Doping: 1996 / 1997 Team Telekom

Team Telekom/T-Mobile und Doping: Hier geht es zu den Jahren:

 
 

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1996 das Team Telekom und Doping – Schein und Sein

spätere Geständnisse und mehr

Nach Rolf Aldags Geständnis war 1996 das zweite Jahr mit EPO-Doping für ihn (die Welt, 24.5.2007).

Bjarne Riis, der neu in das Team gekommen war, dopte nach eigenen Angaben schon länger. Im Mai 2007 gab Riis zu „Ich habe von 1993 bis 1998 Dopingmittel benutzt.“ (ARD-Ticker) „4000 Einheiten alle zwei Tage bei der Tour 1996 – wen interessiert das?“ (der Spiegel, 25.5.2007). In den 80er Jahren habe er mit Cotison begonnen.

2001 erklärte Riis gegenüber Tyler Hamilton, wie er 1996 in Vorbereitung der Tour de France drei Bluttransfusionen bekommen habe: eine direkt vor dem Start, die beiden anderen an den beiden Ruhetagen. Mit der Lockung, damit wäre ein unmittelbarer Leistungskick verbunden, versuchte er Hamilton, der bislang weniger gute Erfahrungen damit gemacht hatte, zu überzeugen sich Transfusionen geben zu lassen. Dieses scheint neu, bislang hatte Riis lediglich Doping-Medikamente zugegeben. (Hamilton/Coyle, The Secret Race, 2012, S. 156)

Erik Zabel gab 2007 an, er habe nur 1996 vor der Tour mit EPO experimentiert (SZ, 29.7.2013):

„Es gab Gerüchte, man kann einfach gar nicht mehr erfolgreich sein, ohne Doping zu benutzen. In meinem Fall war es dann so, dass ich mich kurz vor der Tour de France auch dazu entschieden habe, Epo zu benutzen. Das war ein Test, es war einmalig und ich habe am Ende der ersten Tour-Woche diesen Test beendet. (…) Ich habe ihn deshalb beendet, weil ich mit Nebenwirkungen erhebliche Probleme hatte (…). Ich habe dann mit demjenigen, der mich da betreut hat, es war in dem Fall Jef d’Hont, entschieden, wir stoppen die Sache und wir beenden das und wir beenden das für immer. Seit dieser Zeit habe ich natürlich auch in jedem einzelnen Interview immer wieder verneint, negiert, abgestritten, habe gelogen. Es tut mir Leid. … Ich habe das Epo damals probiert, weil es möglich war und weil es einfach ohne Konsequenzen blieb. Mit anderen Worten, ich habe gedopt weil es ging.“ (die Welt, 24.5.2007)

2013, nach Veröffentlichung der EPO-Nachtests 2004/2005 von Proben der Tour 1998, erweiterte Zabel sein Geständnis bis ins Jahr 2005:

„Aber du wolltest als junger Fahrer eben auch mehr. Außerdem begann da irgendwie auch ein Gruppenzwang. Der Sponsor war unzufrieden mit 1994 und 1995, es ging um die Vertragsverlängerung. Und ich selbst hatte „95/“96 den Pfleger gewechselt, ich lag dann zwei Jahre bei Jef D“hont auf der Massagebank, der meiner Meinung nach wirklich das Epo ins Team gebracht hat … Er hat es 1996 auf jeden Fall geschafft, mich beim Thema Doping umzudrehen. … Bei der Tour de Suisse 1996. Dort hat Jef mir gezeigt, wie ich es machen muss. Dann musste ich es mitnehmen und daheim selber machen, und beim Team hat er es dann wieder übernommen. Es waren damals insgesamt etwa 20 Tage statt eine Woche, und, um dann gleich auf die nächste Lüge von 2007 zu kommen: Ich habe es vertragen, mir wurde davon nicht schlecht. …

Bis auf 1996, nach der Tour de Suisse, hatte ich ja nie selbst Epo dabei. Ich wusste: Wenn ich etwas brauchte, konnte ich etwas bekommen, ohne illegale Wege gehen zu müssen. 1996 habe ich es sofort selbst bei Jef bezahlt. Danach musste es Ende des Jahres bezahlt werden, in cash.“

Udo Bölts reihte sich 2007 ein und gestand ebenfalls Doping mit EPO und Wachstumshormonen. Er habe 1996 begonnen und bereits 1997 wieder damit aufgehört. Er stand jedoch der Freiburger Expertenkommission als Zeuge nicht zur Verfügung.

