die Welt-Antidoping-Agentur WADA
>>> WADA: World Anti-Doping-Code, 2021
>>> WADA: Prohibited Association List – Liste gesperrtes Betreuungspersonal
ältere Dokumente und Rückblick:
>>> WADA: Verbotene Methoden, Bestimmungen 2004 – 2012
>>> 2013 WADA: LACK OF EFFECTIVENESS OF TESTING PROGRAMS 2013
>>> ADAMS: frühe Skepsis und Akzeptanz
WADA und Welt-Anti-Doping-Code
Die Verabschiedung des Welt-Anti- Doping-Codes im März 2003 nährte die Hoffnung, dass in überschaubarer Zeit das weltweite Regel- und Sanktionendurcheinander bald ein Ende haben würde – und es ging reibungsloser als erwartet.
Am 1.1.2009 trat eine neue Version des Codes in Kraft. Verabschiedet wurde dieser im November 2007 auf der Dritten Welt-Antidoping-Konferenz. Die letzte Version trat a, 1.1.2021 in Kraft.
Der Code ist Grundlage der UNESCO-Konvention gegen Doping. Nur Staaten, die diese Konvention ratifiziert haben, können an Olympischen Spielen teilnehmen.
Im Gegensatz zu dem grundlegenden Code, wird die Liste der verbotenen Substanzen und Methoden jährlich mit Änderungen neu herausgegeben.
Welches waren die wesentlichen Inhalte und Konsequenzen ab 2003?
Stephan Netzle, Schweizer Mitglied des Internationalen Sportgerichtshofs (TAS/CAS) in Lausanne gab einen guten Überblick.
Der Artikel erschien in der Neuen Züricher Zeitung vom 11.4.2003, vielen Dank für die Übernahmeerlaubnis.
Mehrarbeit für das Internationale Sportschiedsgericht
Der Anti-Doping-Kodex lässt wenig Spielraum bezüglich Sanktionen von Dopingsündern
Von Stephan Netzle
Der Anti-Doping-Kodex, der kürzlich in Kopenhagen verabschiedet worden ist, führt zu einer Vereinheitlichung der Dopingverfahren und der Sanktionen. Gleichzeitig begrenzt er die Ausnahmen, unter denen die Sanktionen reduziert werden können. Die Welt-Antidoping-Agentur (Wada) wird künftig zu milde Entscheidungen der nationalen Instanzen oder der Verbände ans Tribunal Arbitral du Sport (TAS) weiterziehen können.
Die Harmonisierung der Dopingregeln in den verschiedenen Sportverbänden ist eines der Hauptziele des Anti-Doping-Kodexes der Welt-Antidoping-Agentur (Wada). Harmonisierung soll vor allem bezüglich der Sanktionen erreicht werden. Wem als Athlet eine verbotene Substanz oder eine verbotene Methode nachgewiesen wird, soll beim ersten Vergehen mit einer zweijährigen Sperre belegt und im Wiederholungsfall lebenslänglich gesperrt werden. Dies unabhängig davon, ob es sich um einen erfolgreichen Berufsfussballer eines Spitzenklubs oder um eine junge Synchronschwimmerin der Nachwuchskategorie handelt.
Bei der Verwirklichung dieses Ziels kommt dem Internationalen Sportschiedsgericht (TAS) in Lausanne eine wichtige Rolle zu. Im neuen Anti-Doping-Kodex ist es als oberste Instanz zur Überprüfung der Verbandssanktionen vorgesehen. Das ist noch nichts grundsätzlich Neues, denn schon heute, also ein knappes Jahr vor der offiziellen Einführung der Richtlinien, haben alle olympischen und eine grosse Anzahl der nichtolympischen Sportverbände das TAS anerkannt. Neu ist jedoch, dass die TAS-Schiedsrichter in Zukunft nicht mehr für jede Sportart ein anderes Dopingreglement konsultieren müssen, sondern sich an einem einzigen Regelwerk orientieren können. Dies trägt wesentlich dazu bei, dass sich noch stärker als bisher eine einheitliche und berechenbare Rechtsprechung entwickeln kann.
