz Kühls sorgte 1992 für besonderen Wirbel in den Auseinandersetzungen um die Anstellung dopingbelasteter Trainer.
1991 war er wie viele andere aufgrund der Stellungnahme einer DLV-Juristenkommission, begleitet von einer ‚günstigen Sozialprognose‘ eingestellt worden, bereits 1.1.1993 stieg er zum Speerwurf-Bundestrainer auf. Der Münchner Speerwurftrainer Siegfried Becker, verantwortlich für Nachwuchswerferinnen, hatte sich gegen dessen Einstellung gewehrt mit der Begründung, Kühl hätte zu DDR-Zeiten minderjährige Mädchen gedopt.
„Becker suchte in einem achtseitigen Brief Rat beim DLV: „Was antworte ich unserem Nachwuchs, wenn ich auf diese Anschuldigungen gegen Kühl angesprochen werde?“ (der Spiegel, 28.12.1992).
Manfred Steinbach, DLV-Sportwart meinte daraufhin, Lutz Kühl würde mit seinem Vater verwechselt werden, es gäbe keinen Fall Kühl. Siegfried Becker wurde entlassen.
„Wir haben ihm das Aufgabengebiet entzogen. Diese Entscheidung aus sportfachlichen Gründen fiel vor der Zeit, als die ersten denunzierenden Briefe kamen.“ Auch Junioren-Bundestrainer Wolfram Ruth stellt sich vor seinen Kollegen. „Es gibt keinen Fall Kühl. Das ist die Reaktion eines verärgerten Trainers. Die Mehrheit der Zuständigen im DLV war nicht mehr bereit, mit Herrn Becker zusammenzuarbeiten. Die infamen Verdächtigungen sind nicht haltbar.“ (sid/FAZ, 20.1.1993)
Brigitte Berendonk allerdings widersprach. Heidi Krieger hatte in der Ausgabe 51 der DDR-Zeitschrift ‚Der Leichtathlet‘ gesagt, Lutz Kühl sei ihr Trainer. Wie Heidi Krieger angedopt wurde, war in Berendonks Buch nachzulesen. „Erst später, als sie noch mehr Dope nahm und noch weiter stieß, wurde sie vom Vater übernommen. Die DDR-Dokumente belasten Vater und Sohn Kühl.“ (Süddeutsche Zeitung, 1.1993)
Die Deutsche Speerwurfschule stellte sich hinter Siegfried Becker. Dr. Roland Rau, der Vorsitzende der Schule, wandte sich in einem Brief an die Mitglieder, in dem es u.a. hieß, Beckers Entlassung ohne Vorwarnung oder Anhörung nach dessen Beschwerdebrief an Steinbach über Lutz Kühl, sei eine
„ungewöhnliche und ungeheuerliche Maßnahme.“ Sie spiele sich „leider gekoppelt mit anderen unbegreiflichen Schritten des DLV ab: Schwer vorbelastete ‚DDR-Trainer‘ werden sukzessive an die Posten der Westtrainer gesetzt. … Den größten Fehlgriff tat jedoch der DLV mit der Berufung des Herrn Lutz Kühl zum Blocktrainer Wurf ‚Nachwuchs‘. Gerade er war als Mitglied des Stasi-Clubs Dynamo Berlin der skrupelloseste Jugenddoper. Er dopte Mädcchen mit wesentlich höheren Dosen von Anabolika, als selbst die ‚DDR-Mediziner‘ vorschrieben. Ein unvorstellbarer Eingriff in das Leben junger Menschen und bewußte Körperverletzung dazu. Der DLV tut gut daran, sich von Herrn Lutz Kühl zu trennen. Für uns ist er untragbar.“
Rau forderte die Nachwuchswerferinnen auf, sich für Becker bei Rüdiger Nickel, dem Anti-Doping-Beauftragten des DLV, einzusetzen.
Die Angelegenheit verlief im Sand. Sein Name wurde wieder in Zusammenhang mit seiner Doping-Vergangenheit im Jahr 2000 während der Olympischen Spiele in Sydney genannt. Manfred Ewald und Manfred Höppner standen die Monate zuvor in Berlin vor Gericht und wurden am Eröffnungstag der Spiele verurteilt. Das WDR-Magazin MONITOR nannte zehn Trainernamen, die in der Urteilsbegründung in Zusammenhang mit Doping zu finden waren und die im Vorfeld der Ermittlungen befragt und zum Teil auch mit Geldbußen belegt worden waren. Keiner der Trainer war jedoch strafrechtlich belangt worden. Die DLV-Trainer waren: Bernd Schubert, Lutz Kühl, Eberhard König, Klaus Schneider, Bernd Jahn, Gerhard Böttcher, Klaus Baarck, Bernhard Riedel, Bernd Bierwisch, Hans-Joachim Pathus (MONITOR, 10.08.2000). Der Spiegel schrieb zu Lutz Kühl:
„Der Betreuer der Speerwurf-Medaillenhoffnung Tanja Damaske, Lutz Kühl, hatte, wie es in der 72-seitigen Urteilsbegründung heißt, einst die Berliner Diskuswerferin Dörte Bornschein, heute 29, mit Anabolika versorgt. Obwohl sie unter Nebenwirkungen litt, musste die Werferin weiter die Mittel schlucken.“ (der Spiegel, 25.9.2000)
Pottel, Rainer
Rainer Pottel, Jahrgang 1953, war DDR-Juniorenmeisters im 110-m-Hürdenlauf. Später als Zehnkämpfer errang er 1874, 1978 und 1981 die DDR-Zehnkampfmeisterschaft, 1981 führte er die Weltjahresbestenliste an. Er startete für den TSC Berlin, bei dem er ab 1982 als Sprung- und Mehrkampf-Trainer arbeitete.
