Doping: Operation Aderlass

Operation Aderlass – Hintergrund/Geschichte

Unterseiten:

der Auslöser – Johannes Dürr gesteht Doping

Die Doping-Ermittlungen „Operation Aderlass“, die in Österreich und Deutschland gemeinsam voran getrieben wurden, begannen Anfang 2019 nach dem Geständnis des Ex-Langläufers Johannes Dürr in der ARD (Geheimsache Doping: Die Gier nach Gold – Der Weg in die Dopingfalle, 17.1.2019).

In Folge der Ermittlungen kam es zu einigen sportrechtlichen Verfahren und strafrechtlichen Prozessen, in Deutschland und Österreich nach den jeweils gelten Anti-Doping-Gesetzen. Mark Schmidt und seine direkten Helfer standen in München am Landgericht II vor Gericht, die meisten Verfahren am Landesgericht Innsbruck sind mit Urteilen abgeschlossen doch einige Prozesse sind noch zu erwarten. Insgesamt 35 Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft Innsbruck geführt. In der Schweiz wurde Pirmin Lang als erster Profisportler nach Einführung von Antidoping-Bestimmungen in das Sportfördergesetz 2012 strafrechtlich verurteilt. Ein strafrechtliches Verfahren läuft gegen einen Arzt. In Estland wurde bereits 2019 Trainer Mati Alaver rechtskräftig zu eine Bewährungsstrafe verurteilt.

In München waren Verhandlungen bis Mitte des Jahres geplant, doch etliche geladene Zeugen aus dem Ausland konnten (wegen Corona) oder wollten nicht aussagen. Daher wurde der Prozess gegen die zentrale Person Mark Schmidt und vier seiner Helfer im Einvernehmen mit den Anwälten am 15.1.2021 mit den Urteilssprüchen vorläufig zum Abschluss gebracht.

Eine Übersicht über Urteile sind unten auf dieser Seite zu finden.

Razzien und erste Ergebnisse

Stand 1.11.2021
betroffene Sportarten:
Langlauf, Radsport, Leichtathletik, Eisschnelllauf, Biathlon, Skibergsteigen, Triathlon

genannte Personen neben Mark Schmidt und Helfer/innen:
Personal: Teamarzt Langlauf ÖSV Ulrich Haegele, Ex-Langlauftrainer Mati Alaver, Langlauftrainer Andrus Veerpalu, Sportlicher Leiter Borut Bozic (Team Bahrain Merida), Langlauftrainer Gerald Heigl, Servicemann Emanuel Moser, Ex-Langlauftrainer Walter Mayer, Betreuer Johann Lienhart, Berner Sportmediziner, Leichtathletiktrainer Dario Nemec, Teamarzt Estnisches Langlauf-Nationalteam Tarvo Kiudma, Hauptsponsor des estnischen Langlaufteams Toomas Annus

Sportler/innen:
Österreich: Max Hauke, Dominik Baldauf, Johannes Dürr, Georg Preidler, Stefan Denifl, Christina Kollmann-Forstner, Gerhard Tritscher, Florian Lienhart, Cornelia Köpper, Clemens Fankhauser

Deutschland: Danilo Hondo, (Freispruch DIS: Robert Lehmann-Dolle), Björn Thurau, zwei unbenannte Radsportler

Estland: Karel Tammjärv, Algo Kärp, Andreas Veerpalu

Kasachstan: Alexei Poltoranin

Italien: Alessandro Petacchi, Daniel Taschler

Slowenien: Borut Bozic, Kristijan Koren

Kroatien: Kristijan Durasek, Lisa Nemec

Schweiz: Pirmin Lang, eine unbenannte Person (Sportler?)

Am 27. Februar 2019 fanden während der FIS-Weltmeisterschaften in Seefeld und in Erfurt Doping-Razzien statt. Es handelte sich gemeinsame Ermittlungen der Staatsanwaltschaften München und Wien.

In Erfurt wurde die Praxis des Arztes Mark Schmidt, die er mit seiner Mutter führt, untersucht. Er selbst und eine weitere Person wurden vorläufig festgenommen In einer Garage wurden ca. 40 Blutbeutel, die für Bluttransfusionen zum Zwecke des Dopings eingelagert waren, sicher gestellt.

In Seefeld kam es zu sieben Festnahmen. 5 Langläufer wurden wegen des Verdachts auf Doping in Untersuchungshaft gebracht. Es handelte sich dabei um die österreichischen Langläufer Dominik Baldauf und Max Hauke, den Kasachen Alexey Poltorani und die Esten Andreas Veerpalu und Karel Tammjärv. Sie waren Kunden bei Mark Schmidt. Verhaftet wurde auch der Vater Mark Schmidts, Ansgar Schmidt und eine Helferin.

Die Razzien gingen zurück auf Ermittlungen, die durch das Geständnis von Johannes Dürr ausgelöst wurden. Der österreichische Langläufer wurde während der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi des Dopings überführt. Möglicherweise erfuhr die deutsche NADA damals von der Existenz der Dopingpraktiken Mark Schmidts. Stefan Schumacher erklärte in einem Interview im Mai 2018, dass er Ende 2014 von der NADA zu Mark Schmidt befragt worden war und er den Eindruck hatte, dass diese zwar gut informiert war aber keine Handhabe und keine Ermittlungsmöglichkeiten gegen den Arzt hatte (sportschau.de: Ex-Teamkollege Schumacher über Hondos Geständnis – das ganze Interview, 15.5.2019).

In Seefeld fanden die Ermittler nicht allein Beweise für Bluttransfusionen sondern auch andere Dopingsubstanzen.

