Jérôme Chiotti
De mon plein Gré
Calmann-Lévy , 2001
Im April 2000 erklärte Jérôme Chiotti einer Zeitung gegenüber, dass er seinen Mountain-Bike-Weltmeistertitel 1996 mit Hilfe von EPO erlangte. Als l’Equipe dieses Geständnis aufgriff, schlug es in Frankreich hohe Wellen.
Jérôme Chiotti, geboren 1972, fing in seiner Jugend als BMX-Fahrer an und war bald auch erfolgreich im Querfeldein. Von 1994 – 1997 hatte er Verträge als Straßenrad-Profi, fuhr später als Profi aber nur noch Mountainbike.
Relativ früh in seiner Karriere, noch als Amateur, wurde ihm durch sein Umfeld klargemacht, dass der Hochleistungssport mit großen körperlichen Defiziten einhergeht, dass man unbedingt nachhelfen und ausgleichen muss. Der berühmt-berüchtigte Dr. Bellocq, dessen damals sehr bekanntes Buch zum Thema Jérôme’s Gedanken beeinflusste, half alsbald mit über 10 Mitteln, ca. 30 Pillen pro Tag nach, die allerdings nicht dopinglistenrelevant waren. Bis zur ersten Cortison-Spritze, angeregt durch Kollegen, war es nicht mehr weit. Corticoide waren allgegenwärtig, waren Usus, mit Unterstützung der sportlichen Leiter und mancher Ärzte.
Mit EPO dauerte es noch etwas, etwas misstrauisch war man Anfang der 90er noch in Frankreich, doch bei Festina überzeugte ihn Dr. Eric Rijckaert mit den Worten: „Schau Jérôme, ich würde meinen Kindern EPO geben, wenn es nötig wäre.“
Weitere Mittel folgten, Wachstumshormone, Testosteron und der Pot belge musste auch manchmal sein. Es gab genug Wege um an die Medikamente zu kommen und so konnte Chiotti sich jederzeit selbst damit versorgen. Die Dosierungen bzw. die Empfehlungen der Ärzte oder Pfleger beruhten oft nicht auf gesicherten Erkenntnissen, manches mutete seltsam an oder war gar kontraproduktiv, viel Hören-Sagen war dabei.
Chiotti schildert gut und nachvollziehbar die Spirale, in die der Sportler geraten kann, die eine Eigendynamik entwickelt, durch die der Konsument zum Abhängigen wird, wobei es schon fast egal ist, was man nimmt, Hauptsache es ist überhaupt etwas da. Die Beschreibung Chiotttis erinnert sehr an den Weg eines Süchtigen, auch seine Versuche das Dopen zu lassen bis hin zum Gelingen, deuten auf Sucht hin.
Ich finde, es ist ein eindringliches Buch, in dem uns auch viel über das Innenleben des (nicht nur französischen) Radsports mitgeteilt wird. Interessant z.B. die Schilderungen über die etablierten Allianzen, den ‚Mafias’, bei den kleineren und mittleren Rennen, die versuchen die Sieger abzusprechen und die Aufteilung der Prämien zu organisiseren.
Anmerkung:
Jérôme Chiotti wurde aufgrund seines Geständnisses der Weltmeistertitel von 1996 aberkannt. Der französische Radsportverband verzichtete auf eine harte Strafe, 6 Monate Sperre auf Bewährung genügten seiner Ansicht nach, man wollte andere Sportler nicht abschrecken sondern ermutigen, sich ebenfalls zu äußern. Allerdings war die UCI anderer Meinung, sie ging vor den internationalen Sportgerichtshof und erwirkte eine 6monatige Sperre, davon 3 Monate auf Bewährung.
Laura Chiotti, seine Ehefrau, schilderte ihre Erfahrungen und Gefühle >>> hier.
Monika