2016 Hansjörg Kofink: Gedanken, meinungen

BRD / DDR – Vergangenheit

2016 Hansjörg Kofink: Gedanken, Meinungen, Kommentare

17. Dezember 2016

Gleiches Recht für alle im sportlichen Wettkampf?

Zu einem Wettkampf gehören Regeln und gleiche Bedingungen für alle Teilnehmer.

Regelverstöße im Wettkampf, wie ‚Foulspiel‘, ‚Fehlstart‘ oder ‚Übertreten‘ sind für jeden sichtbar und können sofort geahndet werden. Dafür sind neutrale Schiedsrichter mit ‚Tatsachenentscheidungen‘ zuständig, die eine sofortige Fortsetzung des Wettkampfes ermöglichen. Die Einforderung eines Videobeweises ist heute in einigen Sportarten möglich.

Integrität der Schiedsrichter und Kampfrichter ist dabei unabdingbar. Bei Sportarten mit Bewertung muss Neutralität der Punktrichter und Offenheit der Wertung gewährleistet sein.

Pharmazeutische Manipulation beim Wettkämpfer muss wissenschaftlich korrekt nachgewiesen werden beim Wettkampf selbst oder in Phasen der Wettkampfvorbereitung. Solche Doping-Verstöße können nicht sofort geahndet werden; eine ‚positive Dopingprobe‘, kann erst nach dem Wettkampf nachgewiesen und regelgerecht sanktioniert werden.

Dazu braucht es neben dem Schiedsrichter Fachleute der Pharmakologie und wissenschaftlich abgesicherte Prüfung der ‚Dopingproben‘ nach vereinbarten Kriterien.

Die Sanktionierung solcher Verstöße und selbst die Veröffentlichung und die Länge der Sperren können durch nationale und internationale Spitzenfachverbände beeinflusst werden. Eine Vergleichbarkeit ist keineswegs gegeben.

Der Dopingbetrug im Wettkampf kennt bis heute nur einen Schuldigen: den/die positiv getestete/n Athleten/in.

Ein Foulspiel im Spiel, ein Übertreten beim Weitsprung ist ein Ereignis, das aus dem aktuellen Handlungsablauf entsteht und keinerlei Vorsatz oder Planung braucht. Verantwortlich ist allein das agierende Individuum, und danach richtet sich die Ahndung.

Dopende Sportler brauchen und haben ein Umfeld. Schon die Beschaffung, die Dosierung und die Geheimhaltung der Mittel brauchen professionelle Hilfe. Trainer, Ärzte, Funktionäre sind in Dopinghandlungen manifest eingebunden. Sie planen, wissen und verbergen mit.

Die fast ausschließliche Bestrafung positiv getesteter Athlet(inn)en ist vom Ansatz her falsch, die im Sportrecht bis heute gültige Beweislastumkehr – strict liability – verstärkt die Individualisierung des/der Betroffenen noch zusätzlich. Ist das Absicht?

Was geschähe, wenn positive Dopingfälle dieses Umfeld in die Bestrafung einbezögen?

Bei olympischen Spielen treten Wettkämpfer nie als Individuen auf. Sie sind Teil einer Disziplin, einer Sportart, einer Mannschaft, einer Nation. Sie werden im Erfolgsfall in all diesen Klassifizierungen gefeiert. Bestraft werden sie allein!

Das heutige Chaos im Spitzensport, der katastrophale Vertrauensverlust seiner Funktionäre und ihrer Institutionen, der Missbrauch von Nationalflaggen und -hymnen wären dem Sport und seinen Liebhabern erspart geblieben, hätte man bei Dopingfällen alle Schuldigen bestraft und nicht nur den Schuldigen gesucht.

Hansjörg Kofink, 17.12.2016

4. November 2016

Der verflixte Spitzensport

“ – und das gilt für Ost wie für West – nach 1989 einen Sport Realität aufzubauen, der zuallererst für eins da ist: seine Talente zu schützen, damit sie sich ohne Rekord- oder Medaillenwahn entwickeln können.

Mein Resümee ist, und ich weiß, dass ich mit dieser Sicht nicht allein bin, dass diese Idee, dass der Gedanke Olympia, dass das Projekt Fairness im gegenwärtigen hoch alimentierten deutschen Elitesport nicht mehr existiert oder genauer: mausetot ist. Da helfen auch keine notorischen Sonntagsreden aus dem Innenministerium, dem DOSB oder dem Sportausschuss. Ich gebe zu, dass ich mir vor über zehn Jahren ein solches Fazit nicht erlaubt hätte und auch nicht vorstellen konnte. Es ist ein Fazit, das schmerzt. Was wir gegenwärtig erleben, ist die zunehmende Ästhetisierung des Sports – nette bewegte Glanzbilder, hinter der die Realität des Megageschäfts umso feister weil versteckter vonstatten gehen kann. Das Publikum will entertaint und nicht mit unguten Details ermüdet werden, weiß man allerorten. Eine in sich erodierte NADA, alarmierende Aussagen von Dopingexperten über die Testpraxis im Land, geharnischter Wettspielbetrug, fragwürdige Entschuldungskommissionen, Korruption in den Medien? Danke der Durchsage.“

Das sagte Ines Geipel in ihrer Dankesrede im April 2011 für den ihr vom DJK verliehenen Ethikpreis. Sie war damals schon skeptisch.

Und heute? Man baut ‚Sportdeutschland‘ und merkt gar nicht, dass da mit Versatzstücken aus einer unheilvollen Vergangenheit gezimmert wird, die sogar das Grundgesetz missachten:

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 2

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Was in den letzten Wochen allein über den Umbau des deutschen Spitzensport zu lesen war, insbesondere von denen, die dazu überhaupt keine Entscheidungskompetenz haben wie DOSB und BMI, und wie die Sportwissenschaft allerorten und die vom Staat eingekauften ehemaligen DDR-Institutionen wie die Hyänen auf den Ausgang des Schlachtfests lauern, das zeigt, dass wir nichts aus unserer Geschichte des Sports gelernt haben.

Wie will der autonome DOSB die nicht minder autonomen Fachverbände in ein Konzept zwingen, das von Wissenschaftlern unterschiedlichster Interessen und Managementstrategen entworfen worden ist?

Keiner traut dem anderen – zu Recht, wie die Vergangenheit und eigene Erfahrungen zeigen. Man lese mal nach, was DOSB-Hörmann in und nach Sotchi zum Dopingfall Sachenbacher-Stehle von sich gab und wie er als Skipräsident 2006 reagierte z.B. mit dem Rauswurf des bisherigen Verbandsarztes Dr. Nowacki, eines ausgewiesenen Doping-Gegners.

„Wie in der Ostzone“

Die Sicht Nowackis: Er sei am 31. März, am Tag vor der Verbandsversammlung, „auf schärfste Weise total fertiggemacht“ worden. Wie das engere Präsidium und die Geschäftsführung – neben Hörmann nennt Nowacki besonders Generalsekretär Thomas Pfüller – mit ihm umgegangen seien, könne er nur als Katastrophe bezeichnen. Der aus der DDR stammende Mediziner und Wissenschaftler sagt, er habe sich an „die fünfziger Jahre in der Ostzone“ erinnert gefühlt: „Wie bei einem SED-Ausschlußverfahren.“ Man habe ihm eine drei Punkte umfassende Rücktrittserklärung abgenötigt. Notwendige Anmerkung: Pfüller arbeitete schon im DDR-Skiläuferverband, Hörmann ist Unternehmer aus dem Allgäu. (F.A.Z., 14.11.2006)

Ich habe in den letzten Wochen in der Vergangenheit geblättert. Das Ergebnis: Es war alles schon einmal da. Zur Anschauung kontrastiere ich hier Kernsätze aus dem Tagesspiegel von 2010 (Emrich/ Prohl) mit Aussagen unserer höchsten Sportfunktionäre aus dem Zeitraum der letzten 40 Jahre:

Emrich/Prohl: Die Zukunft „Sportdeutschlands“

„Kaum brennt das olympische Feuer, glüht wieder die Begeisterung für den Medaillenspiegel. Gerne wird dabei vergessen, dass dies gesellschaftspolitisch fragwürdig und historisch sogar bedenklich ist.

