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Der Prozess um Dr. Giuseppe Fischetto und das mögliche Komplott gegen Alex Schwazer
Die beiden italienischen Verbands-Sportärzte Pierluigi Fiorella und Giuseppe Fischetto wurden im Januar 2018 zu je zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung einschließlich Berufsverbot und einer Geldstrafe verurteilt. Leichtathletikverbandsfunktionärin Rita Bottiglieri erhielt ein 9monatige Haftstrafe. Der Vorwurf lautet, von einem Dopingverdacht gewusst ihn aber nicht gemeldet zu haben, damit hätten sie Doping begünstigt – man kann dies ein historisches Urteil nennen.
Die Anklagen beruhten u.a. auf Aussagen Alex Schwazers, der nach seiner Überführung mit den Anti-Doping-Behörden zusammen gearbeitet hat.
Im Dezember 2019 wurden Dr. Giuseppe Fischetto, Dr. Pierluigi Fiorella und Rita Bottiglieri jedoch in der Revision frei gesprochen, die Gefängnisstrafen wurden aufgehoben. Das Nationale Antidoping-Gericht bestätigte diese Urteile am 22.7.2020.
Zusammenfassung der Affaire
Eine Zusammenfassung der Affaire ist hier zu finden:
spe15.fr: Dr Fischetto, spécialiste anti-dopage de l’IAAF, condamné à 2 ans de prison pour le dopage d’Alex Schwazer, 26.1.2018
Die wichtigsten Hintergründe in lockerer Übersetzung mit Ergänzungen wie folgt:
Giuseppe Fischetto zählte zu den renommiertesten Personen des Anti-Doping-Kampfes der italienischen und internationalen Leichtathletik. Er galt als Experte für den Biologischen Pass (UCI-Expertengremium zur Auswertung des Biologischen Passes 2008) und war Anti-Doping-Beauftragter der IAAF bei zahlreichen Wettkämpfen, so der WM in London 2017. Und dies trotz vorhandener deutlicher Hinweise darauf, dass er ein doppeltes Spiel spielen könnte.
Geher Alex Schwazer hatte den italienischen Untersuchungsbehörden berichtet, dass Fischetto als Verbandsmediziner des italienischen Leichtathletikverbandes FIDAL über sein Doping Bescheid gewusst, aber nichts dagegen unternommen hatte.
Insbesondere Journalist Hajo Seppelt half Fischettos Verhalten zu hinterfragen. Im August 2017 beschuldigte Seppelt den Arzt, auf Betreiben Lamine Diacks das Doping von Russen und Türken gedeckt zu haben.
Seppelt und Journalisten des Telegraph hatten durch einen Whistleblower 2015 Zugriff auf Daten einer IAAF-Datenbank erhalten. Unter Tausenden Blutwerten wiesen eine beträchtliche Anzahl deutliche Hinweise auf Doping auf. Diese Daten halfen bei der Aufdeckung der Korruption innerhalb des IAAF. Die Daten waren Teil von Fischettos Festplatte.
Seppelt veröffentlichte auch Telefongespräche Fischettos, die von der italienischen Justiz abgehört worden waren. Fischetto äußerte darin Befürchtungen, das Bekanntwerden solcher Informationen könne zu einer großen Explosion führen. Er spielte offenbar eine ähnlich dubiose Rolle wie der ehemalige Leiter der medizinischen und Anti-Doping-Abteilung der IAAF Gabriel Dollé, gegen den in Frankreich in Verbindung mit dem Verfahren gegen Lamine Diack ermittelt wird.
Fischetto ist möglicherweise auch an einem Komplott gegen Alex Schwazer beteiligt.
Der Geher wollte nach Ablauf seiner Dopingsperre beweisen, dass er auch ohne Doping gute Leistungen erbringen kann und bereitete sich zusammen mit Sandro Donati auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro vor. Im Juni 2016 wurde jedoch bekannt, dass er erneut positiv getestet worden war. Er erhielt eine Sperre über 8 Jahre, die vom CAS bestätigt wurde. Schwazer und Donati wehrten sich umgehend und sprachen von einer Verschwörung. Schwazer habe keinesfalls gedopt. Es sei aber sehr seltsam, dass die IAAF ihr Ersuchen auf die zweite Analyse einer Probe kurze Zeit nach Schwazers Aussagen gegen den Verband und Fischetto vor dem Untersuchungsrichter in Bozen gestellt habe. Die entsprechende Probe war beim ersten Test als negativ klassifiziert worden.
Unterstützt wurde die Annahme eines Komplottes 2017 durch Veröffentlichungen der Hackergruppe Fancy Bears, die Verbindungen zwischen Fischetto und Thomas Capdevielle, IAAF-Anti-Doping-Beauftragter, aufzeigten. Der italienische Journalist Christoph Franceschini veröffentlichte am 7. Juli 2017 Details, die nahe legten, dass Thomas Capdevieille versuchte zu verhindern, dass auf Ersuchen der italienischen Justiz ein Gen-Test durchgeführt wurde, mit dem der Nachweis einer Manipulation erbracht werden könnte. Es gab ein intensives juristisches Gezerre um die Überlassung von Urinproben, die im Kölner Anti-Doping-Labor gelagert sind, an das Carabinieri-Labor in Parma. IAAF und möglicherweise auch die WADA versuchten eine Nachuntersuchung zu verhindern.
