2008-2013 Padua, Operazione „Mito“

Dopingaffairen / -Prozesse im Radsport

2008-2013 Operazione „Mito“, Staatsanwaltschaft Padua

Mito ist der Mythos. Es ist ein alter Spitzname des Arztes Michele Ferrari.

>>> Padua-Affaire-Operation „Mito“ Pressemeldungen / -chronik

Lampre, Katusha, Ferrari und Co.

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Mantua, Italien, die bis in das Jahr 2008 zurück gingen, brachte die Teams BMC- und Lampre in Schwierigkeiten. Im Mittelpunkt stand Apotheker Guido Nigrelli mit besonderen Beziehungen zum Lampre-Team und der Fahrer mit Doping-Produkten wie EPO versorgt haben soll. Insgesamt wurde von 32 Personen, Radprofis, Manager und medizinischem Personal, wie den Arzt Fiorenzo Egeo Bonazzi, gesprochen. Insbesondere genannt wurden die Fahrer Damianio Cunego, Michael Rasmussen und Allessandro Ballan, dem Bluttransfusionen vorgeworfen wurden. (cyclingnews, 9.4.2011)

Diese >>> Mantua-Ermittlungen gingen und gehen eigenständig weiter, es dürften aber Gemeinsamkeiten und ein Informationsaustausch mit den Untersuchungen in Padua gegeben haben.

Die Mantua-Ermittlungen sind gesondert zu betrachten.
Folgende Personen sollen laut VeloNews vom 8.12.2012
in Mantua mindestens betroffen sein:
Alessandro Ballan – Marco Bandiera – Emanuele Bindi – Paolo Bossoni – Marzio Bruseghin – Pietro Caucchioli – Damiano Cunego – Mauro Da Dalto – Francesco Gavazzi – Sebastian Gilmozzi – Mirco Lorenzetto – Manuele Mori – Massimiliano Mori – Mariano Piccoli – Daniele Pietropolli – Simone Ponzi – Michael Rasmussen – Mauro Santambrogio – Francesco Tomei – Giuseppe Saronni – Fabrizio Bontempi – Maurizio Piovani – Guido Nigrelli – Sergio Gelati – Fiorenzo Bonazzi – Fabio Della Torre – José Ibarguren Taus – Nicola Castrini – Roberto Messina – Paolo Pezzini – Matteo Zambroni

Auch in Padua wurde das Lampre-Team unter die Lupe genommen. Diese Ermittlungen sollen einerseits ab 2010 laufen, wie es in einigen Meldungen von 2011 zur Operacion „Mito“ heißt, andererseits wurde erwähnt, sie gingen ebenfalls mindestens bis 2008 zurück und hätten sich zu Beginn insbesondere auf die Teams Lampre und Katusha bezogen. Padua war 2008 mit Ermittlungen rund um den Giro 2008 befasst. Die Staatsanwaltschaft hatte Nachanalysen von 82 Proben des Giros 2008 auf EPO-CERA veranlasst, da es bei 6 bis 7 Fahrern Hinweise auf CERA-Doping gegeben hatte (dpa, 30.10.2009).

Im Mittelpunkt von Padua stand Arzt Michele Ferrari, der in Italien Berufsverbot hatte, aber seit einigen Jahren von der Schweiz aus Fahrer betreute. Namentlich genannt wurden die Katusha-Fahrer Vladimir Karpets, Vladimir Gusev, Mikhail Igniatiev, Evgeni Petrov und Aleksander Kolobnev, sowie die Lampre-Fahrer Michele Scarponi und Denis Menchov. In Italien ist aufgrund der Sperre von Ferrari auch die Zusammenarbeit mit ihm verboten. Insgesamt hieß es, stünden 30 Personen unter Verdacht Teil einer kriminellen Vereinigung zu sein. Schnell wurde auch Lance Armstrong genannt, der seine Zusammenarbeit mit Ferrari nicht, wie angegeben, beendet hatte.

