Hansjörg Kofink stellte den folgenden Text auf dem Internationalen Anti-Doping-Forum des LSV Baden-Württemberg „Talente stark machen ohne Doping“ am 30. November und 1. Dezember 2007 in Baden-Baden zur Diskussion. (Das Programm)
DOPING WIRD GELERNT
Ist diese Feststellung richtig, muss gefragt werden:
ob und wie dieses Lernen verhindert werden kann
oder wenn das wegen gesellschaftlicher Einflüsse nicht zu verhindern ist:
wie diesem unerwünschten Lernergebnis begegnet werden kann.
Deshalb muss auch Dopingprävention ein Lernprozess sein.
Appelle und Sanktionen allein bleiben als Prävention wirkungslos.
Doping
• ist ein Verstoß gegen die Regeln des Sports, die mit Eintritt in die Gemeinschaft des Sports anerkannt worden sind
• reicht vom Arzneimittelmissbrauch bis zur Körperverletzung
• bedeutet die Veruntreuung von Steuergeldern, da die Sportorganisation bona fide vom Staat alimentiert wird.
• Betrug im Leistungssport zerstört seine Vorbildfunktion.
„Der Spitzensport hat Vorbildwirkung hinsichtlich des Leistungsgedankens und vermittelt einen positiven Elitebegriff. …“ (aus dem DOSB-Vorschlag zum Staatsziel SPORT)
Dopingprävention muss die aktuelle Dopingmentalität, wo immer sie auftaucht, ächten und ihr den Nachwuchs und damit den Boden entziehen
Sport und Doping ist ein Begriffspaar, das heute jedes Kind kennt. Das haben jene verursacht, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert ehrenamtlich und professionell Verantwortung für den Sport getragen haben.
Doping liegt nicht im Wesen des Sports, Doping lernt man, denn Doping ist ein Verstoß gegen die Regeln des Sports.
Sport ist vereinbarte und geregelte Bewegung allein oder in der Gruppe. Doping verstößt gegen diese vereinbarten Regeln und ist deswegen Selbstbetrug, Betrug gegenüber dem Partner im Sport und Betrug an der gemeinsam vereinbarten Sache Sport. Doping zerstört den Sport.
Dopingprävention kann nichts anderes wollen, als allen am Sport Beteiligten diesen Betrug sichtbar zu machen, zu zeigen, dass Sport und Doping eben nicht zusammen gehören.
Spielende Kinder halten Regeln ein. Wenn sie gebrochen werden, endet das Spiel abrupt. Erst dann wird weitergespielt, wenn – neue(!) – Regeln akzeptiert worden sind.
Jugendspieler kennen die Regeln, nach denen sie spielen. Die Erfahrensten unter ihnen testen in jedem Spiel den Schiedsrichter: Was lässt er durch, wann pfeift er?
Der Schiedsrichter entscheidet – neutral und nach den Regeln.
Und genau das haben Spitzenfunktionäre des Sports in aller Welt, Sportpolitiker und die Hüter Olympias, die Oligarchen des IOC nicht getan:
Sie haben ihre eigenen Regeln gebrochen, sie haben weggeschaut oder vorsätzlich manipuliert, sie haben politische, ökonomische und private Interessen über die Regeln des Sports gestellt.
Zur Erinnerung:
– Die Olympischen Spiele von Moskau 1980 waren die einzigen ohne positive Dopingprobe.
– Vor 20 Jahren starb in Mainz qualvoll die deutsche Siebenkämpferin Birgit Dressel mit über 100 Medikamenten im Körper. Die einjährige Untersuchung der Staatsanwaltschaft konnte nirgendwo Schuld entdecken.
– In Seoul 1988 wurde der 100m-Olympiasieger positiv getestet. Die Goldmedaille ging an den Zweiten, der bei den Trials in seinem Heimatland positiv getestet, aber dennoch nach Seoul geschickt worden war.
– 1990 wurde von Brigitte Berendonk und Werner Franke Unterlagen zum Staatsdoping der DDR – Staatsplanthema 14.25 – entdeckt und veröffentlicht. Die DDR war inzwischen die stärkste Sportnation der Welt mit 2(!) positiven Dopingproben in 25 Jahren.