Nach dem schlechten 95er Jahr habe ich 1996 damit angefangen, um in der Tour-Mannschaft dabei zu sein. 1997 kamen Blutkontrollen, aber auch da habe ich vor der Tour wieder sozusagen mitgemacht. Danach war Schluss für mich“ (FAZ, 24.5.2007)

Christian Henn war ab 1995 mit EPO dabei und Brian Holm hatte 1996 zweimal zu EPO gegriffen.

Jan Ullrich hat nie gestanden. Ihm wurde aber 2007 von Jef D’Hont unterstellt, er habe 1996 mit Wachstumshormonen und EPO, wenn auch nur in kleinen Dosen, gedopt. Ullrich ließ ihm diese Behauptung untersagen (OLG Düsseldorf, Befragung Jan Ullrich, 2008). Am 19.4.2013 sagte Jef D’hont vor dem Landgericht Hamburg angeblich Folgendes aus:

Ullrich hat nie selbst gemacht. War immer ein Arzt bei ihm. Er hat Epo gemacht. Das habe ich bei ihm gesehen. Ich musste selber die Dosierung aufschreiben. Willi …. hat das gemacht, wenn ich nicht da war. … Bei Jan Ullrich jemals [gespritzt], wenn der Arzt nicht da war. 10.000 Einheiten Epo gespritzt. … 1996 … Ein zwei Monate vor dem Rennen in Frankreich. …

Wir mussten die Ampullen aufbewahren: Im Karton waren 10 Einheiten (Ampullen) drin, mit Klebeband verbunden. Der Name des Fahrers war aufgeschrieben. Der Name des Präparats stand schon drauf auf den Ampullen: Und jedes Mal, wenn der Arzt oder der Rennfahrer danach gefragt hat, haben wir eine Ampulle rausgenommen. Ich konnte kontrollieren, wer es bekommen hat. …

Ende 1996. Mit den Wachstumshormon hatten wir nichts mehr zu tun. Hatte eine andere Verpackung. Brauchte nicht ins Eis gelegt werden.

1997: Also: Es ist so, dass Pevenage und Jan zusammen waren. Pevenage machte alles für Jan. Als ich gegangen bin, ist D. dageblieben.. Jan hat die Tour de France gewonnen. Dann hat Pevenage mir erzählt, dass Jan Epo genommen hat. War bei ihm zu Hause, wo wir ein Gespräch zusammen geführt hatten.

Rudy Pevenage, sportlicher Leiter, bestätigt indirekt, dass im Team vor 1999 gedopt wurde Interview l’Équipe 8.7.2010. 1997 berichtet die FAZ davon, dass Ullrich vor der Tour de France für eine Trainingskontrolle durch die Antidoping-Kommission nicht auffindbar war und damit nicht an den Olympischen Spielen in Atlanta teilnehmen konnte. Hans Evers, der damalige Kommissionsvorsitzende:

„Wir konnten damals zwar nicht direkt davon sprechen, daß Ullrich eine Trainingskontrolle verweigert hat. Dann hätten wir das wie einen positiven Test gewertet. Aber ganz koscher ist das auch nicht gelaufen.“ (FAZ, 20.7.1998, s.a. unter Jahr 1997)

Im Abschlussbericht der Expertenkommission betreff Freiburger Sportmedizin 2007 wird jedoch für das Jahr 1996 systematisches Doping im Team fest gehalten. Bert Dietz habe 1996 neben EPO auch Wachstumshormone bekommen. Jef d’Hont hätte zwar Bjarne Riis nicht betreut, doch dieser habe ausgesagt, dass das neue Teammitglied „während der Tour de France jeden zweiten Tag 4.000 Einheiten EPO und zwei Einheiten Wachstumshormon“ gespritzt habe. Die anderen Fahrer standen unter der Kontrolle der Ärzte Schmid und Heinrich. Daneben gehörte die Anwendung von Corticosteroiden während aller Jahre zum Teamalltag.

