2011 Sportausschuss Wortprotokoll 34. Sitzung, 8.6.2011
Bilanz und künftige Arbeitsschwerpunkte der WADA
Deutschlands Antidopingkampf im internationalen Vergleich
>>> Sportausschuss Wortprotokoll, 34. Sitzung, Protokoll Nr. 17/34
Das vorliegende Wortprotokoll ist zwar als vertraulich gekennzeichnet, wurde allerdings im Zuge der Diskussion um das Finanzierungsverhalten der WADA durch die Bundesregierung veröffentlicht. Das Bundesministerium des Innern hatte die Zahlung an die WADA eingefroren und verweigerte damit den vereinbarten Inflationsausgleich von zwei Prozent, insgesamt zusätzliche 10.000 EURO.
Grit Hartmann liste den Vorgang und die Diskussion akribisch auf:
Grit Hartmann: Deutschland, Bremser im internationalen Antidopingkampf (III): die Finanzierung der WADA
Der Sportausschuss hatte das Thema WADA am 8.6.2011 auf der Tagesordnung und hatte hierzu Experten geladen, die über künftige Arbeitsschwerpunkte der WADA berichten sollten, wobei besonderen Wert darauf gelegt wurde, wie diese Schwerpunkte aus deutscher Sicht unterstützt werden.
Im Zentrum stand die Zusammenarbeit mit internationalen und nationalen Ermittlungsbehörden wie Interpol, Polizei und Zoll.
Als weiterer Tagesordnungspunkt stand der Sachstandsbericht zur zuwendungsrechtlichen Prüfung des BDR durch das BMI zur Debatte.
Tagesordnungspunkt 5:
– Bilanz und künftige Arbeitsschwerpunkte der WADA Deutschlands – Antidopingkampf im internationalen Vergleich
Berichterstatter:
World Anti-Doping Agency (WADA): Olivier Niggli, Director, Legal Affairs, World Anti-Doping Agency (WADA)Staatsanwaltschaft München Bundeskriminalamt Deutschland: Katja Mühlbauer
Bundeskriminalamt Deutschland: Christoph Bartels
Bundeskriminalamt Österreich: Andreas Holzer, Leiter SOKO Doping
Interpol: Mathieu Holz
Zollkriminalamt Köln: Dr. Peter Keller
Tagesordnungspunkt 6:
– Sachstandsbericht zur zuwendungsrechtlichen Prüfung des BDR durch das BMI
ZITATE, AUSSCHNITTE:
Bei den folgenden Zitaten klammere ich die Diskussion um die Finanzierung und die Rolle der WADA aus und beschränke mich auf die Fragen der nationalen und internationalen Dopingbekämfung mit Hilfe staatlicher Antidoping-Gesetzgebung und der Zusammenarbeit von Justiz, Zoll und sportrechtlichen Organisationen.
Mathieu Holz, Interpol:
… Was den Kampf gegen Doping anbelangt, so ist diese Aufgabe relativ neu und zum ersten Mal bei einer Jahreskonferenz der verschiedenen Mitglieder im April 2008 angesprochen worden. Die Mitglieder haben beschlossen, dass eine internationale Gruppe gebildet werden soll, die sich aus Polizisten und Fachleuten im Bereich Antidoping zusammensetzt. Gleichzeitig ist ein Kooperationsvertrag zwischen WADA und Interpol unterzeichnet worden, der einen Arbeitsrahmen schaffen soll, um den Fachkenntnisaustausch und Fachleuteaustausch zwischen diesen beiden Behörden zu erleichtern. … Es gibt eine Arbeitsgruppe mit Polizeivertretern im weitesten Sinne, also auch Zoll und Gendarmerie, die im Kampf gegen Drogenhandel tätig sind. In Rom und Stockholm snd zwei Abkommen unterzeichnet worden. Es geht darum, die Arbeit zwischen diesen beiden Behörden etwas zu erleichtern. Mehrere europäische Länder nehmen daran teil. Es geht darum, die letzten Erkenntnisse auch im Bereich Drogenhandel und Doping miteinander zu teilen. Es geht darum, die letzten Erkenntnisse auch im Bereich Drogenhandel und Doping miteinander zu teilen. Bei diesen Seminaren werden Berichte erstellt, die den 188 Ländern zur Verfügung gestellt werden. Das sind Berichte, die anschließend in kleinen Merkblättern (wie Sie es hier sehen) zusammengefasst werden und an die Mitgliedsländer verteilt werden. Dort wird z.B. beschrieben, wie Anabolika gehandelt werden und wie sie zu erkennen sind, was