– Bei Olympischen Spielen treten keine Nationen gegeneinander an, sondern Athleten. Der Rückschluss vom individuellen Erfolg auf nationale Tugenden wird immer noch behauptet, obwohl sich herumgesprochen haben sollte, dass er einfach falsch ist, zumal das Geburtsland nicht weniger Athleten gar nicht identisch ist mit dem Land, für das sie starten.

– Warum sollte eine Zivilgesellschaft wie die Bundesrepublik, die in der Welt anerkannt und in sich gefestigt ist, bei diesem Tanz ums goldene Kalb mitspielen?

– Eine olympische Medaille krönt die sportliche Leistung eines Athleten. Darum spricht einiges dafür, in der Sportförderung die Perspektive des Athleten zu stärken. Man sollte individuell und fallweise fördern, anstatt nach Medaillenzahlen und nackten Ergebnissen. Ein Sportverband sollte durchaus auch danach bewertet werden, ob seine Athleten neben dem Sport Berufsabschlüsse erwerben, sich also erfolgreich vorbereiten auf die berufliche Laufbahn nach der sportlichen Laufbahn. Der Staatsamateur der DDR ist eine Figur aus dem Kalten Krieg, die nicht in die Gegenwart der Bundesrepublik verlängert werden darf.

– Man sollte vor allem nicht vergessen, dass hinter dem Medaillenzählen ein fragwürdiges Sportverständnis steckt. Wenn die Medaille das Ziel ist, dann ist der einzelne Athlet nur Mittel zum Zweck, dieses Ziel zu erreichen. Er dient als Instrument zum Zweck des Nachweises der Leistungsfähigkeit eines Fördersystems. Was dem Speerwerfer der Speer, das ist dem Sportfunktionär der Athlet. Er soll herhalten, um das Planziel Platz x im Medaillenspiegel zu erfüllen. Dadurch stehen die Athleten nicht nur unter dem selbst gewählten Druck des Wettkampfs, sondern werden durch die Sportorganisation, die eigentlich nur dazu dient, diesen Wettkampf für ihre Athleten zu ermöglichen, zusätzlich unter Druck gesetzt.

Und dazu die deutschen Hüter Olympias der letzten 40 Jahre:

– „ Der Sport wird das alles ausschwitzen wie die Kinder die Masern. .. Es ist eine schlechte Sache, mit unreinen Herzen nach dem Höchsten zu greifen.. Ich meine, ich hätte schon einiges ausgesagt über das, was wir unternehmen, um das Problem … in den Griff zu bekommen.“ (Willi Daume, NOK-Präsident, SZ 14.04,1977 über Doping)

– „Wir sind auf dem richtigen Weg, dieses … Problem … endgültig in den Griff zu bekommen.“ (Hans Hansen, Präsident des DSB, SZ 14.02.1991 zur Vereinigung des Sports)

– „Der DOSB hat das Forschungsprojekt Doping in Deutschland initiiert, um eine fundierte Aufarbeitung im Westen wie im Osten Deutschlands zu ermöglichen, also von Verstrickungen und Doping in beiden gesellschaftlichen Systemen“, erläutert DOSB-Präsident Dr. Bach. Auf Wunsch und unter Mitwirkung des DLV wird darin auch die Situation in der Leichtathletik im früheren West- und Ost-Deutschland besondere Berücksichtigung finden. (DOSB, 6.4.2009 anlässlich des Bekenntnisses von DLV-Trainern zu ihrer Dopingvergangenheit)

– „Wir wollen mit Herzblut, Engagement und Leidenschaft antreten und damit den Menschen in der Heimat die schönen Seiten des Sports wieder nahe bringen, nachdem im Vorfeld der Spiele sehr, sehr viel Kritisches zu diskutieren war. Und wir wollen das, Wir für Deutschland‘, das Wir-Gefühl, eine emotionale Verbindung von Deutschland nach Brasilien und Brasilien nach Deutschland hinbekommen.“ Das alles nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude. „Wir machen uns auf den deutschen Weg, der anders aussehen wird als der anderer Nationen“, wir wollen damit vorbildlich und als Musterbeispiel vorangehen“. (DOSB-Präsident Hörmann DOSB 4.8.2016)

Wenn man den deutschen Weg im Sport seit Berlin 1936 ausblendet, damit aus der Geschichte nichts lernt, bleibt nur noch Inbrunst und Fan-Kultur für die nachwachsenden Generationen.

Hansjörk Kofink, 4.11.2016

20. Oktober 2016

Reform der Spitzensportförderung

Es ist die Zeit der spitzen SPORT Förderung!

Der DOSB hat sie für die Allgemeinheit etwas aufgedröselt, so wie es eben im Gewerbe üblich ist:

Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Leistungssportreform
Noch Fragen? Doch ich habe noch einige, wenige:

– Wer bringt den bisherigen Verbänden bei, dass sie ihre bisherige Autonomie aufgeben müssen, bzw. wer nimmt sie ihnen, wenn sie das nicht freiwillig tun?

– Was tun, wenn sich bei Spitzensportlern und Spitzenleistungen wider Erwarten keine Werte einstellen? Was läßt sich leichter (ver)hinbiegen?

– Wenn die Mitgliedsorganisationen weiterhin 100%ige Eigenverantwortung haben, die beidseitig verbindliche Zusammenarbeit zum Thema Spitzensport sie zur Übernahme von Pflichten zwingt, die sie nicht wollen: Was geschieht dann? Sportart LA Spitzensport und Sportart LA für alle anderen?

Wie sich diese Reform auf die Trainer auswirken wird, hat ein prominenter und erfolgreicher dieser Spezies der FAZ kundgetan (FAZ 14 10 2016, Jens Kahl „Was soll denn Staatssport sein?“:

Bund und Länder werden das zusätzliche Personal bezahlen müssen. Zielt die Reform auf die Schaffung von Staatssport?

Was soll Staatssport sein? Die Verbände können gewiss nicht die Mittel aufwenden, um ihr Personalproblem zu beheben. Das ist nur zu lösen, wenn mehr Geld vom Staat kommt. Das ist doch normal: Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing. Wenn ich Geld vom Staat will, und das finde ich gar nicht ungewöhnlich, muss ich auch dessen Interessen vertreten.

Reicht es, wenn der Staat mehr als die bisherigen 160 Millionen Euro gibt?

Wenn er mehr gibt, ist das die Grundlage, Personal einzustellen. Wir müssen feststellen, dass es in Deutschland keine einzige Institution gibt, die Personal für den Spitzensport ausbildet. Meinen Beruf, Sportdirektor, finden Sie an keiner Universität als Ausbildungsfach. Nicht einmal eine akademische Trainer-Ausbildung gibt es in Deutschland.

Nun, es gibt viel zu tun! Packen wir’s an. Halt, da hat doch ein Weiser gesprochen, als Bach, DOSB und Co. ins Grundgesetz wollten: Sport kein Staatsziel

Im Zuge einer Debatte um die mögliche Aufnahme des Sports als Staatsziel in das deutsche Grundgesetz fasste der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm die positiven und negativen gesellschaftlichen Auswirkungen des Sports folgendermaßen zusammen:

Sport trägt zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei, sät aber auch Zwietracht.

Sport fördert die Völkerverständigung, ist aber auch für Nationalismus anfällig.

Sport hält zur Fairness an, wird aber auch Anknüpfungspunkt für Gewalt.

Sport leistet einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge, er ist aber auch Quelle großer gesundheitlicher Schäden und ihrer sozialen Folgekosten. (1)

Da es im Sport längst nicht mehr nur um Ruhm, sondern auch um Geld geht, zieht er unlautere Praktiken an. Doping ist nur die sichtbarste.

Und noch eine Erinnerung an die glückhafte Vereinigung des Sports der beiden Deutschlands:

Artikel 39. Sport.

(1) Die in dem in Artikel 3 genannten Gebiet in Umwandlung befindlichen Strukturen des Sports werden auf Selbstverwaltung umgestellt. Die öffentlichen Hände fördern den Sport ideell und materiell nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes.

