Team Telekom/T-Mobile und Doping: Hier geht es zu den Jahren:
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2006 das Team T-Mobile und Doping – Schein und Sein
Bernhard Kohl, der 2005 zu T-Mobile kam, hat gestanden bis Juli 2008 gedopt zu haben. Er hatte schon zuvor, ab dem Alter von 19 Jahren nachgeholfen, doch 2005 begann er mit Hilfe von Stafan Matchiner eine ‚professionelles‘ Programm mit EPO, Wachstumshormonen, Testosteron, Blutdoping und Insulin. Im Team T-Mobile sei ihm Doping aber nur angedeutet worden:
„Bernhard Kohl kam 2005 zum Team T-Mobile und führte 2006 nach einem dritten Platz bei der Dauphiné Vertragsverhandlungen mit mehreren Rennställen. In dieser Situation bot ihm dann der Teamarzt Dr. Heinrich ein „Gespräch über die Zukunft“ im Universitätsklinikum Freiburg an, ein Angebot, das der Zeuge als äußerst merkwürdig empfand und als ersten Schritt in die Einbeziehung in Dopingpraktiken interpretierte. Das Gespräch fand nicht statt. Bernhard Kohl wurde nicht für die Tour de France 2006 nominiert, weil dafür nur Rennfahrer in Betracht kamen, „um die sich zuvor schon die Mannschaftsärzte Dr. Heinrich und Professor Schmid intensiv gekümmert hatten“. Daraufhin wechselte Bernhard Kohl im Folgejahr den Rennstall.“ (S. 21)
Die ärztliche Betreuung des Teams lag weiterhin vor allem in den Händen der beiden Freiburger Ärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich.
So gilt wie die Jahre zuvor auch für 2004, was im Abschlussbericht der Expertenkommission zur Freiburger Sportmedizin festgehalten wurde: Das teaminterne Dopingsystem bei Team Telekom/Team T-Mobile sei auch nach 2000 bzw. 2002 ständig verfeinert worden. Demnach haben beide Ärzte EPO, Cortisonpräparate und Wachstumshormone verabreicht, die beiden mindestens von 2004 bis 2006 einen ’nicht unerheblichen‘ finanziellen Profit einbrachte. Ab 2004 sorgten die Ärzte dafür, dass Fahrer des Teams die ab 2004 erforderliche Ausnahmegenehmigung für Cortisonpräparate erhielten.
Hinweise auf Dopingmanipulationen ergaben sich auch aus einer Langzeitanalyse von 58 800 Blutproben, die das Zentrallabor des Universitätsklinikums Freiburg im Auftrag der Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin in der Zeit von 1995 bis 2007 erstellt hatte. Daraus ergaben sich Hinweise ‚in Verbindung mit weiteren Erkenntnisquellen der Kommission auf Doping mit EPO-Präparaten oder Blutdoping bis einschließlich 2006‘.
Eigenbluttransfusionen wurden nachweislich 2006 vorgenommen.
„Dr. Heinrich hat im Januar 2006 dem Radrennfahrer Patrik Sinkewitz in Freiburg in seinem Arbeitszimmer im Universitätsklinikum erstmals einen halben Liter Blut entnommen. In etwa monatlichen Abständen erfolgten weitere Blutentnahmen und Rückinfusionen des zuvor abgenommenen Blutes. Ebenfalls in seinem Arbeitszimmer im Universitätsklinikum hat Professor Schmid am Sonntag, dem 2. Juli 2006, den drei Radrennfahrern Patrik Sinkewitz, Matthias Kessler und Andreas Klöden jeweils ihr Eigenblut reinfundiert. Bei Patrik Sinkewitz wurde die Bluttransfusion zweimal abgebrochen, weil das Blut in zwei verwendeten Blutbeuteln geklumpt hatte. Ohne jegliche weitere Überwachung ließ Professor Schmid Patrik Sinkewitz mit den beiden anderen Radrennfahrern nach Straßburg zurückfahren, wo am nächsten Tag die Tour de France fortgesetzt wurde. Die Vorgehensweise des Arztes ist ein grober Verstoß gegen seine ärztlichen Pflichten und entspricht in keiner Weise den nach dem Transfusionsgesetz erforderlichen Maßnahmen bei derartigen Transfusionszwischenfällen. Damit nahm Professor Schmid billigend in Kauf, dass der Radrennfahrer dem Risiko schwerster Komplikationen in Form eines septischen Schocks oder einer Lungenembolie mit tödlichem Ausgang ausgesetzt wurde. (Abschlussbericht S. 6)
Genauere Angaben zu den vorgenommenen Eigenbluttransfusionen bei Sinkewitz sind auf den Seiten 29f des Abschlussberichtes zu finden. Aufgrund der Aussagen Sinkewitz begann die Staatsanwaltschaft Bonn zu ermitteln. Das Verfahren wurde 2009 gegen Zahlung eines Geldbetrages an gemeinnützige Einrichtungen eingestellt (dpa, 6.11.2009)
Keinen Zweifel daran, dass Klöden und Keßler 2006 Eigenbluttransfusionen vorgenommen haben, lässt die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg aufkommen:
„Auch wenn der Zeuge Sinkewitz seine Aussagen zur Anwesenheit der Fahrer Klöden und Kessler später relativiert hat, ist insbesondere nach der glaubhaften Aussage der unbeteiligten Zeugin Jost belegt, dass neben Sinkewitz auch Klöden und Kessler von Frau Jost aus dem Mannschaftsquartier des Teams T-Mobile in der Nähe von Straßburg nach Freiburg gefahren worden und dort behandelt worden sind.“ (S.11ff)
Und es gilt, was die Staatsanwaltschaft Freiburg weiter festhielt:
„Konkret bestanden bei Einleitung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht, dass beide Beschuldigte die Radrennfahrer Jan Ullrich und Steffen Wesemann in den Jahren 2002 bis 2006, … mit jeweils einer EPO-Kur pro Jahr versorgt haben.“ (Staatsanwaltschaft Freiburg, Verfügung betreff Ärzte Schmid, Heinrich)
So hatte Prof. Baumann in seinem Gutachten über die Blutwerte von 31 Radfahrern festgehalten, dass bei Jan Ullrich
„erhebliche Unterschiede in der Anzahl der Retikulozyten“ festzustellen waren. „So sei eine Schwankung zwischen 0,3 Prozent im Januar 2006 und 3,5 Prozent im Juni des gleichen Jahres „zumindest ungewöhnlich“. (ARD, 5.10.2009, interpool.tv, das Gutachten )
Staatsanwalt Friedrich Apostel stellte 2008 nach der Einstellung eines Verfahrens fest: „“Unsere Ermittlungen über 21 Monate haben ergeben: Ullrich hat gedopt“. (SZ, 14.4.2008, s.a. der Spiegel, 19.10.2009)
Laut CAS-Urteil gibt es Hinweise auf eine Zusammenarbeit Jan Ullrichs mit Dr. Eufemiano Fuentes ab 2004 und womöglich noch früher. Sicher ist die Kooperation ab Frühjahr 2005:
„The evidence presented by the UCI shows that Ullrich’s intensive involvement with Dr. Fuentes’ doping program goes back to at least 2004, and likely substantially earlier. Although the date at which Ullrich’s doping cannot be determined, there is clear evidence Ullrich was fully engaged with Dr. Fuentes’ doping program by the spring of 2005. …
Ullrich’s bank statements that show a payment to Dr. Fuentes in 2004 in the amount of €25,003.20, and a second payment in 2006 to a numbered Swiss HSBC bank account in the amount of €55,000 which HSBC has confirmed was also associated with Dr. Fuentes during that time period.
… Ullrich is alleged to have provided blood on May 25, 2005; June 8, 2005; December 22, 2005; February 21, 2005; May 1, 2006; and June 20, 2006.“ (CAS-Urteil, 9.2.2012)
Misstrauisch ließ die Kommission der hohe Ärztebedarf an Medikamenten, der im Jahr 2006 abgerechnet wurde, werden. Dabei geriet die Rathaus Apotheke Elzach in Verdacht.
„Diese Medikamentenlieferungen sind in den Jahren 2005 und 2006 auch von der Olaf Ludwig Cycling GmbH (OlC) bezahlt worden. Daneben haben die Fahrer allerdings zusätzlich selbst Dopingmittel direkt über die behandelnden Ärzte bezogen und bei diesen bezahlt. Im Zuge der Ermittlungen ist es wegen dieses undurchsichtigen Systems nicht gelungen, die Liefer- und Anwendungskette von der Rathaus-Apotheke in Elzach über Prof. Dr. Schmid und Dr. Heinrich bis hin zu einzelnen Sportlern konkret hinreichend sicher nachzuvollziehen.“
Jan Ullrich wurde am 30. Juni 2006 zusammen mit Teamkollege Oscar Sevilla und Rudy Pevenage von der Tour de France ausgeschlossen und vom Team suspendiert. Am 21.6. wurde Ullrich entlassen. Rudy Pevenage meinte am 8.7.2010 auf die Frage, warum sie aufflogen und andere nicht:
„Warum wurden Sie gefasst und die anderen nicht?
Weil ich eines Tages einen Fehler beging. … Normalerweise benutzte ich für die Telefonate mit Fuentes eine Prepaid-Karte mit unbekannter Nummer. Aber während des Giros 2006 wollte ich anrufen um ihm den Etappensieg Jans mitzuteilen, nur hatte ich kein Guthaben mehr auf der Karte. So benutzte ich mein persönliches Handy. Ich wusste nicht, dass die spanischen Ermittler Fuentes abhörten. Mein Gespräch mit Fuentes hatte damals nichts Persönliches, doch meine Nummer wurde identifiziert. … Hätte ich wie viele meiner Kollegen, das vertraulichere Nachrichtensystem von Blackberry genutzt, wäre ich unerkannt geblieben.“ (Geständnis Rudy Pevenage)
Jan Ullrich erklärte am 9.2.20012 nach dem CAS-Urteil:
„Ich bestätige, dass ich Kontakt zu Fuentes hatte. Ich weiß, dass das ein großer Fehler war, den ich sehr bereue. Für dieses Verhalten möchte ich mich aufrichtig bei allen entschuldigen – es tut mir sehr leid. Rückblickend würde ich in einigen Situationen während meiner Karriere anders handeln.