La Répubblica veröffentlichte in diesem Zusammenhang ein Zitat Fischettos, wonach er davon sprach, Alex Schwazer, „dieser Deutsch-Italiener muss eliminiert werden“.
Nach langem Hin und Her gingen endlich versiegelte Proben nach Bozen. Ende Juli 2018 wurde bekannt, dass Vieles dafür spricht, dass Manipulationen statt gefunden haben, auch wenn die IAAF jetzt versuchte, das Gegenteil zu beweisen. Ursprünglich sollte Anfang September 2018 der endgültige Untersuchungsbericht der Bozener Justiz vorliegen.
Am 10.11.2018 veröffentlichte salto.bz Auszüge aus Emails, die der Zeitung von den Hackern Fancy Bears übergeben wurden (s.u.). Aus ihnen wird deutlich, wie die IAAF im Zusammenspiel mit der WADA gegen Schwazer und Donati arbeiteten.
Mitte Februar 2021 wurde das Verfahren wegen Sportbetrugs gegen Alex Schwazer in Bozen auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt mit der Begründung, die Urinprobe, die 2016 zu der Sperre von 8 Jahren des Gehers geführt hatte, sei manipuliert worden, dafür lägen Beweise vor. Der Internationale Leichtathletikverband, einst IAAF, heute WA, und WADA hätten in der Sache eine ‚undurchsichtige‘ Rolle gespielt. Der Richter schlug eine Untersuchung gegen die Verbände vor, die Schwazer beschuldigt hatten. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Sportler wegen seiner Aussagen als Kronzeuge diskreditiert werden sollte.
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‚Auszüge gehackter Emails‘, salto.bz vom 6.7.2017:
Es ist ein interner Schriftverkehr vom Jänner/Februar 2017, der einen tiefen Einblick in die Welt der internationalen Sportfunktionäre erlaubt. Vor allem aber sind die Mails eine explosive Chronik, die dem Gerichtsfall um die Dopingsperre von Alex Schwazer eine neue Wende geben könnte. Denn das Vorgehen der WADA und der IAAF machen deutlich, dass mit den umstrittenen Proben des Südtiroler Gehers einiges nicht stimmen kann.
Nur so lässt sich der Aufwand rechtfertigen, mit dem diese internationalen Organisationen und ihre Anwälte alles versuchen, um die vom Bozner Landesgericht angeordneten Untersuchungen von Schwazers Urinproben zu verhindern. Doch nicht nur das. Aus den Mails geht auch hervor, wie generalstabsmäßig man gegen Alex Schwazer und seinen Trainer Sandro Donati vorzugehen versucht.
…
Von Anfang an laufen alle Fäden der WADA und der IAAF bei zwei hochkarätigen Anwälten zusammen, die auf den Bereich Sport spezialisiert sind. Ross Wenzel von der Kanzlei Kellerhals Carrad in Lausanne in der Schweiz und Huw Roberts, Anwalt in der Londoner Kanzlei Bird & Bird.
Wenzel und Roberts sind es letztlich, die den Fall Schwazer professionell steuern.
…
Die IAAF wird in Deutschland von den renommierten Kölner Strafverteidigern Björn Gercke und Ulrich Leimenstoll vertreten. Sie sprechen jeden Schritt nicht nur mit Ross Wenzel ab, sondern auch mit der WADA. Das macht der Mail-Verkehr deutlich.
Die IAAF will unbedingt vor einem deutschen Gericht gegen die Herausgabe der Schwazer-Proben klagen. Doch die IAAF hat dabei von Anfang an ein größeres Problem. Der Verband hat seinen Sitz in Fürstentum Monaco und damit kein Klagerecht in der EU. In mehreren Mails zwischen Lausanne, London und Köln wird diese Rechtsfrage zu klären versucht. Man schafft es aber nicht.
Ulrich Leimenstoll arbeitet zwar einen Schriftsatz für die IAAF gegen das Bozner Rechtshilfeansuchen aus und er spricht auch mehrmals mit dem zuständigen Staatsanwalt, doch sicher ist nicht, dass die IAAF-Klage zugelassen wird.
Deshalb wird das Kölner Institut für Biochemie für die IAAF und die WADA zur Schlüsselstelle in dem Gerichtsfall. Am 9. Februar 2017 erkundigt sich Ulrich Leimenstoll bei Ross Wenzel: „Bist du einverstanden, wenn ich den Text unseres Schriftsatzes an Dr. Sartorius (Anwalt des Institutes für Biochemie) gebe, damit das Labor einen Schriftsatz ausarbeiten kann, der mit unserem harmonisiert ist“.