(2) Der Spitzensport und seine Entwicklung in dem in Artikel 3 genannten Gebiet wird, soweit er sich bewährt hat, weiter gefördert. Die Förderung erfolgt im Rahmen der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Regeln und Grundsätze nach Maßgabe der öffentlichen Haushalte in dem in Artikel 3 genannten Gebiet. In diesem Rahmen werden das Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport (FKS) in Leipzig, das vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannte Dopingkontrollabor in Kreischa (bei Dresden) und die Forschungs- und Entwicklungsstelle für Sportgeräte (FES) in Berlin (Ost) – in der jeweils angemessenen Rechtsform – als Einrichtungen im vereinten Deutschland in erforderlichem Umfang fortgeführt oder bestehenden Einrichtungen angegliedert. (2)

Also, jetzt ran an die Reform mit allen guten Wünschen.

Hansjörg Kofink

P.S. und vergesset mir die Schweizer nicht: Bundesamt für Sport BASPO Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS

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(1) Dieter Grimm: Gold-Medaillen genügen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. Januar 2007, S. 35

Dieter Grimm (* 11. Mai 1937 in Kassel) ist ein deutscher Rechtswissenschaftler. Von 1987 bis 1999 war Grimm Richter am Bundesverfassungsgericht.

(2) Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag)

12. September 2016

VERTRAUEN

Vertrauen ist die Grundlage des sportlichen Wettkampfes. Selbstvertrauen, aber auch Vertrauen gegenüber dem Partner/Gegner, vor allem aber Vertrauen in die Integrität des Regelwerks und seiner Hüter auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit.

In einem Spiegel-Interview (1) sieht der legendäre US-Doping-Ermittler Jeff Nowitzki – er deckte den Balco-Skandal auf und brachte Lance Armstrong zur Strecke – das fehlende Vertrauen als größtes Problem im Anti-Doping-Kampf.

SPIEGEL ONLINE: Was treibt Sportler am meisten dazu, Dopingmittel zu nehmen?

Novitzky: Ich habe über 14 Jahre lang viele große Dopingfälle untersucht und mehr Gespräche mit Dopern geführt als jeder andere. Neun von zehn Sportlern haben mir dabei gesagt, dass vor allem fehlendes Vertrauen die Motivation war. Sie haben ihren Gegnern nicht vertraut. Sie haben ihren Teamkameraden nicht vertraut. Und vor allem haben sie den Sportorganisationen nicht vertraut, weil diese keine unabhängigen Kontrollen durchgeführt haben. Wie der berühmte Fuchs, der den Hühnerstall bewacht.

In den letzten 50 Jahren haben genau das zahllose deutsche Spitzenathlet(inn)en immer wieder öffentlich gemacht. Eine Auswahl:

„Ich liebe den Diskus – die Funktionäre aber nicht“, eine harsche Kritik der Ex-Weltrekordlerin Liesel Westermann wegen ihrer Nichtnominierung für die OS 1976, „Ich bin nämlich nach wie vor die weltbeste Diskuswerferin aller nichtsozialistischen Länder.“ (2)

„Ich würde für keinen im Sport die Hand ins Feuer legen außer für meine Freundin Helga Hoffmann. Das heißt aber nicht, dass ich irgendjemand anderem etwas unterstelle.“ Doppelolympiasiegerin von 1968 und 1972 Ingrid Mickler-Becker im Interview über Doping in beiden Teilen Deutschlands, vermännlichte Athletinnen und Thomas Bach. (3) Übrigens, 1990 war sie Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz.

…“In manchen Ländern (und in manchen Sportarten) sind sportliche Erfolge derart überbewertet, machte sie deutlich, dass niemand vor der Versuchung gefeit ist. Deshalb könne man auch niemandem trauen: der Konkurrenz ebenso wenig wie den Mannschaftskameraden.“ Speerwurf-Weltmeisterin (2009) Steffi Nerius mit klaren Aussagen zu Doping und dem Melde


Die Meldungen zum Staatsdoping in Russland, zum Unterlaufen von Dopingkontrollen in Kenia, das dreiwöchige Absetzen von Dopingkontrollen vor den OS in Brasilien und die Terminierung von Sperren im Schwimmen, zeigen dem Zuschauer, welche Möglichkeiten die autonomen Institutionen des Sports, das IOC, die Spitzenverbände, die WADA und ihre nationalen Ableger haben. Doch ihr Spitzenpersonal ist nicht neutral. Die Entscheidungen sind nicht integer, oft nicht vertrauenswürdig.

IOC und Spitzenverbände haben bis heute keine weltweit vergleichbaren Dopingkontrollen, Doping-Sanktionen und damit keinerlei Kontrolle und Übersicht über die bei Olympia und anderswo erzielten Ergebnisse. Die 1999 gegründete WADA hat das nur unwesentlich verbessert:

Die WADA ist abhängig in ihrer Finanzierung. Ihr Führungspersonal ist oft mit dem IOC liiert und ihre Kontrollmöglichkeiten werden durch Spitzenverbände beschränkt. Die WADA ist bis heute nicht unabhängig, auch durch ihre politischen Geldgeber.

Alle diese Probleme sind in den Medien, durch Interviews mit dem Spitzenpersonal vor, während und nach den OS in Rio sehr deutlich geworden.

Der schwarze Medaillenspiegel – Doping bei Olympia -, Stand 1.9.2016 (5), weist 76 aberkannte Olympiamedaillen aus, darunter 30 Goldmedaillen. Das bedeutet, dass bei Olympischen Spielen dreißigmal mit Nationalflagge und Nationalhymne Betrüger geehrt wurden, und zwar nicht nur Athleten, sondern auch ihre Betreuer und die Mannschaftsführung. Vor acht Jahren waren es 46, ein Plus seither von 60%!

Sanktioniert werden dafür bis heute Athlet(inn)en; ihre Betreuer, ihre Sportart, ihre Mannschaft und ihre Nation bleiben straffrei.

Dass IOC-Mitglieder, Spitzenfunktionäre wegen dubioser Geldgeschäfte verhaftet werden, sogar in Rio selbst, ist seit dem ISL-Prozess und dem FIFA-Skandal nahezu Alltag.

Es ist eine neue Qualität, wenn das IOC der russischen Whistleblowerin Julija Stepanowa die Teilnahme in Rio verweigert, da sie nicht „die ethischen Anforderungen an einen olympischen Athleten“ erfülle. Auf den Informationen Stepanowas beruhen die Untersuchungen der WADA im Mc Laren-Bericht zum ‚Staatsdoping in Russland‘. Juliya ist jetzt mit ihrer Familie weiterhin auf der Flucht, das IOC schützt sie nicht.

Doch selbst das – so unfassbar es auch ist – ist nicht einmalig im olympischen Sport:

Die russische Diskuswerferin Darya Pishchalnikova (Silbermedaillengewinnerin im Diskuswerfen in London 2012) wandte sich im Dezember 2012 mit einer E-Mail, die präzise Informationen über das Dopingsystem in Russland enthielt, an die WADA. Sie selbst sei zum Doping veranlasst worden. Doch die WADA gab die Informationen an offizielle Stellen in Russland weiter und „verbrannte“ somit die Whistleblowerin. (6)

Damit ist eine Grenze überschritten. Solches Verhalten erinnert an Geheimdienst-Methoden des Zwanzigsten Jahrhunderts und ist reif für den Staatsanwalt.

Wenn Nationalhymnen erklingen und Nationalflaggen aufgezogen werden, vertrauen Zuschauer und Athleten auf einen sauberen Sieg.

Zu Beginn artikulierten drei bekannte deutsche Leichtathletinnen ihr Vertrauen in ihren Sport. Beenden wir die Vertrauensfrage mit den Vertrauensbekundungen von vier großen deutschen Funktionären.