Ich wollte für die Tour 2006 nochmal alles rausholen. Nach meinem Toursieg 1997 und fünf zweiten Plätzen war der Druck der Öffentlichkeit, der Sponsoren und auch mein Eigendruck immens groß. Alle wollten einen zweiten Toursieg, besonders nach dem Rücktritt von Lance Armstrong.“
Im Juni 2013 gibt Ullrich gegenüber dem Magazin Focus präziser zu, Fuentes Dienste in Anspruch genommen und mit Eigenblutdoping, aber nur mit damit, gedopt zu haben (focus, 22.6.2013).
Auch Linus Gerdemann zeigte laut oben genanntem Gutachten 2006 auffällige Werte:
„So würden sich bei ihm Hämoglobinschwankungen zwischen 17,2 g % und 14,2 g % im Zeitraum von Januar bis Mai 2006 finden. Dies gehe „deutlich über die zu erwartenden Schwankungen hinaus“, schließt das Blutgutachten von Professors Braumann.“
2023 ging Jan Ullrich an die Öffentlichkeit und gesteht ab 1996 mit EPO und Bluttransfusionen gedopt zu haben:
FAZ: Entkommt Jan Ullrich seinen Dämonen?, 2.12.2023
Meldungen und Diskussionen 2006
Das beherrschende Dopingthema ab Februar des Jahres 2006 waren die Vorgänge rund um die österreichischen Langläufer und Biathleten während und nach den Olympischen Spielen in Turin. Die Turiner Staatsanwaltschaft hatte in den Unterkünften der Sportler eine Razzia durchführen lassen und Utensilien für Blutdoping sicher gestellt.
Auch die deutsche Langläufer Evi Sachenbacher-Stehle und Jens Filbrich sorgten für Aufregung durch erhöhte Blutwerte, aufgrund derer eine Schutzsperre verordnet wurde.
Justin Gatlin und Marion Jones wurden positiv getestet, Doping im Fußball war Diskussionsthema und von den Verbandsoberen für vernachlässigbar erklärt, der Triathlon hatte ebenfalls Dopingprobleme, Thomas Springstein erhielt eine Strafe wegen Dopings einer Minderjährigen und geriet in den Verdacht mit Gendoping experimentieren zu wollen. Die UCI musste sich Vorwürfen erwehren, Lance Armstrong geschützt zu haben und weiter zu schützen und Tyler Hamilton gestand. In Hamburg geriet Arzt Tilman Steinmeier mit Doping von Radsportlern in Verdacht und auch der Rennstall Phonak kam aus den Dopingschlagzeilen nicht heraus.
Im Mai 2006 wurde der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) gegründet, nicht ohne dass er sich mitten in einer Dopingdiskussion befand. Heftig wurde in Deutschland während des gesamten Jahres um ein Antidopinggesetz gestritten mit dem Ergebnis, dass wenig geschah.
DDR-Dopingopfer mussten weiter um eine Entschädigung kämpfen, erreichten aber immerhin, dass 180 Geschädigte im November nach Verhandlungen mit dem DOSB 9.250 Euro pro Person zugesprochen wurden. Die Diskussion um die Anulierung von Rekorden/Ergebnissen, die mit Doping erreicht worden waren, verlief dagegen im Sande.
Alles das wurde aber durch die Vorfälle rund um die Operacion puerto und den späteren Dopingfall des Toursiegers Landis in den Schatten gestellt. Insbesondere aus deutscher Sicht war es durch den Ausschluss Jan Ullrichs am Vorabend des Prologs der Tour de France zum Supergau für den Radsport gekommen. Die Berichterstattung in den diversen Medien ist kaum zu überblicken, ähnelt sich auch häufig. Die einen fielen aus allen Wolken, andere hatten es schon immer gewusst, wieder andere wollten es nicht glauben und hofften weiter, dass sich alles in Wohlgefallen auflösen werde.
Tour de France 2006
Die ersten Meldungen über das heraufziehende Unwetter kamen im Mai 2006, als während des Giro d’Italia bekannt wurde, dass Manolo Saiz, Teamchef des spanischen Rennstall Liberty Seguros, Arzt Eufemiano Fuentes sowie weitere Personen von der Guardia Civil verhaftet worden waren. Zwei Tage später stieg Jan Ullrich aus dem Rennen aus, angeblich um sich anderweitig besser auf die Tour de France vorbereiten zu können und nicht, wie er und sein Team betonten, wegen der Gerüchte, die Ullrich bereits in Verbindung mit Fuentes gebracht hatten und auch dessen Zusammenarbeit mit Cecchini wieder hervorhoben. Ullrich erklärte auf der T-Mobile-Homepage:
„Ich habe nie mit Fuentes zusammengearbeitet“.(der Spiegel, 26.5.2006, Berliner Zeitung, 27.5.2006).
Ullrichs Teamkollege Oscar Sevilla musste jedoch schnell eine Verbindung zu Fuentes und Ignacio Labarta, Teamchef von Comunitat Valenciana, zugeben.
Kurz vor Tour-Beginn berichteten spanische Medien von sicher gestellten Blutbeuteln, die in Verbindung mit Ullrich stünden.
