Doping im Radsport – Doping-Prävention

Fabien Ohl: Studien zur Doping-Prävention

ISSUL-Studie: Radsportteams und Doping-Prävention –
kann die alte Dopingkultur überwunden werden?

2010 wandte sich die UCI an Fabien Ohl, Soziologe und Politologe an der Universität Lausanne, mit Fragen wie Dopingprävention im Radsport aussehen sollte und könnte. Hintergrund war, dass die UCI entsprechende Empfehlungen in das Zulassungsverfahren von Teams ab 2017 einbauen wollte.

Die Wissenschaftler haben einige Punkte herausgearbeitet, die bereits eine Änderung der Dopingkultur im Positiven beeinflussten und einen dauerhaften Wandel befördern könnten. Inwieweit diese aufgegriffen und umgesetzt wurden und ob dies als gelungen einzustufen ist, bedarf einer gesonderten Prüfung (JOINT AGREEMENT 2018).

Für Ohl und sein Team lag der Schlüssel zum Verständnis der Dopingkultur des Radsports und möglicher Änderungen durch eine wirkungsvolle Prävention im genauen Studium von Teamkultur, -strukturen und des Personals einschl. der Sportler in Vergangenheit und Gegenwart.

Mit Unterstützung der UCI wurden Teams gesucht, die Zugang und Interviews erlaubten. Die 8 teilnehmende Teams (AG2R La Mondiale, FDJ.fr, Team Cannondale-Garmin, IAM Cycling, Etixx-Quick Step, Orica GreenEdge, Team Giant-Alpecin, Trek Factory Racing) taten dies auf freiwilliger Basis, daher ergeben die Ergebnisse der Studie kein Bild, das verallgemeinert werden kann und genaue Aussagen über die tatsächlichen Gegebenheiten zulassen. Aber Trendaussagen sind möglich.

Der Autor beschäftigte sich bereits die Jahre vor 2010 mit dem Thema der Sozialisation im Radsport. (Brissonneau et al: L’épreuve du dopage, Carrière sportive et socialisation secondaire… ).

2011 bis 2017 wurde die hier dargestellte, von der UCI ab 2013 bis 2016 finanzierte Studie konzipiert und durchgeführt. Eine Folgefinanzierung erfolgte 2016 durch die Swiss National Science Foundation (SNSF).

Zu den Anfängen der Studie, ihren Voraussetzungen und Probleme siehe das Interview mit einem der beteiligten Wissenschaftler Oliver Aubel aus dem Jahr 2015.

Interview mit Oliver Aubel (ISSUL), LE TEMPS 24.7.2015.

In einem Text, erschienen in dem Buch Doping in cycling, beschreibt Fabien Ohl die wichtigsten Voraussetzungen der Studie und deren Ergebnisse.

Aufbau der Studie, Schwierigkeiten

2010, als die UCI den Wunsch zu solch einer Studie formulierte, wurde der Radsport in weiten Teilen der Öffentlichkeit mit Doping gleich gesetzt und als Synonym für die Dopingverhältnisse im Hochleistungssport allgemein genutzt. Innerhalb des Radsports gab es jedoch bereits Teams, Fahrer, Organisatoren und die UCI, die unter diesem Generalverdacht, unter dem Verdacht der Veränderungsresistenz und damit dem erstarrten negativen Image, litten. Da Fabien Ohl durchaus Möglichkeiten zu stabilen Verhaltensänderungen sah, willigte er in das Projekt ein. Allerdings wurden die Teams nicht unter moralischen Gesichtspunkten analysiert, sondern in ihrer Rolle als Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Die zu berücksichtigenden Schwierigkeiten bei der Studiendurchführung fasst Fabien Ohl wie folgt zusammen:

• it is difficult to know how our work is going to be used by the protagonisrs;

• the question of confidence often influences our interactions: some riders and teams did not trust us and were sceptical of our work. Mary riders do not clearly differentiate between sociologists and journalists. … It has happened at least once that we were even lumped in with agents from the World Anti-Doping (WADA);

• it is also very difficult to trust any of the informants, riders and staff, on doping issues without the feeling of being disrespectful of distance, as one of the basic rnethodological sociological rules;

• the main focus of the team’s staff and riders is on performance. However, staff members must face many other important constraints : on their economic resources, to obtain and keep sponsors; on their organisation, especially logistics and planning the team’s and riders‘ schedules; on riders‘ follow-up; on their precariousness, the economic pressure and the instability of their condition; on the constraints coming both from UCl and the race organisers; on doping as a threat to the entire team; and on their blurred professional identity. Thus, if you tell them that you want ro understand cycling culture, teams and riders, you are not a priority on their agenda. Furthermore, teams‘ stuff and riders do not always understand that our involvement is not part of a moral crusade against cheaters.