Nach der Wende wurde er Trainer beim Leichtathletik-Landesverband Berlin, etliche Jahre später übernahm ihn der DLV. Er trainierte u.a. den Hochsprungweltmeister von 2001 Martin Buß und den Zehnkämpfer André Niklaus. Seit Oktober 2010 ist er Bundestrainer Zehnkampf des DLV.
Im Zuge der Diskussion um >>>> Trainer Werner Goldmann rund um die Olympischen Spiele 2008 in Peking, in der die Dopingvergangenheit ehemaliger DDR-Trainer und der Umgang damit innerhalb des deutschen Sports thematisiert wurde, geriet auch Trainer Rainer Pottel in das Blickfeld. Er selbst war zwar nicht als Trainer in Peking anwesend und hatte daher auch nicht im Vorfeld eine falsche Ehrenerklärung, nie gedopt zu haben, abgegeben. Aber er unterzeichnete gemeinsam mit den DLV-Trainern Klaus Baarck, Gerhard Böttcher, Maria Ritschel und Klaus Schneider eine Erklärung, die ihnen eine Weiterbeschäftigung ermöglichte (DOSB, 6.4.2009).
Pottel gab nun zu als Sportler mit Anabolika, Oral-Turinabol, gedopt und diese als Trainer eingesetzt zu haben.
„“Und dann fügt sich irgendwo eins zum anderen, und es gab den Vorschlag des Trainers, dass es Anabolika gibt.“ Der Trainer habe mögliche Nebenwirkungen genannt, deshalb habe Pottel sie erst nicht geschluckt. 1976 verpasste er Olympia wegen einer Verletzung. Ab 1977 schluckte er die Tabletten. Er fand es „logisch“: ohne blaue Tabletten keine Reisen heraus aus dem eingemauerten Land. Unter Doping wurde er Olympia-Teilnehmer 1980. Unter Doping stellte er 1981 seine Bestleistung von 8311 Punkten auf. Es stört ihn bis heute nicht, dass es ein manipulierter Rekord ist: „Unter den damaligen Bedingungen war es so, dass es keinen auf der Welt gab, der sich nicht ähnlich vorbereitet hätte. Somit sehe ich die Leistung als objektiv an.“ … 1982 wurde er Trainer, und alles war wie gehabt, nur dass er die blauen Tabletten jetzt nicht mehr selbst schluckte, sondern beim sportmedizinischen Dienst des TSC abholte und an die Athleten verteilte.“ (SZ, 5.6.2009)
Unklar bleibt, was auf Seiten des DSB, später DOSB und DLV während all der Jahre über die Einbindung Pottels in das DDR-Dopingsystem bekannt war und ob es überhaupt jemanden interessiert hatte. Rainer Pottel betonte nie gelogen zu haben, denn er sei nach der Wende nie, auch von keiner Kommission, über seine Dopingerfahrungen befragt worden und der DLV habe nie verlangt, dass er einen Vertrag unterschreiben sollte, in dem er versicherte, weder mit Doping noch mit DDR-Stasi etwas zu tun gehabt zu haben. Er habe sich lediglich immer gegen Doping stellen müssen. Er habe nun die Erklärung unterschrieben, um seine Zukunft als Trainer abzusichern. Er sei mit sich im Reinen, zumal er nach der Wende nie wieder etwas mit Doping zu tun gehabt habe, im Gegenteil, er sei einer der Ersten gewesen, die sich der Antidoping-Initiative des Deutschen Zehnkampfteams nach der Wende angeschlossen habe.