2023 ging Jan Ullrich an die Öffentlichkeit und gesteht ab 1996 mit EPO und Bluttransfusionen gedopt zu haben:
FAZ: Radeln und reden als Therapie : Entkommt Jan Ullrich seinen Dämonen?, 2.12.2023

Meldungen und Diskussionen 1996

Vuelta 1995
Journalist Niels Christian Jung:
„Wir haben damals geahnt, dass es im Team Once ein Dopingproblem gibt. Und wir haben nach Beweisen gesucht, um das zu dokumentieren. … Und im Zimmer von Aramendi fanden wir alles mögliche: Viele Ampullen und Kanülen mit Spuren des Dopingmittels Epo sowie legale und illegale Medikamente.“
Auf der selben Rundfahrt durchsuchten die Reporter für eine Fernsehdokumentation auch die Hotelzimmer des deutschen Teams Telekom, und auch dort wurden sie fündig.
(BR, 18.3.2013)

Viel Unruhe für das Team Telekom durch Dopinggeschichten gab es 1996 nicht. Lediglich Bjarne Riis, ab 1996 in Diensten Telekoms und in diesem Jahr Toursieger vor Jan Ullrich, wurde in Dänemark mit Dopingverdächtigungen konfrontiert. Ein dänischer Fernsehsender hatte den Verdacht nahegelegt, Bjarne Riis und seine Teamkollegen hätten mit EPO gearbeitet. Dazu wurden Uwe Ampler gehört, der seinen früheren Vorwürfe wiederholte und auch Uwe Raab erklärte zur Illustration der Dopingrealitäten im Peloton wie 1991 die gesamte PDM-Mannschaft aufgrund von Doping und nicht wegen einer Infektion die Tour de France verlassen hatte. Beweise konnte der Sender nicht vorlegen, aber der Verdacht war gestreut. Die FAZ griff zum Beispiel diesen Bericht auf, weist ihn aber eher in den Bereich der Fabel und spricht von einer „Marketingleistung des dänischen Fernsehens“. (FAZ, 26.9.1996)

Unbekannt sollte das EPO-Problem allerdings auch in Deutschland nicht gewesen sein. Die Affaire um das niederländische PDM-Team sollte den Radsport-Nahestehenden nicht verborgen geblieben sein.

1997 das Team Telekom und Doping – Schein und Sein

spätere Geständnisse und mehr

Tyler Hamilton:
„Over in Europe, there were also hopeful signs that the days of the circus strongman might be numbered. Riis’s 1996 Tour de France victory had been marked by moments of superhuman dominance, and people were whispering about doping. For example, at key moments on big climbs, Riis had done something no one had ever seen: he coasted back to look at the other contenders, almost taunting them, then accelerated away as if on a motorcycle. Around Europe, voices of reason began to speak up. An Italian judiciaal report had put a spotlight on EPO abuse among pro cyclists in that country; the French newspaper L’Équipe had published a series of articles in which riders said they could no longer keep up without taking EPO, which was as yet undetectable in tests. Columnists wrote about how the new drugs were endangering the dignity of the sport.“ (The Secret Race, S.38/39)

Jef d’Honts Anschuldigungen bezüglich Team Telekom endeten 1996. Es liegen aber aus dem Jahr 2007 die Geständnisse von Aldag, Bölts, Zabel, Dietz und Henn vor, im Jahr 1997, dem Jahr, indem Jan Ullrich die Tour gewann, gedopt gewesen zu sein.

2009 berichtete die ARD-Sportschau, dass ein Blutgutachten der Universität Hamburg bei der Hämoglobinkonzentration von Jan Ullrich Schwankungen zwischen 12,2 g % im März 1997 und 16 g % am 23. Mai 1997 gefunden habe.

„Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass dies physiologisch unwahrscheinlich sei. Unter Experten gelten Schwankungen von bis zu 1 g % als normal.“ (WDR, 5.10.2009, interpool.de: das Gutachten)

Der Abschlussbericht der Expertenkommission betreff Freiburger Sportmedizin 2007 hält auch für 1997 systematisches Doping im Team unter ärztlicher Kontrolle für gegeben. Bereits die Jahre zuvor wurde der Hämatokrit regelmäßig überprüft um Gesundheitsschäden zu vermeiden. Doch nach Einführung der Schutzsperre durch die UCi mussten die Vorsichtsmaßnahmen erhöht werden. „Die 1997 durch die Union Cycliste Internationale (UCI) bei Hämatokritwerten von über 50% eingeführte Schutzsperre führte dazu, dass bei Rennen sowohl die Ärzte als auch die Radprofis allmorgendlich mit Zentrifugen die Hämatokritwerte ermittelten.“ (S. 17)

2023 ging Jan Ullrich an die Öffentlichkeit und gesteht ab 1996 mit EPO und Bluttransfusionen gedopt zu haben:
FAZ: Radeln und reden als Therapie : Entkommt Jan Ullrich seinen Dämonen?, 2.12.2023

Meldungen und Diskussionen 1997

Anfang 1997 entbrannte eine rege öffentliche Diskussion um EPO, nachdem die UCI sich genötigt sah, Grenzwerte für den Hämatokrit einzuführen. EPO war nicht nachweisbar, aber die enorme Zunahme unnatürlich hoher Werte bei den Rennfahrern ließ keinen Zweifel mehr an dem flächendeckenden EPO-Doping im Profiradsport. Da die Fahrer damit einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt waren, musste die UCI reagieren und führte Grenzwerte und zusätzliche Kontrollen ein. Lagen die Fahrer darüber, wurden sie für zwei Wochen aus dem Rennen genommen. Ein Dopingbeweis mit entsprechender Sanktion war damit nicht verbunden. Aber andererseits war allen klar, dass problemlos bis an diese Grenze heran gedopt werden konnte.

Das Team Telekom stand damit wie alle anderen erfolgreichen Mannschaften unter Verdacht. Von Seiten des Teams wurde der UCI gegenüber Unterstützung signalisiert, aber auch Kritik formuliert.

„Der Mannschaftsarzt des Team Telekom, Andreas Schmid, sagte, daß bei einer Blutdicke von 50 Prozent noch nicht von einer Erkrankung gesprochen werden könne. Schmid wies darauf hin, daß es durch die derzeitige Bestimmung des internationalen Verbandes zu „falschen positiven Fällen“ kommen könnte. Als sinnvoll für das Vorgehen der UCI erachte er einen Hämatokritwert von mindestens 53 Prozent. „Damit könnte man leben.“ Bei Udo Bölts aus Heltersberg, einem der Bergspezialisten der deutschen Mannschaft, wurde beispielsweise bei einer teaminternen Untersuchung in diesem Monat vor einem Trainingslager auf Mallorca ein Wert von 50,1 Prozent ermittelt. Generell, sagte Bölts, sei gegen Bluttests nichts einzuwenden. Er forderte jedoch von der UCI sorgfältige Vorbereitungen. „Von einem Dorfdoktor lasse ich nicht rumbohren.“ (FAZ, 30.1.1997)

Der Dopingverdacht fuhr spätestens nach den Erfolgen von 1996 beim Team Telekom mit. Äußerungen wie folgende von Jan Ullrich,

„bei der Tour haben wir bewiesen, daß man mit guter Vorbereitung auch ohne Epo schnell sein kann“, wurden nicht mehr von allen ohne Fragezeichen so hingenommen. (Berliner Zeitung, 1.2.1997)

„“Die Radprofis leisten bei der Tour de France an einem Tag mehr, als jeder andere Mensch schafft, und sie tun es 21 Tage lang. Jeder weiß, daß dies unmöglich ist – allein mit Wasser und anderen Getränken, mit Brot und anderen Speisen.“
Rechtsanwalt Luc Silence, Präsident der Belgischen Gesellschaft für Sportrecht und Vizepräsident der International Association of Sports Law, auf einem Symposion des Instituts für Recht und Technik in Erlangen zum Thema Doping.“
(FAZ, 7.7.1997)

