Die Geburt der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA
Paderborner Schlussfolgerungen
Schlussfolgerungen des Vorsitzes der EU-Ratspräsidentschaft bei dem Informellen Treffen der Sportminister der Europäischen Union vom 31. Mai–2. Juni 1999 in Paderborn „Paderborner Schlussfolgerungen“
>>> Anlage 3, S22 – Drucksache 14/1867, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
1. Thema: Dopingbekämpfung
Die Sportminister der EU-Mitgliedstaaten vertreten die Auffassung, dass
– zur wirksamen Bekämpfung des Doping eine Koordinierung der Dopinggesetzgebung sowie der sonstigen Maßnahmen zur Dopingbekämpfung unerlässlich ist;
– die Verwendung von Dopingsubstanzen im organisierten wie im nichtorganisierten Sport die öffentliche Gesundheit gefährdet. Die Regierungen fühlen sich dafür verantwortlich, dieses negative Phänomen in all seinen Erscheinungsformen zu bekämpfen;
– eine eindeutige und für alle Sportarten sowie für alle Länder geltende Liste der verbotenen Substanzen und Methoden geschaffen werden soll. Die Auswirkungen auf den Breitensport sind zu berücksichtigen;
– wirksame Doping-Prävention ohne abschreckende Sanktionen nicht auskommt und es deshalb eines Systems international geltender gleichwertiger Sanktionen, wie einer Mindestsperre von 2 Jahren bei Erstvergehen bedarf;
– die Dopingbekämpfung nur dann wirksam sein kann, wenn sie in Zusammenarbeit zwischen den Sportorganisationen und den Regierungen durchgeführt wird;
– die EU-Kommission gebeten werden soll, die Koordinierung der nationalen Dopingbekämpfung in der von der Kommission eingerichteten Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Europarats fortzusetzen;
– es zur Umsetzung einer wirkungsvollen Dopingbekämpfung einer internationalen unabhängigen und transparenten Anti-Doping-Agentur bedarf. Sie haben sich auf der Grundlage des von der deutschen EU-Präsidentschaft in Annex 1 vorgelegten Entwurfs, der auf den Vorstellungen der Arbeitsgruppen der EU und des Europarats beruht, auf einen Vorschlag geeinigt;
– die EU-Kommission gebeten werden soll, Möglichkeiten der Beteiligung der EU an der Anti-Doping-Agentur und der Mitfinanzierung durch die EUKommission zu prüfen;
– es notwendig ist, dass die derzeitigen gemeinschaftlichen Instrumentarien der polizeilichen, justitiellen und der Zusammenarbeit im Bereich des Zolls die Bekämpfung des illegalen Handels mit Dopingprodukten in ihre Aktionsbereiche einbeziehen;
– eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Rahmen der bestehenden und künftigen Forschungsarbeiten, z. B. zu EPO, geschaffen werden soll, um die Präventions- und Kontrollmaßnahmen zu verbessern.
Gemeinsame Ansichten der Sportminister der EU-Mitgliedstaaten auf dem Informellen Treffen der Sportminister der Europäischen Union zur Einrichtung einer unabhängigen und transparenten Internationalen Anti- Doping-Agentur
Der Europäische Rat vom 11./12. Dezember 1998 in Wien hat die Kommission und die Mitgliedstaaten aufgefordert, mögliche Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene zur Dopingbekämpfung zu prüfen, insbesondere durch eine verbesserte Koordinierung.
Der Verlauf der IOC-Weltdopingkonferenz vom 2. bis 4. Februar 1999 hat die Notwendigkeit und das Interesse deutlich gemacht, dass Europa bei der Frage der Einrichtung einer Anti-Doping-Agentur geschlossen auftreten muss.
Die Sportminister der EU haben sich auf folgende Grundsätze, die von den Expertengruppen der EU, des Europarats und des IOC erarbeitet wurden, verständigt:
Schlussfolgerungen des Vorsitzes der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Hinblick auf die Einrichtung einer unabhängigen und transparenten Internationalen Anti-Doping-Agentur
1. Rechtsnatur der Agentur
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union befürworten die Einrichtung einer internationalen Anti-Doping-Agentur. Dafür kommt in erster Linie die Rechtsform einer Stiftung in Betracht. Die Minister empfehlen zu prüfen, ob die Gründung der internationalen Anti-Doping-Agentur im Rahmen einer internationalen Gründungskonferenz stattfinden soll.
Im Falle einer Stiftung sollten Institutionen des Sports und öffentliche Einrichtungen als Stifter fungieren.
Die Agentur sollte in Abstimmung mit den Institutionen des Sports und den Regierungen sowie im Einklang mit bereits bestehenden nationalen Vereinbarungen umfassende Rechte bei der Dopingbekämpfung haben.
2. Zusammensetzung der Agentur
Die Agentur soll aus einem Vorstand und einem Kuratorium bestehen. Das Kuratorium soll so zusammengesetzt sein, dass Unabhängigkeit und Transparenz der Agentur garantiert sind. Es sollte eine Größe von 20 Mitgliedern jedoch nicht überschreiten, um die Arbeitseffektivität zu wahren.