Fabien Ohl, Cycling teams preventing doping

Der folgende Text ist eine Zusammenfassung und Kürzung des Textes von Olivier Ohl.

Die wiedergegebenen Schlussfolgerungen und Meinungen sind die des Autors.

Die Einnahme leistungssteigernder Substanzen als Teil einer Kultur

Heute im Jahr 2018 wird Doping meist, einschließlich Sportverbänden, IOC, Fahrern und Teammanagements, als Betrug eingestuft. Mit der Folge, dass sich der Anti-Doping-Kampf über die Überführung und Bestrafung der Betrüger definiert. Diese Sichtweise ignoriert, dass individueller Dopingkonsum Folge einer Kultur sein kann und damit zu einer sozialen Norm innerhalb einer Gruppe wurde. Normen können sich aber wandeln im Kontext sozialer, ökonomischer und ethischer Bedingungen, Erlaubtes kann zu Verbotenem werden und umgekehrt. Solch ein Wandel hat in den letzten Jahrzehnten betreff Doping im Radsport stattgefunden.

Doping wird gerne als eine Praxis angesehen, die seit Jahrhunderten existiert. Doch hier liegt eine Vermengung von Gebrauch verschiedener Substanzen und Doping vor. Die griechischen Olympioniken benutzten durchaus Mittel, um ihre Leistung zu steigern, doch war dies nicht verboten. Ebenso wie Ende des 19. Jahrhunderts, als es verbreitet war, die verschiedensten Substanzen zu konsumieren und zu verabreichen. Dies war kein Betrug und wurde nicht als Charakterlosigkeit bewertet. Es ging um technische Verbesserungen und Experimente. Auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde mit den vielfältigsten Substanzen und Methoden experimentiert, aber Regeln und Normen, die Doping definiert hätten, gab es keine. Das änderte sich langsam Ende der 50erJahre, Doping wurde negativ bewertet, wurde zu Betrug und zunehmend dem einzelnen Individuum zugeordnet und angelastet. Die ersten Regelungen wurden verabschiedet, doch unterschieden sie sich sehr von den heutigen. Die Definition von Doping und die eingeführten Regeln und deren Kontrolle unterlagen ständigen Veränderungen, auch heute noch wird die WADA-Liste regelmäßig überarbeitet und diskutiert, ohne dass in allen Punkten Einigkeit erzielt werden kann, auch die Anti-Doping-Strukturen stehen in der Kritik.

Ivan Waddington, 2019:
My argument about the limtations of any policy based on biological testing is more fundamental and it is this: no matter how technically sophisticated and effectiv the analysis of urine and blood samples may become, and no matter how sophisticated the process of biological profiling may become – and also assuming that major problems involving corruption and lack of commitment to anti-doping among some anti-doping and federation officials (WADA, 2013) can also be overcome – such techniques will, by their very nature, remain inherently incapable of telling us anything at all about the social proesses which constrain and encourage and facilitate and conceal drug use in sport. … such tests can tell us nothing about the culture of doping, or about relationships between drug-using athletes, doctors, managers, coaches, drug suppliers, and others in the doping network. In other words, the results of thus tests – even where they are sucessful in identify individual drug-using athletes – can tell us nothig about those processes an understanding of which is essentiel for an understanding of drug use in sport. And without a proper understanding, the possibilities of effective control are minimal.

Das Erbe der Anwendung leistungssteigernder Substanzen und seine Entsprechung in der Radsportkultur

Im Radsport geht die Anwendung leistungssteigernder Substanzen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Lange Zeit galt dies als Teil des Jobs, des Berufs. Auch als sich die Werte des Sports und die Definition von Doping und dessen moralischer Bewertung veränderten, nahm die Zahl der Substanzen und deren Anwendung ständig zu. Zwischen dem was in den Teams von Fahrern und Staff propagiert und praktiziert wurde und dem was sich außerhalb hinsichtlich der Akzeptanz und Definition von Doping entwickelte, klaffte zunehmend ein Unterschied.

