das DDR-System und der Fußball
Gedopt wurden in der DDR auch Fußballspieler und das laut Aktenlage mindestens seit 1965. Giselher Spitzer zitiert zu diesem Jahr aus einem Stasi-Bericht des stellvertretenden Chefarztes (Deckname ‚Ernst Lache‘) des Sportmedizinischen Dienstes (SMD), wonach dieser auf Bitte des Cheftrainers eine Woche vor dem Länderspiel DDR-Österreich das Trainingslager der DDR-Mannschaft aufgesucht habe, um
„über Möglichkeiten zu beraten, die Leistungsfähigkeit einiger Spieler durch ärztliche Maßnahmen zu erhöhen. In Übereinstimmung mit dem Trainer wurde den Spielern XX, YY und ZZ das Präparat Hemostyl verabreicht. Einschließl. XX erhielten diese Spieler vor dem Spiel pervitinähnliche Tabletten und die übrige Mannschaft, außer XX, eine dieser Tabletten. Die Leistungskurve aller Spieler war während des Spieles sehr konstant.“ „Diese Maßnahmen der Vorbereitung unserer Spieler erfolgte zusammen mit Dr. Eckardt, der von sich aus nicht über die pharmazeutischen Voraussetzungrn verfügt, alleine diese Maßnahmen zu Treffen.“
Im März 1967 wurde im Länderspiel gegen Holland ähnlich gearbeitet. Der SMD-Chef hatte jedoch aus Versehen den Spielern für das Spiel gegen Ungarn ein falsches Mittel verabreicht, so fehlte ihnen die nötige Energie, sie wirkten schläfrig. Daraufhin wurden die Medikamente beim folgenden Spiel gegen Bulgarien auf Anweisung von DTSB-Chef Manfred Ewald ausgesetzt. Der zuständige Arzt musste die bereits bereitgestellten Mittel vernichten.
MZ, 14.9.2013:
Der Hallenser Bernd Bransch ist sich inzwischen sicher: „Zu bestimmten Zeiten wurde etwas versucht.“ Der ehemalige Kapitän der DDR-Nationalmannschaft – wie beim legendären 1:0 über die BRD bei der WM 1974 – datiert die Experimente auf Ende der 60er Jahre. „Ich bin überzeugt davon, dass es probiert wurde, ohne die Spieler zu informieren. Geredet wurde nie darüber. Wir haben Tabletten bekommen, von denen wir nicht wussten, wofür oder wogegen die waren. Es hieß, es seien Vitamine“, sagt der 68-Jährige. „Ich selbst habe nie etwas genommen“, betont der langjährige HFC-Kapitän.
Experimente/Erfahrungen mit stimulierenden Substanzen
Zu den Amphetaminen gesellten sich in den Folgejahren Anabolika und Psychopharmaka. Wobei mit in der Oberliga nicht mehr mit aufputschenden Substanzen experimentiert werden sollte. Daher kam das Antidepressionsmittel Aponeuron wahrscheinlich erstmals 1977 bei den Clubs BFC und Dynamo Dresden zum Einsatz und zwar ohne dass die Spieler darüber informiert wurden. Unklar ist, wieviele weitere Teams in den darauf folgenden Jahren ebenfalls damit behandelt wurden, selten soll es nicht gewesen zu sein. Nebenwirkungen waren bekannt. Daher wurden um Sportler vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren – ‚irreparabler Überlastung und Enthemmung beim Training‘ – gelegentlich Trainingsverbote angeordnet. Manfred Höppner berichtete z. B. von ‚unbeherrschten Verhaltensweisen‘ aber auch Paul Breitner vom FC Bayern München soll Verhaltensweisen von DDR-Spielern mit Doping in Verbindung gebracht haben.
Aus der geheimgehaltenen Studie „Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Forschungsarbeit zum Staatsplanthema 14.25 im Olympiazyklus 1984-1988“ geht hervor, dass noch 1988 staatlich finanzierte Experimente mit Substanzen stattfinden, die das Gehirn beinflussen.
