WADA: Verbotene Methoden M1 und M2 im WADA-Code
plus Stellungnahme von Prof. Dr. J. M. Steinacker zur Eigenblutbehandlung s. u.
Änderungen der „PROHIBITED METHODS“ (nur M1 und M2) über die Jahre (von 2004 bis 2012)
Eine große Rolle spielen diese Definitionen und Änderungen in der Diskussion um die Behandlungsmethode des Erfurter Arztes Andreas Franke, der kleine dem Körper entnommenen Blutmengen mit UV-Licht bestrahlte und danach zurück führte. 30 Sportlerinnen und Sportler kamen damit 2011 bis 2012 unter Dopingverdacht. Der Arzt selbst sprach davon, dass die Methode nicht verboten sei, Sportler u.a. schlossen sich dieser Meinung an. Die Angelegenheit ist noch anhängig. Näheres siehe unter
>>> doping-archiv.de: Eigenblut-Affaire OSP Erfurt
Dort sind auch verschiedene Gutachten und Einschätzungen über den Verbotsstatus der UV-Eigenblutmethode vor 2011 zum Thema haben.
>>> Änderungen „PROHIBITED METHODS“ M1 und M2, 2004 – 2012
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Der Vergleich umfasst die Änderungen der Jahre:
2004/2005 / 2005/2006 /2006/2007 /2007/2008 /2008/2009 /2009/2010 /2010/2011 / 2011/2012
von denkbär (c4f-Forum), Februar 2012
Stellungnahme Prof. Dr. J. M. Steinacker zur Eigenblutbehandlung
War die in Erfurt von Arzt Andreas Franke durchgeführte Behandlung mit UV-bestrahltem Licht schon vor 2011 gemäß der WADA-Liste der verbotenen Medikamente schon vor 2012 verboten?
Professor Jürgen Steinacker, Sportmediziner am Universitätsklinikum Ulm, Mitglied des Wissenschaftskomitees der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) bewertet dies. Steinacker ist Vorsitzender der Expertengruppe, die jährlich die offiziellen WADA-Doping-Verbotslisten erstellt. Die zitierte Stellungnahme erschien 2012 auf Sportschau.de.
Stellungnahme zur Frage Eigenblutbehandlung mit UV-B-Bestrahlung
1. Grundsätzliches
Bei der Bewertung ob ein Verfahren oder ein Medikament verboten ist, zählt grundsätzlich nicht die Intention oder der Nachweis des Effektes, sondern die Tatsache, dass es verboten ist. Das ergibt sich aus dem gesamten Regelwerk der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und nicht nur aus der WADA-Liste der verbotenen Substanzen (WADA prohibited List), die jährlich seit 2005 herausgeben wird.
Für die grundsätzliche Interpretation ist der WADA-Code als „Grundgesetz“ der WADA entscheidend, der erstmals 2003 verabschiedet wurde. Ich beziehe mich hier auf die Version von 2009, die aber im Sinn nicht sich wesentlich von den Vorgänger-Codes unterscheidet.
Der WADA-Code und die damit zusammenhängenden „International Standards“ wie die WADA prohibited List sind für das alle Fragen wichtige Regelwerk, dass noch von weiteren Dokumenten ergänzt wird. Sie sind verbindlich für alle Leistungssportler, die den Mitgliedsorganisationen des Deutschen Olympischen Sportbundes angehören, alle Beschäftigten, freie Mitarbeiter und Ehrenamtliche im Sport. Für Ärzte regelt seit 2007 der § 6a Arzneimittelgesetz die Verbindlichkeit des WADA-Codes.
2. Wenn die Methode keine Doping-Wirkung hat oder keine solche Wirkung nicht beabsichtigt war oder man darüber keine Kenntnis hatte, kann das Doping sein?
Die Intention oder mangelnde Wirkung konstituiert nachdem WADA-Code keine Entschuldigung, wie aus den folgenden Artikeln hervorgeht:
2.1.1. Verantwortlichkeit des Athleten
2.1.1 It is each Athlete’s personal duty to ensure that no Prohibited Substance enters his or her body. Athletes are responsible for any Prohibited Substance or its Metabolites or Markers found to be present in their Samples. Accordingly, it is not necessary that intent, fault, negligence or knowing Use on the Athlete’s part be demonstrated in order to establish an anti-doping violation under Article 2.1.
