Dr. Bernd Pansold
Dr. Bernd Pansold war von 1968 bis 1990 beim ASK (Armee-Sportklub) Dynamo Berlin angestellt. Von 1971 bis 1989 berichtete er als IMS ‚Jürgen Wendt‘ dem Ministerium für Staatssicherheit.
Nach der Wende arbeitete er in einer eigenen Arztpraxis und ab 1995 (?) am Österreichischen Olympiastützpunkt Obertauern. 2003 (?) übernahm er die Leitung des Red-Bull-Leistungsdiagnostik- und Trainingszentrums in Thalgau bei Salzburg.
Urteil 1998
Raik Hannemann:
„Er war der Chefmethodiker bei Dynamo, nicht nur für Schwimmen, sondern auch für andere Sportarten, und zwar in puncto Doping. Dynamo war ja der Polizei und dem Staatssicherheitsdienst unterstellt. Seine Anweisungen an die untergeordneten Ärzte mit einem niedrigeren Dienstgrad als er hatten militärischen Charakter. Er ist für mich der Hauptschuldige für das Doping im Berliner Sport, gerade bei Dynamo.“
(Seppelt/Schück, S. 149)
Im Dezember 1998 wurde Dr. Bernd Pansold, 56 Jahre alt, von der 34. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin der Beihilfe zur Körperverletzung an Minderjährigen in neun Fällen für schuldig befunden. Pansold hat eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 80 Mark zu zahlen, die das Gericht an seinem Einkommen bemaß.
„Außerdem muß er seinen Anteil an den laut Richter Hansgeorg Bräutigam „unglaublich hohen Kosten des Verfahrens“ sowie die Auslagen der geschädigten Schwimmerinnen Birgit Matz, Christiane Knacke-Sommer und Carola Beraktschjan zahlen. … Im Gegensatz zu Sünder, der später im Verfahren gegen Pansold auch noch als wichtiger Zeuge auftrat, hatte sich Pansold nie zu den Vorwürfen geäußert. „Wesentliche Strafmilderungsgründe sind nicht ersichtlich“, sagte Richter Bräutigam. Pansold habe „nicht einen Funken zur Aufklärung beigetragen“. Seine Verteidigung habe im Verlauf der 41 Prozeßtage und im abschließenden Plädoyer zahlreiche „Nebelbomben“ gezündet, erklärte Bräutigam. … Die Kammer sah es als erwiesen an, daß Pansold im Bereich Dynamo für die Steuerung der Vergabe von virilisierend wirkenden, stark gesundheitsschädigenden anabolen Steroiden an minderjährige Schwimmerinnen verantwortlich war. „Die zuständige Person, Herr Dr. Pansold, das sind nach Überzeugung der Kammer Sie gewesen, auch wenn Sie den Kopf schütteln“, erklärte Richter Bräutigam. Pansold sei mehr als „der große Leistungsdiagnostiker gewesen, als der er uns hier präsentiert worden ist“ er habe offensichtlich „mehr Einfluß und Befugnisse gehabt“.“ (Berliner Zeitung, 8.12.1998)
Aus selbst verfassten Stasi-Berichten sei hervorgegangen, dass Pansold für die Funktionsärzte von Dynamo Berlin die Rezepte für die benötigten Dopingmittel ausgeschrieben habe, abzuholen bei der klubeigenen Apotheke (s.a. Spitzer, Doping, S. 200)
Bernd Pansold legte gegen >>> dieses Urteil am Bundesgerichtshof Berufung ein. Sein Einspruch wurde abgelehnt.
frühe Einbindung
Vom März 1971 liegt ein Bericht von Dr. Heinz Wuschech zur Sportmedizin vor. Dr Wuschech war damals Chef der Hauptberatungsstelle Sportmedizin („die anders als in den anderen DDR-Bezirken von „Dynamo“ betragen wurde“) (Info Dr. Wuschech). Darin dankte der Arzt Minister Mielke für die Beschaffung von Medikamenten für Dynamo durch den Medizinischen Dienst des Ministeriums für Staatssicherheit. Diese Medikamente dienten der „Steroidbeeinflussung“ insbesondere der Olympiakader. Als verantwortliche Mitarbeiter dieser ‚Steroidbeeinflussung‘ werden genannt: Dr. Roth, Dr. Jagemann, Dr. Pansold, Dr. Schneider.
Als es 1975 zur Konstituierung der Forschungsgruppe „Zusätzliche Leistung“ am Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport (FKS), mit der das streng organisierte Staatsdopingprogramm der DDR eingeleitet wurde, war Dr. Pansold dabei. Er gehörte der Arbeitsgruppe 1 ‚Energetik‘ und der AG 2, die sich mit Anabolika zu befassen hatte, an.