2011 Ermittlungsergebnisse

Die Ermittlungen in Padua, Operacion „Mito“ genannt, nach dem früheren Spitznamen Ferraris, weiteten sich schnell über die Grenzen Italiens aus, so z.B. in die Schweiz, eingebunden wurde auch Interpol. Ende November 2011 fand laut Untersuchungsrichter Benedetto Roberti ein Treffen bei Interpol in Lyon (Frankreich) mit Jeff Novitzky von der US Federal Drug Administration, Travis Tygart (USADA), Doug Miller (U.S. Federal Prosecuter) und Olivier Faraole (FBI) statt. Aus Frankreich, Spanien und Belgien waren ebenfalls Kriminalbeamte anwesend (cyclingnews, 15.4.2011). Zu dieser Zeit liefen die Ermittlungen gegen Armstrong in den USA auf Hochtouren und dessen Zusammenarbeit mit Ferrari war Teil davon. Die enge Kooperation zwischen Italien und den USA zeigte sich u.a. daran, dass der ehemalige Teamkollege Armstrongs Yaroslav Popovych in Italien mit einer Hausdurchsuchung konfrontiert wurde, nachdem dieser eine Vorladung zur Aussage vor der Grand Jury in den USA erhalten hatte.

Die Ermittlungen ergaben nach den Meldungen des Jahres 2011 ein Geflecht krimineller Machenschaften, dem Sponsoren, Teams, Banken und Fahrer angehörten. Dieses Betrugssystem soll mit Doping, Geldwäsche und Steuerhinterziehung hohe finanzielle Gewinne erwirtschaftet haben. Als Kopf des Netzwerkes wurde Radsportmanager Raimondo Scimone genannt. Mehr als 13.64 Millionen $ sollen im Laufe der Ermittlungen bis zum September 2011 beschlagnahmt worden sein. (tuttobiciweb, 21.9.2011, cyclingnews, 21.9.2011, espn, 21.9.2011)

2012 Ermittlungsergebnisse

Die Padua-Ermittlungen waren maßgeblich mit verantwortlich, dass im Juli 2012 die Ärzte Dr. Garcia Del Moral, Dr. Michele Ferrari und Trainer Jose “Pepe” Marti von der USADA lebenslang gesperrt wurden (USADA, 10.7.2012). Und daran, dass Lance Armstrong im Oktober eine lebenslange Sperre erhielt. (USADA, 10.10.2012)

Geschäftsverflechtungen, Leistungen

Im August 2012 wurden weitere Einzelheiten, Namen und Tatbestände bekannt. Rund 70 Athleten verschiedener Sportarten sollen in den letzten Jahren in Verbindung mit Ferrari gestanden haben und stehen. Mit dabei der italienische Olympiasieger von Peking Alex Schwarzer, der vor seinem Start bei den Spielen in London positiv auf EPO getestet wurde. Der italienische Behinderten-Radsportler musste aufgrund einer angeblichen Zusammenarbeit auf die Paralympics in London verzichten, wurde aber später von den Vorwürfen frei gesprochen.

Wenig später gibt es Genaueres über die zugrunde liegenden Geschäftsverflechtungen öffentlich nach zu lesen. Eine zentrale Rolle spielte angeblich eine Firma ‚Health and Performance‘, die 1996 in Neuenburg gegründet worden war, 2010 aber aus dem Handelsregister verschwand. Die Schweizer Justiz ermittelte gegen diese Firma unter anderen wegen Dopingvergehen und Geldwäscherei. Die Spuren führten zu weiteren Personen in der Schweiz, Monte Carlo und Italien. Genannt wird die Firma T&F Sport Management mit Sitz in Monte Carlo. Eingebunden war Ferrari und insbesondere Ferraris Sohn Stefano, Sportagent Raimondo Scimone, zwei Bankmanager aus Luzern und Neuchatel, und der Schweizer Anwalt Rocco Taminelli, bekannt als Anwalt von Sportlern in Dopingverfahren.

Ferrari und Co sollen den Sportlern ein ‚all inclusive package“ angeboten haben, das sich aus einem Trainings/Doping-Programm, Informationen darüber, wie das Dopingkontrollprogramm zu hinter gehen sei und einem anwaltlichen Service im Falle eines positiven Tests zusammen gesetzt hat.

Zudem gab es für Sportler und Teams Hilfestellung in der Frage wie finanzielle Auflagen zu umgehen seien.