„… ich bin mit meinen Sportlern so umgegangen, dass die Bescheid wussten, was im Zusammenhang mit Doping dort steht. … Ich weiß als Trainer, dass niemand von mir dazu gezwungen wurde, das zu nehmen und dass diese Entscheidung, das zu machen oder nicht jedem freigestellt war und jemand, der sich frei entscheidet, ist für mich kein Opfer. Und in sofern sind diejenigen, die in meiner Trainingsgruppe waren keine Dopingopfer gewesen. und in sofern war ich für mich ethisch eigentlich für mich ganz klar, so dass dort für mich keine Begründung bestand dort in die Öffentlichkeit zu gehen. …
Es kann dort gesundheitliche Probleme geben, das wusste ich. Habe mich über Jahre für mich selber dagegen entschieden und hatte dann irgendwann einen Punkt, dass ich gesagte habe, ich entscheide mich dafür und genauso habe ich das mit meinen Athleten gemacht, die mit mir zum Großteil selber zusammen trainiert haben vorher. Und das war alles unter gesundheitlicher Kontrolle in der Gesamtheit organisiert. Es waren Leute da, die sich in der Spitze, in der Hierarchie des Sportbundes dort mit diesen Sachen vertraut gemacht haben. Die das dann an die Sportmedizin weiter gegeben haben und an die entsprechenden Leute musste das dann an irgendjemand dann der mit denen zusammen gearbeitet, weiter gegeben werden. Und das war dann im Endglied der jeweilige Trainer. … Ich bin kein Kämpfer gegen das System gewesen. Ich bin auch kein Befürworter des Systems gewesen in der DDR, konnte mich aber jederzeit dazu entscheiden, was ich mache. Und meine Entscheidung war eben so. Es gab viele hohe Motivationen, die damals dazu geführt haben, und sicherlich konnte auch jeder sagen, ich mache es nicht, machste irgendwas anderes. …
Nach der Wende bin ich als Erstunterzeichner im Zehnkampfteam gewesen und habe dort den dopingfreien Sport gefordert gegenüber allen Institutionen, die dort da waren. Und im Zehnkampfteam waren wir diejenigen, die diesen Aufruf dort gestartet sind und das kann man auch alles nachlesen, da gibt es ganz viele Veröffentlichungen zu, dass das eigentlich vom Zehnkampfteam im gesamten deutschen Sport eigentlich initiiert wurde. …
Ich habe es ja auch schon für mich schon erklärt dort, dass bestimmte Entwicklungen einem Leid tun können. Es kommt ja dort in dieser Erklärung mit eindeutig zum Ausdruck. Muss aber sagen, dass für mich persönlich ich dort vor mir selbst jederzeit bestehen kann.“ (Deutschlandfunk, 26.4.2009)
Ritschel, Maria
Maria Ritschel, Jahrgang 1955, begann ihre Trainerinnenarbeit 1976 als Übungsleiterin Speerwurf im SC Chemie Halle. Ab 1981 trainierte sie dessen Speerwurf-Nachwuchs bis sie 1985 die Hochleistungssportler des Sportclubs übernahm.
1991 wurde sie vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) als Disziplintrainerin Speerwurf übernommen, später stieg sie zur Bundestrainerin Speerwurf A/B/C-Kader, Frauen auf, eine Position die sie auch 2012 noch inne hat.
1991 wurde sie vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) als Disziplintrainerin Speerwurf übernommen, später stieg sie zur Bundestrainerin Speerwurf A/B/C-Kader, Frauen auf, eine Position die sie auch 2012 noch inne hat.
Am 29.9.2021 wurde Maria Ritschel als Trainerin verabschiedet:
In den Ruhestand verabschiedet wurde im Kreis der Trainer die langjährige Bundestrainerin Maria Ritschel, die über viele Jahrzehnte für Erfolge im Wurfbereich gesorgt hat. Für sie gab es ebenso „Standing Ovations“ wie für Siegfried Schonert, der seit 1993 beim DLV gearbeitet hat und zuletzt der Teammanager der deutschen Leichtathletik-Nationalmannschaft gewesen ist. (leichtathletik.de, 29.9.2021)
Im Oktober 2007 berichtete der Spiegel anlässlich der Vorstellung des >>> BMI-Berichtes „Sonderprüfung Doping“ darüber, dass es zwar seit 1991 Auflagen, Anti-Doping-Klauseln, gab für die Einstellung von Trainern, diese Auflagen aber nie kontrolliert wurden. So waren seit der Wende Trainer im deutschen Hochleistungssport beschäftigt, die zu DDR-Zeiten gedopt hatten, nach den geforderten Auflagen aber nicht beschäftigt sein sollten. Das Magazin spricht bezogen auf den Deutschen Leichtathletikverband von mindestens 6 Bundestrainern mit nachgewiesener Dopingvergangenheit (der Spiegel, 22.10.2007). Neben >>> Werner Goldmann, dessen Ehrenerklärung anlässlich der Olympischen Spiele 2008 in Peking bald hohe Wellen schlagen sollte, wird auch Maria Ritschels Name laut. Sie gehörte dann zu den DLV-Trainern, die 2009 eine Erklärung unterschrieben, in der sie Fehler zugaben und betonten, kompromisslos für einen dopingfreien Sport einzustehen.