sehr schwer ist. … Interpol kann auf Anfrage der Mitgliedsländern auch Arbeitsgruppen bilden, die einen Informationsaustausch zwischen Ermittlungsbehörden ermöglichen, die an einer gemeinsamen Ermittlung teilnehmen. Beispielsweise hat die Staatsanwaltschaft aus Los Angeles und die amerikanischen Behörden eine Arbeitsbehörde eingerichtet, bei der Ermittlungsbehörden der Amerikaner mit den europäischen Ermittlungsbehörden zusammen gearbeitet haben. Dabei ist es um Doping im Bereich des Radsports gegangen – insbesondere um den Fall Armstrong. Interpol und die WADA tauschten Daten, die juristisch sensibel sind, nicht automatisch aus, sondern nur unter bestimmten Regeln. …
Im Oktober 2010 ist eine Gruppe geschaffen worden, bei der es darum geht, Medikamente oder gefälschte Medikamente aufzudecken, die im Internet den Verbrauchern angeboten werden. In allen Mitgliedsländern sind eine Reihe von Medikamenten dieser Art sichergestellt worden. … Das Haupthindernis ist im Übrigen ein juristisches. Nicht alle Länder haben einen geeigneten Rechtsrahmen und die, die einen haben, setzen es nicht unbedingt um. Insbesondere kann deshalb die Polizei in diesem Bereich nicht unbedingt so eingreifen, wie sie es sollte. Man braucht eine internationale Zusammenarbeit der Polizei und der Justiz. Das ist im Moment fast unmöglich oder wird zumindest noch stark abgebremst. …
Andreas Holzer (Leiter SOKO Doping, BKA Österreich):
… Die Entwicklungen im Zusammenhang mit den Dopingfällen in Österreich haben aber den Ruf laut werden lassen, nach einer gerichtlichen Strafbarkeit von gedopten Sportlern. Aus diesem Grund wurde am 01.01.2010 in Österreich der § 147/ 1 a eingeführt, wobei es sich um einen qualifizierten schweren Betrug (Sportbetrug) handelt. Das heißt, wenn ein Sportler in Österreich mit einer positiven Probe beim Doping erwischt wird und dies im Zusammenhang mit einer Betrugshandlung zu sehen ist, er bei einem Schaden von über 50.000 Euro mit bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden kann.
Die Ermittlungen der Sonderkommission „Doping“ haben sich aus verschiedenen anonymen Zeugenaussagen entwickelt. Des Weiteren konnten wir im Dezember 2008 und im Januar 2009, auf Grundlage des Anti-Doping Bundesgesetzes im Spitzensportbereich einige Vertrauenspersonen gewinnen und zu anonymisierten Zeugenaussagen gewinnen. Es hat sich so dargestellt, dass international und überregional Dopingnetzwerke tätig sind, wogegen wir begonnen haben zu ermitteln. In dieser Angelegenheit war die Staatsanwaltschaft Wien federführend tätig und konnte bis 2010 gegen 120 Beschuldigte ermitteln und 16 Personen letztendlich wegen internationalen Dopinghandels festnehmen. … Darüber hinaus ist es uns gelungen mit Deutschland und anderen Ländern internationale Ermittlungen zu führen, was dazu geführt hat, dass gemeinsame Kooperationen unter dem Stichwort „internationale pharmaceuticals“ und „Sledge-Hammer“ durchgeführt werden konnten. … Das Bundesministerium für Justiz hat einen Erlass gefertigt, wonach in Österreich in der NADA ein berechtigtes Interesse zur Akteneinsicht besteht. Aus diesem Grund haben wir der NADA unsere mehr als 8.000 umfassenden Ermittlungsergebnisse zur Verfügung gestellt, wodurch in Österreich durchaus die Einleitung einiger Verfahren z.B. gegen Olympiasieger im Langlauf stattgefunden haben. …
Schlussendlich wurde im Januar 2010 die SOKO in eine Ermittlungs- und Projektgruppe überführt und mit dem 01.07.2010 in ein eigenes Referat umstrukturiert. Im Bundeskriminalamt sind auf dieser Zentralebene vier Beamte tätig. Auf Länderebene haben wir in Österreich in den Landeskriminalämtern insgesamt 18 speziell ausgebildete Beamte, mit denen wir kooperieren. …