Kai Gräber, Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft München, erklärte in der FAZ vom 3.3.2019:

Bislang geht es um Blut-Doping. Sind in Erfurt und Seefeld andere Mittel gefunden worden?
Es sind in Seefeld andere Präparate gefunden worden, etwa dort, wo der kasachische Sportler festgenommen worden ist. Ich meine, auch Informationen bekommen zu haben, dass das auch über den Beschuldigten gelaufen ist. Was es im Einzelnen ist, ob Wachstumshormon oder Epo oder Steroide, weiß ich noch nicht, da habe ich auch bloß Fotos gesehen bislang. Die Beweismittel sind noch nicht hier.

Was wird dem Vater von S. vorgeworfen, der auch festgenommen wurde?
Ihm wird vorgeworfen, an Taten des Sohnes sich in strafrechtlich relevanter Weise beteiligt zu haben, indem er logistische Unterstützung geleistet hat. Durch das Vorhalten von Gerätschaften, durch Fahrdienste, indem er sein Auto zur Verfügung stellte. Zum anderen soll er auch zumindest an einer Behandlung mitgewirkt haben.

In Folge gingen die beiden österreichischen Profiradsportler mit Geständnissen an die Öffentlichkeit ebenso wie der estnische Ski-Langläufer Algo Kärp. In Verdacht geriet auch der prominente estnische Langlauftrainer Mati Alaver, der nicht nur die drei estnischem Athleten sondern auch den Kasachen zeitweise betreute. Alle genannten Personen hatten Kontakt zu Mark Schmidt.

Gibt es Erkenntnisse, dass mit anderen Ärzten oder Betreuern kooperiert wurde, in Deutschland oder international?
Zu Kontakten mit anderen Ärzten ist in den Ermittlungen noch nichts zutage getreten. Natürlich gibt es Kontakte zu Betreuern und Trainern von schon bekannten Athleten, die dann auch die Termine wahrgenommen oder zumindest ausgemacht haben….
Mich freut, dass Herr Dürr rehabilitiert worden ist. Ihm hat man im Zuge der Ausstrahlung des ARD-Berichts alles Mögliche vorgeworfen, nicht nur, dass er ein Einzelfall sei, sondern auch, dass er nur sein Buch promoten wolle. Letztendlich haben die Ermittlungen ergeben, dass es nicht um Promotion ging und dass er kein Einzelfall ist. Wenn man so will, haben wir fünf weitere „Einzelfälle“. Mal sehen, wie viele „Einzelfälle“ wir sonst noch herausbekommen.

Fortschritte und neue Erkenntnisse

Am 20. März gab die Staatsanwaltschaft in München weitere Ergebnisse bekannt. Arzt Mark Schmidt sitzt noch in München in Untersuchungshaft. Aus seinem Umfeld wurde eine weitere Person verhaftet, ein 38 jähriger Deutscher. Ihm wird vorgeworfen, die Bluttransfusionen durchgeführt und unterstützt zu haben – ohne medizinische Ausbildung. „Da sei „das Stechen nach dem Prinzip learning by doing“ praktiziert worden, sagte Gräber – wie auch von anderen Helfern des Arztes Schmidt.“ (SZ, 20.3.2019) Insgesamt habe es hunderte von Transfusionen gegeben. Wobei nicht nur Eigenblut sondern auch andere Dopingmittel wie Wachstumshormone und unbekanntes, wie ein ‚Hämoglobinpräparat‘, das am Sportler ausprobiert wurde. Medizinische Sorgfalt stand nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht im Vordergrund. Es kam daher auch zu ernsten Zwischenfällen, die die Gesundheit der Sportler gefährdeten.

Die Sportler*innen sind 5 Sportarten zuzurechnen, darunter drei Wintersportdisziplinen. Durchgeführt wurden Bluttransfusionen in zehn Ländern: Deutschland, Österreich, Italien, Finnland, Schweden, Estland, Kroatien, Slowenien, Südkorea und Hawaii. Südkorea steht für die Olympischen Winterspiele 1988 und Hawaii. Hierzu präzisierte die Staatsanwaltschaft München, dass auf Hawaii der jährliche Marathon in der Hauptstadt Honolulu betroffen sei.

Das benötigte Equipment stand in Erfurt in einer angemieteten Garage. „Rund 100.000 Euro pro Saison, schätzte Gräber eher konservativ, habe S. so eingenommen. Je nach Intensität habe die Dienstleistung zwischen 4000 und 12.000 Euro je Saison und Sportler gekostet, in Einzelfällen möglicherweise auch mehr. Seine Helfer waren für einen Tagessatz von 200 Euro dabei, bei freier Kost und Logis.“ (FAZ, 20.3.2019)

Im März 2019 wurde in Estland Ex-Langlauftrainer Mati Alaver verhaftet. Er hatte zuvor öffentlich zugegeben, Langläufer Karel Tammjärv an Mark Schmidt vermittelt zu haben. Auch die beiden anderen geständigen estnischen Langläufer, Algo Kärp und Andreas Veerpalu, sind von Alaver vermittelt worden.