„Die Lage ist ernst, denn die Vorwürfe sind sehr ernst“, sagte T-Mobile-Teamsprecher Christian Frommert. … „Wir sehen uns seit Wochen mit Vermutungen konfrontiert“, sagte Teamsprecher Frommert. „Nach der neuen Entwicklung versuchen wir mit allem Nachdruck an Fakten zu kommen, denn allein darauf können wir reagieren.“ Man werde es nicht an der sofortigen Konsequenz fehlen lassen, falls sich herausstellen sollte, dass ein Teammitglied „eine Erklärung abgegeben hat, die nicht der Wahrheit entspricht.“ (der Spiegel, 26.6.2006)
Am 30.6. waren die Suspendierungen von Ullrich und Sevilla durch das Team T-Mobile perfekt, nachdem die beiden mit Rudy Pevenage und anderen Fahrern wie Ivan Basso von der Tour ausgeschlossen worden waren.
„»Als wir heute morgen ein Fax des Tour-Veranstalters ASO mit den Namen der Fahrer, gegen den die spanische Polizei ermittelt, erhalten hatten, mussten wir reagieren. Die neuen Erkenntnisse reichen aus. Wir haben begründete Zweifel an deren Beteuerungen, mit der Affäre nichts zu tun zu haben“, erklärte Christian Frommert, der Kommunikations-Leiter von T-Mobile.
Selbstverständlich hätten Ullrich, Sevilla und Pevenage die Möglichkeit, ihre Unschuld zu beweisen. Jan Ullrich könnte seine Unschuld durch eine DNA-Analyse beweisen. …
Jens Voigt (Berlin) reagierte am Donnerstag in Straßburg, kurz bevor bekannt wurde, dass auch sein Kapitän Ivan Basso verwickelt sei, heftig: »Zieht sie raus und werft sie auf den Scheiterhaufen. Anscheinend ist das eine größere Geschichte als der Festina-Skandal von 1998. Ich hätte nicht geglaubt, dass so eine große Sache jahrelang illegal funktioniert. Da kann was Schlimmes auf uns zukommen.« Erik Zabel hatte am Vortag von einem drohenden Flächenbrand gesprochen, der nicht mehr zu löschen sei.
»Ich glaube, Jan wollte nach einem möglichen Toursieg seine Karriere sowieso beenden. Jetzt muss er es eben drei Wochen früher tun«, sagte seine ehemaliger Team-Kollege und Eurosport-Kommentator Jens Heppner, der 1997 mithalf, Ullrich zum Toursieger zu machen. Zur selben Zeit fuhr auch Rolf Aldag an Ullrichs Seite. »Das ist jetzt natürlich ganz hart, aber vielleicht auch eine Chance für den Radsport, richtig aufzuräumen. Wenn man fünf Millionen verdient, ist die Neigung vielleicht größer, große Risiken auch für die eigene Gesundheit einzugehen. Ich glaube, dass der Radsport jetzt größere Lehren aus dieser Affäre zieht, als er es 1998 nach dem Tour-Skandal tat«, sagte Aldag, der für das ZDF kommentiert.“
Berliner Zeitung, 1.7.2006:
„Was ich da aus Straßburg höre, ist eine Katastrophe für den gesamten Radsport. Ich will dazu nur so viel sagen – seit 2002 existiert der Namen Rudy Pevenage für mich nicht mehr. Ich habe den Namen aus meiner Gedankenwelt gestrichen. Für mich besteht kein Grund, den Namen wieder in dem Mund zu nehmen.“ Walter Godefroot, früherer Teamchef T-Mobile. …
„Alle großen Klassement-Fahrer scheinen betroffen zu sein. Wenn die alle sauber wären, wäre die Reihenfolge im Ziel in Paris wohl dieselbe, nur die Zeit im Ziel wäre etwas langsamer. Die Tour ist sicherlich angeschlagen.“ Marcel Wüst, ehemaliger Radprofi.
Das T-Mobile Team wurde nun von der Presse etwas genauer unter die Lupe genommen. Als verdächtig notiert wurde die Zusammenarbeit der Fahrer Patrik Sinkewitz, Michael Rogers und Eddy Mazzoleni mit Arzt Michele Ferrari und Linus Gerdemann mit Cecchini. Alle betonten lediglich trainingsmethodisch von den italienischen Ärzten betreut zu werden, die medizinische läge in Händen der Universitätskinik Freiburg (Berliner Zeitung, 4.7.2006). Rogers hatte bereits im Mai seine Zusammenarbeit mit Ferrari auf Druck der Team-Leitung aufgeben müssen.
Die Freiburger Ärzte scheinen gute Arbeit geleistet zu haben als Klöden, Kessler und Sinkewitz am 2. Juli zu Bluttransfusionen nach Freiburg fuhren wie Ende 2007, Anfang 2008 bekannt wurde. Matthias Keßler gewann die dritte Etappe vor seinem Teamkollegen Michael Rogers und bescherte dem geplagten Team bitter nötige Streicheleinheiten. Denn nun war auch noch bekannt geworden, dass sich der 2006 bei T-Mobile fahrende Jörg Ludewig 1998 nach Dopingmitteln erkundigt hatte (der Spiegel, 5.7.2006).