„Der Abschnitt zu hirnwirksamen Mitteln belegt ohne Zweifel, dass im Wettkampf gedopt worden war. Es handelt sich vermutlich einmal um zwei Spieler von ‚Lok‘ Leipzig sowie um nicht weniger als ein Dutzend Spieler aus einem anderen Oberligateam: Je nachdem, wie man die fehlenden Buchstabenteile ergänzt, kommen Magdeburg, Berlin und Dresden in Frage.“
Alles deutet nach Spitzer daraufhin, dass die gehirnstimulierenden Substanzen entgegen der ursprünglichen Absicht auch in der obersten Liga getestet wurden und dass der DDR-Auswahltrainer ebenso wie der Verbandsarzt und die Cheftrainer der Teams Bescheid wussten. Beispielsweise ergaben routinemäßige Ausreisekontrollen vor Europacup-Spielen im Oktober 1983, dass 14 Spieler des Berliner Fusballclubs Dynamo mit Amphetaminen gedopt waren. Mit solchen Kontrollen sollte verhindert werden, dass Spieler im Ausland mit einer positiven Kontrolle auffallen.
Nicht belegbar ist nach Spitzer, ob Psychopharmaka auch in der Nationalmannschaft angewandt wurden. Es gibt zwar Akten, wonach 1983 Verbandsarzt Dr. Eißmann mit Generalsekretär und Clubärzten den Einsatz von Sydnocarp und Aponeuron für das Länderspiel gegen Polen abgesprochen hatten, doch der Arzt stritt dies später ab. 2002 wurde Eißmann von dem Vorwurf in eine „Dopingkonzeption im DDR-Fußball“ verstrickt gewesen zu sein, entlastet.
Bei Amphetaminen sah das anders aus, wie folgendes Zitat aus einem Bericht von Manfred Höppner aus dem Jahr 1983 belegt:
„Im Olympia-Qualifikationsspiel [EM-Qualifikationsspiel]gegen die Schweiz wurde diese Methode mit Genehmigung ebenfalls angewendet (…) Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass die einzelnen Spieler konkret über dieses verabreichte Mittel Kenntnis haben, da diese teilweise illegal durch die Trainer und Ärzte in Getränken verabreicht wurden.“
anabole Steroide und mehr
Doping war in der DDR offiziell verboten. Es war daher auf Geheimhaltung zu achten. Gerüchte durften nicht entstehen oder mussten zumindest entkräftet werden. Die positiven Amphetaminkontrollen waren ein Unfall, der widerlegt werden musste. Mit ‚angekündigten‘ Kontrollen wurde im April 1985 ein entsprechender Versuch gestartet, doch leider erwiesen sich die beiden ausgelosten Spieler des FC ‚Union‘ ebenfalls als positiv, diesmal wurde das injizierte, lange nachweisbare Anabolikum Depot-Urinabol gefunden. Die anderen getesteten Spieler der Oberliga waren sauber, möglicherweise hatten sie aber nur die weniger lang nachweisbaren Tabletten Oral-Turinabol nach der Vorankündigung der Tests rechtzeitig abgesetzt.
Auch 1989 erhielt die Nationalmannschaft entsprechende unterstützende Mittel. Allerdings ließ der Erfolg zu wünschen übrig. Die Schuld daran wurde einer falschen Konzeption des Verbandsarzt zugeschrieben, der daraufhin eine Kürzung seines ‚leistungsorientierten Gehalts‘ hinnehmen musste.
