2004-2006 Dopingaffaire Pots belges

Dopingaffairen / -Prozesse im Radsport

2004-2006 Affaire Pots belges oder Cahors-Affaire

Am 18. Januar 2005 wurden in Lot, Region Cahors in Süd-Frankreich, 7 Personen festgenommen. Bei ihnen wurden 83 Portionen des Pot belge sichergestellt. Beim Pot belge handelt es sich um einen Doping- und Drogen-Coktail bestehend aus Amphetaminen, Heroin, Kokain, Coffein und Medikamenten, der eine lange Tradition im belgischen und französischen Radsport hat.

Begonnen hatte die Affaire im April 2004. Die Hinweise auf einen Drogenring erhielt der französische Radsportverband von einem Amateur-Fahrer, der nach einer positiven Kontrolle auspackte. Die Ermittlungen erstreckten sich bis nach Belgien und Deutschland. Übergabetreffen um Geld und Drogen konnten gesprengt werden und innerhalb kurzer Zeit waren 18 Personen in Frankreich und 6 in Belgien in Untersuchungshaft. Zum ersten Mal, so wurde in vielen Veröffentlichungen erwähnt, hatte eine französisch-belgische Polizei-Cooperation funktioniert. Drogen im Wert von ca. 180 000 Euro wurden sichergestellt.

Bestimmt waren die Drogen für Amateure und Semi-Profis im südfranzösischen Raum. Die bekanntesten festgenommenen waren die Brüder Fabien und Laurent Roux. Der ehemalige Profi Laurent (Castorama, TVM, Casino, Mobilvetta, AG2R und Jean Delatour) war 2003 bereits zu einer Sperre von 4 Jahren wegen Amphetaminmissbrauchs verurteilt worden.

Mit im Fokus standen Laurent Biondi, Ex-Profi (Weltmeister auf der Bahn 1990) und ehemaliger stellvertretender sportlicher Leiter bei Ag2R, der ehemalige Cyclocross-Weltmeister Christophe Dupouey und der Belgier Freddy Sergeant, in den 80er Jahren ein bekannter Pfleger, tätig in den Teams Daf, Boule d’or, HB, Deltongo, ZG Mobili, ADR und Continentale, sowie dessen Frau Monique.

alltäglicher Missbrauch

Gegen 23 Personen wurde Anklage wegen Verstößen gegen das Antidopinggesetz und das Betäubungsmittelgesetz erhoben. Ende Juni 2006 fand der Prozess statt in dem die Gebrüder Roux sich geständig zeigten und schwere Beschuldigungen erhoben.

Süddeutsche Zeitung, 23.6.2006: 

„Laurent Roux Aussagen sind deutlich. Er lässt keinen Zweifel daran, dass ihm keine andere Wahl blieb, im Sumpf mitzuwaten, wenn er als Radprofi vorankommen wollte. FFC-Anwalt Paul Mariac zählte im Gerichtssaal von Bordeaux seine Erfolge auf. Sieg beim Classique des Alpes, Sieg bei der Tour de l“Avenir, Etappensieg beim Giro d“Italia. Um anschließend zu fragen: „Gedopt oder nicht?“ Laurent Roux schwieg kurz. Dann sagte er „Ja!“ Epo, Wachstumshormone, Cortison, Testosteron waren die Schrittmacher seiner Karriere. „Ich habe die grundlegenden Sachen genommen, wie man das eben gemacht hat zu dieser Zeit.“ Er sagte: „Wenn man Sportler ist, ist man da, um zu gewinnen.“ Aber „die Produkte fallen nicht vom Himmel. Man gibt Ratschläge, man liefert Ihnen Produkte, und das sind Ärzte, die das tun“. In manchen Mannschaften, sagte er, seien „Ärzte teurer als die Fahrer“.