Katja Mühlbauer (Staatsanwältin als Gruppenleiterin der Abteilung XV der Staatsanwaltschaft München I):
… Die Staatsanwaltschaft München, ist seit dem 01. März 2009 Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Bearbeitung der Dopingdelikte und damit zuständig für alle in Bayern anhängigen Verfahren, die einen Bezug zur Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport aufweisen, was die gesamte Bandbreite denkbarer Verfahrenskonstellationen bedeutet. Das Ganze beginnt beim unerlaubten Besitz einer nicht geringen Menge an Dopingsubstanzen, bis hin zu Fällen des illegalen Arzneimittelhandelns in allen Größenordnungen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Kleindealer, die im Fitnessstudio an Freunde und Bekannte verkaufen, bis hin zu Großhändlern, die große Mengen Arzneimittel grenzüberschreitend ins Land bringen und über gut organisierte Strukturen über Zwischenhändler weiter vertreibt. Wir sind zuständig für Verfahren wegen Dopings im Hochleistungssport, wobei der zahlenmäßige Schwerpunkt unserer Ermittlungsverfahren den Bereich des illegalen Arzneimittelhandelns und bei den dort einhergehenden Besitzfällen, vor allem im Kraftsport und Bodybilderbereich betrifft. …
Im Profisportbereich ist es dagegen oftmals schwer überhaupt einen Anfangsverdacht festzustellen, der ein Einschreiten erst ermöglicht. Laufende Ermittlungen werden oft dadurch erschwert, das sie in diesem Bereich einer ganz abgeschotteten Gemeinschaft gegenüber stehen und somit einer förmlichen Mauer des Schweigens. Man hat es mit sehr gut organisierten Abläufen zu tun, die sehr schwer in aussagekräftige Beweise umzusetzen sind. …
Im Jahr 2009 konnten wir in der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München I insgesamt 160 Eingänge an Ermittlungsverfahren mit Dopingbezug vorweisen. Im Jahr 2010 gab es diesbezüglich eine Steigerung auf 176 Verfahren und in diesem Jahr haben wir bis zum 03.06. bereits 187 Verfahren vorzuweisen. Das sind bereits jetzt mehr, als im Jahr 2010. Ich muss aber sagen, dass wir bei weitem noch nicht mit dem ermitteln von Täternamen oder konkreten Straftaten bei einer ergebnisorientierten Sachbearbeitung am Ziel angekommen sind. … möchte ich ganz gern zwei Urteile kurz erläutern, damit Sie eine Vorstellung davon bekommen in welcher Größenordnung sich die Delikte abspielen. Bei dem ersten Urteil des Landesgerichtes Passau (11. Januar 2010), handelt es sich um einen Arzneimittelgroßhändler (Firmensitz in Ägyp-ten), der angeklagt worden war, vorwiegend aus Asien und dem Iran Arzneimittel zu beziehen und diese letztendlich über eine Internetplattform mit einem Gewinn von 500 Prozent weltweit vertrieben zu haben. Der Angeklagte bekam eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten, wie auch eine Gewinnabschöpfung von 300.000 Euro angeordnet. Beim zweiten Beispiel handelt es sich um ein Urteil des Landesgerichtes Nürnberg/Fürth (14. März 2011), welches ein Dopinghändler aus dem Nürnberger Raum verurteilte, der ebenfalls über eine Internetplattform Dopingmittel vertrieb. Dieser wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt und einer Gewinnabschöpfung von 22.000 Euro. … haben wir uns vom ersten Tag an her darum bemüht ein Netzwerk herzustellen, das eine Grundlage für ein erfolgreiches arbeiten ermöglicht. Hierzu möchte ich vor allem die nationale Anti Doping Agentur erwähnen, mit der wir schnell eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickeln konnten. Dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen werden wir schnell mit wertvollen und notwendigen Informationen ausgestattet und zum anderen gibt es regelmäßige Treffen zusammen mit dem Bundeskriminalamt, wo Erfahrungen für eine gute operative Zusammenarbeit ausgetauscht werden.