Die Mitglieder des Kuratoriums üben ihr Amt unabhängig von Weisungen aus. Ihre Amtszeit soll 4 Jahre betragen; eine Wiederwahl soll nicht möglich sein. Sie üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus.
Die Kuratoriumsmitglieder dürfen während ihrer Mitgliedschaft im Kuratorium keine Ämter bekleiden, bei denen Interessenkonflikte möglich sind.
Das Kuratorium sollte sich möglichst zu gleichen Teilen aus folgenden Mitgliedern zusammensetzen:
– Vertretern aus zwischenstaatlichen Einrichtungen, z. B. für Europa von EU und Europarat,
– Vertretern der internationalen Institutionen des Sports, z. B. Dachverbände der olympischen Sommer- und Winterdisziplinen sowie der nichtolympischen Disziplinen (ASOIF, AIWF, GAISF), Aktivensprecher.
Das Kuratorium wählt einen Vorstand auf 4 Jahre; eine Wiederwahl soll nicht möglich sein.
Das Kuratorium und der Vorstand werden unterstützt durch folgende Arbeitsgruppen:
– eine rechtswissenschaftliche,
– eine wissenschaftliche,
– eine medizinische,
– eine für Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen.
Es können weitere Arbeitsgruppen eingerichtet werden.
3. Aufgaben der Agentur
Die Agentur soll insbesondere folgende Aufgaben wahrnehmen:
– Entwicklung und Koordinierung der Durchführung eines Anti-Doping-Programms auf grenzüberschreitender Ebene;
– Entwicklung und Aktualisierung einer gemeinsamen Liste verbotener Substanzen und Methoden, die für alle Sportarten verbindlich sein soll;
– Schaffung gemeinsamer Disziplinarverfahren und Sanktionen:
– die Agentur entwickelt gemeinsame Disziplinarverfahren bei Verstößen und angemessene Sanktionen (2-jährige Mindestsperre bei Erstvergehen), die von den internationalen Sportorganen und den nationalen Einrichtungen zur Dopingbekämpfung unter Beachtung nationaler Rechtsvorschriften anzuwenden sind;
– die Agentur überwacht die Anwendung;
– die Agentur erarbeitet Vorschläge für gemeinsame Sanktionen bezüglich des Handels mit Dopingmitteln;
– Festlegung von einheitlichen Mindeststandards für weltweite Kontrollen inund außerhalb von Wettkämpfen in den verschiedenen Sportarten in enger Zusammenarbeit mit den für die Durchführung der Kontrollen verantwortlichen Stellen.
Die Agentur soll unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit und der Gerechtigkeit in allen Sportarten und allen Ländern:
– unangekündigte Kontrollen außerhalb der Wettkämpfe für internationale Verbände oder Länder veranlassen, wo solche Kontrollen noch nicht stattfinden;
– die Durchführung solcher Kontrollen, die derzeit von den internationalen Verbänden durchgeführt werden, koordinieren;
– Festlegung von Normen und technischen Kriterien für die Durchführung der Tests und die Zulassung von Laboratorien zur Dopinganalytik;
– Entwicklung gemeinsamer Analysetechniken, gemeinsamer Referenzmuster und -substanzen, eines Qualitäts-Kontrollsystems sowie sonstiger Forschungsvorhaben durch ein Referenzlabor;
– Entwicklung offener und transparenter Anforderungen an und von Kriterien für die Akkreditierung und Wiederakkreditierung von Dopinglabors auf der Grundlage internationaler Normen;
– Bereitstellung von Referenzsubstanzen;
– Unterstützung internationaler Verbände und nationaler Sportorganisationen bei der Einführung von Dopingkontrollsystemen und vorgegebener Standards;
– Erstellung von Forschungsprogrammen, z. B. zur Entwicklung neuer Analyse- und Nachweisverfahren;
– Koordinierung bestehender und Ausarbeitung von Aufklärungs-, Präventions- und Informationsprogrammen zum Thema Doping im Sport;
– Erstellung eines Ethik- und Verhaltenscodex zur Dopingbekämpfung und Dopingprävention;
– Zusammenarbeit mit den Medien.
Ansprechpartner der Agentur sind insbesondere die nationalen Dopingbekämpfungsgremien.
4. Finanzierung
Die Agentur wird durch Beiträge finanziert. Die Finanzierung wird festgelegt, sobald Aufgaben, Zusammensetzung und Finanzierungsbedarf der Agentur beschlossen sind.
Die Bekämpfung von Doping ist vorrangig eine Aufgabe des Sports selbst. Die Finanzierung des Betriebs der Agentur sollte deshalb grundsätzlich durch die olympische Bewegung und die anderen internationalen Sportorganisationen sichergestellt werden.
Die nationalen Maßnahmen zur Dopingbekämpfung sollten auch weiterhin von den nationalen Regierungen/Behörden kofinanziert werden.
Die Agentur veröffentlicht über ihre Arbeit und ihren Haushalt jährlich einen Bericht.
5. Sitz
Die EU-Mitgliedstaaten halten es für wünschenswert, dass der Sitz sich in einem der Mitgliedstaaten befindet.