Personen und Institutionen

Namentlich genannt wurden folgende Radsportler, die von dem Ferrari-System profitiert haben sollen:

Leonardo Bertagnolli (Lampre-ISD), Alessandro Petacchi (Lampre-ISD), Yaroslav Popovych (RadioShack-Nissan), Giovanni Visconti (Movistar), Michele Scarponi (Lampre), Morris Possoni (Lampre), Diego Caccia (Farnese Vini-Selle Italia), Alexandr Kolobnev (Katusha), Mikhail Ignatiev (Katusha), Vladimir Gusev (Katusha), Vladimir Karpets (Movistar), Evgeni Petrov (Astana), Denis Menchov (Katusha) und Filippo Pozzato (Farnese Vini). (gazzetta.it, 18.10.2012, VeloNews, 18.10.2012)

Neben den einzelnen Fahrern sollen 20 Radsport-Teams die Dienste Ferraris und Co. in Anspruch genommen haben, mit dabei die ehemaligen deutschen Milram und Gerolsteiner. (Tagesspiegel, 22.10.2012) Auch Tony Rominger geriet mit seiner Sportmanagement Agentur in Verdacht der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche. Rominger dementierte umgehend, doch unbestritten ist, dass etliche der von ihm gemanagten Fahrer mit Ferrari zusammen arbeiteten. Enge Kontakte bestanden wohl immer zwischen Rominger und dem ehemaligen Astana-Teamchef Marc Biver, aus dessem Team etlichen Fahrern, auch Alexander Vinokourov, der Kontakt zu Ferrari nachgewesen wurde. Bivers eigene Firma soll mit anderen, als supekt genannten Unternehmen vernetzt sein. (NZZ, 28.10.2012)

So nebenbei wurde durch die Padua-Ermittlungen der Beweis erbracht, dass Alexander Vinokourov und Alexander Kolobnew den Sieg von Lüttich-Bastogne-Lüttich 2010 unter sich ausgehandelt hatten. 150 000.- € soll Vino der Sieg wert gewesen sein (sid, 3.11.2012).

Michele Ferrari leugnet vehement jegliche Verbindungen zu Dopingpraktiken, auch in Verbindung mit Armstrong (aljazeera, 15.12.2012.

Der Prozess wird vielleicht Klarheiten bringen, bis dahin gibt es viele Hinweise, verdächtige Verbindungen und Mutmaßungen. (NZZ: Im Land der fehlenden Beweise, 10.11.2012)

Michele Scarponi und Filippo Pozzato wurden 2012 für je 3 Monate wegen ihrer Kontakte zu Ferrari gesperrt.

Sportarzt Filippo Manelli wurde im Zuge der Padua-Ermittlungen von Bertagnolli  belastet und muss eine lebenslange Sperre für Tätigkeiten im Sport hin nehmen.

Sonstige sportrechtliche Sanktionen:

GILMOZZI, Giancarlo, 4 Jahre Sperre
GILMOZZI, Sebastian, 4 Jahre Sperre

2014 Ermittlungsergebnisse

Im Dezember 2014 legte die Staatsanwaltschaft in Padua ihren Abschlussbericht vor. Darin sollen 90 Radprofis namentlich genannt sein. Erwähnt wird auch das Team Astana, welches sich 2013 der Dienste Michele Ferraris bedient haben soll (gazzetta dello sport, 8.12.22014, SZ, 8.12.2014).

Die gazzetta dello sport erwähnt 38 Radprofis, die in der Anklageschrift genannt werden, darunter 17 Astana-Profis:

Leonardo Bertagnolli, Simone Boifava, Diego Caccia, Enrico Franzoi, Marco Frapporti, Omar Lombardi, Fabrizio Macchi, Marco Marcato, Andrea Masciarelli, Francesco Masciarelli, Simone Masciarelli, Daniele Pietropolli, Morris Possoni, Filippo Pozzato, Alessandro Proni, Michele Scarponi, Francesco Tizza, Giovanni Visconti, Ricardo Pichetta, Andrea Vaccher, Mauricio Ardila, Volodymyr Bileka, Borut Bozic, Maxim Gourov, Vladimir Gusev, Valentin Iglinskiy, Sergei Ivanov, Vladimir Karpets, Aleksander Kolobnev, Dimitri Kozontchuk, Roman Kreuziger, Denis Menchov, Evgeni Petrov, Yaroslav Popovych, José Rojas, Ivan Rovny, Egor Silin, Alexandre Vinokourov. (gazzetta dello sport, 10.12.2014, VeloNews, 10.12.2014)

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Monika