…
Am 9. Februar schickt Ulrich Laimenstoll den Entwurf des Einspruchs der IAAF gegen das italienische Rechtshilfeansuchen beim Oberlandesgericht Köln an Ross Wenzel. In dem 24seitigem Schriftsatz steht unter anderem:
„Dagegen würde durch eine Verbringung in das Labor der Carabinieri in Parma, wie sie ausweislich des Schreibens vom 27.01.2017 (Anlage 4) sowie des Herausgabeersuchens vorgesehen ist (Bl. 119 HA), nicht nur die besagte „chain of custody“ durchbrochen. Sie hätte auch deshalb einen Beigeschmack, weil nicht nur dem Trainer des Athleten Schwazer enge Kontakte zur italienischen Polizei nachgesagt werden, sondern diese auch Sponsor des Athleten Schwazer ist, der regelmäßig mit dem Schriftzug „Carabinieri“ auf seinem Trikot aufgetreten ist (vgl. beispielhaft Anlage 7).“
Es ist der Versuch, das gesamte Bozner Ermittlungsverfahren als eine von den Carabinieri gesteuerte Reinwaschungsaktion darzustellen.
Einen Tag später schriebt Ross Wenzel an den Londoner WADA-Anwalt Huw Roberts und an den Antidoping-Chef der IAAF Thomas Capdevielle, einem erklärten Gegner von Alex Schwazer über den Schriftsatz:
„Ich denke, er ist in der Tat sehr gut. Er enthält alle wesentlichen Punkte und Wünsche (z. B. Köln / Rom-Analyse, Beibehaltung der Probe in Köln, Versiegelung von Probe usw.) und berührt ganz subtil auch einige der empfindlicheren Hintergrundpunkte (zB. Schwazer ist Ex-Carabinieri und tritt für sie bei Wettbewerben an, das italienische Medien-Spektakel um diesen Fall usw.).“
…
Am 4. Februar 2017 wiederholen die Mailänder IAAF-Anwälte Sergio Spagnolo und Roberta Giolitto in einer Mail an Ross Wenzel ihre Bedenken und ihre Skepsis gegen die geplante Gegenklage in Köln. Man würde damit das Bozner Gericht gegen sich aufbringen und die allgemeine Meinung, dass hier etwas nicht stimme, noch einmal deutlich verstärken.
Ross Wenzel antwortet umgehend:
„Ich werde sicherlich Ihre E-Mail an die IAAF senden, aber es ist ausgeschlossen, dass die IAAF- ohne alles in ihrer Macht stehende, zu tun – die nicht versiegelte Probe an das Carabinieri-Labor liefern wird.“
In einer Mail die gleichzeitig an Thomas Capdevielle und Huw Roberts geht, lästert Wenzel über die Mailänder Anwälte: „Ich frage mich, ob sie auf unserer Seite sind.“
Probleme gibt es aber auch in Köln. Das Institut für Biochemie pfeift nicht so recht nach der Pfeife der IAAF. Weil weder der stellvertretende Institutsleiter Hans Geyer noch Anwalt Sartorius eine Zeitlang erreichbar sind, wendet sich Ross Wenzel Ross am 20. Februar an Thomas Capdevielle:
„Es scheint, dass das Laboratorium sehr zurückhaltend ist.. (…).. Die Wahrheit ist, dass das Labor versucht, so neutral wie möglich zu sein, aber es würde helfen, wenn sie bereit wären, unsere Position zu einem gewissen Grad zu sichern.“
Capdevielle antwortet 9 Minuten später:
„Hallo Ross, erkennen die, dass sie Teil der Handlungen gegen AS sind und die möglichen Konsequenzen für sie daraus? Hans braucht wohl mehr Hintergrundinformationen.“
AS steht hier für Alex Schwazer. Und Plot kann man durchaus auch mit Komplott übersetzen.
Wenig später erreicht Ross Wenzel Hans Geyer und gibt in einer Mail an Capdevielle Entwarnung: „Ich glaube, ich habe es geschafft, sie zu überzeugen.“
Ein Großteil dieses Mailverkehrs geht immer wieder zur Kenntnis an Thomas Capdevielle.
Capdevielle ist eine Schlüsselfigur im Dopingfall Schwazer. Der Anti-Doping-Manager der IAAF war es gewesen, der im Frühjahr 2016 dem Kölner Labor angeordnete hatte, die Harnprobe Alex Schwarzers mit einem Spezialverfahren nochmals zu analysieren. Erst dann kam das positive Ergebnis.
Am Vormittag des 14. Februar 2017 schreibt Thomas Capdevielle an Ross Wenzel und Huw Roberts. Capdeviells Frage: „Huw, bist du glücklich, den Entwurf an Barra zu schicken?“
Mit Barra ist Luciano Barra gemeint, Ex-Sekretär des italienischen Leichtathletikverbandes FIDAL. Barra hat in den vergangenen Jahren immer wieder Stimmung gegen Alex Schwazer gemacht. So forderte er mehrmals Kontrollen, bezichtigte Schwazer des Schwindels und versuchte mit einem offenen Brief Schwazers Olympiateilnahme zu verhindern.
Luciana Barra ist ein verbitterter und erklärter Gegner nicht nur von Alex Schwazer, sondern auch von Sandro Donati.
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