Olaf Ludwig gab sich in einem Interview hilflos:
„Im Moment steht das Rennen im Vordergrund. Danach werden wir uns mit den Fahrern zusammensetzen und über alles reden.
Auch mit den T-Mobile-Fahrern Patrik Sinkewitz, Michael Rogers und Eddy Mazzoleni wollen Sie sich nach der Tour unterhalten. Diese haben Sie eingestellt, obwohl die drei Michele Ferrari als ihren Trainer angegeben haben: einen italienischen Arzt, von dem der Satz überliefert ist: „Doping ist nur, was nicht auffällt.“
Das ist natürlich problematisch. Mein Wissensstand ist, dass er nicht verurteilt wurde. Er ist in erster Instanz wegen Sportbetrugs und Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt und im Berufungsverfahren nur wegen Verjährung freigesprochen worden. Ein Freispruch zweiter Klasse also. Es ist problematisch, ja, und wir werden uns darüber unterhalten müssen.
T-Mobile hat jetzt angekündigt, konsequent gegen Doping im Team vorzugehen. Warum erst jetzt?
Man kann nur offen mit dem Thema Doping umgehen, und ich kann nicht finden, dass wir das bisher nicht getan haben. Bislang kann man von einem doping-freien Sport zunächst nur träumen. Aber es gibt viel, das man dafür tun kann.
Was tun Sie?
Es gibt da keinen Masterplan. Man muss rechtlich prüfen, ob es möglich ist, eine Schwarze Liste aufzustellen, auf der steht, mit wem ein Fahrer zusammenarbeiten darf und mit wem nicht. Aber es ist auf der anderen Seite auch nicht so, dass wir bei einem möglichen Kandidaten für unser Team sagen: Der sieht gut aus, der fährt gut, den verpflichten wir. Wir lassen uns zum Beispiel die Blutwerte des Fahrers geben. Wir prüfen natürlich genau, wen wir einstellen.
Wie weit sind Sie bereit, im Kampf gegen Doping zu gehen?
Ich kann nicht jeden suspendieren, nur weil gegen ihn vage Vorwürfe im Raum stehen. Man muss zu den Leuten Vertrauen haben. Ich kann sie schließlich nicht bis ins Letzte kontrollieren. Und nur Dokumente geben mir keine Sicherheit. Im Fall von Jan Ullrich, Oscar Sevilla und Rudy Pevenage hatte ich auch Unterschriften unter einem Dokument, das besagte, dass sie nichts mit dem spanischen Arzt Eufemiano Fuentes (mutmaßlicher Hintermann eines Dopingrings, d. Red.) zu tun hatten. Und was kann ich jetzt tun? Jeder wird versuchen, sich rechtlich so lange gegen die Suspendierung zu wehren, wie es geht.“ (Berliner Zeitung, 6.7.2006)
Es gab einige Stimmen in der die Tour und den Skandal begleitenden Presse, die den Radsport generell unter Dopingverdacht stellten und nicht daran glaubten, mit dem erfolgten Ausschluss der Topfahrer sei das Problem gelöst, andere weckten umgehend Hoffnungen und sahen Licht am Horizont. Der Gewinn des Zeitfahrens, 7. Etappe, durch T-Mobile-Fahrer Sergej Gontschar und Andreas Klödens 6. Rang, sowie das Auftrumpfen von Fahrern, die in den vergangenen Jahren hinter Armstrong und Ullrich zurück stehen mussten, wurde bereits als neue Ära des Radsports gepriesen.
„Gontschar, Klöden, Landis, Savoldelli, Hincapie. Dass es diese Namen sind, über die man nach dem ersten Einzelzeitfahren spricht, verdeutlicht die wichtigste Erkenntnis dieses Tages: Am 8. Juli 2006 hat nach dem Flachlandgeplänkel der ersten Woche nicht nur die diesjährige Tour richtig begonnen, sondern es ist eine neue Ära im Radsport angebrochen. … Ullrich, Armstrong? Zwei Namen, die bei dieser Tour de France nur noch in Verbindung mit den Worten „wäre“ und „gewesen“ vorkommen. Sie sind Vergangenheit. Vielleicht ist es angesichts der geballten Verdachtsmomente gegen beide besser so. Ihren Mannschaften geht es ohne die einstigen Superstars zumindest bestens.
Insbesondere T-Mobile hat den Doping-Schock des vergangenen Freitags offenbar als heilsamen Schreck gedeutet und schaffte beim Zeitfahren das Kunststück, gleich drei Fahrer unter den ersten vier zu platzieren. In der Teamwertung liegen die Bonner überlegen an der Spitze.“ (der Spiegel, 8.7.2006)
Die Tour de France 2006 erlebte allerdings Ende Juli ein weiteres Desaster. Sieger Floyd Landis wurde des Testosterondopings überführt.