Anfang Mai 2019 wurde dann auch deutlich, dass deutsche Sportler Kunden bei Arzt Mark Schmidt waren. Mark Schmidt beschuldigte Ex-Eisschnellläufer Robert Lehmann-Dolle, der mittlerweile als Nachwuchstrainer am Olympiastützpunkt Berlin angestellt war (NADA, 10.5.2019). Er wurde freigestellt. Doch am 13. August 2020 sprach das Deutsche Sportschiedsgericht Lehmann-Dolle frei, für die belastenden Aussagen des Arztes habe es keine Hinweise gegeben (spiegel.de, 18.8.2020). Mitte Mai kam dann das Geständnis von Ex-Sprinter Danilo Hondo, der zugab, 2011 von Schmidt Bluttransfusionen bekommen zu haben (sportschau.de, 12.5.2019). Hondo arbeitete beim Schweizer Radsportverband als National-Trainer, auch er wurde umgehend frei gestellt. Drei Tage später wurden von der UCI vier weitere Personen genannt, gegen die Ermittlungen stattfinden: Ex-Sprinter Petacchi, Alessandro , Durasek, Kristijan (Team UAE Team Emirates), Koren, Kristijan (Team Bahrain Merida) und Sportlicher Leiter Bozic, Borut (Team Bahrain Merida) (UCI, 15.5.2019).

Am 27.5.2019 gab es die Nachricht, dass der ehemalige ÖSV-Skilanglauftrainer Gerald Heigl (s.u.) und Langlauf-Servicemann Emanuel Moser, der bereits Mitte April von der Staatsanwaltschaft einvernommen wurde, in Untersuchungshaft genommen wurden. Moser betreute u.a. den Schweizer Langläufer Dario Colnago. Heigl wurde Anfang Juli aus der Untersuchungshaft entlassen. Er habe umfangreiche Aussagen gemacht, Verdunkelungsgefahr sei nicht mehr gegeben. „Der Verdächtige könne keine weiteren Absprachen mit von ihm unterstützten Sportlern vornehmen“, so die Staatsanwaltschaft (sport.orf.at, 9.7.2019).

Über Heigl und Dürr wird auch der deutsche Arzt Ulrich Haegele, wohnhaft bei Rosenheim, belastet. Der Arzt war seit 2006 Teamarzt beim ÖSV im „Bereich Langlauf“. Heigl will 4000 bis 6000 Internationale Einheiten des Blutverdickers Epo, Ende 2013/Anfang 2014 erhalten haben. Er soll im ÖSV als Leitender Teamarzt Langlauf Dopingpraktiken unterstützt haben. Im August wird seine Wohnung durchsucht. Heigl gab im Prozess gegen Walter Mayer an, er habe einmal vonm Teamarzt EPO bekommen. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hatte den Arzt als ‚Aufräumer‘ nach der Turin-Affaire ein, entsprechende Qualifikationen hierfür sind jedoch von außen betrachtet nicht erkennbar (SZ: Razzia bei Rosenheim, sportschau.de: Dopingvorwürfe: Razzia bei weiterem deutschen Arzt, kurier.at: Nach Doping-Razzia bei Ex-ÖSV-Arzt: Verband nimmt Stellung, 2./3.8.2019).

Schon früh wurde Walter Mayer, einschlägig vorbelastet durch die Dopingaffairen der OS 2002 und 2006, genannt als eine Person, die informiert gewesen sein müsste. Nach Aussagen von Dürr und Heigl soll er in der Zeit zwischen 2012 und 2019 an Amateur- und Profisporter, auch an Dürr verbotene Substanzen weitergegeben haben. Er wurde im Oktober 2019 kurzfristig festgenommen, anschließend wurde Anklage erhoben. Das Verfahren ist anhängig.

Am 13.2.2020 wurde bekannt, dass der österreichische Triathlet Florian Linhart, der Sohn des Ex-Radprofis Hans Lienhart, ebenfalls der Operation Aderlass zugeordnet werden muss. Er wurde von der ÖADR für 4 Jahre gesperrt, davon wurden ihm 6 Monate auf Bewährung erlassen wegen Kooperation. Ermittlungen im Rahmen der Operation hatten ergaben, dass er von Januar bis März 2019 EPO und das Wachstumshormon Genotropin erworben und angewendet und versucht hat, sich EPO mittels einer Infusion zu verabreichen.

Zur Enthüllung weiterer Mitglieder des Netzwerkes trug die NZZ bei. Ihr liegen Vernehmungsprotokolle der Staatsanwaltschaft München vor. Am 21.2.2020 sah sich daher Ex-Profi Pirmin Lang genötigt, seine Einbindung in die Operation und damit sein Dopen öffentlich zu machen.

Am 22.2.2020 berichtete die NZZ, dass ein Berner Sportarzt, der bereits vor zwei Jahren unter Dopingverdacht geraten war, in den Jahren 2012/2013 Arzt Mark Schmidt mit einer Substanz versorgte, die weder in der Human- noch in der Tiermedizin zugelassen ist – laut Schmidt soll es sich um TB-500 oder TB-1000 gehandelt haben, einem Wirkstoff, der die Ausdauerfähigkeit der Muskeln fördern soll. In Bern läuft ein Verfahren gegen den Arzt, Informationen gibt es hierzu aber von der Generalstaatsanwaltschaft nicht.