René Wiese zitiert aus Zeitzeugeninterviews, die er 2015 mit zwei EX-DDR-Nationalspielern des 1. FC Magdeburg und der SG Dynamo Dresden geführt hat:
„Während im Hinblick auf die olympischen Spiele 1972 das Dopingsystem der DDR an Fahrt aufnahm, war der Einsatz von anabolen Steroiden wie Oral-Turinabol im Fußball wohl anfänglich zögerlicher. lnsbesondere ist anhand von Zeitzeugenaussagen zu erkennen, von Dopingmitteln dass der DSV den Fokus auf den Spielerkreis der Nationalmannschaft und der DDR-Teams die im Europapokal waren, konzentrierte. So berichtet ein Zeitzeuge, dass im Vorfeld der Fußball-WM 1974 in Trainingslagern den Nationalspielern die blauen Pillen ,,angeboten“ wurden. Selbiges wiederholte sich auch im Vorfeld der Olympischen Spiele 1976, wo sich die DDR- Nationalmannschaft im späteren Turnierverlauf die Goldmedaille erspielte. In den vorbereiteten Trainingslagern für die DDR-Nationalspieler in Kienbaum erhielten die Spieler im Zyklus einer Woche vier bis fünf Tabletten Oral-Turinabol verabreicht. Die anfängliche Legende der Trainer und Ärzte, dass es sich hierbei um Vitaminpräparate handelte, wurde nach Zeitzeugenaussage von den Spielern schnell infrage gestellt. Die Spieler nahmen nach Aussage eines Zeitzeugen XX (Nationalspieler der SG Dynamo Dresden) wohl war, welche Wirkung diese Präparate auf sie hatten. Da sich beispielsweise ein anderer Dresdner Nationalspieler XY nach der Einnahme muskulär verletzte, zögerten einige Spieler mit der weiteren Tabletteneinnahme. Nach Aussage des Zeitzeugen XX konnte,,man damit nicht richtig umgehen, weshalb du schnell zu Zerrungen neigst.“ Die Einnahme wurde jedoch rechtzeitig vor den Olympischen Spielen in Montreal abgesetzt, sodass die Spieler sauber in Kanada anreisten. (Braun, Wiese 2024, S. 108)
Neben den anabolen Steroiden kamen ab 1978 weitere Hormone zum Einsatz. Unter dem irreführenden Namen Vitamin B17-Komplex (‚B17‘) verbarg sich das Peptidhormon Oxytozin, das als Filmtablette ‚unter die Zunge oder in die Wangentasche gelegt‘ wurde und sekundenschnell die Gehirntätigkeit aktivierte. (Oxytozin ist verantwortlich für die Geburtswehen und wird zur Einleitung von Geburten eingesetzt.)
Doping auf Clubebene
René Wiese schreibt:
Aber auch auf Clubebene begann der Einsatz von Dopingmitteln. Hierbei spielte der DDR-Fußball-Verband (DFV) beim Transfer von Dopingwissen eine wichtige Rolle. Der in den 196Oer-Jahren bei der DDR-Nationalmannschaft tätige Arzt Heinz Eckhardt, der die Vergabe von Stimulanzien durch den SMD-Arzt Rudolf Müller kannte, war ebenso jahrelang Mannschaftsarzt beim SC Magdeburg/1. FC Magdeburg. Über ihn berichtete der ehemalige Clubvorsitzende des 1. FC Magdeburg, dass auch unter Eckhardt Doping eine Rolle spielte. Im Interview mit dem Autor äußerte er sich zum Ziel des Einsatzes von Dopingmitteln beim 1. FC Magdeburg; ,,[…] da wurden dann Mittel wirksam, wo wir sagten, Fußball ist nach den neuesten Erkenntnissen auch eine Sportart, wo man […] auch Ergebnisse nachweisen könnte.“ Um dies zu untermauern, berichtete er von einem Fall aus den 1970er-Jahren, als ein wichtiger Spieler des 1. FC Magdeburg aufgrund zu hoher Laborwerte den obligatorischen Dopingausreisetest des Dopinglabors Kreischa nicht überstand. …