„Der Sport wird das alles ausschwitzen wie die Kinder die Masern.… Es ist eine schlechte Sache, mit unreinen Herzen nach dem Höchsten zu greifen. .. Ich meine, ich hätte schon einiges ausgesagt über das, was wir unternehmen, um das Problem … in den Griff zu bekommen. (Willi Daume, NOK-Präsident, SZ 14.04,1977)

„Wir sind auf dem richtigen Weg, dieses … Problem … endgültig in den Griff zu bekommen“ (Hans Hansen, Präsident des DSB, SZ 14.02.1991)

„Der DOSB hat das Forschungsprojekt Doping in Deutschland initiiert, um eine fundierte Aufarbeitung im Westen wie im Osten Deutschlands zu ermöglichen, also von Verstrickungen und Doping in beiden gesellschaftlichen Systemen“, erläutert DOSB-Präsident Dr. Bach. Auf Wunsch und unter Mitwirkung des DLV wird darin auch die Situation in der Leichtathletik im früheren West- und Ost-Deutschland besondere Berücksichtigung finden. (Gemeinsame Presse-Erklärung von DOSB und DLV 2009)

„Wir wollen mit Herzblut, Engagement und Leidenschaft antreten und damit den Menschen in der Heimat die schönen Seiten des Sports wieder nahe bringen, nachdem im Vorfeld der Spiele sehr, sehr viel Kritisches zu diskutieren war. Und wir wollen das ‚Wir für Deutschland‘, das Wir-Gefühl, eine emotionale Verbindung von Deutschland nach Brasilien und Brasilien nach Deutschland hinbekommen.“

Das alles nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude. „Wir machen uns auf den deutschen Weg, der anders aussehen wird als der anderer Nationen“, sagte der DOSB-Präsident. „Wir wollen damit vorbildlich und als Musterbeispiel vorangehen.“ (Alfons Hörmann in DOSB PRESSE Nr. 32 , S. 4, 09. August 2016)

Mit diesem Vertrauen ist alles möglich, man darf nur nicht zurückschauen!

Hansjörg Kofink, 12. September 2016
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(1) Dopingjäger Novitzky: „Ich verstehe Doper“, spiegel online 1.9.2016

(2) Was ist aus ihnen geworden – Liesel Westermann Diskusweltrekordlerin, BILD, 08.11.1976

(3) Oh, die ist heute aber schlecht rasiert, Der Tagesspiegel, 2.9.2013;

(4) Die Versuchung Doping: Für ein Haus am Meer, FAZ 28.12.2010

(5) Der schwarze Medaillenspiegel, Die Zeit 1.9.2016

(6) Even With Confession of Cheating, World’s Doping Watchdog Did Nothing, NYT 15.6.2016

August 2016

Die Hüter der olympischen Idee schleifen Olympia

Noch heute erinnern sich Teilnehmer der OS 1976 an die tiefen Stimmen der DDR-Schwimmerinnen, die in Montreal alles in Grund und Boden schwammen. Sie sind zum Schwimmen hier, nicht zum Singen, ließen die Trainer verlauten, und die Welt staunte über diese Athletinnen, ihre selbstbewussten Trainer und das Land, das diese Botschafter(er) nach Montreal sandte.

Das IOC hatte 1974, vier Jahre nach der IAAF, Anabolika auf die Dopingliste gesetzt. Bei den Spielen von Montreal wurde erstmals auf Anabolika getestet. Acht der positiv getesteten elf Athlet(inn)en waren Gewichtheber. Schwimmerinnen waren nicht darunter.

Anabolika sind seit den frühen 60er Jahren nachweisbar und verbreitet. Man muss davon ausgehen, dass die Ergebnisse aller olympischen Wurfwettbewerbe der Männer und das Gewichtheben der 50er und 60er Jahre erheblich davon beeinflusst waren, wie prominente Zeitzeugen aus den USA bestätigten:

Parry O’Brien berichtete Ende der 60er Jahre, dass er 1964 „in acht bis neun Monaten gut 15 Pfund Anabolika“ geschluckt, aber „nach den Olympischen Spielen 1964 in Tokio endgültig mit diesen Drogen Schluß gemacht habe, ebenso wie Randy Matson und Al Oerter, der Diskuswerfer.“

Harold Connolly räumte 1973 vor dem US Senat ein, dass er acht Jahre (1964-1972) abhängig von Anabolika war. „By 1968, athletes in every event were using anabolic steroids and stimulants,“ he testified. „I knew any number of athletes on the 1968 Olympic team who had so much scar tissue and so many puncture holes in their backsides that it was difficult to find a fresh spot to give them a new shot.“ (3)
Genau diese Erfahrungen bewegten die Diskuswerferin und Athletensprecherin Brigitte Berendonk im Dezember 1969 zu ihrem ganzseitigen Artikel ‚Züchten wir Monstren?“ (4) Ende Dezember in ‚Der Zeit‘.

Das Anabolikaverbot kam 1970 durch die IAAF, 1974 durch das IOC. Die IAAF verlangte schon damals Trainingskontrollen, ohne sie war das Verbot sinnlos. In Deutschland wurden diese erst 1992 beschlossen, wobei die deutsche Politik noch 1988 vor europäischen Gremien die Autonomie des Sports in Deutschland für ihre Untätigkeit vorschob.

Wie im Bereich der Bundesrepublik gegen diese Verbotsregel des Sports verstoßen wurde, deckte zum Teil die Studie „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ auf, noch mehr allerdings die Berichte von Zeitzeugen in den Medien im zweiten Halbjahr 2013.

Dianabol gab‘s in der Mensa stand im Hamburger Abendblatt, über Pilgerfahrten in Kleingruppen berichtete ein ehemaliger 2,25m-Hochspringers und ein ehemaliger Staffelschwimmer brachte mit seinen Erinnerungen nicht nur eine weitere Sportart, den Trainer, seine Planung und seinen medizinischen Rückhalt an der DSH Köln ins Spiel.

Im Januar 2016 gesteht die niederländische Diskus-Olympiasiegerin Ria Stalman von 1984 den Gebrauch anaboler Steroide ein. „Ich habe täglich fünf bis zehn Milligramm anabole Steroide eingenommen. „Ich wusste, dass es verboten war. Im Training gab es damals noch keine Dopingkontrollen“, sagte sie . (5)

Ihr deutsches Pendant, Diskus-Olympiasieger Rolf Danneberg, sah das anders, er könne – weil es alle machen – nichts Schlechtes an der derzeitigen Praxis finden. (6)

Das war vor der deutschen Vereinigung, die im Sport das auch vorher schon bekannte Doping zusammenbrachte. Der DSB und die deutsche Politik gingen zur Tagesordnung über.

Olympia in Rio kann kommen – Es ist angerichtet

Hansjörg Kofink, August 2016
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(1) Clean Athletes and Olympic Glory Lost in the Doping Era, NYT 1.8.2016

(2) Lehre der Leichtathletik 46 1970, S. 1784

(3) Harold Connolly, Olympic gold medalist in hammer throw, dies at 79, The Washington Post 22.08.2010

(4) Züchten wir Monstren?, DIE ZEIT, 05.12.1969

(5) Olympiasiegerin Stalman gesteht nach gut 31 Jahren, spiegel online, 8.1.2016

(6) Rolf Danneberg – Spätzünder mit der Wurfscheibe, NDR.de 04.12.2012

Juli 2016

Sport real – Sport ideal

Die Organisation des Sports weltweit, auch in Deutschland liefert Tag für Tag immer haarsträubendere Belege, dass sie weder in der Lage noch willens ist, den allgegenwärtigen Betrug im Wettkampf in den Griff zu bekommen.

Doch es ist der Wettkampf, dem der Sport die Werte sportlich und fair verdankt. Solchem Verhalten im Wettkampf verdankt der Sport seine Vorbildfunktion, seinen ‚Naturschutz‘.

Übrig geblieben ist davon heute die Faszination zirzensischer Leistungen von Akrobaten, eine irrationale Verehrung durch ‚Fans‘ und die Vergötterung von Augenblickssiegern.

Die Politik finanziert und sonnt sich an diesem Spektakulum, die Wissenschaft, die Medizin vor allem, manipulieren nach bestem Vermögen, die Wirtschaft saugt Honig, schröpft die Massen, sponsert die Elite und korrumpiert das Sportmanagement.

Das ist die Realität des heutigen Spitzensports weltweit

Und was sollte der Sport eigentlich sein? Als Übungsfeld für den Menschen ist er zweckfrei, folgenlos und immer wieder neu für jeden, ewig sozusagen, für jede Generation.

