Dopingaffairen / -Prozesse im Radsport
2002 Béon-Affaire
Anfang Dezember 2002 fand in Rennes, Frankreich, ein Prozess statt, in dem den 12 Angeklagten umfangreiches Dealen mit dem Pot néerlandais und dem Pot belge, Gemischen aus Amphetaminen, Koffein, Kokain und weiteren Substanzen vorgeworfen wurde. Mit dabei noch aktive und ehemalige Profi-Radrennfahrer, Clubdirektoren und Sponsoren.
Zu Beginn der Tour de France 2002 musste Philippe Tomasina, Mechaniker bei AG2r, seine Mannschaft AG2r und die Tour verlassen, da bekannt wurde, dass er in einen Affaire um Dopingmitteltransfairs verwickelt ist. Die Leitung von AG2r reagierte überrascht: „Niemand wolle etwas vertuschen, niemand hätte davon gewusst.“
Die Affaire begann, als im Oktober 2000 an der belgisch-französischen Grenze ein Paket aus den Niederlanden mit Portionen des „Pot néerlandais“ beschlagnahmt wurde. Adressiert war es an die Mutter von Patrick Béon, der in den 70er Jahren Profi bei Peugeot war.
Nachdem Patrick Béon, heute 52 Jahre alt, gestanden hatte, konnten umfangreiche Verbindungen ermittelt werden.
„Ich hätte 70 Personen, alle aus dem Profi- und Amateur- Peloton des Westens (von Frankreich) vor Gericht bringen können, aber der harte Kern sollte innerhalb eines vernünftigen Zeitraumes verhandelt werden,“ erklärte der Staatsanwalt Jean-Yves Kerboeuf.
Die Spuren führten vor allem nach Belgien und Holland, allerdings beklagte die französische Justiz mangelnde juristische Unterstützung von Seiten der beiden Länder, sodass es nicht gelang, bis an die Spitze des Doping-Netzwerkes vorzudringen.
Die Untersuchungen betrafen auch zwei Fahrer von AG2r (einer ist Pascal Chanteur) und Fdjeux (Jacky Durand) sowie einen von Crédit agricole, der ein Postfach in Plouay für das Verschicken der Pots zur Verfügung gestellt hatte. Anläßlich der WM in Plouay wurden zwei Personen festgenommen, die sich des Faches bedienten.
Patrick Béon erzählt: „Ich war der beste Amateur meiner Generation Anfang der 70er Jahre, ohne ein einziges Produkt zu nehmen…“ (Libération, 5.12.2002) „Ich begann mit den Amphetaminen nach zwei Jahren bei den Profis. Ich wurde von anderen distanziert, die bei den Amateuren nicht so stark waren wie ich.“ Das Doping wurde systematisch während der Kriterien nach der TdF: „Man fuhr manchmal zwei pro Tag und verbrachte die Nächte im Auto.“(LeMonde, 5.12.2002) „Ich habe Amphetamine genommen wie alle bei den Kriterien, die ohne Kontrollen waren. Die Ärzte gaben uns die Rezepte und wir gingen in die Apotheke.“
Béon, Teamkollege von Bernard Thévenet, gewann den l’Etoile de Bessèges 1975, im folgenden Jahr das Kriterium International, bevor er 4. wurde beim Amstel Gold Race.
„Ich wollte 1976 nicht an der Belgien-Rundfahrt teilnehmen. Mein sportlicher Direktor bei Peugeot bat mich darum, dass ich mir eine Spritze mit Lidokain geben solle, so habe ich das Rennen bestritten. Das war der Beginn der Amphetamine.“(Libération, 5.12.02)
Nach seiner Karriere 1979 rührt er die erste Zeit keine Drogen an, er wird sportlicher Direktor, später Geschäftsmann für Sponsoring für ’Brillen Bollé’. Da er viel unterwegs ist, nimmt er wieder Amphetamine „um durchzuhalten und feiern zu können.“ Er fängt mit dem Dealen an. So lernt er auch den mitangeklagten Holländer Pete Boot kennen. Auf die Frage des Staatsanwaltes, wie er diesem begegnet sei, antwortet Béon: „Das war im Ziel bei den Fahrerboxen während der Weltmeisterschaften in Holland 1998. Ein Freund, ehemaliger flämischer Masseur von GAN, hat mich vorgestellt.“
Da die Preise geringer waren als bei seinem vorherigen Lieferanten Serge Degnati, einem ehemaligenr Mechaniker und Freund von Pascal Chanteur, 320 F anstelle von 1400 F, wechselt er seine Bezugsquelle. Degnati wiederum wurde von seinem Freund Chanteur, mit Tomasino bekanntgemacht. Dieser liefert 290 Pots belges in drei Jahren.
Patrick Béon gab an, niemals an Profis weiterverkauft zu haben, trotz seiner vielen Kontakte. Sein Hauptkunde war ein Krankenpfleger, der 1996 durch Erwan Menthéour hinzukam.
Im Prozess wurde deutlich, dass diejenigen, die den Pot konsumieren sollen/ wollen, in die Szene eingeführt bzw. von der Szene regelrecht getauft werden. Alle Angeklagten berichteten von einem entsprechenden Ritual. Sébastien Guénée, ehemaliger Fahrer aus Saint-Quentin wurde durch seinen Freund Stéphane Ravaleu getauft, ehemals Profi-Fahrer bei Big Mat Auber, ebenfalls angeklagt. Seinen schönsten Abend verdanke er aber Jacky Durand (Francaise des Jeux). „Marc Madiot und Jacky Durand waren Götter für mich. Als sie mich einluden, mich, der wusste, dass ich niemals Profi werden würde, habe ich gedacht, dies ist meine letzte Chance.“ Er durfte sich an dem Abend, der von Durand organisiert wurde, auf der Toilette eine Injektion geben. Chanteur und Durand waren mit der Einführung einverstanden. (Libération, 5.12.2002).
Der Staatsanwalt:
„Was mich erstaunt, ist die allgemeine Stimmung, in der die Verwendung der Dopingprodukte banalisiert wird. Jeder wusste wie man da rankommt.“
Mitangeklagt waren der Bruder von Béon und sein eigener Sohn, der durch des Vaters Einfluss zum Drogenkonsum kam.
Am 9. Januar 2003 wurden die Urteile verkündet:
Patrick Béon, Serge Degnati, Jean-Yves Verger (Krankenpfleger) wurden zu je drei Jahren Gefängnis verurteilt, davon je zwei auf Bewährung. Philippe Tomasina erhielt eine Strafe von 30 Monaten Gefängnis, wobei 20 auf Bewährung sind.
Die anderen Angeklagten bekamen zwischen vier und zehn Monaten Gefängnis auf Bewährung.
Die 13 Angeklagten müssen auch gemeinsam an den Zoll 60.350 Euros zahlen.
Die Hauptangeklagten gingen in Berufung und hatten Erfolg. Am 1. Juli 2003 wurden die Strafen ermäßigt:
Patrick Béon muss nur noch 6 Monate ins Gefängnis, zweieinhalb Jahre sind nun auf Bewährung, auch für Degnati, Verger und Tomasino wurden die Bewährungsstrafen verlängert durch die Verkürzung der Gefängnisaufenthalte auf 8 Monate.
Monika