In dem Fall von Maria Ritschel, wie bei anderen auch, hätten bei genauem Hinsehen der DSB und der DLV über die Dopingbelastung der Trainer/in Bescheid wissen müssen.
„Bei Werner Goldmann oder auch Speerwurf-Bundestrainerin Maria Ritschel handelt es sich um längst aktenkundige Minderjährigen-Doper. Goldmann akzeptierte deshalb bekanntlich eine Geldbuße. Gegen Ritschel lagen sieben Schadensanzeigen vor. Beide sind als Täter in Anklageschrift beziehungsweise im Urteil gegen die Hauptverantwortlichen des DDR-Doping-Staatsplans genannt. Ihre Athleten sind als Dopingopfer anerkannt.“ (Grit Hartmann, 26.9.2009)
Eine der von Maria Ritschel gedopten Athletinnen war die junge Speerwerferin Yvonne Gebhard. Heute ist sie anerkanntes DDR-Dopingopfer.
„“…an einem Abend nach den Übungsstunden, bat Frau Ritschel die siebzehnjährige Yvonne in ihr Zimmer. „Unterstützende Mittel sind Mittel, die unterstützen“, sagte sie bedeutungsvoll. „Sie unterstützen Deinen Körper und sind nur im Komplex wirksam: beeserer Stoffwechsel, schnellerer Erholung nach dem Training, mehr Kraft.“Auf dem Tisch lagen verschiedene Tabletten. … Die Trainerin nahm sich Zeit, gab minutiös an, wann dies und wann das genommen wurde, fragte, ob Yvonne die Abfolge der Mittel verstanden hat. … “ (zitiert aus Ines Geipel, Verlorene Spiele, S. 95-106)
„Die Maria sei eine gute Trainerin gewesen, sagt Yvonne Gebhard, ein Rädchen im System, aber dass sie die blauen Tabletten mit dem lapidaren Hinweis vergab, sie sollten in harten Trainingsphasen der schnelleren Erholung dienen, das nimmt sie ihr übel. Denn was die Tabletten außer schnellerer Erholung noch bewirken konnten, hat Yvonne Gebhard nicht gewusst. „Sie hätte uns sagen sollen, das hat die und die Nebenwirkung.“ Maria Ritschel war doch die Trainerin. „Ich habe ihr total vertraut.“ (SZ, 6.6.2009)
Yvonne Gebhard vertrug die Anabolika nicht, sie bekam gesundheitliche Probleme. Mit 20 Jahren musste sie ihre sportliche Laufbahn beenden. Mit 33 Jahren hatte sie Krebs. Ihr Körper hatte einen steroidabhängigen Tumor entwickelt. Yvonne Gebhard stellte Strafanzeige gegen Maria Ritschel und gegen die betreuenden Ärzte. Gegen die Trainerin wurde eine Ermittlungsverfahren eingeleitet und eingestellt.
Maria Ritschel hat zwar die Dopingerklärung unterschrieben, aber nichts gestanden.
Schneider, Klaus
Klaus Schneider, geb. 1950, war in seiner Jugend Zehnkämpfer. Nach seinem Sportstudium wurde er Trainer der Stoß- und Wurfdisziplinen beim SC Magdeburg. Seine erfolgreichste Athletin war Kathrin Neimke, Silbermedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul.
Nach der Wende wurde er vom DLV akzeptiert, blieb er dem SC Magdeburg treu und betreut bis heute als DLV-Bundestrainer Hochleistungsathleten.
2004 wurde er DLV-Trainer des Jahres. 2007 Trainer des Jahres des Leichtathletik-Landesverbandes Sachsen-Anhalt.
Die Überprüfungen 1991 auf mögliche Dopingverstrickungen während seiner DDR-Trainerzeit durch den DSB und den DLV konnte Schneider problemlos überstehen indem er eigene Dopinghandlungen verleugnete. Das ging gut bis in das Jahr 2000.
Während der Olympischen Spiele 2000 in Sydney wurden Vorwürfe gegenüber ehemaligen DDR-Trainern des Olympiakaders laut. Manfred Ewald und Manfred Höppner standen die Monate zuvor in Berlin vor Gericht und wurden am Eröffnungstag der Spiele verurteilt. Das WDR-Magazin MONITOR nannte zehn Trainernamen, die in der Urteilsbegründung in Zusammenhang mit Doping zu finden waren und die im Vorfeld der Ermittlungen befragt und zum Teil auch mit Geldbußen belegt worden waren. Keiner der Trainer war jedoch strafrechtlich belangt worden. Die DLV-Trainer waren: Bernd Schubert, Lutz Kühl, Eberhard König, Klaus Schneider, Bernd Jahn, Gerhard Böttcher, Klaus Baarck, Bernhard Riedel, Bernd Bierwisch, Hans-Joachim Pathus (MONITOR, 10.08.2000).