„Consequently, the behaviour of teams‘ staff and riders failed to adapt to a new context, one in which people appear to be more concerned with doping issues. Scandals arise from this gap between the recurrence of doping culture and a new context characterised by new rules, norms, and organisations in charge of anti-doping.

1998, riders and teams did not immediatly understand why their ordinary professional cloping ’skills‘, meaning their knowledge of how to use and hide performance-enhancing drugs, were no longer tolerated. Riders were not truly concerned with moral values. Often doping was not not perceived as cheating but rather as a professional skill (Brissonneau, Aubel, & Ohl, 2008). Many teams shared this doping culture in solidarity: they exchanged drugs if necessary, circulated doping präctics, agreed in upholding the omertà, did not feel that doping was unfair, etc. In many cases, riders were under the influence of strong family or peer pressure in cycling. A win-at-all-costs mentality, including drugs, can be learned in clubs, with peers, staff, or even parents.“

Wer als Fahrer im Radsport Profi werden möchte, sieht sich auch heute noch einem umfassenden Werte- und Verhaltenskodex gegenüber: Hartes Training, Leidensfähigkeit, absolute Ausrichtung von Körper und Geist am Erfolg sind verlangt. Wer sich nicht anpasst, hat kaum Chancen innerhalb dieser recht kleinen überschaubaren Profisportwelt. Mindestens bis 1998 waren Fahrer sehr eng verbunden mit Organisationen, die nur auf Leistung fokussiert waren. Auch wenn nicht alle Fahrer dopten, wurde Doping in den Teams nicht hinterfragt. Gefragt waren Wege zu mehr Leistung.

Die Sozialisation der Fahrer fand somit meist im Kontext dieser traditionellen engen Wertehierarchie statt und wurde von einem Personenkreis vermittelt, der dieser eng verbunden war.

Zur Studie

10 Teams waren bereit an der Studie mitzuarbeiten (UCI World Teams und UCI Professional Teams). Im Durchschnitt wurden pro Team acht Interviews geführt mit zwei bis drei Fahrern, dem Teammanager, dem Sportdirektor, einem Arzt und dem Sponsor. Erhoben wurden auch Daten zum Teambudget, den Gehältern und den Kommunikationsstrukturen. Die UCI stellte Daten über die Fahrer aus ihrer Datenbank zur Verfügung. 2016 verschafften Forschungsgelder der Swiss National Science Foundation für das Projekt dem Forscherteam eine größere Unabhängigkeit, womit einerseits der Zugang zu den Teams schwieriger wurde, und damit zu vertraulicheren Informationen wie Gehälter und Trainingsbedingungen. Andererseits sprachen viele Interviewpartner jetzt freier und offener.

„It was also an opportunity ro increase the diversity of interviewes, with more younger riders from ä broader diversity of cultural backgrounds and to attend training camps to gather interviews and some ethnographic observations. The data collected in these studies were not direcly used in this chapter. We just relied on the publications derived from them (e.g. Aubel & OhL 2014; Aubel & Ohl, 2015; Fincoeur, Cuminghm & OhI, 2018; Ohl et al., 2015) to provide a comprehensiv overview of the cycling culture and its changes.“

Kontextwechsel im Anti-Doping des Radsports

Im gesamten Leistungssport, einschließlich IOC, klaffte in den 1980-1990er Jahren eine große Lücke zwischen dem was offiziell deklariert wurde und der Praxis. Ab 1998 zeichneten sich langsam größere Veränderungen ab. Zum einen führte die Gründung der WADA in den Folgejahren weltweit zu einer neuen Anti-Doping-Struktur und parallel dazu veränderte sich die Wahrnehmung des Dopings in vielen Gesellschaften.