2.2.1 Die Absicht oder die Unkenntnis konstituiiert keine Ausnahme
2.2.1 It is each Athlete’s personal duty to ensure that no Prohibited Substance enters his or her body. Accordingly, it is not necessary that intent, fault, negligence or knowing Use on the Athlete’s part be demonstrated in order to establish an anti-doping rule violation for Use of a Prohibited Substance or a Prohibited Method.
2.2.2. Mangelnde Wirkung der Substanz oder Massnahme entbindet nicht von der Verantwortung
2.2.2 The success or failure of the Use or Attempted Use of a Prohibited Substance or Prohibited Method is not material. It is sufficient that the Prohibited Substance or Prohibited Method was Used or Attempted to be Used for an antidoping rule violation to be committed.
Das gilt auch grundsätzlich wenn für eine angewendete Methode oder Substanz eine andere Wirkung reklamiert wird, als sie aus der WADA-Liste der verbotenen Substanzen (WADA prohibited List) abgeleitet werden kann:
4.3.3. Eine Methode oder Substanz, die in die WADA-Liste der verbotenen Substanzen (WADA prohibited List) aufgenommen ist, ist verboten, auch wenn ein Anwender argumentiert, dass die Klassifikation nicht zutreffend ist.
4.3.3 WADA’s determination of the Prohibited Substances and Prohibited Methods that will be included on the Prohibited List and the classification of substances into categories on the Prohibited List is final and shall not be subject to challenge by an Athlete or other Person based on an argument that the substance or method was not a masking agent or did not have the potential to enhance performance, represent a health risk or violate the spirit of sport.
Daraus folgt, dass in einem solchen Fall nur zu betrachten ist, ob die Methode oder Substanz verboten war, alle anderen Fragen können allenfalls bei der Strafzumessung beachtet werden. Wenn ein Arzt seinen Athleten versichert, seine Methoden seien erlaubt, macht er sich zusätzlich gegenüber den Athleten wegen seiner besonderen Garantenstellung haftbar und hat eine besondere Verantwortung.
3. Ist die Methode der UV-Behandlung wirklich schon seit 2005 verboten?
Seit 2005 ist die Verwendung von Blut oder Blutbestandteilen, seien sie aus eigenem oder fremden Blut hergestellt, grundsätzlich verboten und in Abschnitt M1.1 der WADA Prohibited list geregelt: M1. 1 Blood doping, including the use of autologous, homologous or heterologous blood or red blood cell products of any origin. Dabei gilt jede Entnahme von Blut und eine Wiedereinbringung in die menschliche Blutbahn als Doping, wenn sie rote Blutzellen enthalten. Wenn Blutprodukte verwendet werden, die keine roten Blutköperchen beinhalten (Platelet rich plasma) oder aus Blut oder Körpermaterialien gewonnnen wurden wie bei Impfstoffen oder Eiweißen oder Immunglobuline fallen diese nicht unter M1. sondern werden nach der jeweiligen Anwendung betrachtet.
2011 ist es dann ein weiterer Absatz M.2.3 eingefügt worden, der exakt auf die hier verwendete Methode passt: 3. Sequential withdrawal, manipulation and reinfusion of whole blood into the circulatory system is prohibited.
2012 spezifiziert man dann weiter: reintroduction statt reinfusion
Daraus folgt, dass die Methode der Eigenblutbehandlung mit oder ohne UV-Bestrahlung mit der notwendigen Gerinnungshemmung unabhängig von der Methode der Wiedereinbringung (Infusion oder Spritze) und der Menge (auch bei wenigen ml) seit 2005 eine verbotene Methode nach M1 und seit 2011 auch nach M2.3 bedeutet.