Ähnliches war in Dresden zu beobachten. Ein Bericht des IM ,,Werner“, alias Wolfgang Klein, Sektionsarzt der SG Dynamo Dresden, aus dem Jahr 1978 macht deutlich, dass er Hirnhormone (.,Vitamin B 17-Komplex“) an Spieler verabreichte. Vor dem Europapokalspiel der SG Dynamo Dresden gegen Partizan Belgrad habe ihm der Verbandsarzt .,Altmann“ (gemeint höchst wahrscheinlich Eißmann, d. Verf.) ,,stimulierende Mittel mit kurzfristiger Wirkung übergeben, Vitamin B17-Komplex, welches an einen großen Teil der Spieler außer Torwart und Libero [gegeben] wird, so dass mit einer konzentrierten Leistung gerechnet werden kann.“ … Die Spieler waren, um mit den Worten eines Dresdner Zeitzeugen (Nationalspieler der SG Dynamo Dresden) zu sprechen, nun ,,voll da“. Nach seinen Schilderungen kamen die roten Pillen auch in der Oberliga gegen die größten Dresdner Konkurrenten, den BFC Dynamo und den FC Carl Zeiss Jena, zum Einsatz. Die Spieler wurden jedoch nicht medizinisch über diese Dopingmittel aufgeklärt.“ (Braun, Wiese 2024, S. 109/110)
Doping in Jena und Erfurt
Im Oktober 2011 stellte Historiker Michael Kummer seine Dissertation über die Fußballclubs von Carl Zeiss Jena und Rot-Weiß Erfurt vor. Der Jenaer Klub gehörte über Jahrzehnte zu den führenden Mannschaften der obersten DDR-Liga. Er fand heraus, dass sich der Fußball etwas anders entwickelte als der sonstige DDR-Leistungssport. Aufgrund der direkten finanziellen Förderungen durch Wirtschaftsunternehmen wurden die Sportler und Klubs in direkter Weise finanziell gefördert und sozial unterstützt.
Es wurde auch gedopt, allerdings nicht in der bekannten systematischen Weise, wie es der DDR-Staat mit Sportlern anderer Sportarten praktizierte. Lediglich die Nationalmannschaften gerieten unter staatlichen Druck.
… Welche Rolle spielte Doping im DDR-Fußball?
Auch hier nahm Jena in Thüringen eine Vorreiterrolle ein. Jenaer Spieler kamen bei der Nationalmannschaft erstmals Ende der 60er-Jahre mit dem Muskelaufbau-Präparat Oral-Turinabol in Berührung und brachten dieses Wissen nach Jena mit. Durch den dort ansässigen VEB Jenapharm besaß der FC Carl Zeiss, wenn man so will, einen Standortvorteil. Erfurt zog erst Ende der 70er-Jahre nach. Zunächst noch unsystematisch, dann ab Anfang der 80er-Jahre aber umso gezielter.
Es wurde also nicht systematisch gedopt?
Dafür habe ich keine eindeutigen Belege gefunden. Aber dass bei beiden Clubs gedopt wurde, haben mir zahlreiche ehemalige Spieler und Funktionäre anonym bestätigt. Überraschend war, dass ich zumeist gar nicht gezielt danach gefragt habe, aber sie nach Ausschalten des Aufnahmegeräts von sich aus begannen, darüber zu erzählen.
Wer wusste davon?
Mit hoher Wahrscheinlichkeit der Arzt des Sportmedizinischen Dienstes, vermutlich wohl auch der zuständige Trainer der Oberligamannschaft.
War das Doping staatlich angeordnet?
Da muss man unterscheiden. Für den internationalen Einsatz von Fußballern in den Nationalmannschaften der DDR oder im Europapokal kann man von einer staatlichen Lenkung ausgehen. Anders war es in der Oberliga. Hier sollte wohl nicht gedopt werden, aber daran hielt man sich nicht, zuerst beim FC Carl Zeiss, später dann auch beim FC Rot-Weiß. … (otz.de, 6.10.2011
Verbreitung
Giselher Spitzer fasst die DDR-Dopingpraxis im Fußball wie folgt zusammen:
„- National, also in der DDR-Oberliga, war Doping verboten. Dies geschah offensichtlich, um die Chancengleichheit aller Teams und allwöchentliche Spannung zu gewährleisten.