In der Organisation des Radsports fand die größte Änderung 2008 mit der Gründung der Cycling Anti-Doping Foundation (CADF), die 2013 von der UCI unabhängig wurde, statt. Die Finanzierung erfolgt zu 80% über Teams, Fahrer und Veranstalter. Das ihr zur Verfügung stehende Budget ist anteilsmäßig deutlich höher als das Anti-Doping-Budget anderer Sportorganisationen. 2015 wurden zudem die Legal Anti-Doping Services (LADS) und das Anti-Doping Tribunal gegründet mit dem Ziel, die Dopingverfahren unabhängiger zu gestalten. (UCI Anti-Doping-Struktur)

Angestoßen und beeinflusst wurde diese Entwicklung durch den Druck, der entstanden war aufgrund des schlechten Images des Radsports und durch die Bedeutung, die das Thema Doping in weiten Kreisen der Öffentlichkeit erhielt. Doping wurde als größeres gesellschaftliches Problem notiert und zunehmend unter Gesundheits- und Ethikaspekten diskutiert. Politik, Medien, Mediziner und Wissenschaft griffen das Thema auf.

„Thus, the doping in cycling media coverage changed. Very few books and papers were published before the festina case in 1998 (López, 201), and a massive amount of the literature on doping and cycling spread thereafter. Not only was the cycling culture’s tolerance to doping high, but the culture among the journalists who covered cycling also tolerated the practice. Some of the journalists were very close to the riders and even attended parties in which drugs were shared (Brissonneau er al., 2008). The journalists who had access to the background of cycling culture even respected the omertà. The strong association between cycling and doping (López, 2015) shaped a negative image of cycling. lt increased the team’s sponsorship pressure on the slaff and the riders.“

Diese Veränderungen zerstörten die einst fest gezurrte Identität der Profiradsportler und erhöhten deren Sensibilität gegenüber Dopingfragen. Ein Streik der Fahrer, wie während der Tour de France 1998 wegen polizeilicher Ermittlungen nach den großen Dopingmittelfunden, wäre heute undenkbar, ebenso wie Laurent Jalaberts damaliger Appel an die Journalisten, sie sollten sich gefälligst um die Ergebnisse und nicht um juristische Fragen kümmern. 2018, 20 Jahre später, äußerten sich hingegen viele Fahrer kritisch über das Verhalten des Teams Sky nach Froomes positivem Test auf Salbutamol, obwohl es nicht um hartes Doping sondern um mögliches Doping ging, um eine Grauzone im Reglement.

„Thus, there is no doubt that the discourse has completely changed, both for riders and joumalists. Of course, that certainly does not guarantee that cycling is doping-free, but it clearly expresses a massive change in what the dominant norms are.“

Beobachten oder Unterstützen des Wandels der Dopingkultur in den Teams?

Noch in den 1990er Jahren war es für einen jungen, ehrgeizigen Fahrer schwer, sich dem Druck zu dopen zu entziehen. Auch in den folgenden Jahren hatte sich jedoch entgegen den allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen in der Dopingrezeption im Radsport selbst wenig getan. Im Gegenteil, nicht weniger Doping hieß nach dem Festina-Skandal die Devise, sondern es wurde viel Kraft, Energie und Einfallsreichtum auf Vertuschen verwendet.

Eigene Forschungen bestätigten Ergebnisse anderer in der Annahme, dass sich das einst teamorganisierte Doping nach 2006 bis 2018 zu individualisiertem Dopingverhalten veränderte. Interviews mit jungen Fahrern aus Belgien, Frankreich und der Schweiz 2007 und 2008 und Interviews mit jungen Fahrern in den letzten Jahren zeigen, dass sich die Aufmerksamkeit von den harten Drogen hin zu ‚legalem Doping‘, hin zu Medikamenten, die verschrieben werden können und diversen Nahrungsergänzungsmitteln, verlagert hat. Die alte Dopingkultur hatte sich hier zu einer ‚Kultur pharmazeutischer Produkte‘ verändert. Allerdings gibt es länderspezifische Unterschiede.

„However, a general manager of a World Tour team, interviewed in 2017, told us that his team has forbidden the use of legal drugs since 2016. Nevertheless, it was a reai issue for the team to convince some of the coaches and DS (Directeurs sportifs) to avoid the risky grey zone of legai drugs. After internal discussions, this was accepted by the staff and seems to have been applied by the riders. Furthermore, compared to the young European riders interviewed in 2006, there is truly a large difference with the ones, nor yet in top professional teams, that we interviewed in 2016-2018. Legal drug use is not a subject for most of them in most western European countries. However, some young riders, from non-western-European countries, also told us that perfomance-enhancing drugs are widespread in their country and that they perceived anti-doping control in their country only as a great farce.“

Verhindert der Ausschluss von mit Doping belastetem Personal Doping?