Aus Prozessakten, die der ARD voliegen geht hervor, dass Mark Schmidt zu einem frühen Zeitpunkt weitgehende Aussagen zu seinem Netzwerk gemacht hatte. Später verweigerte er seine Mitarbeit. Diese ersten Aussagen belasteten Walther Mayer schwer und ein neuer Name taucht auf, der des kroatischen Leichtathletiktrainers Dario Nemec. Schmidt will von ihm „Substanzen vom Schwarzmarkt, Tipps zu Mitteln und Nachweisgrenzen und Dosieranleitungen erhalten“ haben. Ein Auslieferungsantrag zu Nemec laufe. (sportschau.de: Erfurter Blutdopingdoktor gibt Komplizen preis)

Noch unklar ist, inwieweit Biathlon betroffen ist. Genannt wir hier bislang lediglich Daniel Taschler, Dürrs Ex-Schwager, er soll ebenfalls Kunde von Mark Schmidt gewesen sein. Er und sein Vater Gottlieb Taschler sind ebenfalls keine unbeschriebenen Blätter im Dopinggeschäft. Beide standen in Bozen zusammen mit dem lebenslang gesperrten Sportarzt Michele Ferrari vor gericht, wurden aber nach einem langjährigen Gerichtsverfahren von Dopingvorwürfen frei gesprochen. Damit wären fünf Sportarten betroffen: Langlauf, Radsport, Leichtathletik, Eisschnelllauf, Biathlon. Noch nicht namentlich bekannt ist auch der in Verdacht geratene Marathonsportler.

>>> Operation Aderlass: SPORTRECHTLICHE SANKTIONEN UND VERURTEILUNGEN NACH STRAFPROZESSEN

ÖSV kontra Johannes Dürr

Erwähnenswert ist, dass der ÖSV in einem Zivilprozess vor dem Landesgericht Innsbruck gegen Johannes Dürr Recht bekam – mit einer Begründung, die viele Beobachter nicht unbedingt überzeugte:

Dürr wurde „zur Unterlassung und zum Widerruf seiner Behauptung, der ÖSV dulde Doping stillschweigend, verpflichtet, teilte der Skiverband am Donnerstag in einer Aussendung mit. Zudem muss Dürr als Folge des Urteil die Verfahrenskosten tragen. … Das Gericht betonte in der Urteilsbegründung, dass sich der ÖSV der „Einhaltung einer Null Toleranz-Politik gegenüber Doping verschrieben habe“, so der Skiverband. „Dass es schwarzen Schafen gelingt, vom ÖSV unbemerkt zu dopen, ist nicht dem Leistungssport gezollt, sondern das Werk krimineller Agitatoren, vor dem auch der Kläger trotz der gesetzten Präventiv- und Kontrollmaßnahmen nicht gefeit ist“, heißt es in dem Urteil.“ (Der Standard, 27.6.2019, ÖSV, 27.6.2019

Ein Berufungsgericht stellte Anfang November fest, dass es sich der Einzelrichter im Verfahren gegen Dürr zu leicht gemacht habe. Der Fall kam an den Obersten Gerichtshof in Wien. Die Entwicklungen um Trainer Gerald Heigl und Arzt Ulrich Haegele könnten die Sicht der Dinge beim OGH beeinflussen.

„Das Erstgericht hat sich aufgrund eines Rechtsirrtums mit einem Großteil der Behauptungen des Beklagten nicht auseinandergesetzt“, heißt es in dem nun ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts (AZ 2 R 115/19g), „zu diesen Behauptungen keine Beweise aufgenommen und dementsprechend auch keine Feststellungen getroffen.“ (sportschau.de, 6.11.2019)

Am 13.3.2020 wurde die Entscheidung des OGH in Wien bekannt: Johannes Dürr wurde recht gegeben. Der ÖSV muss die Kosten des Verfahrens von 1.332,54 EUR tragen.

Österreichs höchstes Gericht, der Oberste Gerichtshof, hat Dürr den Rücken gestärkt und ihm gegen den Verband Recht gegeben. Der Streit wurde an die Erstinstanz zurückverwiesen und dem Landesgericht Innsbruck wurde nachdrücklich aufgetragen, in einer ordentlicheren Beweisaufnahme gefälligst ernsthaft zu ermitteln, ob Dürrs öffentlich bekundete Meinung, der ÖSV dulde Doping stillschweigend, zulässig sein kann.

Der Oberste Gerichtshof ging nun sogar noch über das Berufungsgericht hinaus. Nicht nur solle das Landgericht Innsbruck die unterlassene Würdigung von Dürrs Argumenten nachholen, auch sagten die höchsten Richter des Landes in ihrer Entscheidung, ein Wertungsexzess läge nicht vor, „hat sich doch der Beklagte keiner diffamierenden Sprache bedient. Zudem handelt es sich beim Thema „Doping“ um ein durchaus aktuelles Thema der gesellschaftlichen Diskussion, an dem ein öffentliches Interesse besteht. Gerade bei solchen Themen umfasst das Recht der freien Meinungsäußerung auch, jene Ideen auszusprechen, die verletzen, schockieren oder beunruhigen“. (sportschau.de: Betrug geduldet? – Dopingsünder Dürr gewinnt Berufung gegen Österreichs Skiverband , 13.3.2020)

Am 21.9.2020 gab es jedoch folgende Meldung: APA: Dürr widerrief auf Facebook Vorwürfe gegen ÖSV:

„Dürr hatte am 9. September vor der Verhandlung am Landesgericht Innsbruck wegen seiner Äußerungen im Sommer 2018 angeboten, die Vorwürfe zurückzuziehen und die Kosten zu übernehmen. Der ÖSV wird daher seine Klage zurückziehen.“
„Ich, Johannes Dürr, widerrufe meine Äußerungen, der Österreichische Skiverband würde Doping stillschweigend dulden, gezielt die Augen vor Doping verschließen und/oder Doping hinnehmen, so lange der Dopende sich dabei nicht erwischen lasse, und/oder gleichsinnige Äußerungen“, schrieb Dürr auf Facebook.“