Sport ist ein von Menschen aus seiner Bewegungswelt herausgegriffener und gestalteter Teil, der verabredungsgemäß menschliche Existenz nicht in Frage stellen oder gefährden darf.

Der Vergleich, der Wettkampf, jede Auseinandersetzung im Sport muss dieser Verabredung entsprechen. Alles andere verlässt dieses abgesprochene – regulierte – „Feld des Sports“.

Bewegung ist Leben, lässt Menschen zu dem werden, was Menschsein ausmacht.

Das waren, sollten einmal die Werte des Sports sein, die es nicht mehr gibt, vielleicht nie gegeben hat. Eine schöne Idee, ein Wunschtraum für Heranwachsende und Herangewachsene.

Dieses Ideal, diesen Traum hat der Spitzensport von heute zerstört

Hansjörg Kofink, Juli 2016

20. Juli 2016

b>Der McLaren-Report – ein Dammbruch?

Erinnerungen, Befürchtungen

Doping, der Betrug im Wettkampf, hat Geschichte. Vor 49 Jahren fiel Tom Simpson anderthalb Kilometer vor dem Kipfel des Mont Ventoux tot vom Rennrad. Es war die 13. Etappe der Tour de France 1967 am 13. Juli 1967. Eine Mixtur von Alkohol und Amphetamine, Hilfe zur Bewältigung der Strapazen, beendete die Tour für ihn. Jacques Anquetil erklärte noch 1979 Simpson Tod habe mit Doping nichts zu tun, es sei Herzversagen gewesen.

Der Kölner Boxer Jupp Elze stirbt als erster deutscher Sportler der Neuzeit nachweislich durch Doping. Am 12. Juni 1968 unternahm Elze den zweiten Versuch, Europameister im Mittelgewicht zu werden. In der fünfzehnten Runde wurde Jupp Elze am Hinterkopf getroffen und ging zu Boden. Kurz nachdem er wieder aufgestanden war und seine Aufgabe signalisiert hatte, wurde er bewusstlos und fiel ins Koma. Trotz einer sofortigen Notoperation starb Elze acht Tage später, am 20 Juni 1968, an einer Hirnblutung. Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass er verschiedene Substanzen eingenommen hatte, darunter das Aufputschmittel Pervitin. Ohne Doping hätte er die schweren Treffer, allein über 150 am Kopf, kaum aushalten können.

Beide waren Profis und unter Betreuung von medizinischem Personal. Über die Hilfen der Mediziner gab es bereits vor neunzig Jahren klare Meinungen und Aussagen.

…„Schon 1927 befasste sich der Deutsche Sportärztebund nach einem entsprechendem Vorfall auf seinem Jahreskongress in Berlin mit Doping im Sport. Der damalige Landesvorsitzende von Berlin führte aus, wenn das Motiv für die Einnahme einer bestimmten Substanz eine Leistungssteigerung am Wettkampftag sei, so liege Doping vor. Dies lasse sich vom ärztlichen Standpunkt aus bei Berufssportlern ohne weiteres verteidigen, da der Schwerpunkt hier nicht im sportlichen, sondern im sozial-beruflichen Erfolg liege. Sportärztliche Arbeit hätte mit Berufssport nichts zu tun. Die Beziehung zum Berufssportler sei durch die ärztliche Standesordnung wie zu jedem anderen Berufsstand geregelt. Hingegen sei im Amateursport aus Gründen der Reinhaltung des Amateurgedankens jedes Doping zu verhindern. Andernfalls mache sich der Sportarzt zum Handlanger der Regeln, indem er unter allen Umständen die ihm durch seine wissenschaftlichen Kenntnisse an die Hand gegebenen Mittel dazu benutze, die Leistung des einzelnen ohne Rücksicht auf die eigentliche Idee des Sports zum Zwecke der Befriedigung des persönlichen Ehrgeizes zu steigern. Damit werde der Arzt zum Werkzeug der Sportsleute und ihrer ehrgeizigen Behörden. Er nehme die Stellung eines gehobenen Trainers oder Masseurs ein. Abschließend wurde in einer Zusammenfassung festgestellt, dass die Frage des Dopings derjenige Punkt sei, an dem der Sportarzt „am Scheidewege« angelangt sei.“ … (Quelle: Lexikon der Ethik im Sport , BISp Bd. Nr. 99, Hrsg. Ommo Grupe und Dietmar Mieth)
Neben den Todesfällen von Profisportlern gab es gegen Ende der sechziger Jahre klare Stellungnahmen von betroffenen Amateursportlern, von Olympioniken, zu neuen Dopingsubstanzen, den anabolen Steroiden, kurz Anabolika genannt.

Im Dezember 1969 schrieb die Olympiateilnehmerin im Diskuswerfen, Brigitte Berendonk einen alarmierenden Artikel über ihre Erfahrungen 1968 in Mexiko City: Züchten wir Monstren? Irrwege im heutigen Hochleistungssport (DIE ZEIT, 05.12.1969 Nr. 49). Sie war zu diesem Zeitpunkt frisch gewählte Athletensprecherin im DLV.

Etwa zur gleichen Zeit verurteilte der damals weltweit bekannteste amerikanische Kugelstoßer, Parry O’Brien, zweifacher Olympiasieger und elfmaliger Weltrekordler in der europäischen Presse Anabolika! Er räumte für das Jahr 1964 einen Verbrauch von mehr als 15 Pfund Anabolika in einem dreiviertel Jahr ein, begründet damit seine Leistungsverbesserungen und seine Beständigkeit zwischen 19,40 und 19,50 im Kugelstoßen, beklagt aber den Verlust von Schnelligkeit und Schlaflosigkeit. Deswegen habe er nach den OS in Tokio 1964 Schluss gemacht, ebens0 wie Randy Matson und der vierfache Olympiasieger Al Oerter. (Lehre der Leichtathletik 46/1970, S.1784),

Noch deutlicher wurde der Hammerwurf-Olympiasieger Hal Connolly, der 1973 vor dem US-Senat seine achtjährige Abhängigkeit von muscle-building drugs einräumte (1964 – 1972) und über die OS 1968 sagte: „By 1968, athletes in every event were using anabolic steroids and stimulants. I knew any number of athletes on the 1968 Olympic team who had so much scar tissue and so many puncture holes in their backsides that it was difficult to find a fresh spot to give them a new shot.“

Damit wurden die Erfahrungen Brigitte Berendonks von kompetenter Seite bestätigt.

Warum die IAAF Anabolika erst 1970, das IOC gar erst 1974 verbot, darüber sollte man sich auch heute noch Gedanken machen.

Am Ende der 60er Jahre verlor die UdSSR ihre Vorherrschaft im Kugelstoßen der Frauen an die DDR – Olympiasieg mit überragendem neuem Weltrekord durch Margitta Gummel.

Beim Erdteilkampf 1969 in Stuttgart verloren beide US-Kugelstoßer gegen ihre DDR-Konkurrenten auffallend klar.

Die körperlichen Veränderungen der auf Steroide setzenden Athletinnen waren mindestens so spektakulär wie ihre unglaublichen Leistungsverbesserungen. Die Verbesserungen der Männer konnten hier nicht mithalten.

Diese Veränderungen wurden in aller Öffentlichkeit diskutiert, z. B. in der BILD vom 6.6.72 unter der Überschrift ‚Was Spitzensportlerinnen verlieren, wenn sie mit Kraftpillen siegen‘. Darin stellte Trainer Gerd Osenburg nach dem erstaunlichen Diskus-Weltrekord der Russin Faina Melnik über 65,42 Meter fest, „gegen diese Weltrekorde haben wir keine Chancen, weil wir den Weg des bedingungslosen östlichen Krafttrainings nicht mitgehen können. Ich kann es den Frauen gegenüber nicht verantworten.“ Olympiaarzt Dr. Dieter Baron sprach seine Überzeugung aus, dass Anabolika mit im Spiel seien. Der Artikel erwähnt auch die sicht- und hörbaren Veränderungen durch die Hormone. So habe Baron Liesel Westermann, die mit der Einnahme der Anabolika liebäugelte, vor deren Einnahme entsprechend gewarnt.