– Leichtathletik-Nationaltrainer Alessandro Donati gelang es in den 80er und 90er Jahren im Kampf gegen EPO den führenden Sportmediziner Prof. Conconi und das italienische olympische Komitee (CONI), das die Dopingbekämpfung in Italien unter sich hatte, als Verteilerzentrale von EPO an italienische Ausdauerathleten zu entlarven.
– Der wenig bekannte deutsche Radprofi, Jörg Paffrath, bekannte sich 1997 in einem Spiegel-Artikel zu seiner vierjährigen Doping-Karriere in allen Einzelheiten. Der Bund Deutscher Radfahrer sperrte ihn daraufhin lebenslang, mit folgender Begründung:
„Strafverschärfend war hier zu berücksichtigen, dass der betroffene Sportler durch sein Verhalten nicht nur dem Ansehen des BDR schweren Schaden zugefügt hat. Es war auch zu berücksichtigen, dass bei dem radsportlichen Nachwuchs der Eindruck entsteht, dass nur mit Hilfe leistungssteigernder Medikamente ein Wettkampferfolg erzielt werden könne.“
– „Nein, nein“, sagte der alte Mann und schüttelte immer wieder den Kopf, „das ist für mich kein Doping!“ Richard Pound erinnert sich dieser Tage oft an sein Gespräch mit dem alten Mann im Sommer 1998 in Lausanne, am Chateau de Vidy. Damals war der Kanadier Richard Pound noch Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), und mit dem alten Mann, dem damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch, diskutierte er die kriminellen Entwicklungen bei der Tour de France. (Jens Weinreich, Berliner Zeitung, 14.11.2007)
Sportlehrkräfte sind gefordert, wenn eine herausragende Leistung im Sportunterricht von Mitschülern mit „Der ist gedopt“! kommentiert wird.
Trainingspläne von Heranwachsenden sind von den dafür Verantwortlichen, aber auch vom persönlichen Umfeld immer unter Einbeziehung des Themas DOPING zu problematisieren.
Sportarten, die auf die Ernährung von Kindern und Jugendlichen Einfluss nehmen – Turnen, Sportgymnastik, Kampfsportarten, Ausdauersport – tragen hohe Verantwortung.
Sporttreibende Kinder und Jugendliche müssen auf ihre tägliche Ernährung, besonders aber auf Arzneimittel, die sie aktuell oder ständig zu sich nehmen, sensibilisiert werden.
Nahrungsergänzungsmittel sind immer ein Thema. Übungsleiter, Trainer, Lehrkräfte, vor allem aber die Eltern tragen hier entscheidende Verantwortung.
Tablettenkonsum – in der Familie, in der Peergroup, in der Schule, im Vereinsbereich muss derselben Kontrolle unterliegen wie Alkohol-, Nikotin- und Drogenkonsum.
Betroffene Instanzen:
– die Eltern
– der Hausarzt
– der Übungsleiter, der Trainer, der Verein, Physiotherapie, Sportmedizin
– die Sportlehrkraft, die Schule
– die Führungsfiguren informeller Gruppen
Vorbilder:
• Eltern, Geschwister in der Familie
• die Peergroup im Freundes- und Bekanntenkreis
• Mitschüler, (Sport)Lehrkräfte in der Schule,
• Übungsleiter, Trainer, erfolgreiche Sportler im Verein
• Vorbilder, medial transportiert, aus Sport, Show und Jugendkult
Gefährdungspotential:
+ Wettbewerbs- und Vergleichssituationen – Schule – Verein – Mannschaft
+ Aufnahmeriten in Gruppen, Cliquen
+ Elitebildung, Auswahl- und Aufstiegsmöglichkeiten
+ Abhängigkeit, Verführung: Fan und Idol
Alle genannten Instanzen haben durch ihre Autorität und durch ihre Vorbildwirkung auf Kinder und Jugendliche entscheidenden Einfluss beim Thema Doping, das von ihnen immer eine eindeutige Stellungnahme – contra Doping – verlangt.
Das Vorbild Familie entscheidet über zukünftigen Konsum von Tabletten und NEM (Nahrungsergänzungsmitteln). Beides sind mögliche Zufahrtstraßen für Doping.
Heranwachsende müssen in Gefährdungssituationen der Verführung zu Doping aus eigener Überzeugung widerstehen, auch wenn sie sich damit gegen ihren „zukünftigen Erfolg“, was immer das auch sein mag, entscheiden.