Staatsanwaltschaft München – deutsche Ermittlungen

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft München erhob am 13.12 2019 Anklage gegen Arzt Mark Schmidt und seine vier Helfer. Sie werden angeklagt u.a. wegen gewerbsmäßiger und teilweise bandenmäßiger Anwendung verbotener Dopingmethoden bzw. der Beihilfe hierzu, Schmidt noch zusätzlich wegen des Verdachtes der gefährlichen Körperverletzung. (Staatsanwaltschaft München, 19.12.2019)

Kai Gräber, Staatsanwaltschaft München, gab während einer Pressekonferenz neue Erkenntnisse bekannt, zu denen sich Schmidt und seine Helfer verantworten müssen. So seien beispw. im Radsport bei sämtlichen Großereignissen – Tour de France, Giro d’Italia, Tour de Suisse und weiteren Rennen – Sportler mit Bluttransfusionen versorgt worden. In verschiedenen Sportarten kam das Team bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften bis zu nationalen Meisterschaften zum Einsatz. Er spricht auch von 2 weiteren deutschen Radsportlern, die jedoch strafrechtlich nicht belangt werden können, da das deutsche Anti-Doping-Gesetz erst im Dezember 2015 in Kraft trat, die Vergehen aber zuvor stattgefunden haben. Auch ein weiterer österreichischer Athlet soll betroffen sein.

sportschau.de, 20.12.2019:
Insgesamt sollen 23 Sportler aus acht europäischen Ländern an Dopingpraktiken beteiligt gewesen sein. „Ich habe noch keinen vergleichbaren Fall gesehen. Das ist insgesamt eine große Geschichte, die nicht mit anderen Fällen verglichen werden kann“, sagte Gräber weiter. Es sei bei den Manipulationen „planmäßig“ vorgegangen worden.

„Man hat sich vor der Saison mit dem jeweiligen Sportler zusammengesetzt, hat den Rennplan studiert, um dann zu sehen, wie man den ‚Behandlungsplan‘ darauf abstimmt.“

… Gräber betonte …, er [Dürr] habe in der Anklage etwa 145 strafrechtlich relevante Sachverhalte geschildert.

Die ARD berichtete weitere Details aus Chat-Protokollen, die der Doping-Redaktion vorliegen.

Die jahrelange Anwendung verbotener Substanzen durch Spitzensportler, die auch aus den SMS-Chats hervorgeht, erforderte von Mark Schmidt hohen Einsatz und genaue Abstimmung mit den Sportlern. Wann und wo traf man sich? Wie erreichte man den Ort? Wie hoch waren die Medikamente zu dosieren, etwa das von Schmidt beschaffte TB 500, eine Art Wachstumshormon, das allerdings nicht einmal als Arzneimittel zugelassen war? Vor allem das Blutdoping erforderte logistische Kompetenz und frühzeitige Absprachen.

„Ist dein Gefühl besser?“, erkundigte sich Schmidt bei einem Sportler, mit dem er sich auf Englisch austauschte. „Und wie sieht es mit den Beinen aus? Weil, komme ich dann mit einem Halben oder mit einem Ganzen?“ Schmidt meinte damit den Blutbeutel, dessen Inhalt er dem Athleten vor dem Wettkampf wieder zuführen wollte. „Ich bin okay“, antwortete der Sportler, „ohne ersichtliche Probleme, es ist vergangen.“ Damit war für Schmidt Blutdoping auch in großer Menge möglich. „Perfekt“, textete er, „dann komme ich mit dem großen. Wir sehen uns morgen“….

Auf Blutdoping zur Leistungssteigerung wollten sie [die Athleten] beim Kampf um Medaillen nicht verzichten. Schmidt allerdings konnte sich schwerlich mit mobilem Kühlschrank voller Blutbeutel in den Flieger nach Fernost setzen. Das Dopingnetzwerk fand eine andere Lösung: Der Athlet selbst sollte das benötigte Blut transportieren, in seinem Körper, als eine Art lebendige Blutkonserve. Dafür wurde es ihm vor Abflug in etwa 15 Minuten mit dicker Nadel in den Körper injiziert.

Das Ganze fand in Frankfurt statt, nicht weit vom Flughafen, und die Sportler traten den Langstreckenflug anschließend mit viel zu viel Blut im Körper an. Sie riskierten ihre Gesundheit. In Südkorea wurde ihnen die zugeführte Menge dann nach der Landung entnommen und wiederum kurz vor dem Wettkampf erneut zugeführt. (sportschau.de, „Ich bin der Typ mit der Kühlbox“ – die SMS-Chats des Erfurter Dopingdoktors Mark Schmidt, 22.12.2019)

Netzwerke und alte Bekannte

Weder Mark Schmidt noch Johannes Dürr waren Unbekannte in Sachen Doping, zahlreiche Affairen begleiten ihren Weg. Die persönlichen Verbindungen reichen bis kurz nach die Jahrtausendwende zurück. Arzt Michele Ferrari, Biathlon-Funktionär Gottlieb Taschler, Trainer Walter Mayer, Stefan Matschiner, Radsportteam Gerolsteiner, Landessportbund Thüringen und Arzt Ernst Jakob. Alle wohlbekannt. Hinzu kommen estnische und kasachische Verbindungen.

Die österreichische Sportfunktionärs- und Trainerszene im Ski- und Radsportverband leugnet bislang jegliches Wissen, doch Zweifel und offene Fragen gibt es viele. Das trifft vor allem auf Dürrs Trainer Gerald Heigl zu, der schon einmal in Zusammenhang mit dem Dopingfall Harald Wurm als dessen Cheftrainer unter Verdacht geriet. Er betreute nach seinem Ausscheiden aus dem ÖSV (2017) Dominik Baldauf und Max Hauke bis zuletzt auf privater Ebene. Fragen wirft auch die langjährige Anstellung des Arztes Ulrich Haegele, angeblich Intimus des ÖSV-Präsidenten Schröcksnagel, auf, der nach Trainer Heigl ihm während 2013/2014 Dopingmittel zur Verfügung gestellt hat. Auch wenn diese Aussage nicht direkt mit der Operation Aderlass in Verbindung stehen sollte, dürften noch etliche Fragen auf den ÖSV zukommen.