Für das Forscherteam war der Ausschluss von Personal und Fahrern, die in der Vergangenheit in Dopingangelegenheiten verwickelt waren, eine der ersten Ideen, um die Dopingkultur aufbrechen zu können. Doch diese Forderung erweist sich als schwierig durchzuführen, denn es ist nicht leicht, diesen Personenkreis zu identifizieren. Neben den bekannten Fällen gibt es einen sehr großen Graubereich. Viele Fahrer dopten im Laufe ihrer Karriere, wurden aber nie überführt und denken nicht daran, zu gestehen. Ebenso verhält es sich mit dem Staff, insbesondere dem medizinischem Personal und den Trainern. Würden z. B. Fahrer, die überführt wurden oder gestanden haben, ausgeschlossen, wäre dies höchst unfair angesichts derjenigen, die auch dopten aber denen nie etwas nachgewiesen werden konnte. Zudem ist rein rechtlich solch ein Ausschluss häufig aus arbeitsrechtlichen Gründen schwierig bis unmöglich.

Um einen echten Kulturwandel herbei zu führen, bedarf es struktureller und praktischer Veränderungen. Ein Wandel ist bereits zu erkennen. Doping ist nicht mehr fester Bestandteil teaminterner Trainingsabläufe und es gibt keinen Dopingkulturaustausch zwischen den Teams mehr. Es scheint unwahrscheinlich, dass ein Soigneur heutzutage mehrere Teams gleichzeitig mit Dopingmitteln versorgt. Doping muss nicht ausgerottet sein, denn es ist gegenwärtig individualisierter und versteckt. Vielleicht gibt es dopingaffine Kleingruppen innerhalb von Teams und Organisationen, aber es dürfte ausgeschlossen sein, dass die gesamte oder weite Teile der UCI, der World Tour und Professional Tour Teams in Doping eingebunden sind. Auch deshalb, weil zunehmend Staffmitglieder von außerhalb des Radsports eingestellt werden.

Als Zeichen der Veränderung kann auch gelten, dass viele Teams und Fahrer in ihren Verträgen Anti-Doping-Klauseln haben und Anti-Doping-Erklärungen unterzeichnen, die nicht selten von Sponsoren gefordert werden.

Empfehlungen: neue Arbeits- und Organisationsbedingungen von Radsportteams

Ob Fahrer dopen, hängt viel mit den Arbeitsbedingungen, der Teamorganisation und den an sie gestellten Anforderungen zusammen. Antidoping-Rhetorik ist das eine, aber die konkreten Lebensumstände das andere.

“ However, Team influence on doping on dopng is certainly today more often indirect (Houlihan, 2002). Doping may not be organised by the teams, but may appear as one of the options for individual riders to face professional constraints, to do their job, make money, gain prestige, or stay in the peloton.“

Daher ist eine Empfehlung an die UCI, die sich aus der Studie ergibt, den Organisationsstrukturen und den Wertekodizes der Teams große Beachtung zu schenken und die Fahrer umfassend zu unterstützen. D. h. deren Arbeits- und Sozialbedingungen müssen dahingehend optimiert werden, dass kein Druck zu dopen entsteht. Viele Teams möchten zwar Doping vermeiden

„However, until recently, some teams still had a non-professional approach to organisation, a weak support of riders and a bad management of their workload and planning (Aubel, Lefèvre, & Ohl, 2015 ).

Thus, the idea was to improve rider’s working conditions to be sure that their workload is acceptable able and that they have enough time to recover without doping. However, it is difficult to change a culture without trying to reduce precariousness, which is a structural aspect of the cycling culture. The results of our WADA grant (Brissonneau et al., 2009) undeline the key role that team organisation can play.

For exarnple, a team’s staff entirely dedicated to performance is a mistake, as physicians should only take care of rider’s health, not try to improve their performance.“

Ein weiterer Weg, die Dopingkultur des Radsports aufzubrechen, liegt im Vermischen verschiedener Kulturen. Einige Teams haben schon damit begonnen und stellten Personal wie Sportliche Leiter, Trainer, Biomechaniker, Physiologen usw. aus anderen gesellschaftlichen Bereichen ein. Neben dem Vorteil eines möglichen Wissensaustauschs ergibt sich wahrscheinlich auch eine weniger strikt durchgehaltene Omertà.