Des Weiteren möchte ich erwähnen, dass ein weiteres Standbein unserer Kooperation die beiden WADA akkreditierten Dopinglabore in Kreischa und Köln sind, welche u.a. eine Vielzahl von Gutachten erstellen, die nicht nur für uns sondern auch für die Juristen, für die Staatsanwälte, für die Gerichte und für die Strafverteidiger verständlich sein müssen. Weiterhin unterstützen uns diese beiden Büros durch ihre unbürokratischen Auskünfte, Fortbildungen und Besprechungen. …
(S. 30f Es ist so, wenn sich ein Informant überlegt, Angaben zu machen, dass er nicht nur die Sorge trägt, als Verräter abgestempelt zu werden, sondern sich auch um seine Existenz sorgt. Die Personen haben Angst, vollständig ausgegrenzt zu werden und bei den Athleten geht es insbesondere um eine gewisse Art des Selbstbildes. Der dopende Athlet spiegelt sich ein eigenes Selbstbild vor, dass für ihn völlig zerbröckelt und auch vor seiner Familie und den Angehörigen. Wir haben es selbst erlebt, dass sich Informanten an uns gewandt haben, die teils unter Tränen diese Ängste eingeräumt haben und dann Abstand genommen haben. Das unterscheidet die Situation doch etwas vom Rauschgiftbereich. …
Es würde die praktische Arbeit tatsächlich erleichtern, wenn man diese Hürde der nicht geringen Menge nicht hätte. … Ich bin der Meinung, wenn man eine Besitzstrafbarkeit hätte, die jeglichen Besitz unter Strafe stellen würde, man bei Bagatellefällen, die man dann natürlich auch häufig zu Tage bringen würde, mit den strafprozessualen Einstellungsmöglichkeiten arbeiten könnte, die wir ja haben und die wir im Rauschgiftbereich beispielsweise auf die 0,2 g Mariuana anwenden. … Ich denke auch, dass ein Besitz jeglicher Menge Dopingmittel ein gewisses Signal wäre – auch was die Gesundheitsgefahren anbelangt. Wir haben von Beschuldigten Berichte über eigene Nebenwirkungen gehört, die wirklich erschreckend waren. Was besonders erschütternd ist, dass die Leute es wissen, es selber erdulden und es in Kauf nehmen, einfach um ihres Körpers willens. Es dreht sich alles um das Thema „Wie sehe ich aus, wie kann ich Masse aufbauen“? Die Gesundheitsgefahren werden völlig hinten an gestellt. Das Problem Anfangsverdacht, Besitz, geringe Menge, nicht geringe Menge stellt sich im Breitensport gleichermaßen wie im Spitzensport.
(S. 36f) … Es gibt gar kein Anzeigeverhalten von Verbänden. Wir haben in den 2 1/4 Jahren keine Anzeige erhalten. Ich muss jetzt zwei Einschränkungen machen. Es gab zwei Kontakte, die allerdings in dergestalt waren, dass eigentlich schon vorher alles abgelaufen ist, was hätte ablaufen können, um alle Beteiligten zu informieren. … Was für uns wichtig wäre, dass wir durch einen Verband informiert werden, bevor die betroffenen Athleten, Trainer Ärzte, Physiotherapeuten oder wer auch immer im Verdacht stehen könnte, informiert werden. Nur dann kann man sinnvoll strafprozessual agieren. Insgesamt haben wir eine eher ablehnende Haltung bei den Sportverbänden feststellen müssen. Am Anfang haben wir Kontakte gesucht und die wurden mehr oder weniger abschlägig beschieden. Die Staatsanwaltschaft war dort nicht gerne gesehen.
… Wenn man sich die Gesundheitsgefahren anschaut und teilweise die wirklich zerstörten Menschen, die vor einem sitzen, die zittern und gesundheitlich völlig kaputt sind, ob man da nicht einfach auch als Signalwirkung – auch um des Gesundheitsschutzes willen – die Besitzstrafbarkeit will. Das Ziel, die Handelsstrukturen aufzubrechen, könnte man dadurch besser erreichen. …
Christoph Bartels, Bundeskriminalamt Deutschland:
… Die polizeiliche Bekämpfung des Dopings im Sport hat in den vergangenen Jahren in BKA kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Maßgeblich hierfür waren in den Jahren 2006/2007 geführte Ermittlungsverfahren im Bereich des Profiradsports. Ab dem Jahr 2007 wurde dem BKA, mit dem Gesetz zur Verbesserung des Dopings im Sport, eine originäre Zuständigkeit für den internationalen organisierten ungesetzlichen Handel mit Arzneimitteln übertragen. … Die unmittelbare Auswirkung dieser Kompetenzerweiterung war, dass wir im Jahr 2008 eine Zentral- und eine Ermittlungsdienststelle zur Bekämpfung der Arzneimittelkriminalität im Bereich der