Wie Dopingcoach Heigl, war auch Haegele eine feste Größe im ÖSV-Tross. Gerry und Utz, wie die beiden in Läuferkreisen heißen, betreuten das Ressort lange nebeneinander. Heigl stieß 2004 zum Langlaufteam, 2006 bei den Winterspielen in Turin durchfilzten Ermittler das ÖSV-Quartier. Später wurde Heigl Chefcoach und blieb sogar in Leitfunktion, nachdem Dürr 2014 in Sotschi aufgeflogen war und 2015 auch Teamkollege Harald Wurm eine vierjährige Sperre erhielt. Im April 2017 verließ Heigl den ÖSV, betreute aber weiter Kaderathleten, darunter Langläufer Hauke, der in Seefeld mit der Kanüle im Arm erwischt worden war. Überdies war er vor einigen Jahren Konditionstrainer eines Alpin-Athleten, diese Ermittlung versandete aber flott. … „Peter Schröcksnadel holte mich zum ÖSV, um sicherzustellen, dass dort nicht mehr gedopt wird!“ … Echte Expertise besitzt der Pathologe nicht, im internationalen Anti-Doping-Kampf fiel er nie prominent auf. Und das beim ÖSV eingerichtete „Sonderbudget Haegele“ mit 36 000 Euro jährlich, über das Ärzte, Apparate, Arzneien bezahlt wurden? „Warum das meinen Namen trug, weiß ich nicht“, sagt Haegele. Im ÖSV habe er nur ehrenamtlich gewirkt, ein Handy erhalten und Tankkosten abgerechnet. (SZ, „Sonderbudget Haegele“, 31.1.2020)

In dem Artikel „Doping: Ein radikaler Kulturwechsel wäre angebracht“ in Die Presse, erschienen am 10.3.2019 werden verschiedene Verbindungen und Vermutungen genannt.

Was wusste der ÖSV? Was die zehn Fälle gemein haben? Nie hat Sportdirektor Gandler oder einer der Trainer etwas gesehen oder auch nur Verdacht geschöpft. Stets wurden die Betreuer kalt erwischt, ge- und enttäuscht. Was Experten hochgradig erstaunt. Im Fall von Johannes Dürr umso mehr, zumal der frühere ÖSV-Coach Radim Duda im Dezember 2013 in größerer Runde darauf hinwies, dass mit dem Toptalent ein Riesenproblem auf den Skiverband zukomme. Wie auch mit dessen Headcoach Gerald Heigl, weil der „entweder ein sehr schlechter Trainer sein oder die Ursache von Dürrs Leistungssprüngen kennen müsse“.

Unternommen wurde nichts – außer Duda zu entlassen, als dieser seinem Frust über die Handhabung des Falls in einer Sportzeitschrift freien Lauf ließ.

… Im gleichen Medium wurden im Februar 2015 auch erstmals die Kontakte von Johannes Dürr zu Dr. S. öffentlich. Informationen, die auch Markus Gandler hatte, wie dieser jüngst in der Sendung „Sport und Talk“ auf Servus TV einräumte. Athleten und Trainer zu informieren, hielt er aber offenbar nicht für notwendig. …

Verbrieft ist, dass Walter Mayer (ÖSV-Trainer, Turin und Humanplasma-Affaire) (Mitte der Nuller-Jahre Kontakt zum damaligen Radteam Gerolsteiner und dessen Teamarzt hatte. Und weiters, dass vier Langlauf-Betreuer aus der Ära Mayer auch noch Dürrs Aufstieg mitbegleiteten. Einer dürfte wohl für den EPO-Einnahmeplan verantwortlich zeichnen, den der Niederösterreicher als Beweisstück in der Schublade hat. Und einer womöglich für das Bereitstellen der Telefonnummer von Dr. S..

Johannes Dürr scheint seine früheren Andeutungen, der Verband habe etwas gewusst, in späteren Vernehmungen präzisiert und speziell Markus Gandler der Mitwisserschaft beschuldigt zu haben. (FAZ: Kronzeuge belastet Renndirektor)

Um Markus Gandler, der 16 Jahren das Amt des Sportdirektors im ÖSV begleitete, und zuvor erfolgreicher Skilangläufer war, ranken sich einige Gerüchte.

1997/98 etwa schien die Olympiasaison des Markus Gandler bereits den Bach hinunterzugehen. Mitte Dezember belegte er in Val die Fiemme Rang 72 über 10 km klassisch, 2:13 Minuten hinter Sieger Björn Daehlie. 58 Tage später holte er in Hakuba über die gleiche Distanz Olympiasilber, nur acht Sekunden hinter dem Norweger. Dabei hatte der Kitzbühler in diesen knapp zwei Monaten drei Wochen wegen einer eitrigen Nebenhöhlenentzündung pausieren müssen. Es bleibt eine der denkwürdigsten Leistungen der österreichischen Sportgeschichte. Vielleicht auch eine der merkwürdigsten.

Seine Erfolgsquote als Sportdirektor kann ebenfalls nachdenklich machen.