„»Die Enttarnung von Landis offenbart noch einmal eine dumme, dreiste und betrügerische Energie, die im Radsport und gesamten Sport konsequent bekämpft werden muss und wird», sagte Rudolf Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR). »Der Toursieg ist ebenso abzuerkennen, wie es den Veranstaltern hoffentlich gelingt, alle gezahlten Preisgelder dem legitimen Ersten, Oscar Pereiro, und dem legitimen Zweiten, Andreas Klöden, zu honorieren«, fügte er hinzu. Holczer regte an: »Vielleicht sollten wir den gesamten Profi-Radsport sechs Wochen stoppen und nach dem nächsten Dopingfall wieder sechs Wochen. Es ist völlig unverständlich, warum solche Leute den Profiradsport jetzt völlig kaputt machen.« (die Zeit 31,7,2006)
Klöden, der bei einer Disqualifikation des Amerikaners auf Platz zwei im Gesamtklassement vorrücken würde, sagte: „Wenn die B-Probe das Resultat bestätigt, fühle ich mich betrogen.“ … „Die Zeit der Schonfrist ist vorbei. So kann es nicht weitergehen. Es muß viel passieren“, sagte sein früherer Team-Kollege Zabel. Der Sprinter forderte die Tour-Organisatoren auf, bei den Anforderungen mehr an die Sportler zu denken, „die nur mit Wasser und Brot“ fahren: „Man muß nicht drei schwere Alpen-Etappen in Folge ins Programm nehmen. Der Sieger muß auch nicht 41 Kilometer pro Stunde im Schnitt fahren. 39 reichen auch.“ (FAZ, 29.7.2006)
Kehrtwende von ARD und ZDF
ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender zeigte sich über die Dopingvernetzungen entrüstet
– „Wir haben einen Fernsehvertrag über eine Sportveranstaltung und nicht über eine Pharma-Leistungsschau abgeschlossen“ -, forderte von Seiten der Sportverantwotlichen überzeugende Maßnahmen und schloss das Ende der Übertragungen nicht aus. (der Spiegel, 27.7.2006)
Nach dem Sturz des Vorzeigesportlers Jan Ullrich musste sich jedoch vor allem die ARD neu besinnen. In den letzten Jahren war immer wieder Kritik wegen des Teamsponsoring laut geworden, nun gab es keine Ausreden mehr. Auch Ullrich-Biograf Hagen Boßdorf musste sich distanzieren, womit er wenig Probleme zu haben schien.
„Der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber war außer sich, als er vom neuesten Doping-Skandal erfuhr: „Das hat mit Sport nichts mehr zu tun.“ Wenn es nach seinem ersten Impuls gegangen wäre, hätte man die Live-Übertragung der Tour abgebrochen, bevor sie begonnen hatte. Auch der für solche Entscheidungen zuständige Programmdirektor Günter Struve wollte die „ganze verlogene Veranstaltung“ am liebsten vom Bildschirm verbannen.“ Intendant Fritz Raff des Saarländischen Rundfunks mahnte jedoch erst einmal zu Abwarten, „die generelle Ächtung einer Sportart ist mir nicht in den Sinn gekommen“. … Boßdorf wiederum sagt, er fühle sich unabhängig genug, um den Fall zu kommentieren. Das Buch gemeinsam mit Ullrich zu schreiben sei „ein Fehler gewesen“. So etwas würde er – wie die Auftritte im Dienst von Sponsor Telekom – nicht mehr machen. „Ich habe dazugelernt.“ Der Auftritt bei den „Tagesthemen“ war mit Programmchef Struve abgesprochen. Der hatte Boßdorf einst auch die Genehmigung für das Ullrich-Buch erteilt und die Erlaubnis für den Telekom-Nebenjob gegeben. Heute wäre es ihm lieber, Boßdorf hätte beides nicht gemacht.“(der Spiegel, 10.7.2006)
Intendant Raff erläutert im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 7.7. seine abwartende Haltung.
„Raff: … Wir haben umfassend über Doping berichtet: noch wenige Tage vor dem Start der Tour mit einem exzellenten Feature im Ersten, das bereits als Schulungsgrundlage für Anti-Doping-Seminare angefragt wird. Aber zugegeben: In unserer umfangreichen Live-Berichterstattung ist vielleicht bei einzelnen der Eindruck entstanden, wir hätten uns nur um die aktuellen Ereignisse gekümmert.
SZ: Vielleicht auch deshalb, weil ARD-Sportkoordinator und Tour-Kommentator Hagen Boßdorf kein publizistisches Aushängeschild ist. Er hat über und mit Jan Ullrich ein Buch verfasst, in dem das Thema Doping zu kurz kam.
Raff: Ich halte dieses Buchprojekt für falsch. Wenn ich vorher gefragt worden wäre, hätte ich Hagen Boßdorf davon abgeraten. Gerade im Radsport mit den schon seit längerem bekannten Dopingpraktiken ist solch eine enge Verbindung eines Journalisten mit einem Fahrer nicht ratsam.
SZ: Wie glaubwürdig ist Boßdorf noch, wenn er jetzt in der ARD als Ankläger von Ullrich auftritt?
Raff: Der für die Tour-Berichterstattung federführende SR hat seit vielen Jahren mit Uli Fritz einen anerkannten Dopingexperten im Team. Von daher sollte sich die öffentliche Wahrnehmung nicht so sehr auf Boßdorf konzentrieren.