„“In allen Ausdauersportarten wird mit Erythropoietin gedopt, auch im Radsport. Aber weil es nicht nachweisbar ist, überschlagen sich die Spekulationen. Es sind nicht sehr viele Fahrer, die Epo benutzen – und ganz bestimmt keine 80 Prozent.“
Hein Verbruggen, Präsident der UCI
(FAZ, 11.9.1997)

„“Ich verstehe das nicht. Der Mann hat neun Tour-de-France-Etappen gewonnen und seit Jahren einen guten Ruf. Jetzt ist er blamiert. Jüngeren Rennfahrern hätte ich das zugetraut, aber doch nicht so einem erfahrenen Profi . . . Man kann in keinen Kollegen hineingucken, aber für mich gebe ich mein Ehrenwort: Ich bin sauber!“
Tour-Sieger Jan Ullrich über Dschamolidin Abduschaparow in einem Buch zur Frankreich-Rundfahrt 1997, an dem unter anderen sein Trainer Peter Becker mitgearbeitet hat.
(FAZ, 11.9.1997)

Besonders Jan Ullrichs Fahrt ins Gelbe Trikot weckte Zweifel. Professor Keul, leitender Sportmediziner der Universität Freiburg musste in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Klarheit sorgen. Selbstverständlich waren alle Fahrer des Teams sauber. Zudem redet er die Wirkung von EPO klein – ein gewagtes Unterfangen, schließlich waren die Effekte auf die Ausdauerleistung mittlerweile allgemein bekannt.

Reden wir mal von Amphetaminen, Anabolika, Erythropoietin.

Keul: Gut, also: Amphetamine, Aufputschmittel, die bringen was, weil sie zusätzliche Reserven freisetzen und die Erschöpfung hinausschieben. Allerdings kann man sich davon nicht über Nacht erholen. Da fährt man am nächsten Tag deutlich schlechter. Außerdem wird ihr Mißbrauch bei der Tour ebenso kontrolliert wie die Einnahme von Anabolika. Aber die Anabolika bringen, zumal für die Regeneration, nichts. Das haben wir doch vor Jahren bei einer Untersuchung, für die wir heftig kritisiert worden sind, bewiesen…. Keul: … EPO erhöht die Zahl der roten Blutkörperchen und damit die Sauerstofftransportkapazität des Blutes – einerseits. Andererseits verdickt es das Blut. Das Schlagvolumen des Herzens wird kleiner, seine Druckarbeit geht zurück. Der Effekt ist also gering. Aber EPO wird trotzdem genommen. Keul: Es wird genommen, aber sicher nicht im Team Telekom. Wir kontrollieren schließlich die Hämatokritwerte unserer Fahrer, und die sind mit einer einzigen natürlich bedingten Ausnahme, nämlich Jens Heppner, deutlich unter dem kritischen Grenzwert 50.“ (FAZ, 22.7.1997)

Die FAZ griff den Fall Heppner sofort auf und machte sich darum Sorgen, dass Ullrichs Helfer in den Bergen bei einer Kontrolle aus dem Rennen genommen werden könnte. Heppner, der meinte, er könne über 15 Jahre hinweg seine Werte nachweisen, bestätige entsprechende Ängste. Die UCI hatte nach eigenen Angaben in diesem Jahr von allen Radprofis das schriftliche Einverständnis für unangekündigten Bluttests verlangt. Heppner sagte hierzu, er habe der UCI gegenüber keine entsprechende Einwilligung unterschrieben und wolle im Falle des Falles klagen.

Heppner begrüßt die Blutkontrollen grundsätzlich:

„Sie haben für Chancengleichheit gesorgt.“ Bei der Tour de Suisse habe er erstmals mit der Spitze mithalten können, was früher nicht der Fall gewesen sei. „Daraus schlußfolgere ich, daß die Italiener kein Epo mehr nehmen können oder wenigstens in Grenzen; daß sie jetzt auch mit Wasser kochen müssen“, sagte Heppner. Lothar Heinrich, Mannschaftsarzt beim Team Telekom, versichert, im Gegensatz zu den italienischen Trainingswissenschaftlern Conconi und Ferrari stehe bei seiner Arbeit die Gesundheit, nicht die Leistungssteigerung im Vordergrund. „Mit dem Einsatz von Epo haben sie gegen die medizinische Ethik verstoßen“, sagt er. „Man weiß nicht, was passiert.“ Das engmaschige Kontrollnetz lasse im Radsport kein Doping mit Anabolika und Amphetaminen zu. Er glaube auch, daß kein Team bei der Tour Epo einsetze.“ (FAZ; 23.7.1997)

Jens Heppner blieb im Rennen und Jan Ullrich triumphierte in Paris. Das Team wurde in Deutschland gefeiert, blieb aber wie die UCI und der Radsport im Allgemeinen von weiteren Dopingvorwürfen nicht verschont.