Der Spiegel schreibt über Klaus Schneider:
„Besonders brisant ist der Fall des Bundestrainers der Kugelstoßerinnen, Klaus Schneider. Er wurde in der polizeilichen Vernehmung von Kathrin Neimke, 34, beschuldigt, Pillen verteilt und auf die Nebenwirkungen nicht hingewiesen zu haben. Mit Schneider zusammen war Neimke noch bei den Spielen 1992 Dritte und 1996 Siebte geworden.“ (der Spiegel, 25.09.2000)
Die Diskussion verebbte, Klaus Schneider blieb wie andere auch in Diensten des DLV. Nadine Kleinert wurde seine nächste Erfolgssportlerin.
Trotz dieser öffentlich gewordenen Dopingvergangenheit unterschrieb Schneider auch 2008 die für die Olympischen Spiele in Peking vom DOSB geforderte Erklärung nie mit Dopinghandlungen in Verbindung gestanden zu haben. Als Werner Goldmann deswegen vor den Spielen öffentlich in die Kritik kam und dessen Dopingvergangenheit offen gelegt wurde, mussten auch weitere Trainer und Trainerinnen verschiedener Verbände, einschließlich Schneider, Farbe bekennen. Näheres zu der Affaire siehe unter >>> der Fall Goldmann und die Folgen.
Klaus Schneider erklärt sich wie Klaus Pottel 2009 bereit über seine Trainerzeit in der DDR zu sprechen.
„Man müsse auch die sportpolitische Seite sehen, diesen kalten Krieg in klein, welchen der Osten gegen den Westen austrug mit seinem einzigen Exportschlager, den Athleten. Und dass der Eindruck beim Blick auf die Konkurrenz eindeutig gewesen sei. Alle dopten. Schneider sagt: „Das war ‘ne Selbstverständlichkeit!“
… Er hat klare Ansichten, die er aber in sich hineinfrisst, wenn er dahinter ein Risiko erkennt. Noch vor einem Jahr hätte er keine Silbe über seinen Job im DDR-Dopingsystem gesagt. „Sonst hätten sie mir im DLV meinen Arbeitsvertrag vorhalten können und sagen, das reicht und tschüss.“ Er war Zehnkämpfer, verletzte sich früh und wurde Trainer. Er nahm Rahmentrainingspläne entgegen, Tabletten, Dosierungsanweisungen der Sportmedizin, und gestaltete damit seine Einheiten so, wie er es für jeden einzelnen seiner Athleten für richtig hielt. Er sagt, er habe seinen Leuten erklärt, dass die Leberwerte regelmäßig überprüft werden müssten, wenn sie die blauen Tabletten nähmen. „Von anderen möglichen Nebenwirkungen haben wir Trainer nichts gewusst.“
Dann kam die Wende. Klaus Schneider trainierte eine aussichtsreiche Kugelstoßerin, Kathrin Neimke, die Olympia-Zweite von 1988. Der DLV wollte Schneider deswegen übernehmen. Bald saß Schneider vor Funktionären, die prüfen sollten, ob er die ethischen Voraussetzungen mitbrachte für eine Übernahme. Und Schneider verstand die Situation so, dass er für den Job über seinen Umgang mit den blauen Tabletten schweigen musste. Also schwieg er darüber? „Na sicher“, sagt Klaus Schneider schnell.
… Er hat vor Olympia 2008 auch die Ehrenerklärung des DOSB unterschrieben. „Sonst wäre ich nicht nach Peking gefahren“, sagt er.
Schneider fand die Debatten über das DDR-Doping immer einseitig. Und manche Dopingopfer scheinheilig: „Wer sich von den früheren Spitzenathleten hinstellt in der Leichtathletik, ganz konkret im Wurf, und sagt: Ich wusste nichts, ich wurde zwangsgedopt – der lügt.“ … Ob er sich schuldig fühle wegen der Dopingsache? „Das würde ich schon sagen. Also moralisch. Irgendwo waren wir ja in einer Verantwortung drinnen gewesen.“ “ (SZ, 5.6.2009)
Die fünf betroffenen DLV-Trainer Klaus Schneider, Klaus Baarck, Gerhard Böttcher, Rainer Pottel und Maria Ritschel bekamen Absolution. Sie unterschrieben eine Erklärung, in der sie Fehler zugaben und betonten, kompromisslos für einen dopingfreien Sport einzustehen.
Auch 2012 ist Klaus Schneider DLV-Bundestrainer Kugelstoßen Frauen und nahm an den Olympischen Spielen 2012 teil.
Schubert, Dr. Bernd
Dr. Bernd Schubert bereits in den 1970er Jahren Leichtathletiktrainer beim SC Karl-Marx-Stadt. In den 1980er Jahren stieg er zum Cheftrainer des DDR-Leichtahletik-Verbandes (DVfL) für die Sprung- und Mehrkampfdisziplinen auf. Sein Verein blieb bis heute der SC Karl-Marx-Stadt (heute LAC Erdgas Chemnitz), dessen Cheftrainer er ebenfalls war.