Fünf Mal waren Ebner, Bader und Hirner in die Top 30 eines Weltcuprennens vorgestoßen. Nicht jeweils, alle zusammen. Applaus haben sie dennoch verdient: Sie sind vor ein paar Jahren abgetreten, ohne jemals wegen eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Richtlinien sanktioniert worden zu sein.

Damit zählen Ebner, Bader und Hirner in der 16 Jahre währenden Ära von Sportdirektor Markus Gandler zur Minderheit. Ebenso wie Bernhard Tritscher, der einzige wirklich namhaftere Athlet unter den acht Unbescholtenen. Die absolute Mehrheit derer, die seit der Saison 2003/04 Weltcuppunkte sammelten, fasste hingegen Sperren zwischen zwei und vier Jahren aus oder wurde wegen falscher Zeugenaussage verurteilt (10 von 18 Athleten, somit 55,6 %). Bei den Spitzenleistungen wird die Schieflage noch deutlicher. 29 von 36 Top Ten-Platzierungen und alle zwölf Podiumsplätze gingen auf das Konto der Schummelfraktion, der unter anderem Olympiasieger Christian Hoffmann, Johannes Dürr sowie mutmaßlich die beiden in Seefeld festgenommenen Dominik Baldauf und Max Hauke angehörten.

Johannes Dürr war mit der Tochter Gottlieb Taschlers verheiratet, sie haben ein gemeinsames Kind. Gottfried Taschler, langjähriger Organisator des Biathlon Weltcups in Antholz, und sein Sohn Daniel Taschler haben im Biathlon Dopingspuren hinterlassen, aber insbesondere Vater Gottlieb besitzt wohl immer noch großen Einfluss. Vater und Sohn standen mindestens seit 2010/2011 mit Dopingarzt Michele Ferrari in Kontakt. Die Staatsanwaltschaft Padua ermittelte. Johannes Dürr trat als Zeuge auf, sein Schwiegervater soll ihm EPO-Mimetika über Ferrari beschafft haben. Gottlieb Taschler, Daniel Taschler und Michele Ferrari wurden 2016 und in der Berufung 2017 zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Allerdings wurden Urteile wegen eines Formfehlers bei einem Lauschangriff annuliert, so dass die drei frei gesprochen wurden.

Mark Schmidt war während seiner Zeit als Teamarzt bei Radsportteam Gerolsteiner bereits des Dopings beschuldigt worden und stand bereits vor Gericht. Leitender Teamarzt war Ernst Jakob, Chefarzt der Sportklinik Hellersen, bei der Schmidt fest angestellt war. Ernst Jakob war ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt in Sachen Doping. Schmidt hatte Kontakte zu Bernhard Kohl und Stefan Matschiner, der eine maßgebliche Rolle spielte in der Humanplasma-Affaire und der ebenfalls wie Kohl umfangreich geständig war. Wie Matschiner jetzt zugab, hat Mark Schmidt das Equipment, Zentrifuge und Spezialkühlschrank, für Bluttransfusionen von ihm übernommen.

Mark Schmidts Vater Ansgar Schmidt ist eng verwoben mit der Sportverbandsszene Thüringens. Die Praxis der Schmidts war viele Jahre „Sportmedizinische Untersuchungsstelle“ des Landessportbunds Thüringen (LSB). Zurück geht dies auf Ansgar Schmidt, der Vorstandsmitglied der Thüringer Sporthilfe, Rechtswart im Thüringer Skiverband sowie viele Jahre Vorsitzender des Schiedsgerichtes im LSB war und 2007 den Ehrenbrief des Freistaats Thüringen erhalten hatte. Er gründete gemeinsam mit Heinz-Jochen Spilker in Erfurt die Anwaltskanzlei Spilker & Collegen, für die er bis Ende 2018 arbeitete. Spilker hat eine Dopingvergangenheit als westdeutscher Trainer, das ‚Hammer-Modell‘ ist eng mit seinem Namen verknüpft. Im Februar 1994 wurde er zu 12 000 DM wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verurteilt. Nach der Wende ging er nach Thüringen und war seit 1991 Mitglied im Präsidium des LSB Thüringen und von 1997 bis 2012 dessen Vize-Präsident Recht. (>>> das ‚Hammer-Modell‘ – Trainer Heinz-Jochen Spilker und Hans-Jörg Kinzel)

Die Kanzlei Spilker war auch eingebunden in die Verteidigung von Arzt Andreas Franke, der eine zentrale Rolle in der Eigenblut-Affaire am Olympia-Stützpunkt Erfurt 2011/2012 spielte: doping-archiv.de: UV-Eigenblutbehandlungen am OSP Erfurt)

Äußerungen Funktionäre – die Ahnungslosen

Arystanbek Mukhamediuly, kasachischer Sportminister:

Der kasachische Regierung eilte Skilangläufer Alexei Poltoranin zu Hilfe: „According to the Tengri news website, Culture and Sports Minister Arystanbek Mukhamediuly says “thankfully Poltoranin did not dope, but he went to the doctor in Germany and gave blood.”
Mukhamediuly says “we are taking measures to soften the punishment and not leave him on his own.” (AP, 12.3.2019)

Markus Gandler (der sportliche Leiter für Langlauf und Biathlon des ÖSV):