Athleten für sich selber verantwortlich
Die Dopingregeln der verschiedenen Sportverbände haben sich bereits in den letzten Jahren in wichtigen Punkten angenähert. Dazu haben vor allem das vor vier Jahren eingeführte Dopingreglement für die Olympischen Spiele, der Olympic Movement Anti Doping Code (OMAC), und die Praxis des TAS beigetragen. So hat sich etwa ein weitgehend einheitlicher Standard für Dopingkontrollen durchgesetzt. Auch der Grundsatz der «strict liability» wird bereits heute in den meisten internationalen Verbänden angewandt. Er ist im neuen Anti-Doping-Kodex ausdrücklich verankert. «Strict liability» bedeutet, dass jeder Athlet selber dafür verantwortlich ist, dass keine verbotene Substanz in seinen Körper gelangt. Weist ein akkreditiertes Dopinglabor nach, dass die Dopingprobe eine verbotene Substanz enthält, so hat der Athlet gegen die Dopingregeln verstossen und muss mit einer Sanktion rechnen, unabhängig davon, ob eine Leistungssteigerung beabsichtigt war, ja sogar unabhängig davon, ob er überhaupt wusste, wie die verbotene Substanz in seinen Körper gelangte. Die Chancen, dass der Athlet den Gegenbeweis durch den Nachweis eines Fehlers in der Transportkette oder der Laboranalyse erbringen könnte, sind äusserst gering. Weitere Verteidigungsmöglichkeiten sind ausgeschlossen. Sogar wenn einem positiv getesteten Athleten zum ersten Mal in der Sportgeschichte der Nachweis einer Sabotage gelänge, hätte er ein Dopingvergehen begangen. Sabotage würde höchstens bei der Festsetzung der Dauer der Sperre berücksichtigt.
Als Doping gilt eine Substanz oder eine Methode nur dann, wenn sie von der Wada auf die Dopingliste gesetzt wurde. Das schafft Rechtssicherheit. Allerdings sind sich die Sportverbände noch nicht über die Aufnahmekriterien einig. Gefordert wird namentlich, dass eine Substanz oder Methode nur dann aufgelistet wird, wenn sie auch eine leistungssteigernde Wirkung hat. Die Dopingliste kann vom TAS nicht überprüft werden, weder generell noch in Bezug auf eine bestimmte Substanz oder Methode. Hingegen hat der Athlet die Möglichkeit, zum Voraus eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, die jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft ist.
Wurde ein Athlet während eines Wettkampfes positiv getestet, so wurde er schon bisher ohne weiteres disqualifiziert, was bei Olympischen Spielen immer auch die Rückgabe der Medaillen bedeutete – wie etwa im Fall des Langläufers Mühlegg, der Kunstturnerin Raducan oder des Sprinters Ben Johnson. Dazu kommt aber noch die Sperre für zukünftige Wettkämpfe. In den meisten Sportverbänden und dem OMAC hat sich bei erstmaligen Vergehen eine Sperre von zwei Jahren, bei einer Wiederholung eine lebenslängliche Sperre durchgesetzt. Vier Jahre für Ersttäter kennen die Schwimmer, früher auch die Leichtathleten. Sogar lebenslänglich werden erstmalige Dopingsünder im Rudern gesperrt. Interessant, dass gerade die Athletenvertreter an der vor kurzem in Kopenhagen abgehaltenen Doping-Weltkonferenz eine vierjährige Sperre forderten: Nur so sei sichergestellt, dass die Sperre jeweils auch die nächsten Olympischen Spiele einschliesse.