Nach der Wende wurde er vom deutschen Leichtahtletik-Verband (DLV) übernommen und blieb bis auf wenige kurze Unterbrechungen Bundestrainer, von 1999 bis 2004 leitender Bundestrainer (ab 2002 Cheftrainer genannt), danach bis 2007 in anderen Funktionen für den DLV, so Jugendtrainer für Kurzsprinter in Chemnitz und Bundesstützpunkt-Koordinators für Leichtathletik. Bis 2006 war er Vorsitzender des LAC Erdgas Chemnitz, dessen Sportwart er 2012 ist.
Schubert gehörte nach der Wende zu den Trainern, auf die der DLV unter keinen Umständen verzichten wollte. Seine Doping-Vergangenheit bestritt Schubert nach der Wende mit Vehemenz. Noch Mitte 1991 leugnete Schubert Dopingmittel verabreicht oder dazu angehalten zu haben. Und nachdem der Reiter-Bericht 1991 empfohlen hatte belastete Trainer zu amnestieren und ihnen eine Chance einzuräumen, sah sich der DLV erst einmal bestätigt in seiner Akzeptanz Schuberts.
1991 platzte Brigitte Berendonks Buch ‚Doping Dokumente‘ in die Diskussion. Sie führte Unterlagen auf, die bewiesen, dass Bernd Schubert vollständig in das DDR-Dopingsystem integriert war. Ihr lagen Aufzeichnungen des damals neu ernannten DVfL-Chefarztes >>> Dr. Hartmut Riedel vor, der für sich über eine geheime Konferenz in Kienbaum im Winter 1986/87 Protokoll geführt hatte. Erarbeitet werden sollte ein Konzept fortschrittlicher Ernährung und des Einsatzes ‚unterstützender Mittel‘ für den Sporthöhepunkt des Jahres 1987, die WM in Rom. Versammelt hatten sich die wichtigsten Leichtathletikverantwortlichen, darunter auch Bernd Schubert. Riedels Aufzeichnungen über Dopingpläne und das damit verbundene Überbrückungsdoping lassen wenig Interpretationsspielraum zu.
Verschiedene Sportler und Funktionäre hatten schon früh die Anstellung Schuberts kritisiert, doch erfolglos. Schubert versuchte weiterhin das Bild seiner Unschuld aufrecht zu erhalten. Doch im Dezember 1991 verlor er einen von ihm selbst angestrengten Prozess gegen Brigitte Berendonk. Sie hatte ihn eine ausgewiesenen Fachdoper genannt, was Schubert nicht dulden wollte. Am 4.12.1991 gab das Landgericht Heidelberg Brigitte Berendonk recht, man durfte Schubert einen
„ausgewiesenen Fach-Doper und aktiven Teilnehmer am Anabolika-Doping der DDR“ nennen. In der Urteilsbegründung hieß es: „Die Richtigkeit dieser Behauptungen hat die Verfügungsbeklagte aber nicht nur glaubhaft gemacht, sondern nach Überzeugung der Kammer sogar bewiesen.“ (Berendonk, Doping, S. 315)
Etwas konkreter als die Reiter-Kommission hatte sich die ad hoc-Kommission unter Leitung von Manfred von Richthofen mit den Dopingvergangenheiten des deutschen Sports von Ost und West auseinander gesetzt.
„Manfred von Richthofen hatte es sich nicht nehmen lassen, bei der Vorstellung des ad-hoc-Berichts auf die Personalie Schubert konkret hinzuweisen: „Schubert ist bei uns aktenkundig und der DLV weiß das“.“ (Jutta Braun in Latzel/Niethammer, 2008, S. 160)
Für von Richthofen war daher Bernd Schubert nach dem Urteilsspruch untragbar. DLV-Trainer des Olympiakaders sahen jedoch die weitere Zusammenarbeit mit Trainer Schubert als unbedingt notwendig an.
Im Februar 1992 löste ihn der DLV dann aufgrund der anhaltenden Kritik als DLV-Cheftrainer ab, setzte ihn jedoch einige Monate später wieder kommissarisch ein.
Die Ergebnisse und Empfehlungen der ad-hoc-Kommission unter Manfred von Richthofen wurden vom DLV weitgehend negiert bzw. verharmlost. Die Überprüfung belasteter Trainer, darunter auch wieder Schubert, durch die eingesetzte Juristenkommission erbrachte für ihn eine positiv beurteilte Sozialprognose, was hieß, dass man von ihm u.a. eine Abkehr von Doping erwartete. Brigitte Berendonk hatte der Kommission zwar verschiedene Dokumente, darunter auch die erwähnten Aufzeichnungen Prof. Riedels über die Doping-Konferenz 1986 in Kienbaum vorgelegt, doch ausgerechnet Prof. Riedel wurde vom DLV zu den Verstrickungen Schuberts in das DDR-Dopingssystem gehört. Hartmut Riedel, der selbst höchst belastet war und wenige Zeit später seine Professur in Bayreuth aufgeben musste, hat Schubert „sehr entlastet“, wie Rüdiger Nickel, Dopingbeauftragter des DLV im Dezember 1991 erklärte. „Die publik gewordenen Aufzeichnungen bezeichnete Riedel als „persönliche Notizen“, die keinen Protokiollcharakter gehabt hätten.“ (FAZ, 23.12.1991).