Manche Teams analysieren vor der Einstellung von Fahrern, deren Vergangenheit und Trainingsdaten auch unter Gesichtspunkten möglichen Dopingverhaltens.

Wichtig scheint insbesondere eine intensive qualitativ hochstehende Betreuung der Fahrer.

Hieraus ergeben sich jedoch auch negative Punkte. Fahrer können sich zu sehr überwacht und in ihrer Autonomie und Persönlichkeit verletzt fühlen.

Während diese Schritte und Vorschläge von Teamverantwortlichen und der UCI teilweise umgesetzt oder zumindest als Möglichkeiten in Betrachtung gezogen werden, erwies sich ein weiterer Vorschlag als wenig durchsetzbar: die Förderung von Bildung und zusätzlicher beruflicher Qualifikationen. Fahrer, deren Zukunft nicht allein von Erfolgen im Radsport abhängt, sondern eine berufliche Alternative haben, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit besser gegen Dopingversuchungen geschützt als Fahrer, die nur in ihrem Sport ein Fortkommen sehen. Doch diese Angebote für eine duale Karriere wurden als nur schwer durchzuführen eingestuft.

Schlussbemerkung

Die Wiederkehr der Dopingkultur wurde in den letzten Jahren immer unwahrscheinlicher aufgrund der aufgezeigten Änderungen innerhalb des Radsports, der Anti-Doping-Strukturen und des weiter gefassten Umfeldes. Dieser Wechsel erfolgte nicht plötzlich, aufgrund einer Generation von Teams und Fahrern, die eine ‚ethischere‘ Einstellung hatten, sondern der Wechsel erfolgte auf äußeren Druck, dank besserer Anti-Doping-Strukturen und abnehmender Toleranz gegenüber Doping in für den Sport wichtigen Gruppen wie Journalsien, Publikum, Regierungen, Sponsoren usw. .

Es ist verständlich, dass gegenüber Radsportteams weiterhin Misstrauen geäußert wird, doch einige Teamverantwortliche sind tatsächlich willens, Antidoping voran zu bringen. Es scheint zudem so zu sein, dass viele Fahrer der World Tour und Professional Continental Tour 2018 die alte Dopingkultur ablehnen.

Allerdings ist dies nur ein Eindruck, der sich aus der Studie ergibt. Befragt werden konnten nur Teams, die auf freiwilliger Basis bereit waren, daran teilzunehmen. Das bedeutet, dass diese Teams eher als andere einem Kulturwechsel positiv gegenüber stehen. Diese Teamverantwortlichen sehen auch eine eigene soziale Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit beim Thema Doping.

„Some of those teams had good reasons: because they are fed up with being under scrutiny by anti-doping agencies, journalists and researchers judging their work. For other teams, at best, it is simply because they do not think that Teams have a social responsibility in doping. A manager from a team that had to face doping charges told us that the rider who doped was just an idiot, and that is all! He and his team did not want to take any responsibility, notwithstanding the absence of any appropriate support for and follow-up of the rider that may help to prevent doping, and despite the damage it could have on his team and on cycling generally. Other managers simply did not want us to have access to their Team’s ‚professional secrets‘ or to their back-stage, including the ‚grey-zone‘ of ‚authorised pharmacology‘ uses.“

Es scheint so zu sein, wie es bereits andere Beobachter formulierten, Doping ist nicht mehr so offensichtlich wie früher, doch aus bekannt gewordenen Vorfällen lässt sich schließen, dass es eine Randgruppe an Teams gibt, in denen Staffmitglieder agieren wie gehabt.

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Weitere Studien an der Universität Lausanne zum Thema auf Basis mit Doping aufgefallener Radsportler:

The team effect on doping in professional male road cycling (2005-2016)., 2019
„Our results allow us to emphasize that to understand doping we must take into account work and employment condition, as well as team’s organization. This approach completes the dominant „methodological individualism“ perspective that considers athletes as analytical units and provides guidelines to the anti-doping bodies that focus their action on individuals.“

Doping risk and career turning points in male elite road cycling (2005-2016)., 2018