Abteilung schwere und organisierte Kriminalität angesiedelt haben. Die Bekämpfung der Arzneimittelkriminalität im BKA folgt einem ganzheitlichen Bekämpfungsansatz und bildet sich in drei Phänomenbereichen ab. Beim ersten Phänomenbereich handelt es sich um illegale Arzneimittel in der legalen Verteilerkette, was heißt, vom Produzenten bis zur Apotheke. Beim zweiten Phänomenbereich handelt es sich um Arzneimittel in der illegalen Verteilerkette, wobei hiermit der Internethandel gemeint ist. Der dritte Phänomenbereich umfasst den Bereich des Dopings im Sport. Bei der polizeilichen Bekämpfung des Dopings im Sport unterscheiden wir zwischen Doping im Breitensport und im Spitzensport. …
Das BKA hat seit dem Jahr 2008 fünf eigene Strukturermittlungsverfahren gegen Hersteller- und Verteilerstrukturen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Breitensport geführt, sowie ein Ermittlungsverfahren Doping im Spitzensport. In einem dieser Strukturermittlungsverfahren, was vorhin von Frau Mühlbauer angesprochen worden ist, wurden Täter zu 5 ½ bzw. 3 ½ Jahren mit entsprechendem Wertersatz von 300.000 Euro verurteilt. … National betrachtet hat die Organisationsanpassung, die im BKA vorgenommen worden ist, eine Signalwirkung auf die Polizei der Länder gehabt habe, die dazu führte, dass die Bundesländer auf der Ebene der Landeskriminalämter spezialisierte Dienststellen zur Bekämpfung der Arzneimittelkriminalität eingerichtet haben. … Wir haben auf europäischer Ebene vorgeschlagen, dass Europol ein eigenes Analysis Workingfile, ein sogenanntes „AWF Pharmacrime“ auflegen soll, worin wir die Basis für ein interdisziplinäres polizeiliches europäisches Netzwerk – unter Führung Europols – sehen. Darüber hinaus sollen dadurch auch die europäischen Auswertungen und Analysekapazitäten gestärkt werden. …
Die polizeiliche Netzwerkbildung wird ergänzt durch eine enge Kooperation mit der NADA, dem Zollkriminalamt, der Staatsanwaltschaft München I sowie nationalen und internationalen Überwachungs- und Zulassungsbehörden. Die Zusammenarbeit mit der NADA und der Staatsanwaltschaft München verfolgt die Betrachtung des Phänomens „Doping im Spitzensport“ durch die Verbindung der Möglichkeiten und Kompetenzen der NADA auf der einen Seite und den Zuständigkeiten der Strafverfolgungsbehörden, sowie des vorhandenen kriminalistisch kriminologischen Fachwissens im Ergebnis auf der anderen Seite. Es ist dem BKA in den letzten drei Jahren gelungen, sowohl nationale als auch internationale Netzwerke zur Bekämpfung des Dopings im Sport aufzubauen bzw. deren Aufbau zu initiieren. …
Ermittlungen im Ausland sind oftmals wegen fehlender Vergleichbarkeit der Straftatbestände im Arzneimittelgesetz nicht bzw. nur schwer möglich. Hier kommt insbesondere vorab gleich einer Prüfung eine Rechtshilfefähigkeit bei der Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen eine ganz entscheidende Bedeutung zu, weil es sich hier um ein internationales Phänomen handelt. Darüber hinaus muss ich sagen, dass es uns in vielen Staaten an polizeilichen Kooperationspartnern fehlt, weil aufgrund dortiger anderer Strukturen dort die Verfolgung von Verstößen, gegen die Vorschriften des Arzneimittelrechtes, mitunter außerhalb der Polizei im Bereich von Verwaltung und Zulassungsbehörden liegt. …
Dr. Peter Keller, Zollkriminalamt Köln:
… Unser Fokus, in Zusammenhang mit der Dopingbekämpfung, ist also, dass illegal eingeführte Produkte vom Markt zu nehmen, die nach dem Arzneimittelgesetz nicht einfuhrfähig sind. Somit bildet sich in der Zollverwaltung in eine doppelte Zuständigkeit. Einerseits unterteilt es sich in die Warenkontrolle (das machen die Schwesterteile) und zum anderen die Ermittlungsbereiche (Zollfahndungsdienst zu dessen Headquarter ich gehöre). …
Die Zahl der im gesamten Bereich der Arzneimittelkriminalität geführten Ermittlungsverfahren des Zollfahndungsdienstes, im Jahresvergleich 2009 und 2010, zeigt ein um 42 Prozent von 644 auf 916 Verfahren gestiegenes Volumen. Von den 916 in 2010 betreffen 494 Verfahren den Dopingbereich und 2009 lag die Zahl der ermittelten Dopingstraftaten noch bei nur 103. Demnach betrug die Steigerung im Vergleich zum Vorjahr 380 Prozent.