Der Schweizer Radprofi Pascal Richard hatte verlauten lassen, Ullrich und Riis seien 1996 bei Trainingskontrollen positiv getestet worden. Der BDR und die Teamleitung gaben daraufhin schnell bekannt, beide hätten sich überhaupt keinen entsprechenden Kontrollen stellen müssen. (Berliner Zeitung, 20.9.1997, der Spiegel, 6.10.1997) Manch einer erwartete nun eine Klage von Telekom gegen Richard, doch Godefroot sah davon ab denn

„Richard sagt, er habe die Namen Ullrich und Riis in diesem Zusammenhang nicht genannt. Und wenn ich gegen jede Boulevardzeitung prozessierte, die Unsinn über uns schreibt, hätte ich viel zu tun“. Richard wurde später von der UCI verwarnt.“ (Berliner Zeitung, 23.9.1997, Berliner Zeitung, 2.12.1997)

Die FAZ berichtete allerdings von Zweifeln die auch bei Mitgliedern der Antidoping-Kommission aufgekommen waren. Warum war Jan Ullrich nicht für die Olympischen Spielen in Atlanta nominiert worden? Hatte Ullrich, wie behauptet, sich zu Gunsten der Tour auf eine Olympiateilnahme verzichtet? Bundestrainer Peter Weibel habe ihn vor die Alternative Tour oder Olympia gestellt. Oder gilt eine andere Version:

„Der Merdinger wäre, selbst wenn er gewollt hätte, gar nicht für Olympia nominiert worden. So lautet eine feste Versicherung, die aus dem DSB-Bereich Leistungssport kommt und auf das Frühjahr 1996 zurückgeht. Als letzte der mehrmals angemahnten Profis hatten sich die Berufsradfahrer dem Trainingskontrollsystem des deutschen Sports angeschlossen. Ohne diese aktive Beteiligung an der Dopingbekämpfung wollte das NOK niemanden mit nach Atlanta nehmen. Auch Jan Ullrich wurde vom BDR gemeldet – und nach dem Losverfahren für einen Trainingstest ausgelost. Doch der dringend Gesuchte war über einen längeren Zeitraum nicht zu erreichen. Ullrich hatte es versäumt, sich den Regeln entsprechend bei der ADK für einen angeblichen Aufenthalt in Südfrankreich abzumelden. Göhner begründete das auf Anfrage der ADK damit, daß Profis wie Ullrich „ihre Einsatzorte eben schon mal kurzfristig wechseln“.

Hans Evers, der damalige Kommissionsvorsitzende, erinnert sich lebhaft an „unsere vergeblichen Versuche, etwas über Ullrichs Verbleib zu erfahren“. Während sein Telekom-Teamkamerad Erik Zabel, dessen Olympianominierung wegen eines umstrittenen positiven Tests vom 27. April 1994 in Veenendal vom NOK lange diskutiert wurde, am 28. Mai im Training getestet werden konnte und dann auch nach Atlanta fuhr, gelang es den deutschen Dopingfahndern erst am 11. August, Ullrich um eine Urinprobe zu bitten – nach der Tour und den Olympischen Spielen. Der Test fiel „negativ“ aus. Buchstäblich negativ ist allerdings auch der Eindruck, der bei Evers haftenblieb: „Wir konnten damals zwar nicht direkt davon sprechen, daß Ullrich eine Trainingskontrolle verweigert hat. Dann hätten wir das wie einen positiven Test gewertet. Aber ganz koscher ist das auch nicht gelaufen.“ (FAZ, 20.9.1997)

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