SZ: Früher gab es bei der Tour ein gegenseitiges Sponsoring von Telekom und ARD. Ullrich hat sogar die Eins auf dem Trikot getragen. Darauf ist die ARD heute wohl nicht mehr stolz?
Raff: Wir haben im Nachhinein gesehen, dass das zu vielen falschen Schlussfolgerungen Anlass gab und das auslaufen lassen. Ich bin froh, dass die ARD und die Telekom mit T-Mobile auf verschiedenen Seiten stehen und dass wir uns völlig unbefangen begegnen können.“
Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht öffentlich bekannt, dass zwischen der ARD und Erik Zabel sowie Jan Ullrich Exklusivverträge bestanden. Hagen Boßdorf hatte sich wohl verplappert, als er die Kündigung der Verträge erwähnte. Jan Ullrich wurde seit 1999 jährlich eine sechsstellige Summe überwiesen.
„Laut „Süddeutsche Zeitung“ will bei der ARD kaum jemand etwas von den „Mitwirkendenverträgen“ gewusst haben. Sportkoordinator Boßdorf, der auch Ullrichs Biografie „Ganz oder gar nicht“ schrieb, sagte jedoch, den Vertrag hätten zumindest die Sportchefs des Senders gekannt. Die aber erklärten, nicht mit der Sache in Verbindung gebracht werden zu wollen – und auch nie davon gehört zu haben. Der Intendant des Saarländischen Rundfunks, Fritz Raff, betonte, dass er den jüngsten Ullrich-Vertrag auch nicht gekannt habe. …
Je besser er fuhr, umso mehr Geld floss auf sein Konto: Für einen Tour-Sieg waren noch einmal 65.000 Euro vereinbart. Für einen Erfolg bei der Deutschland-Tour standen Ullrich 40.000 Euro zu, ein Podestplatz brachte 20.000 Euro ein. Bei einem Nicht-Antreten bei den beiden Rundfahrten waren Abzüge von 40.000 Euro beziehungsweise 25.000 Euro fällig.
Als Ullrich 2002 das erste Mal unter Dopingverdacht geriet, setzte die ARD die Zahlungen an den Radsportler aus. In dem Vertrag gab es einen Passus, dass bei erwiesenem Doping der Kontrakt gekündigt wird. Das Geld erhielt Ullrich von der Rechteagentur Sport A, ein Gemeinschaftsunternehmen von ARD und ZDF. Doch beim ZDF scheint niemand etwas von diesem Vertrag zu wissen, sagte ein Sprecher gegenüber der „FAZ“.“ (der Spiegel, 5.9.2006)
„Zum Leistungskatalog gehörten auch Features und Homestories, die Ullrich beim Training auf Mallorca und im Kreis seiner Lieben in mildes Licht rücken sollten. Den Deal hat der einstige Sportchef des Saarländischen Rundfunks, Werner Zimmer, eingefädelt. … Das Geld kam dem Vernehmen nach von Werbepartnern und Sponsoren des Senderverbunds und nicht direkt aus Gebührengeldern, wie ARD-Sprecher gegenüber der Berliner Zeitung betonen.“ (Berliner Zeitung, 6.9.22006)
Auf der Kippe stand nach diesen Turbulenzen die Deutschland-Tour, deren Übertragung 2008 von ARD und ZDF infrage gestellt wurde (der Spiegel, 22.11.2006).
nach der Tour
T-Mobile kündigte noch vor Ende der Tour de France die Verträge mit Oscar Sevilla, Jan Ullrich und Rudy Pevenage. Olaf Ludwig beklagte sich allerdings darüber, dass die Kündigung solch Aufsehen erregte.
„…jetzt stehen wir hier und reden nur über die Kündigung. Hier [bei der Tour] werden Leistungen vollbracht, vor denen eigentlich jeder den Hut ziehen müßte, und ich bin stolz auf unsere Mannschaft. Aber diese Leistungen treten eindeutig in den Hintergrund, nur weil ich jetzt die Kündigung ausgesprochen habe. Da bin ich der Meinung, daß das nicht sein sollte.“ (FAZ, 23.7.2006)
Nun sollen auch Mazzoleni und Sinkewitz aufgefordert worden sein, ihre Zusammenarbeit mit Dr. Ferrari aufzugeben (dpa, 7.7.2006).
Ende des Monats wurde dann bekannt, dass sich T-Mobile Ende Oktober 2006 von Olaf Ludwig trennen wird. Die Gründe wurden nicht offen mitgeteilt, doch es scheint über die Zeit zwischen Fahrern und Teamleitung zu ernsten Meinungsdifferenzen gekommen zu sein. Inwieweit das Thema Doping dabei eine Rolle spielte, bleibt unklar, möglicherweise wurde Ludwig von Seiten des Sponsors eine zu lasche Haltung unterstellt. (FAZ, 1.8.22006) Nachfolger Ludwigs wurde Bob Stapleton, Mitbegründer und Vorstand von Voicestream Wireless und Eigner der Gesellschaft High Road Sports Inc., der Betreiberin des T-Mobile Teams der Frauen.