– In Spielen gegen das Ausland war Sportbetrug hingegen Pflicht, um einen Vorteil im politischen Ziel der Spitzenstellung der DDR im Weltsport zu gewährleisten.
– Aus demselben Grund konnten auch Clubmannschaften gedopt werden, wenn sie am Europacup teilnahmen.“
Es wurde zwar versucht Doping im inländischen Fußball zu verhindern, doch vergebens. Für die Jahre 1985/86 sind Dopingpraktiken ‚in allen drei obersten Ligen‘ nachgewiesen. Eine mögliche Verweigerungshaltung der Aktiven wurde entweder durch Fehlinformationen oder durch Befehle verhindert.
René Wiese hält fest:
„Für die Darstellung der Dopingpraxis in den 198oer-Jahren wird deutlich, dass die Aktenfunde und Belege für spezielle Fragestellungen noch zu keiner abschließenden Einschätzung ausreichen. Insbesondere die Frage, ob es im Fußballsport wie in allen olympischen Sportarten eine zentrale Doping-Konzeption gegeben hat, ist noch offen.“
Jörg Berger – Erfahrungen
1979 flieht Fußballtrainer Jörg Berger in den Westen. Von 1976 bis 1978 arbeitete er mit der DDR-Jugend, von 1978 bis 1979 trainierte er die B-Fußballnationalmannschaft der DDR. Nach seinem Wechsel in die Bunderepublik gelingt es Berger sich eine Trainerkarriere aufzubauen.
2009 erscheint sein autobiografisches Buch „Meine zwei Halbzeiten“, in dem er seine Erfahrungen und Erlebnisse in Ost und West beschreibt. Er musste nach der Wende erfahren, dass ihn die Stasi im Westen intensiv kontrolliert hatte und sein Leben mehrfach gefährdet war.
Sehr viele Einblicke in das DDR-Dopingsystem habe er nicht gehabt, aber er war informiert.
„In der Zeit, in der ich die Juniorenauswahl trainierte, hatte ich immer wieder mit einem Sportmediziner zu tun. Er war mir auf Anhieb unsympathisch, nach Möglichkeit ging ich ihm aus dem Weg. Einmal bekam ich mit, wie er nach dem Mittagessen bunte Pillen an meine meist achtzehnjährigen Spieler verteilte. Von Harriet [Bergers Frau] wusste ich, dass den jugendlichen Schwimmern „unterstützende Mittel“ in Tablettenform verabreicht wurden. Was es genau war, musste man nicht. Selbst wenn man bezweifelte, dass es sich einzig und allein um Vitamine handelte – man nahm es hin. So waren wir nun einmal erzogen worden. Aus heutiger Sicht spricht vieles dafür, dass es sich um Doping gehandelt hat. Im Fußball habe ich dergleichen allerdings nur dieses eine Mal beobachtet.“
1993 begegnet Jörg Berger dem Mediziner im Westen. Der Trainer nahm mit seinem Team von Schalke 04 an einem Hallenturnier in Leipzig teil, bei dem Dopingkontrollen angesetzt worden waren. Ein Arzt hatte die Auslosung der Spieler vorzunehmen.
„Als die Lose verteilt wurden, trat ebenjener Mann in unsere Kabine, der einst in der Juniorenauswahl die „Vitamintabletten“ verteilt hatte. Zur Mannschaft gewandt, stellte er sich vor: „Ich bin der Doping-Beauftragte des Deutschen Fußball-Bunds.“ Mit Mühe riss ich mich zusammen und zischte nur: „Raus hier aus unserer Kabine, sonst gibt’s Ärger. Ich konnte kaum glauben, was ich gerade erlebt hatte. … Welch ein Hohn!“
Es handelte sich um den ehemaligen DFV-Azt Dr. Hans-Jörg Eißmann. „Er war jemand, der ganz vorne weg ging zu DDR-Zeiten. Der die Fahne ganz hoch hielt und der skrupellos war in dieser Richtung und als er dann im Auftrag des DFB kam, habe ich fast den Glauben verloren.“(dradio, Sportgespräch, 15.3.2009)
Dr. Hans Jörg Eißmann arbeitete nach der Wende am DFB-Trainingszentrum in Leipzig. 1994 erschien unter seinem Namen im ‚Handbook of sports medicine ans science (Soccer)‘ ein Artikel zur Dopingproblematik und dem FIFA-Reglement: Chapter 18, Doping, S. 215f
Von 1986 bis 1998 war er Vorsitzender der Medizinischen Kommission der UEFA, von 1998 bis 2000 deren Berater und ab 2000 Dopingkontrolleur der UEFA.