Gleichzeitig klärten bundesdeutsche Sportärzte in der Vorbereitung für München auch die Trainer auf – mich auch, wie lange vorher man absetzen musste, um nicht erwischt zu werden, obwohl in München –IOC! – noch nicht sanktioniert wurde.

Die Überschrift, unter der das Anabolika-Verbot 1970 verbreitet wurde, gibt etwas von der Stimmung jener Zeit wider:

‚Sind anabole Steroide Dopingmittel?‘

Der kalte Krieg auf der Aschenbahn zwischen den beiden deutschen Staaten hat das Anabolika-Doping, ja Doping insgesamt befördert.

Dazu gehört das dunkelste Kapitel der deutschen Sportmedizin, die Ausdeutung der Wirksamkeit von anabolen Steroiden generell, die Ausnützung medizinischen Wissens, um Dopingproben ins Leere laufen zu lassen und diese Mittel als zulässige Heilmittel im geschützten Raum der ärztlichen Schweigepflicht zu ge-, nein zu missbrauchen.

Das spielte sich auch im Ost-West-Austausch, vor allem der Mediziner, schon vor der Wende ab, Platzwechsel eingeschlossen. Manches ist vergessen. Doch es gibt noch Informationsmöglichkeiten:

Sterbliche Maschinen – Doping und die Unmenschlichkeit des Hochleistungssports von John Hoberman, 1992 in New York erschienen, 1994 in deutscher Sprache, das mit dem Kapitel, Der Tod von Birgit Dressel beginnt und Beachtliches über die deutsche Sportmedizin liefert.

Öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Thema leistungsbeeinflussende und leistungsfördernde Maßnahmen im Hochleistungssport in der 6. Sitzung des Sportausschusses am Mittwoch dem 28. September 1977

Öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Thema HUMANITÄT IM SPITZENSPORT der 6. Sitzung des Sportausschusses am Mittwoch, dem 14. Oktober 1987

COMMISSION OF INQUIRY INTO THE USE OF DRUGS AND BANNED PRACTICES INTENDED TO INCREASE ATHLETIC PERFORMANCE The Honourable Charles L. Dubin Commissioner

Minister of Supply and Services Canada 1990.

Die 638 Seiten kanadischer Aufarbeitung von 1988 reichen in die BRD.

In allen vier Veröffentlichungen sind neben dem Thema die agierenden Personen von Interesse, auch die zur Anhörung nicht erschienenen.

Ein letzter Blick gilt dem Verhalten der deutschen Beteiligten aus Sportorganisation und Politik im Blick auf Trainingskontrollen.

Im Verbot der Anabolika durch die IAAF wird unter Punkt 4 ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Kontrollen im Training durchführbar sind. Das war 1970.

Zur Einführung von Trainingskontrollen gab es in den 80er Jahren in den Verbänden, bei Sportmedizinern eine sehr restriktive Haltung. Die Bundesregierung stützte diese Haltung. Noch im Juni 1988 betonte sie bei einem Treffen der europäischen Sportminister, dass für die Autonomie des Sports in der BRD eine völkerrechtlich verbindliche Konvention für Trainingskontrollen einen schwerwiegenden Eingriff in die Autonomie des Sports darstellen würde. Erst 1992 waren Trainingskontrollen in Deutschland verbindlich.

Dass die Vereinigung des Sports der beiden Deutschlands für die Dopingbekämpfung den Super-Gau brachte, zeigte auch die eine halbe Million Euro teure Aufarbeitung. Das IOC mit seinem Präsidenten Samaranch sahen darin lediglich eine deutsche Angelegenheit.

Und deutsche Trainer trugen ab den 90er Jahren diese Angelegenheit in die Welt, hoch gelobt ob ihres Erfolgs, auch versehen mit dem Segen des NOK.

„Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“.

Wem die zweifache Sicht zweier renommierter Forscherteams zu umfangreich ist – sechzig Jahre Doping sind ja auch kein Pappenstiel – der möge Verlauf, Ergebnis und das Echo der Medien jener denkwürdigen Sportausschuss-Sitzung 2013 nachlesen, die obengenannte Studie abschließen sollte.

Knapp zusammengefasst:

Weder die Verantwortlichen des deutschen Sports noch die Sportpolitiker der Bundesrepublik Deutschland, haben es bis heute für nötig befunden, sich zu dem zu äußern, was ihnen im Kontext ethischer Legitimation vorgeworfen worden ist!

Hansjörg Kofink 20,07.2016

27. Mai 2016

Die olympischen Werte und die Gartenparty

„Saubere Athleten sind das Herz der Olympischen Bewegung. Dieser Schutz erfordert null Toleranz gegenüber gedopten Sportlern. …“

IOC-Präsident Thomas Bach am 24. Mai 2016 beim DOSB.

Korrupte und kriminelle Funktionäre sind der Tod der Olympischen Bewegung und des Wettkampfsports, und das nicht erst seit heute

bestätigt durch aktuelle Vorgänge in der IAAF in Russland, Kenia und anderswo.

„Das IOC verfolgt Doping seit Jahrzehnten. Die WADA wurde 1999 als Ergebnis einer vom IOC initiierten Welt-Anti-Doping-Konferenz mit dem Ziel gegründet, die Anti-Doping-Programme auf internationaler und nationaler Ebene in Hinsicht auf die Entdeckung, Abschreckung und Verhinderung von Doping zu harmonisieren und koordinieren. Die nationalen und internationalen Sportfachverbände wollten die finanzielle Verantwortung für falsch-positive Dopingfälle abgeben, da sie durch den Fall der British Athletics Federation, gewarnt waren.“ (Wikipedia/Wada (1))

Dennoch hat das IOC trotz der WADA-Gründung nicht verhindern können – oder wollen – dass diese Kontrollen weltweit nicht vergleichbar sind.

– Es gab und gibt Regionen, die nicht oder nur sehr selten kontrolliert werden.

– Es gab und gibt ‚geschlossene Areale‘, die von Kontrolleuren nicht oder nur nach langen Voranmeldungen betreten werden dürfen, z.B. militärische Sperrgebiete.

– Qualität und Arbeit der nationalen Dopinglabore sind sehr unterschiedlich.

– Die Spitzenverbände haben großen Einfluss auf die Durchführung von Dopingproben:

• Sie beeinflussen die Veröffentlichung der Ergebnisse.

• Sie legen das Strafmaß fest.

• Sie verhindern bis heute die Bestrafung von Trainern, Funktionären oder Ärzten.
Deswegen konnten Whistleblower vor eineinhalb Jahren aufdecken, dass

• mindestens ein internationaler Spitzenverband aus seinem Präsidium heraus die Dopingverfolgung korrumpierte: betroffene Athleten konnten sich freikaufen.

• in Russland von staatlicher Seite in die Dopingverfolgung eingegriffen wurde.

Internationale Verfolgungsbehörden sind mit diesen Vorgängen befasst, einige Spitzenfunktionäre sind in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt.

Da ist es nur noch peinlich,

1) wenn der mehrmals von Doping-Betrügern benachteiligte australische Geher-Olympiasieger Jared Tallent eine nachträgliche Siegerehrung im eigenen Garten abhält. (2)

2) wenn Thomas Bach, IOC-Präsident und Gründungspräsident des DOSB, zur Zehn-Jahres-Feier des DOSB die Skulptur ‚Grenzenlos‘ überreicht mit Geschichte eines Athleten auf dem Weg zu olympischem Gold – von der Geburt bis zur Weihe in olympischen Höhen. (3)
Hansjörg Kofink, 26.5.2016

p.s. Auf den Bericht über ‚Doping in Deutschland von 1950 …“ haben bis heute weder der DOSB noch die Politik reagiert

(1) doping-archiv.de: die Geburt der WADA

(2) sid: Tallent holds mock medal ceremony after Russian doping report

(3) DOSB: IOC-Preis für den DOSB

15. Mai 2016

Scherbenhaufen

Das muss jetzt auf den Tisch:

1) eine autonome Organisation, die nicht mehr vertrauenswürdig ist, hat ihre Daseinsberechtigung verloren.

2) die Sportmedizin hat mit ihrem Verhalten zum Spitzensport ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt.

3) Politik, die sich mit Spitzensporterfolgen selber feiert, macht sich zum Kumpanen von Betrug und Korruption.