„Bei einem Trainer hat der DLV, trotz günstiger Prognose durch die Juristenkornmission, eine „Rückstufung“ des Trainers vorgenommen, nämlich beim ehemaligen Cheftrainer des DLV Dr. Schubert; bei einemn weiteren Trainer wurde der Arbeitsvertrag nicht mehr fortgesetzt, nämlich bei Herrn Springstein.“ (>>> 1992 DOPING-Bekämpfungsmaßnahmen des DLV)
Leugnen half nicht weiter und so gestand Schubert im Frühjahr 1992 eine „Mitschuld“ am DDR-Doping. Die Staatsanwaltschaft eröffnete daraufhin ein Ermittlungsverfahren „wegen der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung“, da er ausgesagt hatte, „niemals Dopingkonzeptionen aufgestellt oder vermittelt“ zu haben. Das brachte ihm im Februar 1996 9000 Mark Strafe ein. (der Spiegel, 28.12.1992). „Er düpierte damit auch auf einen Schlag die Verbandsführung, da er gleichzeitig offenbarte, die DLV-Gremien bereits lange zuvor über diese Tatsache informiert zu haben. DLV-Generalsekretär Jan Kern musste diesen Umstand öffentlich zugeben – so dass am Ende des Jahres 1992 die Glaubwürdigkeit nicht nur des Trainers Schubert, sondern auch des Verbands weitgehend in Scherben lag.“ (J. Braun, S. 161) DLV-Präsident Helmut Meyer wird zitiert „Entlasse er Schubert, müsse er sich selbst als Pharisäer bezeichnen (…) ‚denn es dürfte dann nicht bei Schubert bleiben‘ “ (FAZ, 17.12.1992, zitiert nach Singler/Treutlein, S. 147)
1993 erhielt Bernd Schubert ebenso wie 7 weitere Ex-DDR-Trainern einen 4-Jahresvertrag. Mit dabei Edwin Tepper (Sprint), Werner Goldmann (Kugelstoßen), Erich Drechsler (Weitsprung), Klaus Baarck (Siebenkampf), Helmut Böttcher (Diskuswurf) und Hans-Joachim Pathus (Gehen). Es kehrte jedoch keine Ruhe ein, immer wieder wurden die Trainer-Person Bernd Schubert infrage gestellt.
(Ausführlichere Informationen über die Entwicklungen und Turbulenzen in den Jahren der Wiedervereinigung siehe unter >>> die Wiedervereinigung des Sports).
1997 berichtete der Spiegel darüber, dass neben anderen Ex-Leichtathletiktrainern der DDR auch gegen Schubert staatsanwaltlich ermittelt werde. (der Spiegel, 29.12.1997) Wie diese Ermittlungen ausgingen, ist mir nicht bekannt.
Ganz vergessen war die Dopinghistorie des DLV-Cheftrainers, von einigen auch graue Eminenz des DLV genannt, nicht. Als zu den Olympischen Spielen um und in Sydney 2000 die alten Dopingfragen wieder aufbrachen (allein 12 ehemalige DDR-Trainer waren vom DLV im Olympiaaufgebot), werden Differenzen innerhalb des DLV sichtbar, die auch mit der herrschenden Personalpolitik in Verbindung standen, die maßgeblich von Schubert beeinflusst gewesen sein soll. (die Welt, 13.11.2000) Man sprach offen von einer „DDRisierung“ des DLV unter Einfluss von Bernd Schubert. Rüdiger Nickel, 2000 Vorsitzender des Bundesausschusses Leistungssport des DLV, von 1991 bis 1993 dessen Antidoping-Beauftragter im DLV, sah jedoch wenig Grund für diese Vorwürfe und argumentiert wie bereits in den Jahren nach der Wende:
„Wir haben uns von einer ganzen Masse Trainer getrennt, aber bei denen, die wir behalten haben, sehe ich eine positive Prognose, weil die offensiv für die programmatischen Schwerpunkte, die ich beschrieben habe, eintreten.“ Auf die Frage nach der moralischen Vertretbarkeit dieser Entscheidungen meinte er: „Die moralischen Entscheidungen mußten damals, 1991, getroffen werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist meiner Ansicht nach nicht mehr der Raum, um moralische Entscheidungen zu treffen. Ob man damals wirklich vollständig und moralisch entschieden hat, das weiß ich nicht. Ich war damals zwar im Präsidium, aber in anderer Funktion.“ (FAZ, 14.11.2000) Die DDR-Dopingopfer, die in den zurückliegenden Jahren, insbesondere auch 2000 einen schweren Gang vor die Gerichte hatten, sahen dies anders. (>>> DDR-Dopingopfer)
Unangenehm wurde es im Jahr 2000 für Bernd Schubert, als er anonym beschuldigt wurde etwas mit der mit Nandrolon präparierten Zahnpasta zu tun gehabt zu haben, die Dieter Baumann eine Dopingsperre einbrachte. Die Ermittlungen ergaben jedoch keine Zusammenhänge.