„Bereits 1975 berichtete Pansold über die flächendeckende Anwendung anaboler Steroide an Teilnehmer der Zentralen Kinder- und Jugendspartakiade. … 1978 berichtete Pansold dann über zahlreiche Dopingtests. So heißt es: „Die Trainingsgruppe von Eßer ist einbezogen in Testversuche zur Erprobung eines neuentwickelten anabolen Steroids durch den VEB Jenapharm unter der Bezeichnung STS 83.“ Auch wurden die Weltrekordlerinnen Andrea Pollack und Barbara Krause „Sondermaßnahmen“ mit einem angeblich nicht nachzuweisenden Dopingmittel unterzogen. An anderen Schwimmerinnen wurde die Anwendung eines „Hirnhormonpräparates“ getestet, „welches Fluchtreflexe auslöst und dadurch die Geschwindigkeit der Schwimmer beeinflußt“.“ (Berliner Zeitung, 16.4.1998)
Bedenken bei Dynamo
In einem Bericht von IMS „Jürgen Wendt“ vom 30.7.1976, verfasst nach den Olympischen Sommerspielen 1976, wird deutlich, dass Nebenwirkungen der Steroide bei Dynamo Berlin Kritik hervorgerufen hatten.
„Unter einem Teil der Sportmediziner gibt es Äußerungen dahingehend, daß die durchgeführten Maßnahmen, speziell der Sportlerinnen, im gewissen Maß kriminellen Vergehen gleichkommen. Es wird die Frage aufgeworfen, inwieweit die Sportführung der DDR überhaupt an einer gewissen Sauberkeit im Sport interessiert ist.“
Bereits im Juni 1976 hatte Bernd Pansold vor dem Eindruck gewarnt, den Sportfunktionären durch die sichtbaren körperlichen Veränderungen der Sportlerinnen gewinnen könnten. Er warnte auch vor den gesundheitlichen Gefahren, insbesondere vor Krebs, denen die Sportler langfristig ausgesetzt seien.
„Für die sozialistische Gesellschaft stehen natürlich ethische Probleme, insbesondere im Frauenleistungssport stärker als im Kapitalismus. Deshalb kann in Zukunft der Sieg um jeden Preis bei den Frauen (Schwimmen, Kinder!!) ein Selbstschuß werden.“ Mit dieser Ansicht konnte sich Pansold nicht durchsetzen. Er hält fest: „Die erfolgreichen weiblichen Schwimmtrainer Mothes, Neumann und Gläser sind sicher, daß die Olympialeistungen ohne Anabolika nicht zu realisieren sind.“.
Im November 1976 kam es beim SC Dynamo zu dem Entschluss das Metaphetamin Pervitin zusätzlich einzusetzen. Pansold hatte dazu berichtet.
„“In einer Anordnung über den (…) Schwimmländerkampf gegen die USA wurde festgelegt, daß in der Vorbereitung ein Präparat der Pervitinreihe zur Anwendung kommen soll. Es handelt sich dabei um ein eindeutiges Dopingmittel, und Dr. Schäker schätzte ein, daß bei der Anwendung Schädigungen nicht ausgeschlossen werden können.“ Nur Rolf Gläser, damals Nationalmannschaftstrainer und heute einer der Angeklagten im Dopingprozeß, war damit nicht einverstanden. Denn Pervitin sollte die üblichen Mittel ausnahmslos ersetzen, doch Gläser war „sicher, daß die Olympialeistungen ohne Anabolika nicht zu realisieren sind“.Die Vorwürfe treffen aber vor allem Binus. Er war nach Aktenlage der einzige Arzt, der vor dem USA-Länderkampf die DDR-Schwimmerinnen betreute.Und damit käme nur er für die Weitergabe von Pervitin in Frage. Den Aufputscher hatte nach Aktenlage auch die Topschwimmerin Carola Nitschke im Blut“ – und auch die Fußballer des BFC Dynamo. (Tagesspiegel, 8.8.1998)
In Folgejahren berichtete „Jürgen Wendt“ über die Anwendung von Testosteron bei Schwimmerinnen des Sportklubs Dynamo Berlin. (Spitzer, Doping, S. 172/173)
nach der Wende
Nach der Wende richtete sich Bernd Pansold in Wien eine Praxis ein und arbeitete (ab1995?) am österreichischen Olympiastützpunkt Obertauern. Hier betreute er auch bekannte, erfolgreiche Sportler wie Hermann Maier. Von Seiten des ÖSV wurde allerdings betont, es hätte immer Widerstand gegen Pansolds Beschäftigung gegeben. Nach dem Urteil 1998 wurde ihm aufgrund des starken öffentlichen Drucks gekündigt. (der Standard, 7.5.2009, Berliner Zeitung, 17.12.1998)
Pansold wurde später (2003) Leiter des Red-Bull-Leistungsdiagnostik- und Trainingszentrums in Thalgau bei Salzburg. Auch hier betreute er wieder höchst prominente Sportler und Sportlerinnen. (24.2.2006, FR, Ratschläge vom offiziellen Mitarbeiter)
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Monika