4) dieser Spitzensport hat keinerlei Vorbildfunktion. Schon Zehnjährigen fällt zu Spitzensport als allererstes Doping ein.

Gretchenfrage an alle deutschen Parteien zum Bundestagswahlkampf 2017:

Wie hältst du’s mit dem Spitzensport.

Sind Nationalhymne und Staatsflagge bei Siegerehrungen bei OS noch

zu verantworten? Hier wird Betrug mit Staatssymbolen gefeiert.

Hansjörg Kofink, 15.5.2016

5. Mai 2016

Doping an Himmelfahrt

Himmelfahrt 2016 in Deutschland, zwei Pressemeldungen zum Thema Doping von der FREIEN PRESSE in Chemnitz und der SÜDWEST PRESSE in Ulm.

Ein Jurist erklärt 20 (!) Zuhörern den Sinn des Sports in Ulm, der Vorsitzende des Ringervereins Thalheim erklärt, warum seinem Ringer, dem mehrfachen tschechischen Meister, ein in Deutschland nicht zugelassenes Medikament „angeboten“ wurde.

Freie Presse: Rätselraten nach vermeintlichem Dopingfall

„Bei einer Trainingskontrolle im Januar dieses Jahres wurde bei Novák eine Meldonium-Einnahme nachgewiesen. Diese zieht, sollte sich der Verdacht bestätigen, eine vierjährige Sperre nach sich. Zum 12. April wurde die Suspendierung Nováks bekannt.

… Dennoch können er und sein Klub auf mildernde Umstände hoffen. Denn im gleichen Zeitraum lockerte die Wada die Regularien im Hinblick auf Meldonium etwas. Grund sind fehlende Erkenntnisse, wie lang die Substanz im Körper nachweisbar ist. So wurden alle bis zum 1. März getesteten Sportler, deren Wert einem Mikrogramm pro Milliliter Blut unterschritt, begnadigt. Andere Fälle, bei denen eine Grenzwertüberschreitung festgestellt wurde, seien laut Wada neu zu bewerten. Novák selbst gab an, das in Deutschland nicht zugelassene Medikament vor dem 31. Dezember 2015 eingenommen zu haben.

„Ihm wurde es als Mittel zum Schutz des Herzens während einer Grippe und gleichzeitiger körperlicher Belastung angeboten“, so RVT-Vorsitzender Holger Hähnel, der trotz allem Kontakt zum Sportler hält. „Für ihn ist es eine katastrophale Situation, da er seine Werte nicht genau kennt, und nur gesagt bekommen hat, dass er nicht in den Amnestiebereich fällt. Es ist aber noch einiges im Unklaren. Petr hat die Sache an seine Anwälte übergeben“, sagt Hähnel, der noch bis Ende Mai Zeit hätte, eventuellen Ersatz zu finden. Der RVT-Chef: „Das Thema wird uns wohl noch etwas beschäftigen.“

… Meldonium, bekannt unter dem Handelsnamen Mildronat, wird zur Behandlung von mangelnder Durchblutung und Sauerstoffversorgung im Körper eingesetzt. Konkret verhindert Meldonium die Oxidation von Fettsäuren im Körper, die zu giftigen Ablagerungen im Gewebe, möglicher Auslöser für einen Herzinfarkt, führen kann. „Bei Sportlern führt Meldonium zu einer allgemeinen Leistungssteigerung, die Erholungsphase wird verkürzt und die Motivation gesteigert“, erläutert Professor Mario Thevis von der Deutschen Sporthochschule Köln. …“

Südwest Presse: Doping: Gegen den Geist des Sports

„Der Jurist Wolfgang Schild sprach im Einstein-Haus über Doping im Sport. Sein Fazit: Es kommt nicht auf Sanktionen an, sondern auf Haltung.

Braucht es einen Jura-Professor, um zu verstehen, warum Doping verboten ist? Dieser Gedanke konnte einem beim Veranstaltungstitel kommen: „Doping und Betrug im Sport – Ethik, Sportrecht und Strafrecht.“ Doch den 20 Gästen wurde rasch klar, dass es Wolfgang Schild im Vortrag um mehr geht. „Sportlicher Wettkampf ist eine Parallelwelt“, stellte der Professor fest. „Jeder Sportler muss sich an den Geist des Wettkampfes halten – und das heißt akzeptieren, dass der Wettkampf ein Spiel ist.“ Im Idealfall bedeutet dies, dass Sportler sich an Regeln halten, obwohl der Regelübertritt ihnen einen Vorteil verschaffen könnte: Man kann es auch „Fairplay“ nennen. …

… Dies sei am besten bei den neuerlichen Machenschaften rund um das Medikament „Meldonium“ zu beobachten. Der herz- und kreislaufwirksame Arzneistoff steht erst seit Januar auf der WADA-Dopingliste. Insbesondere osteuropäische Top-Sportler wie die russische Tennisspielerin Maria Scharapowa wurden seitdem positiv auf Meldonium getestet. Den daraufhin Suspendierten öffnete die WADA aber eine Hintertür: Offenbar konnten die Dopingtests nicht beweisen, dass die verbotene Substanz nicht vielleicht auch vor dem 1. Januar eingenommen wurde – und sich damit noch im legalen Rahmen bewegte. „Hatten diese Sportler damals alle einen Herzinfarkt?“, fragt der 69-Jährige bissig. „Spitzensportler berufen sich nur noch auf einen Behörden-Apparat. Damit geht jeder Bezug zur Sportethik verloren.“ Schild fordert wieder mehr Haltung – von den Sportlern und den Verbänden, die zu großen Teilen korrumpiert seien.“

Diese beiden Artikel zeigen, warum das Thema Doping im Wettkampfsport nach einem halben Jahrhundert Dopingbekämpfung noch immer ein Thema ist.

Die Verantwortlichen des Sports von Olympia bis zu C-Klasse, die unantastbare Stellung der Medizin, die Anpassungsfähigkeit der Sportler und der politische Beifall für Medaillen haben es geschafft, dass Doping kein Betrug mehr ist sondern nur noch Doping.

Der Jurist Wolfgang Schild hat Recht, aber 2o Zuhörer sind die Realität!

Hansjörg Kofink, 5.5.2016

1. April 2016

Rio naht!

Die OS in Rio rücken unaufhaltsam näher:

Die UNO wird die Gesamtaufsicht haben.

Mit den Viren setzt sich die WHO auseinander.

Die EU zahlt Brasilien einen Finanzausgleich …

und für den Rest sorgt Russland!

Olympischer Eid

Bis 1964 lautete die Fassung des Schwurs:

„Wir schwören, dass wir an den Olympischen Spielen als ehrenwerte Kämpfer teilnehmen, die Regeln der Spiele achten und uns bemühen werden, ritterliche Gesinnung zu zeigen, zur Ehre unseres Vaterlandes und zum Ruhme des Sports.“

Die darauf folgende Modifizierung nahm dem Text den Charakter eines Schwurs und wurde eher zu einem Versprechen:

„Im Namen aller Teilnehmer verspreche ich, dass wir uns bei den Olympischen Spielen als loyale Wettkämpfer erweisen, ihre Regeln achten und teilnehmen im ritterlichen Geist zum Ruhme des Sports und zur Ehre unserer Mannschaften.“

Seit den Olympischen Sommerspielen in Mexiko-Stadt 1968 werden auch (mit ähnlichem Gelöbnis) die Kampfrichter „vereidigt“. Seit den Olympischen Sommerspielen in Sydney 2000 enthält der olympische Eid auch eine Antidopingklausel, die im Dezember 1999 von der IOC-Vollversammlung verabschiedet wurde.

Die aktuelle Fassung lautet:

„Im Namen aller Athleten verspreche ich, dass wir an den Olympischen Spielen teilnehmen und dabei die gültigen Regeln respektieren und befolgen und uns dabei einem Sport ohne Doping und ohne Drogen verpflichten, im wahren Geist der Sportlichkeit, für den Ruhm des Sports und die Ehre unserer Mannschaft.“

Die nächste Überarbeitung nimmt nun die russische Politik vor.