Interview mit Jörg Berger: die Welt, 5.3.2009
Jörg Berger verstarb am 23.6.2010:
J. Schmieder: Der humorvolle Feuerwehrmann
Jörg Berger:„… man hat sich auch danach [nach der Wende] nicht groß mit den positiven Dingen aus dem Osten auseinandergesetzt und genauso wenig mit den negativen Begleiterscheinugen, sprich, mit den Leuten, die übernommen wurden. … Ich hätte mir schon gern von Seiten des DFB einmal gewünscht, dass sie mich angesprochen hätten. Aber da kommt genau diese Ignoranz und diese Arroganz zum Tragen, die ich ja schon einmal erlebt habe. Man steht ja in vielen Sachen, oder stand, über den Dingen und deshalb kam da auch nie eine Frage, sie kennen das doch alles, sie kennen die doch alle, sie haben doch alles miterlebt. Was sagen Sie zu dem oder dem und ich hab mich da nicht aufgedrängt.“
(dradio, 15.3.2009)
Dopingspätfolgen
Laut dem Verein Doping-Opfer-Hilfe e.V. meldeten sich zunehmend ehemalige Fußballspieler bei seiner Beratungsstelle. Im April lagen ihm 12 Fälle vor. Die Sächsische Zeitung schreibt hierzu am 4.6.2018:
… Sie sind zwischen 47 und 60 Jahre alt und haben für zehn unterschiedliche Vereine gespielt. Heute leiden sie unter teils erheblichen gesundheitlichen Schäden, die auf die Einnahme leistungssteigernder Mittel während ihrer aktiven Zeit zurückzuführen sein können.
Die Betroffenen haben in den Gesprächen mit dem DOH berichtet, dass sie Tabletten und als Vitamincocktail deklarierte Drinks zum Teil bereits als Junioren einnehmen sollten. Ein Spieler von Dynamo Dresden gibt an, dass ihm bereits mit 17 Jahren Oral-Turinabol, ein Steroid zum Aufbau von Muskelmasse, vom Trainer gegeben worden sei, um eine bessere Grundschnelligkeit und Athletik zu erreichen. Ein anderer Dresdner behauptet, die gesamte Mannschaft sei „auf Droge“, der Umgang mit Tabletten „salopp“ gewesen, oft deklariert als „Regenerationsmaßnahme“. Das berichtet unter anderem ein heute 54-Jähriger, der bei Stahl Riesa gespielt hat. Die Schmerzmittel hätten in den Spinden offen rumgelegen, bestätigt ein Spieler vom FC Vorwärts Frankfurt/Oder. Und einer des BFC Dynamo sagt aus, vor Höhepunkten Spritzen bekommen zu haben.
Ein Aktiver des FC Carl Zeiss Jena bezeichnet die Doping-Praxis als „üblich im DDR-Fußball bis in die Kreisligen hinein“. Er leidet unter Lymphdrüsenkrebs und Depressionen. Dem Bericht zufolge leiden viele unter psychischen Problemen wie Angststörungen. …
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der Text beruht auf folgenden Büchern:
G. Spitzer, Fußball und Triathlon, 2004
G. Spitzer, Sicherungsvorgang Sport, 2005
G.Spitzer, Doping in der DDR, 1998
René Wiese in Braun/Wiese: Sportgeschichte vor Gericht, 2024
Monika 2010, spätere Ergänzungen