Die kommenden Jahre waren für die Deutsche Leichtathletik wenig erfolgreich. Schubert, verantwortlicher Cheftrainer (so umbenannt 2002, zuvor seit 1999 Leitender Bundestrainer), bot darum Ende 2003 seinen leitenden Posten einem Nachfolger an. Bis zu den Olympischen Spielen 2004 blieb er jedoch Bundestrainer. Als dann die Olympischen Spiele den Erwartungen oder besser Hoffnungen ebenfalls nicht entsprachen, wurde der Schuldgrund gefunden: Doping. Offen unterstellten einige DLV-Offizielle den siegreichen Gegnern Betrug:
„Der deutsche Leichtathletik-Teamarzt Helmut Schreiber spricht offen aus, was viele denken: „Es wird gedopt auf Teufel komm raus mit EPO, Anabolika und Wachstumshormonen. Unsere Leute sind chancenlos. In mir wächst das Gefühl, dass ich keine Lust mehr habe“, sagt Schreiber. DLV-Cheftrainer Bernd Schubert schließt sich an und fordert „resoluteres Vorgehen gegen Leistungsbetrug“. Lars Riedels Trainer Karlheinz Steinmetz, nicht unbelastet, und Prof. Wilfried Kindermann sahen das ähnlich (SZ, 24.08.2004).
Schulz, Joachim
Joachim Schulz, Jahrgang 1951, war vor der Wiedervereinigung Leichtathletiktrainer beim DDR-Club Turbine Erfurt unter dem Namen Joachim Jünemann angestellt. 2009 ist er Heimtrainer verschiedener Leichtathleten, auch von Weitspringer Sebastian Bayer und gleichzeitig niederländischer Leichtathletik-Verbandstrainer der Zehnkämpfer und Siebenkämpferinnen.
Am 4. Juni 2009 erklärte Schulz gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Doping im Selbstversuch), dass er während seiner DDR-Zeit mit Doping in Berührung gekommen war. Er habe die Pillen bekommen und sie den Sportlerinnen verabreicht.
„Vorzeitig hatte der Sportclub Turbine Erfurt 1983 den jungen Trainer, der damals Joachim Jünemann hieß, von der Hochschule geholt und ihm eine Hochsprung-Gruppe anvertraut. Auf die Frage, warum sie trotz hervorragender Vorleistungen so schlecht springe, antwortete eine seiner Athletinnen: „Wegen der Blauen.“ Bald hielt der Trainer die entsprechenden Tabletten in der Hand. Der Sportarzt, der das Oral-Turinabol aus der Originalverpackung des VEB Jenapharm in anonyme Plastikdosen gedrückt und ausgegeben hatte, so erinnert sich Schulz, hatte keine Ahnung, sondern lediglich Anweisungen aus Berlin.
Deshalb fuhr der neugierige Trainer zu seinem Schwager nach Gera, einem Arzt in der Unfallchirurgie. „Der hat mir erst mal erklärt, was die nehmen“, erinnert sich Schulz. Den Trainern sei genauso wie den Athleten die Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen verweigert worden. Er habe es übernommen, seinen Sportlerinnen die Wirkung männlicher Sexualhormone zu erklären.“
Im Selbstversuch mit der geringen Menge von fünf Milligramm Testosteron pro Tag, drei Wochen lang, konnte er sich selbst von der Wirkung überzeugen, sein eigenes sportliches Leistungsvermögen stieg signifikant an.
Schulz gibt an nach der Wende dem DLV seine Dopingerfahrungen mitgeteilt zu haben, Sebastian Bayer sei vor ca. drei Jahren von ihm darüber informiert worden.
„In der Debatte um die Verantwortung für Doping-Schäden sieht Schulz nicht nur die Trainer in der Pflicht. In der Leichtathletik seien, anders als im Schwimmen, nicht Kinder gedopt worden, sagt er. „Der Ehrgeiz liegt auch beim Sportler. Das macht nicht der Trainer allein.“ Vor allem aber will er fehlende und mangelhafte Aufklärung nicht gelten lassen: „Eine Frau merkt sofort die Nebenwirkungen.“ Wo Schäden entstanden seien, müssten alle Grenzen überschritten worden sein. So sieht es auch Sebastian Bayer: „Letztlich ist jeder Athlet für sich verantwortlich.““