Der Kremlchef solle helfen, den „guten Namen und das sportliche Erbe“ des Coachs zu bewahren. Die 55 Autoren eines Briefes an Putin würdigten den wegen Dopings lebenslang gesperrten Geher-Trainer Viktor Tschegin (1) als „großen Trainer und echten Patrioten“. Die Rusada habe unter „riesigem internationalem Druck“ eine „politische und außerordentlich subjektive“ Entscheidung getroffen: „a real professional and true patriot of Great Russia whose ban was due to political pressure from the West.“ (2)

Die neuen Kriterien: Guter Name, sportliches Erbe, Patriotismus, kein politischer Druck aus dem Westen.

Hansjörg Kofink, 1.4.2016
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(1) AP, 25.3.2016

(2) DLF, 29.3.2016

12. März 2016

Jetzt hat es der Spitzensport geschafft.

Russlands Außenminister will von der WADA eine Erklärung haben, weshalb Meldonium auf die Dopingliste gekommen ist, nachdem es jahrzehntelang sowohl von Sportlern als auch von Menschen mit Herzproblemen eingenommen werden durfte. (1)

Vielleicht sind solche Nachfragen von bedeutenden Politikern schon lange überfällig, etwa bei Erythropoetin, vulgo EPO, bei Testosteron, bei Anabolika oder bei Wachstumshormonen.

Sie alle dienen ja neben dem Spitzensport auch dem Gesundheitswesen, etwa den Dialysepatienten bei Blutarmut, den Alten mit der Anti-Aging-Medizin zur Wiederherstellung der Manneskraft oder Heranwachsenden bei Kleinwüchsigkeit zur Herstellung sporttauglicher Verhältnisse.

Ein angemessenes politisches Podium zur Klärung solcher Fragen könnte zukünftig ein Sicherheitsrat des Spitzensports bei der UN sein; Vetorechte hätten nur die leistungsstärksten Sportnationen.

Die bedeutendsten Repräsentanten des Sports und der Politik sind sich in den letzten Jahrzehnten ohnehin immer näher gekommen. Viele nationale Ehrenzeichen schmücken die Büsten von Präsidenten der Spitzensportverbände. Und Putin hat bereits vor einiger Zeit Sepp Blatter für den Nobelpreis vorgeschlagen.

Es ist naheliegend, dass sich heute die Politik um die Leistungen im Spitzensport kümmert. Schon Hitler nahm Testosteron (2). Niemand hat das gewusst und ihm deswegen etwas nachgetragen!

P.S.: Das hilft sicher auch bei bilateralen Dopingkonflikten, wie z. B. zwischen Frankreich und Spanien

Hansjörg Kofink, 12. März 2016
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(1) Spiegel Online 10. März 2016

(2) Frankfurter Allgemeine Zeitung 5. April 2005

2. Februar 2016

Leistungen im Sport werden im Wettkampf erzielt. Hic Rhodus, hic salta ist die klassische Aufforderung der Äsop-Fabel, eine Leistung hier und jetzt zu erbringen.

Doch diesem sportlichen Grundgesetz stehen heute bei großen internationalen Wettkämpfen Hürden im Weg. Qualifikationen, Olympianormen, die „begründete Endkampfchance“, wie sie Deutschlands oberster hauptamtlicher DOSB-Sportfunktionär dieser Tage für ‚Sportdeutschland‘ wieder einmal ins Spiel brachte (1).

Bereits letzten September erfüllte ein deutscher Marathonläufer die Olympianorm (= das ist die von der IAAF für Olympia 2016 festgesetzt Norm), doch dem DLV genügte diese Normerfüllung damals nicht. Es war vonseiten des Verbandes von Olympia-Tourismus die Rede und es wurde die erzielte Zeit mit der Weltbestenliste verglichen. (2)

NOK-Nominierungskriterien für die OS 1992:
Voraussetzung für eine mannschafts- bzw. disziplinbezogene und für eine namentliche Benennung ist grundsätzlich der Leistungsnachweis einer begründeten Chance auf eine gemeinsch. mit dem DSB/BA-L und den Verbänden definierte Endkampfplazierung bei den Olympischen Spielen 1992.

2014 Empfehlung Steiner-Kommission:
IV. Nominierungsfragen
1. Internationale Vorgaben („high level international competitions“ i.S.d. IOC-Charta) stehen dem Vorschlag entgegen, für die Nominierung von Athleten für Großsportereignisse die nationalen Höchst- oder Bestenleistungen zugrunde zu legen. Die entscheidenden Sportfachverbände sind jedoch gefordert, die nationalen Spielräume athletenfreundlich zu nutzen. Dies gilt insbesondere für die Entsendung von Athleten zu Wettbewerben in Sportarten, die als dopinggefährdet eingestuft sind. … Insgesamt muss die Nominierungspraxis immer wieder auf ihre latente Wirkung hin geprüft werden, Doping anzureizen.

Hier hilft vielleicht der Hinweis, dass die derzeitige Europa- und Weltmeisterin im Kugelstoßen mit ihrer persönlichen Bestweite irgendwo auf dem vierzigsten Platz der ewigen Weltbestenliste steht, rund zwei Meter unter dem Weltrekord.

Diese Haltung des DLV und heute des DOSB im Namen des DLV hat Methode und Geschichte. 1972 strich der DLV seinen Kugelstoßerinnen die Teilnahme an Olympia im eigenen Land trotz erbrachter Norm wegen nicht ausreichender Leistungen. Es war Hochdopingzeit inzwischen auch bei den Frauen, und man wollte sich zuhause nicht blamieren. (3)

In den kommenden 20 Jahren blieb der DLV bei dieser Linie, verschärfte die IAAF-Normen, ließ z.B. deswegen 1976 die Ex-Weltrekordlerin Liesl Westermann zuhause und trieb seine Diskuswerfer, Kugelstoßer, Hammerwerfer und manche anderen nicht nur in die Dopingfallen (4). Viele bekannte Namen haben damals und bis heute diese Unsportlichkeit des DLV angeprangert. Der Verband hat sich dazu nie geäußert, genauso wenig wie die gesamte Sportführung der BRD, die von 1950 bis 1990 für dieses Verhalten in dem Forschungsprojekt „Doping in Deutschland aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ schwer gerügt worden ist. (5)

Bei der Wende hat man die jeweilige Dopingvergangenheit gemeinsam unter den Teppich gekehrt. Die Folgen sind heute nach einem Vierteljahrhundert noch immer virulent, auch international.

War vor der Wende die geforderte „Endkampfchance“ eine Waffe im ‚kalten Krieg‘, lieber nicht teilzunehmen als hinter den ‚anderen Deutschen‘ einzulaufen, so kann man heute nur mutmaßen, ob fehlendes Geld oder eine größenwahnsinnig gewordene Politik die Ursachen dieser Forderung sind. Wer deutsche Medaillen unterschiedlichster Zeiten zusammenzählt, um – ja warum – um seine eigene Bedeutung zu finden, dem kann man eine solche Sichtweise ohne weiteres zutrauen.

Sportlich ist das nicht, olympisch eigentlich auch nicht. Denn nach unserem Verständnis ist der Sport für den Menschen da und nicht für die Autorität des Staates.

Dass Ergebnisse im Wettkampf und im Spiel etwas sehr Persönliches sind, nicht immer plan- und kalkulierbar, haben dieser Tage eine Tennisspielerin und eine Handballmannschaft gezeigt. Vielleicht geht da manchem ein Licht auf!

Sportfunktionäre und staatliche Sportplaner sollten in unserem – noch offenem – Sportsystem jungen Leuten alle Chancen geben, sich in jedem Wettkampf zu bewähren, für den sie sich sportlich qualifizieren. Das ist fairer Sport, der immer Ergebnisse bringt und niemanden in Versuchung führt.

Hansjörg Kofink, 2.2.2016
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(1) dpa, 29.1.2016

(2) DLV, 3.9.2015, Der Tagesspiegel, 28.9.2015

(3) Hansjörg Kofink, 1970 bis 1972 BRD-Trainer im Kugelstoßen der Frauen,

Trainer Christian Gehrmann

(4) DER SPIEGEL 24/1976, Tücken der Planung

(5) Forschungsprojekt „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ ote>