… Der illegale Arzneimittelmarkt bitte derzeit Möglichkeiten schnell und ohne großen logistischen Aufwand mit einem minimalen Risiko enorme Gewinne zu erzielen. Die Einfuhr erfolgt hauptsächlich über den Post und Kurierdienst-verkehr, der Absatz zum großen Teil unter der Nutzung des Internets. …
Im Rahmen von verdeckten Maßnahmen worden bei einem 57jährigem Geschäftsmann, dem eine führende Rolle bei der Gründung und Vermarktung dieses Labels zugeschrieben werden kann, wurden bei der Durchsuchung dessen Lagers über 5 Millionen Tabletten, Kapseln und Ampullen mit Arznei-mitteln (fast ausnahmslos Dopingpräparate) und über 500.000 Etiketten und Verpackungen sichergestellt. Bei anschließenden Durchsuchungen wurden neben umfangreichen schriftlichen Unterlagen, sowie eine Vielzahl von elektronischen Speichermedien, weitere 33 kg anabole Wirkstoffe und 10.000 Anabolika Ampullen aus Indien sichergestellt. Zu dem Ganzen kamen Vermögensabschöpfende Maßnahmen von ungefähr 500.000 Euro zu Tage. Der Beschuldigte erklärte, dass er das Label vor über 20 Jahren gegründet und dieses Ende der 80iger zusammen mit einem 53jährigen Österreicher geführt habe. … Der Beschuldigte gab weiter an, nur Großabnehmer im In- und Ausland mit Dopingmitteln beliefert zu haben. Dabei räumte er allein in den letzten fünf Jahren einen Erlös von mindestens zwei Millionen Euro ein. …
Ich muss sagen, dass die Zollverwaltung über ein hervorragendes internationales Abkommen für die Mitgliedsstaaten innerhalb Europas verfügt, was eine Zusammenarbeit in jedem Kriminalitätsfeld und mit jeder in dem Land zuständig erklärten Behörde erlaubt. Es ist für den Zollfahndungsdienst kein Problem mit einer ausländischen Behörde in Frankreich oder Irland zusammenzuarbeiten, die nicht dem Zoll angehört. Ich finde, dass das ein hervorragendes Medium ist was wir anwenden können. …
Wir plädieren somit auch für eine Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften. … Unabhängig von der Sensibilisierung der Staatsan-waltschaft, wünschen wir uns natürlich immer eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Doping ist mit Eigenschädigung verbunden. Vielleicht ist das bei dem ein- oder anderem noch nicht angekommen. … Als dritte hätten wir auch innerhalb Europas, was da materielle Recht angeht, eine stärkere Vereinheitlichung und Standardi
Olivier Niggli, WADA:
… noch eine Bemerkung zur Harmonisierung der Gesetzgebung beim Dopinghandel und zur gegenseitigen Amtshilfe. Ich kenne die Schweiz relativ gut. In der Schweiz ist es so, dass es sich hierbei um keinen Straftatbestand handelt. Man will die Gesetzgebung ändern, aber im Augenblick ist es noch nicht so. Vor kurzem war es noch so, dass die französische Polizei im Zusammenhang mit der Tour de France Informationen bekommen hat, weitere Beweise brauchte, die der Internationale Radverband hatte. Deshalb hat die französische Polizei die Schweiz um Amtshilfe ersucht. Das wurde offiziell durchgeführt, aber bei der Amtshilfe im Strafverfahren ist es so, dass in dem Land, in dem die Frage gestellt wird, auch ein Straftatbestand vorhanden sein muss. Das war in der Schweiz nicht der Fall. Deswegen hat die Schweiz niemals diese Informationen an Frankreich geliefert und das Verfahren wurde eingestellt. Das heißt, es ist sehr wichtig, dass wir zu einer Harmonisierung kommen. Auf europäischer Ebene müssen wir das nach und nach tun. Europa ist sicherlich am weitesten entwickelt und es gibt bereits eine gewisse Angleichung. Es müsste auf Ebene des Europarats geschehen und danach auf weltweiter Ebene. Wir werden das auf jeden Fall bei der UNESCO-Konferenz im November ansprechen – das ist eine unserer Prioritäten. Bei der UNESCO wird man allerdings enorme Unter-schiede haben. Wenn man sich in Europa schon einmal einigen und aktiv werden könnte, wäre das ein großer Fortschritt im Bereich Kampf gegen Doping.