„Die neue Tochter der High Road, Neuer Straßen Sport GmbH mit Sitz in Köln, wird künftig im Auftrag von T-Mobile International als Betreibergesellschaft des Männerteams fungieren.“ (der Spiegel, 30.7.2006)
Bob Stapleton galt, wie es den Anschein hat, als glaubwürdig, der erklärte Neuanfang scheint ihm abgenommen worden zu sein. Rolf Aldag gehörte zum Betreuerstab, verantwortlich für die Sportler, die Universität Freiburg mit den Ärzten Heinrich und Schmid wurde die Leistungsdiagnostik übertragen.
„Vor allem besitzt Aldag etwas, was für T-Mobile angesichts des Generalverdachts, der über dem Radsport lastet, extrem wertvoll ist: Glaubwürdigkeit. Nie kam er in den Ruch, gedopt zu haben. „Ich bin“, sagt er, „wohl das kleinste Übel.“ … Ein Jahr lang wird es weniger um den Rennerfolg gehen als um das Image, ein sauberes Team geworden zu sein. Ein Jahr haben sie Zeit, sich zurechtzufinden in einer sich wandelnden Szene.“ (der Spiegel, 18.9.2006)
Am 29.9.2006 verkündete das neue T-Mobile-Team ein neues ambitioniertes >>> Antidoping-Programm, Teamarzt Lothar Heinrich erläutert darin die Ziele. Team CSC kündigte für 2007 ebenfalls ein teaminternes Antidopingprogramm an.
Aktionismus zeigte der Bund Deutscher Radfahrer, der seine Maßnahmen gegen Doping verschärfte und der DOSB stellte einen Aktionsplan gegen Doping vor. Das heiß diskutierte Antidopinggesetz blieb jedoch Makulatur.
Oskar Sevilla und T-Mobile einigten sich am Ende des Jahres außergerichtlich. Sevilla wollte gegen die Entlassung zu Beginn der Tour klagen. Jan Ullrich erhielt nach seiner Suspendierung eine Abfindung von T-Mobile über 250 000 €. Andreas Klöden begrüßte ein konsequenteres Durchgreifen in Sachen Doping:
„Für mich steht sowieso außer Zweifel, daß die Systeme erweitert werden sollen, daß Geld für bessere Kontrollen bereitgestellt werden soll, damit keiner mehr irgendwelche Schlupflöcher findet. Die Sportler müssen auf alle Fälle abgeschreckt werden zu manipulieren. Und die Strafen sollen sehr hoch sein, von mir aus sechs, sieben Jahre Sperre.“ (FAZ, 19.9.2006).
2007 wechselte er zu Vinokourovs Team Astana, wo er Walter Godefroot wieder traf, der hier als Sportdirektor neu angestellt war.
Jan Ullrich konnte zwischenzeitlich einen kleinen Erfolg erzielen. Das Landgericht Hamburg untersagte Werner Franke öffentlich zu behaupten, Ullrich habe an Fuentes eine hohe Summe bezahlt. Zwei Strafanzeigen gegen Ullrich liefen jedoch unabhängig davon weiter. Zum einen hatte Franke Ullrich
„bezichtigt, wider besseres Wissen eine eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben, wonach er nichts mit der Affäre um Fuentes zu tun habe. Das aber stehe im Widerspruch zu den Unterlagen der Guardia Civil, … Der Dopingexperte hatte zudem erklärt, es sei sogar bekannt, über welche Bankkonten Ullrich Geld nach Spanien transferiert habe.“ (der Spiegel, 13.9.2006)
Zum anderen hatte Britta Bannenberg, Kriminologin und Professorin an der Universität Bielefeld, im Juli bei der Staatsanwaltschaft Bonn Strafanzeige erstattet gegen Jan Ullrich, Oscar Sevilla, Rudy Pevenage und andere wegen
„Betruges zum Nachteil der T-Mobile AG“ und den ehemaligen Sportlichen Leiter des T-Mobile-Teams wegen „Betruges und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz“ an. … „Es dürfte davon auszugehen sein, daß Ullrich T-Mobile über die Verwendung unerlaubter Substanzen getäuscht hat und diese aufgrund entsprechenden Irrtums Gehalt und Prämien an ihn ausgezahlt haben“, schreibt die Juristin in ihrer Strafanzeige. In Bezug auf Pevenage erklärt sie: „§ 6a Arzneimittelgesetz verbietet es, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden . . . § 95 Abs. 3 AMG (Arzneimittelgesetz) sieht für einen besonders schweren Fall eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren vor.“ (FAZ, 20.7.2006).
Die Dopingermittlungen kamen nur schleppend voran. Die Wohnungen und Geschäftsräume von Godefroot, Pevenage und Ullrich wurden durchsucht doch Ergebnisse wurden nicht bekannt. Die sportrechtlichen Ermittlungen verliefen schleppend und standen sogar fast vor dem Aus, da Ullrich seine Lizenz zurückgegeben hatte und aus Spanien keine Akten kamen. In Spanien stand Doping noch nicht unter Strafe und so gab es strafrechtlich kaum eine Handhabe. Die größten Hindernisse ergaben sich aber über die Jahre hin durch Blockaden aus der spanischen Politik und Verbänden.
Team Telekom/Team T-Moble und Doping: Hier geht es zu den Jahren:
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