Ausnahmebestimmungen unvermeidbar
Der neue Anti-Doping-Kodex schreibt zwingend für alle Sportarten die zweijährige Wettkampfsperre für erstmalige Vergehen und die lebenslängliche Sperre im Wiederholungsfall fest. Allerdings enthalten diese Richtlinien eine Ausnahmeklausel mit der Möglichkeit einer Strafreduktion oder einer Strafbefreiung, falls der Athlet nachweisen kann, dass der positive Dopingbefund nicht auf ein Fehlverhalten, sondern höchstens auf eine leichte Nachlässigkeit zurückzuführen war. Diese Ausnahmebestimmung scheint zwar dem Ziel einer einheitlichen und konsequenten Sanktionspraxis auf der Basis einer glaubwürdigen Abschreckung entgegenzulaufen. Sie ist allerdings unausweichlich, will man das Risiko vermeiden, dass eine undifferenzierte Sperre von zwei Jahren in einzelnen Rechtsordnungen wegen grundrechtlicher, persönlichkeitsrechtlicher oder strafrechtlicher Bedenken aufgehoben würde. Die Ausnahmebestimmung ist zudem das Resultat eines Seilziehens zwischen den Sportverbänden, die überhaupt keine Abweichung von der Zweijahressperre akzeptieren, und solchen, die das Strafmass ausschliesslich vom individuellen Verschulden und von den persönlichen Umständen abhängig machen wollen.
Mit zwei Gegenmassnahmen versucht der neue Anti-Doping-Kodex die Ausnahme nicht zur Regel werden zu lassen. Zunächst wird die Latte für die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung ziemlich hoch gelegt. Der Kodex setzt voraus, dass ein Wettkampfsportler die Dopingregeln kennt und sich bei allen Präparaten, die er zu sich nimmt, vergewissert hat, dass diese mit der jeweils geltenden Dopingliste vereinbar sind. Der Athlet, der sich auf die Ausnahmebestimmung beruft, hat nachzuweisen, wie die Substanz in seinen Körper gelangt ist und dass er davon nichts gewusst hat und auch nicht hätte wissen können, wenn er sich so verhalten hätte, wie das der Anti-Doping-Kodex von ihm erwartet. Als zusätzliche Sicherungsmassnahme räumt der Kodex der Wada das Recht ein, Sanktionen, die von Sportverbänden oder nationalen Dopingbehörden verhängt worden sind, dem TAS zur Überprüfung vorzulegen. Die Wada ist auch berechtigt, medizinische Ausnahmen überprüfen zu lassen. Damit soll verhindert werden, dass diese Gremien ihre eigenen Athleten oder Landsleute schonen.
«Kronzeugenregelung» als Novum
Der neue Anti-Doping-Kodex sieht keine Strafen auf Bewährung oder Begnadigungen mehr vor. Ebenso wenig kann ein Athlet mit einer Strafmilderung rechnen, sollte er Reue zeigen, einen vorbildlichen Lebenswandel führen oder die Sperre ihn besonders hart treffen (etwa verunmöglichte Teilnahme an den Olympischen Spielen). Als Novum führen diese Richtlinien jedoch eine Art Kronzeugenregelung ein: Hilft der Athlet, der eines Dopingvergehens überführt worden ist, dabei mit, weitere Athleten oder Betreuer zu fassen, welche die Dopingregeln verletzt haben, kann ihm eine Strafreduktion gewährt werden.
Mit der Einführung des Anti-Doping-Kodexes wird die Anzahl der Schiedsverfahren vor dem TAS zunächst zunehmen. Die Verteidiger von überführten Athleten werden selbstverständlich die Tragweite der Ausnahmetatbestände austesten. Zudem ist zu erwarten, dass die Wada von ihrer Kompetenz, erstinstanzliche Urteile weiterzuziehen, regen Gebrauch machen wird. Sobald sich aber eine einheitliche Praxis entwickelt hat, wird die Geschäftslast rasch abnehmen, da der Beurteilungsspielraum für das TAS unter dem neuen Anti-Doping-Kodex deutlich kleiner ist als bisher.