4. Wie und wann kann man eine ärztliche Behandlung mit Blut oder Eigenblut vornehmen lassen?
Wenn man solche Methoden zur ärztlichen Therapie verwendet oder nach anerkannten medizinischen Standards sogar dazu verpflichtet ist, ist man trotzdem verpflichtet, bei dem WADA-Code unterliegenden Sportlern eine sogenannte „TUE – therapeutic use exemption“ einzuholen.
Bei akuten Erkrankungen wie zum Beispiel einem Unfall bei dem eine Blutransfusion notwendig ist, muss man zwingend nach der Akutbehandlung diese anzeigen (retroaktive TUE)
Bei chronischen Erkrankungen müssen alle Behandlungen vor Beginn der Behandlung angezeigt und genehmigt werden (TUE). Die Sorgfaltspflicht würde im Falle der Unsicherheit einen Arzt oder anderen Anwender auch zu einer solchen Prüfung auch verpflichten.
Das ist hier auch unterlassen worden.
Hierzu sagt der WADA-Code in Abschnitt 4.4 im letzten Absatz: The presence of a Prohibited Substance or its Metabolites or Markers (Article 2.1), Use or Attempted Use of a Prohibited Substance or a Prohibited Method (Article 2.2), Possession of Prohibited Substances and Methods (Article 2.6) or Administration of a Prohibited Substance or Prohibited Method (Article 2.8) consistent with the provisions of an applicable therapeutic use exemption and issued pursuant to the International Standard for Therapeutic Use Exemptions shall not be considered an anti-doping rule violation.
Es handelt sich bei der Eigenblutbehandlung mit UV-Bestrahlung wie in diesem Fall um eine Außenseitermethode, für die es keine wissenschaftlich gesicherten Beweise gibt, sodass sie nach meiner Einschätzung auch nicht genehmigungsfähig wäre.
5. Macht es einen Unterschied für die Bewertung der Eigenblutbehandlung ob Injektion oder Infusion?
Infusionen: Seit der WADA-Prohibited list von 2005 gilt, dass Infusionen verboten sind. Dies ist jetzt in M2.2. geregelt:
.2 Intravenous infusions are prohibited, except as a legitimate medical treatment.
Seit 2010 heisst es dann der Satz M2.2.:
.2 Intravenous infusions are prohibited except for those legitimately received in the course of hospital admissions or clinical investigations.
Für 2011 wird dieser Satz wegen erheblichem Missbrauch nochmals verschärft. Es ist so, dass jetzt auf die Menge von 50 ml in 6 Std. abgehoben wird.
Für die Eigenblutbehandlung kann die Infusionsregel hier nicht zur Anwendung kommen, auch das reklamierte wording in M2.3. könnte für 2011 noch so interpretiert werden, dass „reinfusions“ möglich seien, aber das wäre eine Fehlinterpretation.
Die Regel M1.1 spricht konsistent von „use“ und spezifiziert nicht weiter. M1.1 ist die weitergehende Regel und umfassend gültig.
6. Was ist eine Infusion?
Unter einer Injektion versteht man die Einbringung von Flüssigkeit in das Blutgefäß über eine manuell betätigte Spritze und eine (starre) Nadel, wobei es Kombinationsnadeln gibt mit starrer Nadel und weichem Schlauch. Eine Infusion erfolgt im Allgemeinen über einen flexiblen Schlauch ohne direkte Einwirkung des Arztes maschinell oder über Schwerkraft, nachdem eine starre oder flexible Kanüle in ein Blutgefäß eingebracht wurde.
Seit 2012 ist auch von der WADA technisch definiert, was eine Infusion bedeutet: M2.2: Attention is drawn to the fact that updated medical information is provided on the WADA Web site (http://www.wada-ama.org/Documents/Science_Medicine/Medical_info_to_support_TUECs/WADA_Medical_info_IV_infusions_3.0_EN.pdf) to support the decisions of TUECs regarding the use of intravenous infusions. For clarity, the volume and frequency of intravenous infusions/injections is included in the List. Wegen erheblichem Missbrauch wurde 2012 die Definition verschärft und jetzt wird überwiegend auf die Menge von 50 ml in 6 Std. abgehoben.
Univ. Prof. Dr. J. M. Steinacker