[Er] verstand die Welt nicht mehr. In der ORF-Sendung „Im Zentrum“ schüttelte er den Kopf, als ihm der Journalist und Dopingexperte Hajo Seppelt Vorwurf um Vorwurf entgegenschleuderte. „Ihre Recherchen gehören nicht ins öffentlich-rechtliche Fernsehen, sondern ins Bundeskriminalamt“, zürnte er. „Es gehört aufgezeigt, wo die Probleme sind, aber nicht wie jetzt seit zehn Tagen mit Schlagzeilen. Ist das gut für den Sport?“ Seppelt entgegnete: „Ist es meine Aufgabe Dinge zu machen, die gut für den Sport sind?“ „Ja, irgendwo sage ich schon“, konterte Gandler. (orf.at, 10.3.2019, profil.at, 12.3.2019, 12.3.2019)

Peter Schröcksnagel, ÖSV-Präsident:

„Laut den Ermittlungen der Behörden gibt es keinen Hinweis darauf, dass Betreuer des ÖSV in diesen Dopingfall involviert sind. Unabhängig davon werde ich dem Präsidium vorschlagen, nach dieser Saison den Langlaufsport im ÖSV völlig neu zu organisieren“.
Der ÖSV garantiert, alles in seiner Macht Stehende gegen Doping zu unternehmen. „Wir können aber nicht für jeden Einzelnen garantieren, dass er sich an die strengen Bestimmungen hält. Die Verantwortung trägt jeder einzelne Athlet selbst, die Folgen auch. Klar ist, wer dopt, wird unverzüglich aus dem ÖSV ausgeschlossen. Die juristischen Konsequenzen werden die Behörden ziehen“, so Schröcksnadel. (ÖSV, 27.3.2019)

Peter Schröcksnagel, ÖSV-Präsident:

KURIER: Sie haben eine Nacht darüber schlafen können. Wie bewerten Sie den Vorfall?
Peter Schröcksnadel: Mein Ärger hat sich natürlich nicht gelegt. Aber ich will mir die WM durch solche Aktionen auch nicht verderben lassen. Aber ich frage mich schon auch, was für Dimensionen das Ganze hat.

Haben Sie eine Antwort?
Da steckt offenbar wirklich eine riesige Organisation dahinter, die ein großes Geschäft macht. Das ähnelt ja fast schon dem Drogenhandel. Das ist für mich das eigentlich Schockierende: Dass da hochprofessionelle Systeme dahinter stehen und dass auch länderübergreifend agiert wird. Wobei ich schon eines festhalten möchte … …
Die Zentrale ist schon in Deutschland, aber auf die Österreicher wird jetzt hingehaut. Die WM in Seefeld ist ja auch ein guter Aufhänger. Aber die Gauner sitzen schon woanders.

ie können nicht sagen, dass der ÖSV unbeteiligt wäre.
Ja,wir haben Betroffene, und das wollen wir auch gar nicht wegleugnen. Ein Sportler darf das weder akzeptieren, tolerieren noch annehmen. Aber es gibt bei uns keine Doping-Zentrale. Die ist, wie man sehen kann, im Ausland.

Welchen Vorwurf muss sich der ÖSV gefallen lassen?
Was sollen wir noch tun? Wir haben die Leute seit Dezember intern sechs Mal getestet. Dass einer so unverfroren ist, dann in der Früh vor dem Wettkampf was zu nehmen, da machen wir uns keinen Vorwurf. Da kann auch der Markus Gandler wirklich nichts dafür. (kurier.at, 1.3.2019)

Stefan Hügel, Präsident LSB Thüringen:

„Total bitter und enttäuschend“ – so die entsetzte Reaktion von Prof. Dr. Stefan Hügel, Präsident des Landessportbundes Thüringen zu der aktuellen Dopingaffäre und die Rolle des Erfurter Mediziners Mark Schmidt. „Es ist einfach unfassbar und eine Katastrophe auch für den Thüringer Sport. Der Landessportbund setzt alles daran, die lückenlose Aufklärung zu unterstützen“. Dem oftmals ehrenamtlich getragenen Sport wurde extrem geschadet.
Jetzt müssen wir handeln, um diesen Schaden für das Sportland Thüringen zu begrenzen und zugleich unsere konsequente Haltung im Antidoping-Kampf auch weiterhin umzusetzen.
Dazu gehört auch der sofortige Entzug der Lizenz als „Sportmedizinische Untersuchungsstelle“ in Thüringen für die Arztpraxis Dr. med. Heidrun und Mark Schmidt in Erfurt. Diesen Beschluss hat das LSB-Präsidium mit sofortiger Wirkung getroffen. Bis zum Jahresende 2018 war diese Lizenz auf die Arztpraxis Dr. med. Heidrun Schmidt ausgestellt. Lizenziert werden Arztpraxen, keine Ärzte. … „Wir haben an dieser Stelle nicht tiefgründig genug die bestehenden Dopingbelastungen im Prozess um die Anerkennung der Lizenzfortschreibung als sportmedizinische Untersuchungsstelle bewertet. Dies war falsch und wir müssen und wollen jetzt die Konsequenzen schnellstmöglich tragen und limitieren.“ (LSB Thüringen, 28.3.2019)

Österreichische Radsportverband (ÖRV):

Der Österreichische Radsport-Verband, seine Funktionäre, Mitarbeiter und Trainer verurteilen das Vorgehen der betroffenen Radsportler unmissverständlich. Der ÖRV distanziert sich von jeder betrügerischen Methode der Leistungssteigerung und steht nach wie vor zu seiner „Null Toleranz“-Haltung. … Der ÖRV, seine MitarbeiterInnen, Funktionäre und Trainer werden auch in Zukunft eindeutig und konsequent die „Null Toleranz“-Haltung verfolgen und umsetzen, sind aber gegen kriminelle Absichten im persönlichen Umfeld des Sportlers nicht geschützt. (ÖEV, 4.3.2019)

Monika, Stand Mai 2023