Am Anfang sei die Medikation noch harmlos gewesen. Glucose-Infusionen, Mineralien. Dann wurden die Mittel schärfer. „1995, als ich anfing, Resultate zu haben, hat mir der Arzt von Castorama vorgeschlagen, Cortison zu nehmen.“ Laurent Roux erzählte, dass er lange den Drogen widerstanden habe, dass die Szene ihn deshalb als Außenseiter behandelt habe, dass er schließlich dem Druck nachgab. Zweimal ging er den Fahndern in die Falle. Danach ging er zu Sergant. Er brauchte den Pot Belge gegen die Depressionen. Laurent war süchtig und rutschte immer tiefer ins Drogenmilieu.“

Alle nahmen etwas, die ganz großen hatten dann noch Zugriff auf Dinge wie synthetisches Hämoglobin und Bluttransfusionen, für die er kein Geld gehabt hätte. Der junge Profi Eddy Lembo, Jean Delatour, bestätigte dies und fügte hinzu 98% des Pelotons nähmen etwas, und bekannte sich zur Einnahme von EPO. Zudem prangerte er das allgegenwärtige Betrugssystem an, in dem z. B. immer im Voraus bekannt sei, wer Kriterien gewönne, nämlich derjenige, der gerade am bekanntesten sei.

Offenbar hat der Pot belge als starkes Drogengemisch noch immer nicht seine Bedeutung als ‚Partydroge‘ verloren. Wie bereits aus früheren Aussagen anderer Sportler hervorging, sind Feiern unter Radsportlern mit Amphetaminen und Drogen häufig – eine verhängnisvolle Tradition, die viele Suchtopfer gefordert hat. Die Drogen sind auch Teil sog. Initiationsriten, die  junge Fahrer ins Milieu einführen. Fabien Roux berichtete von einem Abend im Jahr 2000, angeblich bei Laurent Jalabert (sein Bruder dementierte später die Anwesenheit Jalaberts), an dem er den Pot kennegelernt habe und danach schnell süchtig geworden sei. ‚Die Drogen veränderten die Wahrnehmungen der Realität und erlaubten seine physischen und sportlichen Grenzen zu überschreiten‘, so auch ein Amateurfahrer.

die Urteile

Die Gebrüder Roux waren die wichtigsten Verkäufer der Drogen, die von Sergeant beschafft wurden. Handelte es sich um einen Doping- oder um einen Drogenprozess? Verurteilt werden konnten alle Fahrer aufgrund des Drogenmissbrauchs, deren Einnahme in Frankreich strafbar ist. Die Einnahme von Dopingmitteln, die nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, also Medikamente, ist in Frankreich nicht strafbar, nur deren Vertreiben und Verabreichen. Es ging in diesem Prozess nicht allein um klassisches Doping mit dem Ziel der Leistungssteigerung, sondern er zeigte auf, wie das Doping-Drogenproblem noch immer fester Bestandteil der (nur französsichen?) Radsportwelt ist und wie die damit verbundene Sucht den Alltag vieler Sportler zu beherrschen beginnt (s. a. andere Prozessberichte und Schilderungen vieler Fahrer).  

Am 3. Juli 2006 fielen die erstinstanzlichen Urteile, Anfang Mai 2007 gab es eine Revisionsverhandlung in Boreaux:

Freddy Sergeant: 4 Jahre Gefängnis, reduziert Anfang Mai 2007 auf 3 Jahre Gefängnis plus 1 Jahr auf Bewährung

Laurent Roux:  30 Monate Gefängnis, davon 20 auf Bewährung 

Fabien Roux: 24 Monate Gefängnis, davon 15 Monate auf Bewährung

– Beiden Brüdern wird die 8 monatige Untersuchungshaft angerechnet, d.h. sie müssen nicht mehr ins Gefängnis, sofern sie die nächsten 5 Jahre nicht rückfällig werden.

Yvon Manchon: 24 Monate Gefängnis

Laurent Biondi: Leugnete jegdliche Schuld, 3 Monate auf Bewährung; wurde Anfang Mai 2007 freigesprochen, wurde danach wieder bei Ag2R eingestellt

Eddy Lembo: 16 Monate auf Bewährung

Philippe Koehler: 10 Monate auf Bewährung

Christophe Dupouey: Gestand Drogenkonsum während eines Festes, 3 Monate auf Bewährung

– Die anderen Angeklagten erhielten ebenfalls Strafen auf Bewährung.

– Sergeant, die Brüder Roux und die 20 anderen beteiligten Personen müssen zudem gemeinsam 180 000 €, die Summe der gefundenen Drogen, an den Zoll zahlen. Die einzelnen Anteile ergeben sich aus der Höhe der Schuld.

 

Monika