Deutscher Sportlehrerverband 1991:
Worauf warten wir noch?
Seit zwanzig Jahren in olympischen Vier-Jahres-Abständen, seit einem Jahr im Wochenrhythmus, seit zwei Monaten täglich werden kilometerweise Papier bedruckt mit der unendlichen Geschichte des Betrugs und der Manipulation im Leistungssport.
Jede Topleistung im Sport, die Zusammenarbeit von Trainer und Athlet, die den Leistungssport begleitende Sportmedizin und die gesamte Führungsriege des deutschen Sports, sie alle stehen in der Zeitung – und im Verdacht. Was noch fehlte, wurde am letzten Wochenende nachgeliefert: Auch das dem Bundesinnenministerium unterstellte Bundesinstitut für Sportwissenschaft leistete seinen Beitrag durch „klassische Antidoping-Forschung“.
Vom ‚Übereinkommen gegen Doping‘ des Europarates vom Juli 1990 über die UNESCO-Empfehlung Nr.5 der Moskauer Konferenz von 1988 bis hin zur ‚Grundsatzerklärung für den Spitzensport‘, verabschiedet vom Hauptausschuß des DSB im Dezember 1983, liegen Erklärungen, Vereinbarungen, Resolutionen in Hülle und Fülle zum Thema vor.
Aber, was ist geschehen, was geschieht, was wird geschehen?
Da wird auf die nicht hieb- und stichfeste juristische Beweislage verwiesen, öffentliche Namensnennungen werden ausgesessen, Therapie, Substitution, Doping, reine und angewandte Forschung werden erklärend definiert und zuletzt gibt es ja auch noch die Eigenverantwortlichkeit des Athleten.
Daß dabei der Sport vor die Hunde geht, merkt man bei dieser Taktik erst, wenn Sponsoren-Gelder und staatliche Zuschüsse ausbleiben.
Wir haben in Deutschland Erfahrung mit dem Mißbrauch des Sports. Deswegen wissen wir auch, daß immer erst die nachfolgende Generation, die Jugend, solchen Mißbrauch auszubaden hat.
Jene, die 1950 den deutschen Sport wieder aufgebaut haben, versuchten ihn gegen politischen Mißbrauch abzusichern. Seinen ethischen Verfall haben sie nicht vorausgesehen.
Es ist deswegen die Pflicht aller derjenigen, die dem Sport viel verdanken und die auch heute noch an seine Werte glauben, es ist unsere Pflicht, uns mit allen Mitteln dem Mißbrauch des Sports entgegenzustellen.
Wir fordern daher DSB und NOK auf, sich ihrer Grundsatzerklärung von 1983 ohne Wenn und Aber zu stellen.
Wir fordern Bundesregierung und Bundestag auf, im Sinne ihrer Vereinbarungen mit dem Europarat und der UNESCO tätig zu werden.
Wir fordern die Kultusminister der Länder auf, den Erziehungs- und Bildungszielen des Sports nachhaltig Gehör und Gewicht zu verschaffen. Subsidiarität kann es nicht um jeden Preis geben.
Wir fordern die Sportkollegenschaft an den Schulen auf, sich zu diesem Thema zu Wort zu melden, trägt sie doch die Verantwortung für den Einstieg der jungen Generation in den Sport von morgen.
Und wir fordern die Hunderttausende von Helfern, Übungsleitern und Jugendleitern auf, über ihre Vereine ihren Beitrag zu leisten, so daß man wieder sehen kann, wer und was Sport in Deutschland ist.
Es sind nicht die wenigen Tausend, die Millionen verbrauchen, es sind viele Millionen, die dem Staat eher sparen helfen als Kosten verursachen.
Es ist nicht der Sport, der versagt, es sind Menschen, die ihn mißbrauchen, deswegen – worauf warten wir noch?
DEUTSCHER SPORTLEHRERVERBAND (DSLV) Präsident
Hansjörg Kofink
02. Nov, 1991